🔹Kapitel 4🔹
Matze trat direkt hinter mich und schloss die Tür. Er fummelte umständlich an seiner Hosentasche herum und ich schaute ihm amüsiert dabei zu. Sein Handy in der linken Hand machte die Sache nicht einfacher.
,,Halt mal und leucht' mich an!“, befahl er mir und drückte mir das Mobiltelefon in die Hand. Brav wie ich war, befolgte ich seine Anweisung ohne Widerworte, zum Einen, weil ich nicht die geringste Lust dazu verspürte, die Nacht gefesselt auf einem unbequemen Bett zu verbringen!
Zum Anderen, da ich einen erneuten Schlag auf den sowieso schon schmerzenden Schädel vermeiden wollte.
Endlich war er fertig und hielt triumphierend einen Schlüssel in die Höhe.
,,Wow...“, entfuhr es mir genervt. Ich wollte eigentlich einfach nur schlafen, ich war hundemüde, mein Kopf tat noch immer weh und dieser Matze hatte nichts Besseres zu tun, als mir seinen wahnsinnig schönen Schlüssel zu präsentieren! Ich verdrehte bedeutungsvoll die Augen. Matze schaute mich verwirrt an.
,,Was denn? Der ist von meiner Oma!“, meinte er etwas beleidigt. Ich seufzte und begann zu begreifen, dass er dieses Haus wohl von seiner Großmutter geerbt haben musste und niemand aus seinem Bekanntenkreis wusste davon, weshalb hier der perfekte Ort war, eine Geisel festzuhalten.
Matze sperrte schwungvoll die Tür zu und verkündete gut gelaunt:
,,Heute kommt hier keiner mehr rein, geschweige denn raus!“
Ich wollte etwas dazu sagen, doch mir fiel einfach nichts Gutes ein. Man, war das ein dummes Gefühl!
Er nahm mir das Handy ab und machte die Taschenlampe aus. Es war nun komplett dunkel und ich begann leicht zu zittern.
,,Hast du Angst?“, fragte Matze flüsternd.
Stumm nickte ich, obwohl mir klar war, dass er mich nicht sehen konnte. Ich
spürte ein leichtes Streifen an meiner Hand, Matze suchte meine Nähe.
Ich tastete vorsichtig nach seinem Arm und griff danach.
,,Gehen wir ins Bett?“, hauchte er mir leise zu. Ich konnte seinen Atem auf meinem Kopf spüren.
Wieder nickte ich, obwohl er mich immer noch nicht sehen konnte. Ich war so unglaublich müde, diese Dunkelheit machte es nicht gerade besser.
,,Gut“, raunte er mir geheimnisvoll zu. Hä? Konnte der etwa im Dunkeln sehen? Hilfe! Ich hatte doch gar nichts gesagt!
Behutsam fasste er mein Handgelenk und schlich in der Dunkelheit nur langsam in Richtung Bett. Mich zog er dabei hinter sich her. Ich dachte an meine arme Familie zurück. Bestimmt wussten sie inzwischen schon längst von meiner Entführung. Meine arme Mutter! Sie würde sich so schreckliche Vorwürfe machen! Und die ganze Nacht heulend auf einem Stuhl verbringen...
Sie tat mir so leid...
,,Kannst du dich vielleicht mal beeilen?“, schimpfte er scharf mit mir. Ups, während ich nachdachte, war ich unbemerkt stehen geblieben!
,,Kannst du vielleicht nicht so fest drücken?“, gab ich wütend zurück. Eigentlich war es ja gar nicht so fest, aber irgendwie wurde ich immer schon wegen jeder kleinsten Kleinigkeit sauer, wenn ich so müde war, wie jetzt.
,,Sorry“, murmelte Matze vor sich hin und ließ meinen Arm komplett los. Hilfe, nun wusste ich überhaupt nicht mehr wohin! Warum tat er mir das nur an? Ich wollte schlafen, wenigstens 5 Minuten! War das so schwer zu verstehen?
,,Wohin soll ich gehen?“, fragte ich schläfrig und unterdrückte ein Gähnen. Schließlich musste ich, trotz meiner verdammt blöden Situation, auf meinen Körper hören und der sagte mir nun seit einigen Minuten, dass er schlafen wollte!
Ich vernahm ein kurzes Kichern von dem total nervigen Matze und erhielt keine Antwort. Er machte mich wahnsinnig! Was wollte er denn von mir? Gerade war es irgendwie... naja... romantisch, als er nach meiner Hand tastete und nun? Er machte immer alles wieder kaputt mit seiner bescheuerten Art!
,,Wie heißt du eigentlich?“, fragte ich genervt, obwohl ich das eigentlich schon wusste.
,,Matthias...“, bekam ich nun endlich als vernünftige Antwort, ,,aber nenn mich Matze, das machen alle. Ich hasse Matthias. Das erinnert mich immer so an meine Mum, als sie sauer war und mich geschimpft hatte!“ Ich konnte zwar nichts sehen, aber ich spürte irgenwie, dass er schon wieder dieses Lachen im Gesicht hatte.
