Ohne Titel Teil8

„Hallo Amelie. Verzeih mir, dass ich doch nicht im Büro war, wie ich es dir versprochen habe!"

Joel umarmte Amelie und gab ihr einen väterlichen Kuss auf die Stirn.

Amelie lächelte leicht.

„Das mach doch nichts. Aber was wollen wir hier?"

Joel hakte sich bei ihr unter.

„Du weißt, was ich früher war? Ich meine, bevor ich wieder ein Mensch wurde?"

Amelie nickte etwas zögerlich.

„Dad hat mir etwas erzählt. Sie waren ein Sonnenjäger?"

Er nickte ernst.

„Ja, aber nicht freiwillig. Offenbar hat Jason dir nicht die komplette Geschichte erzählt. Du weißt ja, dass Magic ein Mondjäger ist. Nun, die Sonnenjäger waren sozusagen die Wächter des Tages. Und sie erledigten ihren Job gut, bis ein gewisser Dimitri den Orden übernahm. Er verlangte von uns, dass wir Experimente an den armen Geschöpfen vornehmen."

Amelie nickte leicht. Sie wusste nicht, worauf der Professor hinaus wollte.

„Nun, ich sehe, dass du etwas verwirrt bist."

Amelie holte Luft.

„Ja, ich weiß nicht genau, warum ich die Geschichte hören sollte. Die Sonnenjäger sind aufgelöst worden und ich kann verstehen warum."

Joel seufzte.

„Die Sonnenjäger waren nicht immer schlecht. Wie ich schon gesagt habe, ergänzten sie die Mondjäger."

Sie sah ihn erstaunt an.

„Sie meinen, sie wären nicht böse darum, wenn es den Orden wieder geben würde?"

Er lachte leise, was trotzdem durch die Gewölbe hallte.

„Nein, ich wäre nicht böse darum. Aber darauf wollte ich gar nicht hinaus. Jason, also dein Vater, hat mir von diesem Nephilin erzählt. Auch ihnen ist Unrecht getan worden, obwohl die ersten Nephilin wirklich keine netten Geschöpfe waren."

Er führte sie an eine Tür und öffnete sie. Er führte Amelie in den Raum und sie blieb erstaunt stehen. Es war eine Art Waffenkammer, wie sie es auch von zu Hause her kannte. Lange Speere, Schwerter und alle Arten von Messern waren sorgfältig in Regalen verstaut. Amelie ging auf ein Regal zu und nahm ein Messer in ihre Hand. Die Klinge des Messers sah anders aus. Sie leuchtete regelrecht und schien durchsichtig zu sein.

„Aus welchem Material besteht die Klinge?", fragte sie neugierig.

Joel lächelte wissend.

„Was du hier siehst, sind alles Waffen der Sonnenjäger. Es sind geheilige Gegenstände. Tödlich für alle Unterweltbewohner. Sie passen sich den Gegnern immer an. Greife einen Werwolf an und sie verwandelt sich in Silber. Ein schnitt in eine Dämonenhaut und er wird daran verrecken!"

Schnell legte Amelie das Messer wieder ins Regal, doch er nahm das Messer wieder und legte es in ihre Hände.

„Nephilin sind helle Geschöpfe. Eigentlich. Deinem Beschützer wird nichts durch diese Klinge geschehen. Aber den anderen, die dich vielleicht bedrohen. Lerne damit um zu gehen."

Er ging wieder zur Tür.

„Eines solltest du noch wissen, Amelie. Du hältst dich für schwach, weil du ein Mensch bist. Aber lass dir eines gesagt sein. Alle Sonnen- und Mondjäger waren Menschen. Denke mal darüber nach!"



Tyr betrachtete das Messer, das Amelie vor ihn auf den Tisch gelegt hatte.

Amelie hatte sich ihn gegenüber gesetzt und betrachtete ihn gespannt.

„Und? Ist es ein geweihter Gegenstand?"

Tyr zuckte mit den Schultern und berührte die Klinge vorsichtig mit der Fingerspitze. Sofort schrie er laut auf und verzog schmerzverzerrt das Gesicht.

„Meine Güte! Ich habe es kaum berührt und schau dir das an!"

Er zeigte ihr den Finger.

Er war geschwollen und gerötet, als ob Tyr schon wochenlang eine Entzündung in dem Finger hätte.

Amelie stand auf und schüttete Desinfektionsmittel über den Finger, was ihn noch mehr aufstöhnen ließ.

„Lass es, Mädchen. Gib mir Blut! Schnell!"

Amelie rannte an den Kühlschrank und holte einen Blutbeutel heraus. Sie wollte ihn noch schnell erwärmen, aber Tyr nahm ihn ihr aus der Hand und riss ihn mit den Zähnen auf. Schnell nahm er ein paar Schlucke und der Finger heilte langsam wieder. Aber es ging nicht so schnell, wie man es eigentlich von einem Vampir gewohnt war.

„Verdammte Scheiße! Das ist ein geweihter Gegenstand. Lass das Ding nur schnell verschwinden!"

Amelie ließ das Messer schnell in ihren Rucksack verschwinden. Sie hätte nie vermutet, dass dieses einfache Messer wirklich so eine wahnsinnige Wirkung hatte.

Tyr jammerte immer noch etwas vor sich hin, was gar nicht zu dem starken Krieger passte, der er eigentlich war.

Amelie mochte Tyr. Er war fast so alt wie ihr Vater, wurde aber mit siebzehn gewandelt. Seine Vorfahren waren Wikinger gewesen und eigentlich war er eigentlich falsch in der keltischen Garde. Aber er war in der Beziehung immer sorglos. Mit ihm verstand sich Amelie am besten.

