1-Veränderung
Beliok, Zamra und Morirok waren auf dem Weg nach Hause. Sie hatten das minimalistisch gebaute Schulgebäude längst hinter sich gelassen und liefen nun an einem der zwei großen Flüsse entlang.
Valertos lag still vor ihnen, die Straßen waren in Abendröte gehüllt. Die untergehende Sonne spiegelte sich auf dem Wasser.
Eine Weile gingen die drei Zwölfjährigen still nebeneinander her. Sie waren ein zusammengewürfelter Haufen.
Beliok hatte unter und um ihre Augen herum schwarze Schuppen, die trotz ihrer braunen Haut Haut hervorstachen, des Weiteren waren ihre Augäpfel pechschwarz, wodurch ihre blauen Augen hervorstachen. Sie trug ihre liebste violette Jacke, darunter ein schwarzes Shirt und einen gelben Rock.
Morirok war die einzige der drei mit blauer Haut, schwarzen Sommersprossen und gelben Augen, das Gelb füllte ihre Augen gesamt aus. Sie trug oft weiße Kleider, mit pinken Schuhen welche schon fast auseinander fielen. An ihren spitzen Ohren hingen silberne herzförmige Ohrringe. Ein Geschenk ihrer Mutter Crux, bevor diese verschwunden war.
Zamra war die einzige die Hörner und spitze Zähne hatte. Ihre Hörner wurden von ihren roten, langen Haaren umspielt. Seit neustem trug sie immer öfters schwarze Hoodies und weiße, lange Hosen und, wie ihre Mütter fanden, viel zu viele Ringe.
Immer wieder musste Zamra zu den anderen beiden aufholen. Obwohl sie die größte war, ging sie am gemächlichsten. Morirok als die kleinste ging am schnellsten.
Beliok gähnte ausgiebig. Letzte Nacht hatten die schwarzen Schuppen in ihrem Gesicht angefangen zu schmerzen, sie war mehrmals aufgewacht.
Des Weiteren schien der Unterricht mit jedem Tag anstrengender zu werden. Die Pausen, in denen die drei verschiedenste Kartenspiele spielten, schienen jeden Tag kürzer zu werden.
Ihre Gedanken begannen zu wandern, sie würde wie immer ihre Hausaufgaben machen, wenn nicht wieder irgendwelche Fremden da waren. Die sorgten immer für eine gedrückte Stimmung.
„Kann es sein, dass du in letzter Zeit schlecht schläfst?", die Frage kam von Zamra. Beim Sprechen zeigten sich ihre spitzen Eckzähne.
Beliok antwortete nicht, denn sie hatte die Frage überhört.
„Hast du immer noch solche Probleme mit Mathe?", fragte Zamra weiter.
Immer noch keine Antwort.
„Beliok?", Moriroks Stimme riss sie aus ihren Gedanken.
„Bitte?"
Sofort wandte Morirok sich an Zamra.
„Da hast du deine Antwort, sie schläft schlecht."
„Ja...meine Schuppen tun weh."
„Meine Hörner haben auch wehgetan, als sie sich entwickelt haben", sagte Zamra.
„Hat es sich so angefühlt, als würde...dein Kopf zerrissen werden?", eine plötzliche Aufregung schwang in Belioks Stimme mit.
„Ja."
Es setzte wieder eine Stille ein, diesmal war sie mit einer Unstimmigkeit versetzt.
Schließlich verabschiedeten die drei sich an derselben Kreuzung, wie immer.
Als Beliok die Wohnungstür öffnete, hörte sie gedämpfte Stimmen aus der Küche. Die Fremden waren wieder da. Das Mädchen verzog ihr Gesicht. Trotzdem beschloss sie in die Küche zu gehen.
Ihren Eltern saßen zwei Fremde gegenüber. Beliok konnte sich nicht daran erinnern, die beiden je gesehen zu haben. Die Fremden hatten dieselbe dunkelblaue Haut und spitze, lange Ohren. Die Farben in ihren Augen füllten die Augäpfel ganz aus. Im Gegensatz zu Beliok und ihren Eltern, die alle schwarze Augäpfel mit einer farbigen Iris hatten.
Die Ältere der Fremden stand auf, als das junge Mädchen hereinkam. Sie hatte schwarze Locken und ihr Gesicht war von weißen Punkten übersät. Weiters trug sie ein schlichtes schwarzes Shirt mit blauen Jeans.
Das junge Mädchen hatte, wie Beliok einige Schuppen in ihrem Gesicht, vor allem unter ihren Augen, nur waren ihre eisblau.
„Beliok. Wie war die Schule?", fragte ihre Mutter, Jeryn breit lächelnd. Ihre andere Mutter, Elyon lächelte zwar, blieb jedoch still sitzen und warf immer wieder Blicke zu den Fremden.
„Ganz gut, wer sind Sie?", Beliok wandte sich an die Fremde.
Die ältere Frau lächelte.
„Ich bin Angyonne. Eine Freundin deiner Eltern."
