3. Kapitel
Fedor lümmelte sich auf einer Steinbank in diesem langweiligen Park. Scheiße! Das Leben war so langweilig geworden, seit von diesem Schlaf erweckt worden war.
Früher hatte es wenigstens Krieg unter den Unterweltbewohnern gegeben. Aber jetzt? Alles war Friede, Freude, Eierkuchen! War das öde!
Fedor hatte den Rat von Ares befolgt und hatte sich keinen Menschen genehmigt. Diese dämlichen Gottheiten hatten Recht gehabt. Mittlerweile gab es überall Blutbänke speziell für Vampire. Man musste nur für das Blut bezahlen. Und Geld hatte er mehr als genug.
Dennoch hatte er sich erlaubt unter den Menschen etwas herum zu spazieren. Nachdem er sich Blut genehmigt hatte, wurde ihm erst einmal bewusst, was für scheußliche Klamotten er an hatte. Eine helle Buntfaltenhose und ein blassrosa Hemd. Es war Fedor egal, ob das gerade Mode war. Er würde Loki dafür umbringen!
Sofort, als er diese Klamotten bemerkt hatte, zog er sich aus. Es war ihm egal, dass er mitten auf der Hauptstraße stand und die Menschen ihn anstarrten. So konnte niemand herumlaufen! Da lief er lieber ohne Klamotten herum!
Nackt, wie er war, ging er ins nächste Geschäft und kaufte sich Klamotten, die zu ihm passten. Nun fühlte er sich halbwegs wohl in schwarzer Jeans, schwarzen Shirt und dunkler Lederjacke. Die Angestellte des Klamottenladens hatte ihm gefallen und weil er so gut drauf war, hatte er sie in der Umkleidekabine durchgefickt. Ja, auch das hatte ihm gefehlt.
Früher, als er noch als oberster Fürst der Vampire galt, hatten ihm die menschlichen Edelleute immer irgendwelche Jungfrauen geschickt. Als Opfergabe sozusagen. Das hatte Spaß gemacht mit ihnen zu spielen, aber er war dem schnell überdrüssig geworden. Immer dieses Rumgezicke und die Hoffnung, er würde sie am Leben lassen.
Da waren ihm die erfahrenen Frauen schon lieber.
Er grinste vor sich hin.
Diese Verkäuferin war doch sehr erfahren. Das hatte er grinsend festgestellt. Deswegen hatte er sie auch am Leben gelassen. Gut, das war einer der Gründe gewesen. Der andere war, dass die Götter ihm geraten hatten, nicht zu sehr auf zu fallen.
Das hatte er eigentlich nicht vor.
Fedor wollte erst einmal beobachten.
Und das tat er im Moment.
Diese Halbwesen...verdammt, er musste zugeben, dass er sie interessant fand. Sie stellten keine Bedrohung für ihn dar.
Nein!
Fedor war klar geworden, das ihm dieses Fürstengeschwafel größenwahnsinnig gemacht hatte. Die Götter hatten damals schon Recht gehabt, ihn töten zu wollen. Irgendwie war er froh, dass Hel und Loki es nicht getan hatten. Froh, nicht dankbar. Soweit kam es noch.
Die beiden Arschlöcher hatten ihn aufbewahrt, ihn in einem Schlaf versetzt, außer Gefecht gesetzt. Als ob er eine Sache wäre und kein mächtiger Vampir, die man bei passender Gelegenheit wieder herauskramen konnte. Sie würden schon noch feststellen, dass er aus anderem Holz geschnitzt war.
Nein, vor den beiden hatte er keinen Schiss. Vor Ares hatte er aber Respekt. Keine Angst, aber diesem Gott traute er keinen Zentimeter.
Fedor kannte die Beweggründe nicht, die Ares in Bezug auf den dunklen Fürsten hatte, doch er würde jetzt nicht gleich zuschlagen. Erst wollte er wissen, was Ares vorhatte.
Er würde weiter beobachten.
Und dann entscheiden, was zu tun war.
„Ich glaube, ich habe mich verhört?"
Amelie starrte erstaunt Kian an.
Dieser schüttelte den Kopf.
„Nein! Dein Vater hat sich mit Séitheach zusammengesetzt und beide sind der Meinung, dass es besser wäre, wenn wir dir etwas beibringen würden." Er beugte sich nahe zu ihr. „Und ehrlich gesagt, bin ich derselben Meinung!"
