Edgar Bones | NIEMAND
„Das ist Edgar Bones... Bruder von Amelia Bones, ihn und seine Familie haben sie auch erwischt, war ein großartiger Zauberer..."
Alastor Moody zu Harry Potter (Orden des Phönix, S. 208)
𝙽𝙸𝙴𝙼𝙰𝙽𝙳
Das einzige, was übrig blieb, waren die verkohlten und an den Rändern ausgefransten Überreste einer Kinderzeichnung. Selbst unter den dunklen Aschespuren konnte man noch das helle Gelb der strahlenden Sonne, das leuchtende Grün der Bäume und das sanfte Blau eines Sees zu sehen. Darüber, in ungelenken und krakeligen Buchstaben, Für Daddy und ein riesiges Herz.
So unschuldig. So kindlich. So jung. Und dennoch tot.
Niemand ist sicher.
Sie kommen in der Nacht.
Dann als niemand mit ihnen rechnet, denn in den letzten Wochen war es ruhig. Zu ruhig. Es wiegt alle schon Sicherheit, dass die Zeitungen frei sind von den schrecklichen Berichten und der immer länger werdenden Listen der Todesopfer und Vermissten.
Edgar genießt die Zeit.
Zum ersten Mal seit langem hat er wieder Zeit abends mit seinen Kindern zu spielen, sie überhaupt mal wieder zu sehen. Sonst muss er immer so lange im Ministerium arbeiten, dass sie schon im Bett sind und schlafen. Isobel, seine Frau, erzählt ihm immer wie sehr die Kinder ihn vermissen und es bricht ihm das Herz, das er nicht mehr für sie da sein kann.
Aber ist es nicht zu ihrem Besten, dass er so lange arbeitet?
Dass er die ganze Zeit dafür arbeit, dass seine Kinder in einer besseren Welt leben können? Irgendwann werden sie es verstehen. So hofft er zumindest. Irgendwann werden sie verstehen, dass es in ihrer Welt mal einen Krieg gegeben hat und dass ihr Vater für sie gekämpft hat.
Doch jetzt sind sie zu klein um auch nur zu wissen was um sie herum geschieht. Das einzige was die zwei Kleinen kümmert ist, dass sie nicht mehr so lange draußen spielen und ihre Freunde nicht mehr sehen dürfen. Sie haben keine Ahnung vom Krieg und so soll es auch bleiben. Sie sollen nicht noch ihre Unschuld verlieren, nicht so wie viele andere Kinder, die ihre Familien in diesem scheinbar endlosen Krieg verloren haben.
Aber jetzt will er nicht daran denken.
Heute ist ein viel zu schöner Tag und seine Kinder beanspruchen zu sehr seine Aufmerksamkeit. Die Sonne scheint und so spielen sie im Garten. Isobel sitzt auf einer Decke unter dem großen Kirschbaum, der schon in voller Blüte steht, und spielt mit ihrem zwei Jahre alten Sohn Aidan, während Edgar quer durch den Garten rennt und versucht seine Tochter Teresa einzufangen, die laut kichert. Für ihre fünf Jahre ist sie ziemlich schnell.
Endlich hat er sie eingeholt und packt Teresa, so dass er sie hochheben kann. Teresa kreischt und lacht, während sie mit ihren Beinen in der Luft trampelt um ihren Vater dazuzubringen sie wieder runterzulassen. Aber er lässt sie nicht los, will sie am liebsten niemals loslassen und sie auf ewig beschützen vor der Welt da draußen. Er kitzelt sie und lauscht ihrem fröhlichen Lachen. Er liebt es sie so glücklich zu hören.
Es lässt ihn vergessen.
Er kann vergessen, dass er da draußen auf dem Schlachtfeld war und die Sterbensschreie von Freunden und Feinden gehört hat. Seine Tochter lacht und er erinnert sich daran, dass es auch Gutes gibt.
Er kann vergessen, dass so viele schon gestorben sind. Dass er nichts hatte tun können und manchmal hilflos daneben stehen musste. Weil seine Kinder so voller Leben sind.
Er kann vergessen, dass er irgendwann wieder Dumbledores Ruf folgen und sein Leben riskieren wird. Dass da draußen der Krieg tobt. Weil nur das Hier und Jetzt zählt.
Er kann vergessen, dass er schon so viel Schmerz und Trauer und Verlust gespürt hat. Weil er einfach so verdammt glücklich ist.