„Von wem hast du das Messer?", fragte er sie jetzt.

Amelie setzte sich ihm wieder gegenüber und öffnete eines ihrer Bücher. Sie hatte eigentlich vorgehabt zu lernen und Tyr wollte auf der Spielkonsole spielen. Doch das Messer hatte nun alle Pläne zunichte gemacht.

„Professor Kellerberg hat es mir gegeben!"

Tyr schnaubte unwirsch.

„Das hätte mir klar sein sollen. Auch wenn er sich mit deinem Dad gut versteht, hasst er eigentlich Vampire. Ein typischer Sonnenjäger eben! Denen konntest du damals schon nicht trauen!"

Amelie lachte.

„Ach, jetzt mach aber einen Punkt. Er versteht sich auch mit Flynn und der ist ja ein Vampir."

Wieder ein Schnauben von Tyr.

„Flynn war auch ein Sonnenjäger. Ihm traue ich auch nicht!"

Amelie lehnte sich nachdenklich zurück.

Es war ihr schon aufgefallen, dass Flynn und Isabeau gute Freunde ihrer Eltern waren, aber bei den anderen Vampiren eher nicht so gut angesehen wurden. Flynn war zwar ein hervorragender Arzt, aber er war damals eben ein Sonnenjäger gewesen. Auch Isabeau war zum Teil ein Sonnenjäger. Amelie wusste aber nicht, warum das so war. Beide konnten, obwohl sie Vampire waren, tagsüber in die Sonne. Zwar nur etwa eine Stunde, aber immerhin. Auch deswegen trauten ihnen die Vampire nicht über den Weg. Das die beiden überhaupt in den Katakomben geduldet wurden, lag wohl eher an ihren Eltern.

„Warum hasst du die Sonnenjäger, aber nicht die Mondjäger?", fragte sie Tyr.

Er zuckte mit den Schultern.

„Wenn man mal von ihren scheiß Experimenten absieht? Nun, erst einmal waren es immer nur Männer. Sie kleideten sich teilweise sogar wie Mönche!" Er beugte sich leicht zu Amelie vor. „Männer, die jahrelang kein Sex haben...das ist nicht gesund, Mädchen!"

Amelie achte schallend.

„Du magst sie nicht, weil sie keine Frauen gevögelt haben?"

Tyr zuckte mit den Schultern.

„Das ist der Hauptgrund. Ich habe einige Sonnenjäger gesehen. Duncans Bruder Lennox wurde von zehn Sonnenjägern vernichtet. Sie hätten sich nie auf eine Allianz eingelassen, so wie die Mondjäger das jetzt tun! Sie waren so...stur und bigott! BÄH! Seien wir froh, das Helios sie vernichtet hat!"

Amelie runzelte die Stirn.

„Du bist ungerecht, Tyr. Soviel ich weiß, wurde Mum von einem Sonnenjäger großgezogen."

Tyr nahm den letzten Schluck Blut aus dem Beutel.

„Und was hatte er, als er wieder ein Mensch wurde? SEX! Komm schon, Prinzesschen. Du musst zugeben, dass meine Theorie nicht ganz abwegig ist!"

Amelie musste sich zusammen reißen, dass sie nicht schallend los lachte, denn das hätte Duncan stutzig gemacht und es wäre vorbei mit dem harmlosen Geplänkel.

Tyr war wirklich einmalig. Er hielt sagte meist was er dachte.

Obwohl er so jung gewandelt wurde, sah er aus wie ein richtiger Mann. Gut, leichte kindliche Züge hatte er immer noch, aber das machte ihn für die Frauen noch attraktiver. Es verging kaum eine Woche, ohne das er sich mit mindestens drei Frauen vergnügte. Und das nur, wenn er eine schlechte Woche gehabt hatte. Wenn es aber ums Kämpfen ging, war er immer auf dem Punkt bereit. Er stand bereit, meist mit einem frechen Grinsen im Gesicht und nachlässiger Kleidung. Amelie hatte sogar gehört, dass er einmal zu einer Schlacht kam, nur mit einer Jeans bekleidet. Und die hatte er noch nicht einmal zugeknöpft gehabt. Kaum war die Schlacht zu Ende, war er wieder ins Bett zu der Frau gehüpft und hatte es ihr die restliche Nacht so richtig besorgt. Na ja, so hatte er sich wenigstens ausgedrückt.

Das nun gerade der sorglose Tyr so über die Sonnenjäger sprach, befremdete Amelie etwas.

„Es gab also Unterschiede zwischen Mond- und Sonnenjäger? Außer dem Sex meine ich.", hakte sie noch einmal nach.

Tyr sah von seiner Konsole hoch.

„Selbstverständlich! Sie waren nie müde, mussten nie schlafen. Sie konnten Tag und Nacht auf die Jagd gehen. Sie waren auch die Einzigsten, die geweihte Gegenstände benutzen konnten. Aber sie hatten nie Spaß. Helios führte in der Beziehung ein hartes Regiment. Sie sollten die reinen Geschöpfe bleiben, die er erschaffen hatte. Ich denke, er wollte sie den Engel gleichsetzen. Was Blödsinn ist! Sie töteten andere Lebewesen. Da ist nichts Reines dran!"

Da musste Amelie ihm Recht geben.

Töten hatte nichts Reines. Es war dunkel, auch wenn man ein Lebewesen umbrachte, das es augenscheinlich verdient hatte.

„Jetzt solltest du aber lernen, Mädchen. Und hör mir mit den Sonnenscheißern auf. Es gibt sie nicht mehr und das ist gut so!"



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