Amelie schnappte empört nach Luft. Eigentlich mochte sie Kian, der vom Aussehen her ungefähr in ihrem Alter war, als Vampir jedoch schon etliche Jahre auf dem Buckel hatte. Aber das, was er ihr gerade eröffnet hatte war nicht sehr lustig.
„Ich soll also neben meinem Studium noch den Schwertkampf und den Nahkampf lernen? Das ist euer Plan?"
Raik, der hinter ihr auf der Wiese lag, lachte frech.
„Jetzt hab dich doch mal nicht so, Prinzessin! Deine Mutter hat das damals auch geschafft, Studium und Sport unter einen Hut zu bringen!"
Amelie schnaubte und warf einen Grasbüschel auf den unverschämten Kelten. Na ja, ein Kelte war er wahrscheinlich nicht gewesen, aber er hatte zumindest keltische Vorfahren gehabt. Wie alle, die in der sogenannten keltischen Garde, der Leibgarde ihrer Mutter, dienten.
„Meine Mutter hatte damals auch schon einige Jahre Erfahrung damit. Ich muss von vorne anfangen, weil ja euer toller Anführer vor ein paar Jahren gemeint hat, ich sollte kein Schwert in der Hand halten. Oder versuchen einen Kerl auf den Boden zu drücken."
Raiks Zwillingsbruder Gaheris grinste.
„Séitheach bereut diese Entscheidung mittlerweile. Und sieh es doch mal so, Prinzessin. Willst du die halbe Nacht mit uns hier im Park verbringen? Oder sollen wir dich bei Duncan absetzen? Was ist dir lieber?"
Amelie schnaubte.
„Ihr wisst genau, dass er mich zur Weißglut treibt mit seinen ständigen Ermahnungen und den Vorwürfen, wenn ich einmal nicht lerne!"
Kian legte ihr einen Arm um die Schulter.
„Er meint es nur gut. Auf seiner...nun ja...sehr speziellen Art, mag er dich. Er kennt dich schon seit du ein kleines Gör warst. Ich glaube, er meint immer noch, du bist so ein unschuldiges, hilfsbedürftiges Menschending, dass er beschützen muss."
Das befürchtete Amelie auch. Sie seufzte und legte ihr Buch auf die Seite.
Sie hatte sich schon gewundert, warum die drei hier bei ihr aufgekreuzt waren und nicht Duncan. Nun wusste sie es.
Wenn sie ehrlich sein sollte, hatte sie nichts dagegen, wenn sie ihr etwas über das Kämpfen beibringen würden. Aber dass ihr Vater und Séitheach gerade jetzt darauf kamen, das störte sie.
Sie konnte sich auch nicht vorstellen, wie sie sich gegen einen Nephilin wehren sollte, wenn er sie denn angreifen würde. Bisher hatte das Ding nämlich keine Anstalten dazu gemacht.
Ja, sie wusste, dass es sie immer noch beobachtete. Amelie wusste nicht warum das so war, aber sie spürte die Anwesenheit des Wesens. Gesehen hatte sie es allerdings nicht.
Gerade im Moment wurde sie wieder beobachtet.
Sie erhob sich von der Picknickdecke und sah sich unauffällig um. Sie sah niemanden.
Etwas enttäuscht darüber faltete sie die Decke zusammen und packte sie in den Korb.
„Also gut. Wo wollen wir denn trainieren?"
Gaheris zog einen langen Stock hinter seinem Rücken hervor.
„Wie wäre es mit hier?"
Er warf ihr den Stock zu und sie fing ihn mit Leichtigkeit auf.
Kian setzte sich zu Raik. Er hatte ihr Medizinbuch mitgenommen und schlug es nun auf. Amelie fragte sich einen Moment, warum er gerade darin las, als Gaheris auf sie zu gerannt kam. Ebenfalls einen Stock in den Händen.
„Mit welchem Fachausdruckwird die Knochenhaut bezeichnet?", fragte Kian.
Amelie wehrte den Schlag ab.
„Das darf nicht wahr sein! Was soll das?"
Raik grinste.
„Kämpfen und lernen! Wir schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe!"