„Daddy, Stopp", schreit Teresa und reißt ihn aus seinen Gedanken. Er lächelt und setzt sie auf dem Boden ab. Sofort rennt sie zu Isobel herüber und er folgt ihr langsam. Schwerfällig lässt er sich neben seine Frau auf die Decke fallen, was ihr nur ein Lachen entlockt. Aidan kommt auf wackeligen Beinen an und will mit seinem Vater spielen.
„So könnte es immer sein", sagt er mehr zu sich selbst, doch Isobel hat ihn gehört. Ein Schatten huscht über ihr hübsches Gesicht, denn sie weiß nur zu gut, dass es eben nicht so ist. Und er weiß es eigentlich auch. Aber in Momenten wie diesen ist es so einfach zu glauben, dass es den Krieg nicht gibt und dass sie alle sicher sind.
Aber niemand ist sicher.
Denn sie kommen in der Nacht.
Edgar hat seinen Kindern gerade die letzte Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen und endlich schlafen sie, sie sind viel zu aufgedreht, weil ihr Vater den ganzen Tag dagewesen war. Teresa, fast schon am Schlafen, drückt ihm noch eine Zeichnung in den Hand und wispert: „Lieb dich."
Er gibt beiden einen Kuss auf die Stirn, zupft die Decken zurecht, verjagt die Monster unter dem Bett ohne zu wissen, dass es das letzte Mal ist. Er genießt es, dass er jetzt noch ein paar Stunden alleine mit seiner wundervollen Frau hat. Manchmal wundert er sich wie sehr man einen Menschen lieben kann und dass er niemals ohne sie leben will. Aber es macht ihm auch Angst, weil er soviel Angst um sie und die beiden Kleinen hat. Er hatte schon viele schlaflose Nachte deswegen verbracht und tausend Pläne ausgearbeitet, was er tun konnte, damit sie alle sicher waren.
Die Zeichnung knistert in seiner Hand und erinnert ihn daran warum er das alles tat. Er faltet das Papier auf und muss lächeln. Vorsichtig streicht er über das riesige Herz und das krakelige Für Daddy. Auch wenn er schon tausende Zeichnungen seiner Kinder hat, freut er sich über jede einzelne. Diese hier faltet er zusammen und steckt sie in seine Hemdtasche.
Er gibt Isobel einen Kuss auf die Stirn und setzt sich neben sie. Sie kuschelt sich an ihn und er schlingt die Arme um sie.
„Schlafen sie endlich?", fragt Isobel leise. Als er zustimmend murmelt, sagt sie: „Sie haben sich wirklich gefreut, dass du heute so viel Zeit mit ihnen verbracht hast."
Er seufzt. „Ich wünschte ich könnte öfters hier sein."
„Ich auch", sagt sie leise. „Auch wenn ich weiß wie wichtig deine Arbeit ist."
„Ich verspreche, dass ich öfters da sein werde." Wenn es doch nur so einfach wäre.
Isobel streicht sanft über sein Gesicht. „Komm nur heile wieder."
„Versprochen." Er küsst sie, wie um sein Versprechen zu besiegeln.
Doch alle Versprechen nützen nichts, denn niemand ist sicher.
Der Tod kommt nachts.
Er weiß nicht wie viele es sind. Sie tragen Masken und dunkle Umhänge, zu feige um ihr wahres Gesicht zu zeigen.
Isobel ist die erste, die sie töten. Sie stirbt mutig, ihren Zauberstab in der Hand, bereit die Kinder zu verteidigen, aber sie ist machtlos.
Er muss ansehen wie sie die beiden Kleinen töten. Sie zwingen ihn dazu, er kämpft und kämpft gegen seine Fesseln an, doch sein Körper ist schwach nach dem Folterfluch. Die Schreie hallen in seinen Ohren und die Tränen fallen. Er hört wie die ersten Flammen an seinem Haus fressen, bevor er nur noch grünes Licht sieht.
Er merkt, dass tausend Pläne nicht genug sind um die Personen zu retten, die er liebt.
Er merkt, dass sie ihn zwar einen großartigen Zauberer nennen, doch er machtlos ist gegen diejenigen, die ohne Regeln spielen.
Er merkt, dass es ihnen egal ist, wie alt, unschuldig oder gut jemand war. Weil sie einfach töten.
Er merkt, dass die Monster nicht unter dem Bett sind, sondern vor ihm stehen.
Denn niemand ist sicher.
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Ich habe es endlich geschafft einen 3. Teil zu schreiben :) Ich bin wirklich gespannt was ihr davon haltet...
Ich danke allen von euch, die die letzten Teile so fleißig kommentiert haben und andauernd gefragt haben ob ich weiterschreibe :)
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