Das Mädchen wollte gerade fragen, wer die zweite Person war, da erhob Elyon das Wort.
„Beliok, könntest du in dein Zimmer gehen?"
Ohne Widerrede ging das Mädchen, sie würde sich eh langweilen, wenn die Erwachsenen über ihr Erwachsenen Zeug sprachen.
◇─◇──◇─◇
„Elyon, wie lange willst du es noch vermeiden?", fragte Angyonne sobald die Küchentür geschlossen war.
„Solange es geht. Ich lasse nicht zu, dass ihr mein Kind in eure Familienfehde zieht."
„Aber Beliok- und ihre Freundinnen- könnten es beenden. Für immer, und ihr drei könntet danach einfach als normale Familie weiterleben", Angyonne wurde ungeduldig.
Sie hatte Zamras Mütter mit Leichtigkeit überzeugen können, doch die Ascetten-Familie war stur. Leider lag es außerhalb ihrer Macht, die Kinder direkt zu fragen.
„Nein!", sagte Elyon bestimmt und lehnte sich nach vorne.
„Wollt ihr es nicht mindestens versuchen, sie zu überzeugen?", fragte das Mädchen. Alle Blicke wandten sich zu ihr. Bis jetzt war sie still gewesen.
Elyon schätze sie nicht älter als siebzehn. Wieso, dachte Angyonne daran ein Kind mitzunehmen?
„Wie sollen wir unserem Kind erklären, dass es mitten im Jahr Schule wechseln muss?"
Wortlos hielt Angyonne den beiden einen roten Umschlag hin. Auf ihm prankte ein goldenes Siegel.
„Ihr habt von ihrer Schule erfahren, dass sie in ein spezielles Förderprogramm aufgenommen wurde, unter anderem um ihren Umgang mit ihrer Magie zu verbessern. Ihre Freundinnen haben das Angebot bereits angenommen."
Misstrauisch betrachtete Elyon den Brief und wandte sich ihrer Frau zu.
„Jeryn, was meinst du?"
Für einige Herzschläge starrten alle gebannt auf Jeryn. Ihr Blick war starr auf ihre Hände gerichtet.
„Ich denke-", sie machte eine Pause.
„Wie weit würdet ihr Beliok in eure Fehde ziehen? Ihr würdet sie nicht in Kämpfe verwickeln?"
Elyons Augen weiteten sich.
„Nein, natürlich nicht. Wir könnten jedoch dafür sorgen, dass sie ihre Kräfte besser kontrollieren kann."
Tödliche Stille trat ein.
Mit einem Mal kam Elyon das Angebot nicht mehr so schlecht vor. Denn es stimmte, dass niemand wusste, wie sie mit Belioks unstabilen Kräften umgehen sollten. Vor allem nicht das zwölfjährige Kind selbst.
Elyon erinnerte sich nur zu gut an die letzten Wochen, in denen Beliok ihre Kräfte immer wieder von neu unter Kontrolle bringen musste. Immer wieder hatten die Schuppen in ihrem Gesicht angefangen, Magie durchsickern zu lassen. Belioks Schreie hallten immer noch in ihren Ohren.
„Könnt ihr, ihr wirklich helfen?"
„Wir haben die besten Ausbilder sind auf unserer Seite", erneut hielt Angyonne den beiden Frauen den roten Umschlag hin.
Beide griffen wortlos danach.
◇─◇──◇─◇
Ohne etwas zu verstehen, starrte Beliok auf ihre Hausübungen. Die Zahlen und Buchstaben schienen sie auszulachen. Immer wieder versuchte sie in die Küche zu lauschen, doch anscheinend hatte jemand einen Schweigezauber über die Tür gelegt.
Genervt ließ das Mädchen sich in ihren Drehstuhl zurückfallen. Sie fragte sich, worum es in diesen Gesprächen ging. Ihre Mütter waren sonst nicht so ernst. Normalerweise hätten sie jetzt vielleicht einen Film zusammen gesehen. Oder Beliok hätte von ihren Siegen in Zero erzählt.
Nein, die Fremden waren wieder da und sie waren noch fremder als sonst. Sie wusste, dass ihre Mütter den restlichen Abend schlecht gelaunt sein würden.
Erneut warf sie einen Blick auf ihre Hausübungen, die Zahlen lachten sie immer noch aus. Mit viel zu großer Wucht schleuderte Beliok ihren Stift auf den Tisch und stand auf. Mathe konnte warten.
Sie griff nach ihrem Telefon und sah drei verpasste Anrufe von Zamra. Es musste wichtig sein, denn sonst hätte Zamra eine Nachricht geschrieben.
„Du hast angerufen?"
„JA! Rate mal, was passiert ist!", rief das andere Mädchen aufgeregt.
Beliok drehte sich in ihrem Stuhl.
„Keine Ahnung."
