Kapitel 46
In der Nacht legte sich eine neue Schneedecke über Pah Koha, weshalb es Khione kaum erwarten konnte, hinauszugehen. Schmunzelnd beobachtete Makhah, wie sie sich nach dem Frühstück in Windeseile wärmere Kleidung anzog und zum Aufbruch drängte. Ihre Aufregung steckte an. Es freute ihn, dass sie um sein Mitkommen bat. Die angesprochenen Probleme waren ihm nicht unbekannt, aber er war auf Khiones Meinung und Entscheidung gespannt. In Mija Wa hatte es bestimmt ähnliche gegeben, von dessen Erfahrung sie profitieren würde. Ob sie seine eigenen in Erwägung zog, blieb am Ende ihr überlassen. Dennoch fragte er sich, ob es einen weiteren Grund für ihre Bitte gab. Schätzte sie nur seine Weisheit als ehemaliger Shiharu oder wollte sie ihn gern in ihrer Nähe haben? Das war für ihn schwer einzuschätzen.
Makhah warf sich nur einen leichten Pelz über die Schultern und folgte ihr. Wenigstens war es nicht so kalt wie am Vortag.
Als Asku ihr die Tür öffnete, stürmte sie hinaus und sprang jauchzend in den Schnee. Makhah tauschte einen Blick mit seinem besten Freund aus, den dieser grinsend erwiderte. Sogar Tehew verzog seine Lippen zu einem Lächeln.
„Das scheint typisch bei den Sheikahs zu sein", bemerkte Asku amüsiert.
„Sieht so aus", meinte Makhah mit einem grüßenden Nicken zu Naira und Makira, die zusammen mit Sabah und leeren Eimern Richtung Fluss liefen. Makira war in der letzten Zeit stiller als sonst, aber er ahnte, woran es lag. Sein Bruder war kurz nach der Soyala geboren, weshalb ihre Gedanken sicher bei ihm lagen. Ihr Anblick schmerzte ihn. Er vermisste ihn ebenfalls, gab jedoch die Hoffnung nicht auf, ihn eines Tages wieder in die Arme zu schließen. Wenn sie nur wüssten, wohin die Sheikahs ihn verschleppt hatten ...
Leicht zuckte Makhah zusammen, als ihm bewusst wurde, wie sein einstiger Zorn gegen sie erloschen war. Statt zu hinterfragen und darüber nachzudenken, beschloss er, es als positives Zeichen zu sehen und seinen Blick in die Zukunft zu richten. Zwar gab er den Weißen weiterhin die Schuld an gewissen Vorfällen, aber sie schürten den Funken nicht mehr. Das kam ihm recht, vor allem wegen Khione. Sie verdiente es nicht, sondern einen Mann, der sie liebte, respektierte und ehrte.
Auf dem Weg zum Gerberunterstand ließ er sie nicht aus den Augen. Trotz ihres Übermuts war ihr Körper noch lange nicht völlig genesen. Das beunruhigte ihn, denn Sabah versuchte jeden Tag, sie zu einem Sitzbad zu überreden. Vergeblich. Pahra und sie waren der Meinung, dass eine erneute Entzündung deshalb nicht ausgeschlossen war. Seit ihrem Erwachen hatte sich Khione jedoch nicht mehr von der Heilerin untersuchen lassen. Sie vermied jegliche, unnötige Berührung und versteifte sich sofort, sobald man sie anfasste. Er verstand, dass es eine Abwehrreaktion war.
Leise seufzte Makhah. Er würde das Thema noch einmal in einem ruhigen Moment ansprechen. Plötzlich kam ihm eine Idee. Er würde eine kleine Treppe bauen, die ihr das Einsteigen in den Waschzuber erleichterte. So hätte Khione keine Ausrede mehr. Es ärgerte ihn, dass es ihm nicht früher eingefallen war. Sobald die Besprechung zu Ende wäre, würde er seinen Einfall in die Tat umsetzen.
Makhah fiel auf, wie ruhig Khione wurde, je näher sie dem Gerberunterstand kamen. Sicher war es nicht nur wegen dem Kommenden. Er nahm an, dass in ihr die negativen Erinnerungen wüteten, und das ließ ihn traurig werden. Vor seinem Inneren sah er, wie verbissen und mit Schmerzen kämpfend sie das Hirn einarbeitete. Wie leer und dunkel ihre Augen waren ...
Ungewollt schauderte Makhah und ballte von ihr ungesehen die Hand zur Faust. Wie hatte Khione es so lange ausgehalten? Er konnte sich vorstellen, wie es ihr ergangen war. Mit einem Blick in den wolkenverhangenen Himmel blinzelte er eilig die Tränen weg und sammelte sich, bevor sie den Unterstand erreichten.
Nach der Begrüßung ließ sich Khione alles genau von Inyan zeigen. Sie hörte zu, ohne zu unterbrechen, und fragte nach, wenn sie etwas nicht verstand. Ihr arakisch hatte sich zwar deutlich verbessert, aber manchmal bedurfte es weiterer Erklärungen. In der Zeit hielten sich Makhah, Asku und Tehew im Hintergrund. Erst, als sie ihn und seinen Berater zu sich winkte, traten sie an ihre Seite.
„Was haltet ihr davon?", fragte sie an beide gewandt.
