🔹Kapitel 5🔹
,,Sienna!“, trompete jemand mitten durch den Raum. Verwirrt blinzelte ich gegen die grelle Frühlingssonne und setzte mich in meinem ungemütlichen Bett auf. Im selben Moment realisierte ich wieder, was mir passiert war. Ich war entführt worden! Gestern. Im Laden. Und dann hatten sie mich in diesen Raum gebracht. Sofort kamen alle Erinnerungen an gestern wieder zurück.
Irgendwann musste ich schließlich wohl doch eingeschlafen sein, und obwohl das wahrscheinlich sehr spät gewesen sein musste, fühlte ich mich total ausgeschlafen und überhaupt nicht mehr müde.
,,Ich habe gestern noch ein Bierchen mit Simon getrunken und dann muss ich wohl eingenickt sein. Naja... jedenfalls wurde ich mitten in der Nacht wach, da mir eingefallen war, dass ich dich vergessen hatte. Ich bin dann nach oben gerannt und musste feststellen, dass du schon schläfst!“, redete der hereingekommene Matze munter, ,,aber gut, nun bin ich ja hier, hast du gut geschlafen?“
Stumm nickte ich. Dieser Typ war echt nicht zu fassen! An einem normalen Tag würde ich nun wahrscheinlich schon in der Schule sitzen und büffeln, kam darauf an, wie spät es gerade war. Da dies aber nun leider kein gewöhnlicher Donnerstag war, hatte ich natürlich nicht ansatzweise gut geschlafen, aber das wollte ich ihm nicht gleich jetzt unter die Nase reiben. Wenn er wenigstens ein paar Gehirnzellen hätte, würde er sich diese Frage auch selbst beantworten können!
,,Supi, willst du einen Tee oder lieber Kaffee oder was ganz anderes?“, fragte er mich mit extrem guter Laune.
Ich wollte gar nichts, nur nach Hause, meine liebe, süße Mutter umarmen und sie nie wieder beleidigen! Ich vermisste sie so sehr!
,,Ähm...Wasser, bitte...“, gab ich schließlich mit weinerlicher Stimme von mir. Wenn ich ihm sagte, dass ich eigentlich nichts trinken wollte, würde seine gute Laune wahrscheinlich sofort wieder bergab gehen, deshalb lies ich das lieber. Solange er nicht wütend war, würde er mir nichts tun, wie ich vermutete.
,,Kommt sofort, kleine Ballerina!“, flötete er und verschwand in der Tür. Er ließ sie offen stehen! Das war meine Chance, die Flucht zu ergreifen! Sollte ich oder lieber nicht?
Ohne richtig nachgedacht zu haben, stand ich auf und tapste auf Zehenspitzen zur Zimmertür. Hoffentlich erwischte er mich nicht! Sonst war ich geliefert! Schnell blickte ich den Flur entlang. Im Hellen war hier ehrlich gesagt gar nichts mehr grußelig, ein normales, altes Haus, in dem niemand mehr wohnte...
Ich schlich vorsichtig nach rechts und - knallte direkt gegen Matze, der gerade aus einem Nebenzimmer kam.
,,Was machst du denn hier? Hab ich dir das etwa gesagt? Antworte!“, schrie er aufgebracht. Er ließ den Becher mit Wasser fallen und sah mich mit stechenden Augen an. Scheiße, seine gute Laune war nun definitiv verdorben worden. Ich schluckte schuldbewusst. Dann antwortete ich ihm kleinlaut und mit zitternder Stimme: ,,Es... tut mir...leid...ehrlich! Aber... ich... wollte nicht abhauen...“
,,Ach ja? Und was wolltest du dann? Denkst du eigentlich, ich bin blöd?“, schnauzte er wütend zurück. Nun musste ich mir schleunigst etwas einfallen lassen, wer wusste schon, was er sonst mit mir anstellen würde?
,,Matze...ich... wollte dich...äh... suchen... und...weil...äh...“, stotterte ich eingeschüchtert, ,,ich...muss...ähm...auf Toilette!“ Erleichtert über meine “schlaue“ Antwort seufzte ich auf. So ganz gelogen war das nämlich gar nicht...
Matze's wütender Gesichtsausdruck verwandelte sich von Null auf Hundert wieder in ein Grinsen. Verlegen und noch ein bisschen verängstigt schaute ich auf den Boden.
,,Aha...also...ich weiß nicht, ob ich dir das glauben soll, aber heute ist einfach ein super-schöner Tag! Deshalb, liebe Sienna, werde ich dir gnädiger Weise verzeihen! Aber warte in Zukunft bis ich wieder im Zimmer bin, klar?“, verkündete er mir nun wieder amüsiert. Er war einfach unschlagbar, was das Gefühle-wechseln anging. Ich nickte brav wie ein Schoßhündchen und schaute in seine wunderschönen blauen Augen.