„Ich werde Schule wechseln, es ist so ein tolles Internat mit drei Stockwerken und Gärten und und...es sieht aus wie ein Schloss und-"
Beliok hörte nur den ersten Teil. Zamra wollte Schule wechseln? Furcht breitete sich in ihrem Körper aus, ließ sie zittern und erstarrten zugleich, ihr Herz schlug wie wild gegen ihre Brust.
„Und meine Eltern haben gesagt, dass deine Eltern gesagt haben, dass du auch wechselt!", Beliok fiel beinahe aus ihrem Stuhl.
„WAS?", rief sie. Zamra wurde still. Beliok fühlte sich schlecht geschrien zu haben.
„Du... weißt es noch nicht?"
Es war für einige Momente still, dann klopfte es auf einmal an Belioks Zimmertür. Jeryn stand wenige Momente später in der geöffneten Tür.
„Ich werde Schule wechseln?", fragte sie mit weit aufgerissenen Augen.
„Es wird nicht so schlimm, sie können dir dort besser wegen deiner Magie helfen-", Jeryn machte eine Pause.
„Und außerdem -wie du gerade erfahren hast- werden deine Freundinnen auch dort sein."
Jeryn sah ihr Kind an und strich sanft durch ihre kurzen, dunkelblauen Haare. Im Stillen hoffte sie, dass Angyonne nicht gelogen hatte. Schließlich musterte sie ihre Tochter aufmerksam. Sie wirkte blasser als sonst, wodurch die dunklen Schuppen noch sichtbarer wurden.
„Wann werde ich wechseln?", fragte das Kind vorsichtig.
„Morgen Abend. Die Direktorin persönlich wird euch drei abholen."
„Morirok kommt auch?"
Jeryn lächelte breit und nickte.
Beliok seufzte tief. Wieso hatten ihre Eltern das Thema nie vorher erwähnt? Sie fühlte sich mit einem Mal erschlagen und müde.
„Ok", antwortete das Mädchen, kaum hörbar.
„Ich lege mich dann schlafen", fügte sie noch leiser hinzu.
Beliok legte sich nicht schlafen, sie lag zwar in ihrem Bett, doch ihr Kopf war zu voll um zu schlafen. Sie hatte viel zu viele Fragen, doch keine stand besonders heraus in ihrem Gedankenchaos.
Als Beliok am nächsten Tag aufwachte, fand sie, zu ihrem eigenen Erstaunen, dass ihr Frust vom Vortag verschwunden war. Irgendwie, um fünf Ecken, freute sie sich sogar darauf Schule zu wechseln. Sie war endlich ihre nervige Mathelehrerin los und ihre einschläfernde Musiklehrerin.
Natürlich bestand die Chance, dass sie an der neuen Schule schlimmere Lehrerinnen bekam.
Die drei Familien trafen sich bei Morirok zu Hause, denn sie hatten die größte Wohnung. Beliok hatte irgendwann aufgehört zu fragen, warum eine Mutter und eine Tochter, zwei Stockwerke benötigten.
Das Warten war unerträglich.
Zu dritt saßen die Kinder in Moriroks Zimmer und spielten Zero. Jedoch hing eine Wolke der Ungewissheit über ihnen. Keine von ihnen war wirklich bei der Sache und keine wollte das Spiel unterbrechen, um die unangenehmen Dinge anzusprechen.
„Mädchen!", rief plötzlich eine Stimme von unten.
Sofort sprangen die drei wie von der Tarantel gestochen auf und stürmten nach unten.
Zu Belioks Überraschung stand Angyonne vor ihnen. Sie war die Direktorin? In einer Hand hielt sie einen silbernen Stab, mit goldenen Verzierungen, auf dessen Kopf eine kleine, violette Kugel saß.
„Seid ihr nervös?", fragte sie, die drei Mädchen. Diese nickten und versuchten Blickkontakt zu vermeiden.
„Ihr müsst nicht nervös sein, folgt mir", Angyonne machte eine Handbewegung, hinter ihr erschien ein grelles Licht.
Beliok fragte sich, wo diese neue Schule sein sollte, wenn sie einen Portalzauber dafür anwenden musste.
Ein letztes Mal vergrub Beliok sich, in den Schultern ihrer Eltern.
Sie hörte ein leises Schluchzen von Moriroks Mutter.
Zu viert gingen sie in das Licht.
Beliok spürte ein warmes Kribbeln auf ihrem Körper, sie war nicht oft mit einem Teleport Zauber an andere Orte gebracht worden.
Langsam löste das Licht sich auf und sie standen auf einer Wiese.
Beliok stand der Mund offen, Zamra riss ihre Augen auf und Morirok blinzelte einige Male.
Vor ihnen befand sich ein Ring aus hellroten Steinhäusern. Ihre Aufmerksamkeit wurde von dem mittigen auf sich gezogen. Es war das höchste aller Gebäude.
Der beleuchtete Eingang war von schneeweiße Säulen umgeben, das Gebäude war mit aufwendigen bunten Verzierungen bemalt und es befanden sich pinke Palmen und Büsche vor ihnen.
„Willkommen auf dem Voukine-Internat!", sagte die Direktorin feierlich.
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