Kapitel 7

Duncan hörte Amelies Schrei, stoppte seinen Lauf  und fluchte. Er hatte es geahnt, dass heute etwas passieren würde. Er hatte es im Gespür gehabt. Verdammt, er hatte die Kleine nur einen Augenblick aus den Augen gelassen und sie hatte ihn wieder herein gelegt. Und nun steckte sie in Schwierigkeiten!

Ava, seine Herrin, würde ihm persönlich den Kopf abreißen. Und er hätte es auch verdient.

Vor über zwanzig Jahren hatte er ihr den Schwur abgegeben, dass er Ava und ihre Familie beschützen würde. Nun hatte er versagt!

Er zog sein Schwert und rannte in Richtung aus den er den Schrei vermutete. Dann roch er den Gestank. Einen Moment wunderte er sich.

Schwefeldämonen!

Was machten die hier in dieser Gegend?

Er erreichte die Ruine und erkannte sofort, dass der Balkon hinunter gestürzt war.

Verflucht! Er hatte gewusst, dass Amelie sich oft hier aufhielt und er hatte persönlich diese Ruine überprüft. Immer und immer wieder! Der Balkon war fest verankert gewesen! Nur rohe Gewalt hätte ihn so aus den Verankerungen reißen können, dass er hinabstürzte.

Er stürzte auf den Schutt zu.

„Amelie!"

Wie besessen ließ er sein Schwert fallen und packte die ersten Steine, die er achtlos hinter sich schmiss. Auch die nächsten fielen meterweit hinter ihn auf den gepflegten Rasen.

„Amelie! Komm schon, Mädchen! Wo bist du?"

Immer mehr Steine verschwanden, aber er fand Amelie nicht.

„Ein Vampir, der sich als niederer Arbeiter entpuppt. Und ich dachte, ich hätte schon alles gesehen."

Duncan erstarrte.

Vor lauter Panik hatte er nicht auf seine Umgebung geachtet. Böser Fehler.

Langsam stand er auf und drehte sich um. In der Zeit wandelte er sich in seine Kampfgestalt. Er schielte auf sein Schwert, das er vor ein paar Minuten weg geworfen hatte. Noch ein Fehler!

Vor ihm standen vier Schwefeldämonen. Und sie kamen ihm sehr bekannt vor.

„Olias! Was zur Hölle tust du hier? Und wo ist das Mädchen?"

Der größte trat einen Schritt vor.

„Duncan! Ich bin überrascht. Ich hätte nie gedacht, dass ich dich hier treffe!"

Duncan schnaubte böse.

„Jeder trifft eine Entscheidung. Meine war gut!"

Olias lächelte, was eher wie eine Grimasse aussah, da er in Dämonengestalt war.

„Bist du dir da so sicher? In der heutigen Zeit ist jeder, der sich für den dunklen Fürst entscheidet, lebt gefährlich!"

Duncan fiel die Kinnlade herunter. Jason hatte geahnt, dass irgendwas faul war, aber das es jemand auf ihn abgesehen hatte, dass ahnte er nicht. Aber eine Frage brannte Duncan auf der Zunge.

„Wenn ihr es auf den dunklen Fürsten abgesehen habt, warum habt ihr das Mädchen angegriffen?"

Olias wackelte etwas mit dem Kopf.

„Der dunkle Fürst ist nicht unser Auftrag! Sondern seine Kinder!"

Duncan zischte böse auf.

„Habt ihr keine Ehre mehr? Ihr macht euch an Kinder heran?"

Olias zuckte mit der Schulter, doch Callum, den Duncan ebenfalls kannte, lachte laut auf.

„Ein Halbdämon, ein Werwolf und eine Nymphe! Ich denke, sie können sich gut wehren und sind schon lange keine Kinder mehr! Bis auf den Mensch und das Halbwesen dürfte es interessant werden, sie zu vernichten."

Duncans Kiefer knirschte.

Natürlich waren sie alle Unterweltwesen, aber relativ normal aufgewachsen. Er war immer noch der Meinung, dass es absolut unehrenhaft war.

„Deswegen habt ihr euch als erstes das Mädchen vorgenommen? Sie war einfach zu vernichten, oder? Ihr seid Feiglinge!"

Olias verdrehte genervt die Augen.

„Ihr ist nichts passiert. Bevor sie aufgeschlagen ist, hat sie ein Wesen aufgefangen. Ein Wesen mit Flügeln, weiß wie euer Schnee!"

Duncan horchte auf. Ein Wesen? Mit Flügeln?

Olias bemerkte seinen erstaunten Blick.

„Ja, ein Wesen! Seltsam. Ich dachte sie wären ausgestorben. Aber es war tatsächlich ein Nephilin."

Duncan musste gegen seinen Willen lächeln. Also hatte er sich eigentlich keine Sorgen machen müssen. Der Nephilin beschützte Amelie! Und er hatte sie in Sicherheit gebracht!