Wäre er nicht so ein Idiot und ein bisschen jünger vielleicht, dann hätte ich mich glatt in ihn verlieben können.
,,Komm mit...“, meinte er nur und drehte sich um. Um weiteren Stress am frühen Morgen zu vermeiden, folgte ich ihm ohne lange Diskusion, schließlich hatte ich noch den ganzen restlichen Tag vor mir. Bei diesem Gedanken lief es mir eiskalt den Rücken herunter.
Während er mit mir die langen Gänge entlang lief, fragte ich ihn scheinheilig, wie viel Uhr es denn wäre.
,,8:56 Uhr“, antwortete er nach einem kurzen Blick auf seine Armbanduhr, ,,warum fragst du?“
Er blieb stehen und ich krachte bereits zum zweiten Mal an diesem Tag mit ihm zusammen.
,,Ähm...“, stotterte ich, ,,nur so...“ Ich merkte, wie ich krebsrot anlief.
Er schenkte mir noch einen verwirrten Blick, bevor er wieder weiterging. Ich kam mir ziemlich dämlich vor, ihm ständig hinterher zu laufen, es war beinahe so, als wäre ich sein Hund und er mein Herrchen...
Endlich blieben wir vor einer der Millionen Türen dieses Hauses stehen. Ausnahmsweise stieß ich dieses Mal nicht gegen ihn, ich war ihm nämlich mit Sicherheitsabstand gefolgt.
,,Jetzt geh mal schön auf Klo, aber sperr nicht ab, klar?“, erklärte er mir grinsend. Ihm schien das hier alles wohl wahnsinnig viel Spaß zu machen...
Warum sollte ich nicht absperren? Wollte er mir nun etwa auch noch beim Pinkeln zu sehen? Hoffentlich nicht...
Zögernd ging ich in das Badezimmer.
,,Ich warte draußen!“, verkündete er mir, als ich drinnen war.
Hoffentlich würde er sich wenigstens daran halten!
Etwas beschämt zog ich meine Hose runter und setzte mich auf die Schüssel. Obwohl ich in der Tat Pipi musste, wollte es nicht aus mir herauskommen. Ich hatte so Angst, dass Matze plötzlich hereinkam! Ein paar Tropfen konnte ich schließlich herauspressen, mehr aber auch nicht. Es war zum Verzweifeln!
Schnell wusch ich mir die Hände und starrte in den Spiegel. Man, warum passierte immer mir so etwas? Ich war wohl echt ein unglücksanziehender Magnet!
Vor der Tür wartete Matze schon ungeduldig auf mich.
,,Dauer das bei dir immer so lange?“, grinste er herausfordernd. Er musste echt immer irgendetwas Dummes sagen, sonst war er nicht glücklich, oder? Ich verdrehte meine Augen. Die Tatsache, dass mein Urin noch immer nicht vollständig aus mir draußen war, machte es mir nicht gerade einfacher.
Aber gut, er würde mich später schon nochmal gehen lassen, da war ich mir ziemlich sicher.
Er führte mich nun einen komplett anderen Weg entlang, als wir gekommen waren. Im Dunkeln sah man gar nicht, wie groß dieses Haus doch war!
Irgendwann kamen wir in einer Art Küche an. Dort stand dieser Simon, den ich noch nicht so gut kannte, am Herd. Er kochte sich ein Spiegelei, soweit ich das erkennen konnte. Simon wandte sich um, als er uns eintreten hörte und seine großen Augen verfinsterten sich zu schmalen Schlitzen, als er mich erblickte.
,,Mäusschen, setz dich an den Tisch und bleib einfach ruhig, ja?“, meinte Matze nun liebevoll zu mir. Irgendwie war seine Stimme so gefühlsvoll, so warm! Im Vergleich zu Simon war Matze echt hübsch! Okay, ich sollte aufhören! Er war schließlich mein Entführer!
Ich setzte mich dorthin, wo er mir aufgetragen hatte und beobachtete die beiden Männer leise.
Simon musterte mich noch kurz, doch dann widmete er seine volle Aufmerksamkeit Matze.
,,Guten Morgen, Schatz!“, sagte er und Matze antwortete dasselbe. Schatz? Hatte ich richtig gehört? Sie umarmten sich gegenseitig. Und dann... dann küssten sie sich! Mir blieb der Mund offen stehen vor Verwunderung!
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