Plötzlich hörte ich ein paar Schreie von unten. Ich zuckte erschrocken zusammen und Matze fasste meinen Arm wieder.
,,Was ist...los?“, fragte ich verwirrt. Obwohl ich es vermeiden wollte, zitterte meine Stimme genauso arg wie der Rest meines zierlichen Körpers.
,,Keine Sorge, das muss Simon sein. Achso... Simon ist mein Freund, er hat uns gefahren...“, kam es von Matze. Nun klang er wieder so lieb! Ich wurde einfach nicht schlau aus diesem Typen!
Warte mal... hatte er wirklich “Freund“ gesagt? Meinte er seinen festen Freund? War er etwa... homosexuell? Schwul? Oder meinte er einfach nur einen Kumpel, also normalen Freund? Vielleicht war er auch single oder in einer “normalen“ Beziehung... Es gab jedoch immer mehr Schwule, auch, wenn ich davon nicht viel hielt, ändern konnte ich das leider auch nicht...
,,Matze!“, brüllte jemand von unten. Beschützend führte er mich zum Bett und ich setzte mich darauf. Man, war das eine unbequeme Matratze! Ich merkte jede einzelne Feder, darauf konnte ich unmöglich gut schlafen! Okay, Hauptsache war, dass ich heute überhaupt noch zum Schlafen kam. Alles andere war mir im Moment offen gestanden egal.
Matze flüsterte etwas in mein Ohr, was ich nicht wirklich verstanden hatte. Die einzigen Worte, die ich hören konnte, waren “Schlaf schonmal“ und “Ich komm gleich!“
Dann stand er auf, nahm sein Handy aus der Tasche, knipste die Taschenlampe an und sperrte die Tür wieder auf.
,,Ich dachte, hier geht heute keiner mehr raus?“, meinte ich frech. Das musste einfach sein. Er fand schließlich auch immer irgendetwas an mir, dass er in dumme Sprüche umwandeln konnte, da verkraftete er dieses eine Mal schon...
Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Ich biss mir verlegen auf die Lippen. Vielleicht war das doch keine so gute Idee gewesen, wie ich dachte. Okay, was hatte ich denn erwartet? Nichts. Ich hatte nicht einmal richtig nachgedacht, einfach drauf los geredet...
,,Du bist echt ganz schön frech für dein Alter...“, meinte er nun wieder grinsend, ,,schlaf jetzt, morgen sehen wir weiter!“
Anschließend schloss er die Tür und für einen kurzen Augenblick dachte ich schon, er würde das Zusperren vergessen und ich könnte abhauen, doch dann hörte ich das unverhoffte Klicken des Türschlosses.
Seufzend und hundemüde ließ ich mich auf das Bett fallen. Es hatte zwar weder Kissen, noch Decke, aber es half ja sowieso nichts. Ich benutze meine Jacke als Kissen und kalt war mir sowieso nicht mehr. Es war erstaunlich warm in diesem Raum, im Vergleich zu dem restlichen Haus.
Schlapp drehte ich mich auf die rechte Seite, auf welcher ich am liebsten einschlief, und versuchte, meine Augen zu schließen. Nun ja, das funktionierte leider nicht so, wie ich es mir erhofft hatte, denn kaum waren sie zu, kamen alle Gedanken in mir hoch. Die Spinnweben über mir, meine Eltern, meine Geschwister, meine Freunde, die Schule, meine jetztige Situation, einfach alles. Verzweifelt öffnete ich meine Augen wieder. Beim Gedanken an die Spinnen, die hier überall krabbelten, war es mir sogar recht lieb, dass es hier kein Licht gab, denn im Dunkeln konnte ich sie zum Glück nicht erkennen.
Erneut startete ich einen Einschlafversuch, aber mit einem Mal wurde mir richtig schlecht. Ich würde doch nicht krank werden? Nicht jetzt! Nicht hier!
Okay, ich vermutete, dass es eine verspätete Schockreaktion war. Schließlich wurde man nicht alle Tage entführt!
Vielleicht lag es auch daran, dass ich schon so lange nichts mehr gegessen hatte oder kam es von dem langen Auto-Fahren?
Zuhause hätte ich nun eine Übelkeitstablette von meiner Mutter bekommen und meine Geschwister hätten mal wieder einige blöde Sprüche rausgelassen. Bei dem Gedanken musste ich irgendwie lächeln. Meine Familie war schon süß, dass musste ich ihnen lassen... Immer machten sie sich Sorgen, immer kümmerten sie sich um mich...
Vielleicht waren sie auch manchmal richtig nervig, aber in Momenten wie diesen merkte man erst richtig, wie gut man es eigentlich hatte...
Eine einsame Träne lief mir an der Wange herunter. Ich vermisste mein altes Leben jetzt schon!
Traurig schloss ich meine Augen erneut und öffnete sie auch nicht mehr.
Irgendwann konnte ich endlich einschlafen...
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top