Gaheris hatte sich schnell umgedreht und gab ihr nun ein Klaps auf den Po.
„Konzentriere dich und beantworte Kians Frage!"
Er setzte wieder zum Angriff an.
„Periost."
Sie wich Gaheris Schlag aus, indem sie sich auf den Boden warf.
Kian nickte anerkennend, während Amelie blitzschnell wieder aufstand.
„Auf welchem Knochen ruht der Schädel?"
Amelie drehte sich um und parierte Gaheris Schlag.
„Auf dem Atlas!"
Nun stand Raik ebenfalls auf und zog einen Stock hervor. Sie griffen sie zu zweit an, während Kian Fragen stellte.
Was ist in der Anatomie des Schädels mit frontal und occipital gemeint?"
Sie schnappte nach Luft, als beide Stöcke auf sie zu sausten. Sie lehnte sich zurück und die Stöcke verpassten sie nur um ein paar Zentimeter.
„Die Begriffe "frontal" und "occipital" sind Richtungsbezeichnungen. Frontal bedeutet in Richtung des os frontale. Occipital in Richtung des Hinterhauptsbeines."
Kian nickte anerkennend.
„Nicht schlecht."
Er beobachtete, wie die Zwillinge wieder Amelie an griffen. Komischerweise wich Amelie jedem Schlag aus, den sie ihr verpassen wollten.
„Du hast schon mal geübt, oder?"
Amelie nickte und wich Raik aus.
„Mum und Onkel Magic haben mich heimlich trainiert!"
Er legte das Buch weg und stürmte auf sie zu und hob eine Faust.
Amelie ließ sich in den Spagat fallen und donnerte nun ihre Fäuste auf seine Kniescheibe.
„Die innerste Kapselschicht der Gelenkkapsel nennt man Gelenkinnenhaut oder Synovialmembran."
Kian brüllte auf vor Schmerzen, als die Kniescheiben krachten.
Die Zwillinge lachten laut auf.
„Schau mal die Prinzessin an. Sie hat Kian wirklich mit einem Schlag fertig gemacht. Ava muss lange mit dir trainiert haben!"
Amelie grinste frech.
Natürlich hatte ihre Mum mit ihr heimlich trainiert, so das Dad es nicht mit bekam. Mum war in der Hinsicht um einiges cooler als Dad, der sie immer wie sein kleines Mädchen behandelte. Und Onkel Magic... er hatte es wahrscheinlich nur getan, um Dad zu nerven!
„Ihr verratet Dad aber nichts. Lieber hänge ich mit euch etwas ab, als mit Duncan."
Kian stand stöhnend auf.
„Von mir erfährt er nichts. Aber morgen wirst du es noch Tyr erklären müssen. Er soll dich nämlich in der Kampfkunst einweisen."
Amelie lachte leise.
Tyr war ihr von der ganzen Garde der Liebste. Mit ihm würde sie keine Probleme haben.
Aidan sah, wie die vier Leute die Sachen zusammen packten und den Park verließen.
Himmel, es war Nacht und sie trainierten hier in aller Öffentlichkeit. Das war sowas von dämlich. Eigentlich hätte er von den Vampiren etwas mehr Verstand erwartet. Da waren ja der Halbdämon und der Werwolf schlauer, als die drei Pfeifen!
Aber er musste zugeben, dass er von Amelies Können beeindruckt war. Sie hatte dem Vampir wirklich beide Kniescheiben zertrümmert. Das hatte er am Krachen feststellen können. Der Vampir konnte nur froh sein, dass er über so schnelle Selbstheilungskräfte verfügte. Ansonsten hätten ihn seine Kumpels nun nach Hause schleifen müssen.
Eines machte ihn jedoch stutzig!
Warum hatte Amelie immer wieder in seine Richtung geschaut?
Das war ihm nun schon einige Male aufgefallen. Sie schaute immer wieder in seine Richtung. Auch wenn sie beide in der Uni waren.
Wie konnte das sein?
Menschen konnten einen Nephilin nicht erkennen! Das war nun mal so! Für andere sah er wie ein normaler Mann aus.
Doch Amelie...sie schien ihn zu spüren! Meist lächelte sie leicht und drehte sich wieder weg, als ob sie ihm sagen wollte: ich weiß genau, dass du da bist!