Er wusste, dass jetzt sein Ende nahte. Aber es war ihm egal. Er hatte ein langes Leben gehabt und die letzten Jahre waren ein gutes Leben gewesen. Und er wusste jetzt, dass sein Schützling einen Beschützer hatte. Dieser Nephilin...er würde auf sein Mädchen aufpassen!

Ja, er hatte seinen Auftrag erfüllt! Er hoffte nur, dass Ava ihm nicht zürnen würde.

„Bringen wir es hinter uns!" Seine Stimme war leise.

Olias blickte ihn fast bedauernd an.

„Es ist schade, dass dies dein Ende sein soll, Duncan. Aber du hast richtig erkannt, dass du keine Chance gegen uns hast!"

Duncan lächelte ihn böse an.

„Bevor ich das zeitlich segne, werde ich mindestens einen von euch mit in die Hölle nehmen!"

Sie lachten! Sie lachten ihn wirklich aus.

Duncan nutzte diese kurze Zeitspanne und rannte zu seinem Schwert.

Bevor die Dämonen es überhaupt mitbekommen hatten, schlug er Callum den Kopf ab und trieb das Schwert in seinen Körper. Blut spritzte auf seinen Tartan und Duncan lachte laut auf.

„Einen habe ich schon! Wer wird mich noch begleiten?"

Er griff die anderen an. Ja, er würde versuchen, so viele wie möglich mit in den Tod zu reißen.

Wieder hob er sein Schwert hoch über den Kopf und brüllte laut auf.

Sein Schrei wurde zu einem Gurgeln. Er spuckte Blut aus und wendete leicht seinen Kopf.

Verdammt!

Wo kam der fünfte Dämon her?

„Norick, du verdammter Schweinehund! Du hast mich verarscht!"

Der Dämon stand hinter ihm, immer noch den Speer in den Händen, den er von hinten in Duncan gestoßen hatte.

„Du hast nachgelassen, Schotte! Früher wären dir die Fehler nicht passiert!"

Bevor Duncan noch etwas erwidern konnte, stieß Norick den Speer weiter in sein Herz. Olias stand über ihn und hob sein Schwert.

„Wie schon gesagt: es tut mir leid um dich!"

Duncan sah das Schwert auf sich zukommen, dann wurde es schwarz um ihn.



Ava sank keuchend auf die Knie und hob sich eine Hand an die Brust. Jason rannte auf sie zu und hob sie auf.

„Was ist passiert, Geliebte?"

Ava schloss schmerzverzerrt die Augen.

„Duncan. Er...er ist tot! Ich kann es...spüren!"

Jason trug sie in ihre Suite und legte sie in das Bett. Er wusste, dass sie Recht hatte. Er selbst spürte von jedem die Gefühle, der in seinem Clan war.

Kurz schloss er die Augen.

Er war nicht immer mit dem sturen Schotten klar gekommen, aber sein Tod würde eine schwere Lücke hinterlassen.

„Wie kann ich es spüren?", flüsterte Ava.

Jason strich ihr über das Gesicht und küsste leicht ihre Stirn.

„Er war Mitglied deines Clans. Du bist die Herrscherin, die Fürstin! Du spürst den Verlust!"

Tränen strömten über ihr Gesicht. Jason nahm sie in seine Arme und versuchte sie zu trösten. Dennoch beschäftigte ihn eine Frage.

„Amelie?"

Sie weinte an seiner Brust, schüttelte aber den Kopf.

„Nein! Sie war nicht bei ihm!"

Leise schniefte sie.

„Er hatte keine Angst! Duncan war bis zu seinen letzten Atemzug tapfer. Ich bewundere ihn! Aber gleichzeitig bedauere ich ihn auch. Sein letzter Gedanke galt mir und Amelie! Habe ich ihn so vereinnahmt, dass er kein eigenes Leben führen konnte?"

Jason legte seinen Kopf auf ihr Haar.

„Ja! Er war zu loyal, um an etwas anderes zu denkeWir werden ihn vermissen!"

Es klopfte energisch an der Tür.

Jason sah Ava kurz an.

„Soll ich Séitheach weg schicken?"

Sie schüttelte den Kopf.

„Nein. Er muss es erfahren!"

Jason nickte und bat den Anführer der keltischen Garde herein.

Séitheach war es unangenehm, dass er ins Schlafzimmer kommen sollte, aber als er Ava sah, verschwand der Unmut und Entsetzen trat ein.

„Wer?", fragte er nur.

Ava wischte sich über das Gesicht, blieb aber in Jasons Armen.

„Duncan!"

Séitheach stützte sich am Türrahmen ab.

„Duncan! Der Beste von uns! Das erklärt einiges!"

Jason blickte ihn fragend an.

„Was erklärt es?"

Séitheach riss sich zusammen und stand wieder kerzengerade.

„Es würde erklären, warum ein Nephilin mit Amelie in seinen Armen vor unserem Tor steht und Einlass begehrt!"

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