Warum tat sie das? Vor drei Tage war sie noch ängstlich gewesen. Verdammte Scheiße, die ganze Familie hatte sich vor ihm gefürchtet. Doch irgendetwas hatte sich bei ihr geändert. War es die Tatsache, dass er sie nur beobachtete und nichts unternahm? Oder hoffte sie auf sein Mitleid, wenn er ihr doch etwas Schlimmes antun würde?
Aidan hatte keine Ahnung.
„Sie hat ein Gespür dafür, Aidan!"
Diesmal erschrak Aidan fürchterlich. Er war so in seinen Gedanken vertieft gewesen, dass er Nyx nicht hatte kommen hören.
„Nyx! Was tust du hier?"
Sie setzte sich neben ihn ins Gras.
„Sie haben Fedor erweckt!"
Aidan blieb einen Moment die Luft weg, dann fasste er sich rasch wieder.
„Sie waren wirklich so dumm? Bei allen Göttern, genauso wie du es schon vor Jahren gehört hast!"
Nyx nickte und senkte kurz ihren Kopf.
„Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn sie es gelassen hätten! Aber die legte Allianz, die der dunkle Fürst mit den Hexen eingegangen ist, die muss Ares sehr verärgert haben."
Sie sah Aidan nachdenklich an.
„Ich möchte, dass du ab jetzt sie nicht nur beobachtest. Sie weiß sowieso, dass du da bist."
Aidan nickte.
„Das habe ich bemerkt. Aber wie kann sie es spüren?"
Nyx lächelte leicht.
„Sie ist ein Crack-Kind. Ihre leibliche Mutter war eine Prostituierte, die in der Schwangerschaft nicht auf ihr Crack verzichtet hatte. Es wundert mich, dass die Kleine keinen Schaden genommen hat. Aber sie ist offensichtlich klug und hat auch sonst keine Beschwerden, wenn man von ihren gelegentlichen Wutausbrüchen absieht."
Aidan runzelte die Stirn.
„Woher weißt du das alles?"
Nyx grinste ihn an.
„Ich habe mich mit Ava angefreundet."
Aidan schnaubte.
„Na super! Dann könntest du ihr doch sagen, dass ich ihre Tochter nur beschütze! Sie braucht mir nicht ihre Söhne auf den Hals hetzen!"
Nyx schüttelte bedauernd den Kopf.
„Das kann ich leider nicht. Du weißt, dass ich dich eigentlich den Kumpels deines Vaters ausliefern müsste. Ich bekomme das aber nicht übers Herz. Auch wenn du es vielleicht nicht immer erkennst, du bist wie ein Sohn für mich. Ich bin mir nicht sicher, wie Ava darauf reagieren wird, wenn sie erfährt, dass ich einen Nephilin groß gezogen habe! Es muss vorerst noch geheim bleiben!"
Das sah Aidan ein. Er wusste selbst wie gefährlich seine Existenz war. Und er hatte Nyx viel zu verdanken. Er wollte sie bestimmt nicht in Gefahr bringen.
„Also soll ich mich unter die Studenten mischen. Ist es das, was dir so vorschwebt?"
Sie nickte, offenbar erleichtert, dass er ihre Gründe verstand.
„Mittlerweile fällst du nicht mehr unter den Menschen auf. Es gibt viele junge Männer, die so groß wie du sind."
Das war früher immer ein Problem gewesen. Aidan war zwar nicht mehr so groß, wie der ursprüngliche Nephilin, aber mit zwei Meter und zehn doch ganz beachtlich gewachsen. Noch vor fünfzig Jahren war das ein Problem. Nun nicht mehr.
„Ich kann mir schon denken, dass du schon alles in die Wege geleitet hast."
Nyx nickte und gab ihm eine Mappe.
„Hier findest du alle Unterlagen, die du morgen in der Universität benötigst. Ich habe deinen Namen dieses Mal nicht geändert. Bleibe noch etwas im Hintergrund, aber komme ihr näher als bisher. Ich weiß, dass Fedor schon hier ist. Er hat bisher nichts getan. Das kann sich aber jederzeit ändern."
Aidan verstand.
„Ich werde es erledigen, Nyx. Keine Sorge!"
Sie lachte leise.
„Das weiß ich, mein Kleiner!"
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