Nachdenklich rieb sich Tehew das Kinn und verließ den Unterstand wieder, um ihn erneut von außen zu begutachten. „Das Holz ist in einem katastrophalen Zustand", stimmte er zu. „Sind euch ein paar der Löcher aufgefallen?"
„Ja, die kommen von Holzwürmern", bemerkte Khione „Sie lassen es instabil werden."
„Woher weißt du das?", fragte Tehew verblüfft.
„Mein Vater war Tischler. Ich habe ihm als Kind oft zugesehen", antwortete sie. „Wegen der Würmer bauen die meisten Sheikahs ihre Häuser lieber aus Stein, obwohl Holz dämmender ist."
Überrascht warf Makhah ihr einen Blick zu. Es imponierte ihm, wie ihr solche Kleinigkeiten auffielen, aber auch, wie sie sich Wissen von ihrem Vater erlangt hatte. „Das Holz ist vom Restbestand, den die Sheikahs hinterlassen haben. Hoffentlich haben sie nicht unseres befallen", sagte er zweifelnd.
„Wir könnten sie einer Prüfung unterziehen und beim Neubau verstärkt darauf achten, dass si...", fing Khione an, als ein lautes Knacken sie unterbrach. Leicht neigte sie den Kopf, um den Ursprung des Geräuschs ausfindig zu machen, doch plötzlich gab das Dach mit einem Poltern nach.
„Achtung!", rief Makhah und ehe sie reagieren konnte, warf er sich auf sie.
Unsanft wurde Khione zu Boden gerissen. Der Aufprall sorgte für einen stechenden Schmerz im Steißbein, der sich in rasender Geschwindigkeit durch ihren Körper zog und sie aufschreien ließ. Sofort versteifte sie sich und kniff die Augen zusammen. In das Donnern und Krachen mischten sich entsetzte Stimmen, die nach ihnen riefen, aber sie verstand kein Wort. Erst, als es still wurde, wagte Khione, ihre Augen wieder zu öffnen.
Um sie herum war es dunkler, doch es reichte aus, Makhahs schmerzverzogenes Gesicht zu erkennen. Erstarrt sah sie ihn an und war nicht in der Lage, sich zu rühren. Keuchend und zitternd stemmte er sich leicht in die Höhe, wobei Blut von seiner Schläfe über seine Nase hinweg auf ihre Wange tropfte. Khione wagte kaum, zu atmen. Neben den zahlreichen Schürfwunden und Kratzern fiel ihr sein merkwürdig angewinkelter linker Arm auf.
„K-Khione ...", japste er nach Luft. „G-Geht es d-dir gut?"
Plötzlich verließen ihn die Kräfte und er fiel unsanft auf sie. Regungslos, aber heftig atmend blieb er liegen. Obwohl sein Gewicht sie fast zerquetschte und aus Angst lähmte, hob sie langsam die Hand und legte sie an seinen Nacken. Dabei nahm sie sogar seinen rasenden Herzschlag wahr, der unter seiner Haut pulsierte. Ihr eigener war ähnlich schnell.
„Shihara! Makhah!"
Die Stimmen von Asku, Tehew und Inyan drangen wieder zu ihr vor und sie bekam mit, wie sie gemeinsam den Schutt zur Seite räumten.
Tausend Gedanken schossen Khione in dem Moment durch den Kopf. Der Unterstand, der scheinbar schon länger eine schlummernde Gefahr war und im schlimmsten Fall Inyan und Taira bei der Arbeit begraben hätte ... Zum Glück war ihm das Problem aufgefallen. Sie wollte sich nicht ausmalen, was sonst noch passiert wäre.
Das war jedoch nicht alles, worüber sie nachdachte. Sobald es heller um sie herum wurde, hob sie leicht den Kopf und sah auf Makhahs schneebedeckte Haare. Er hatte sie mit seinem Leben beschützt ... Es war unfassbar, wie schnell seine Reaktionen waren. Ohne ihn wäre sie vermutlich nicht mehr hier. Sie war dem Tod dank ihm um einen Hauch entkommen. Dafür war er nun schwer verletzt. Die Vorstellung, dass er in ihren Armen starb, entfachte eine ungeahnte Panik, die Leben in sie brachte.
Khione rief nach den anderen und versuchte, Makhah von den Trümmern zu befreien, doch da er stöhnte und wimmerte, war sie gezwungen, still liegen zu bleiben. So hatte sie ihn noch nie gesehen. „Halte durch ...", bat sie flüsternd und den Tränen nahe. Sie gab sich keine Mühe, das Zittern in ihrer Stimme zu verstecken. Dazu war sie zu geschockt. In Gedanken betete sie inständig zu Göttin Inara um ihre baldige Befreiung.
Die folgenden Minuten kamen ihr wie im Traum vor. Kaum hatten die drei alles soweit zur Seite geräumt, halfen Tehew und Inyan Makhah, auf die Beine zu kommen. Obwohl Asku ihr die Hand reichte, stand Khione in Zeitlupe von allein auf, ohne ihren Mann aus den Augen zu lassen. Schwankend und mit hängendem Kopf stützte er sich auf seinen Berater. Aus einigen Wunden quoll unaufhörlich Blut, das den umliegenden Schnee färbte.
Die Angst herunterschluckend, trat Khione mutig auf Makhah zu. Sie wollte helfen, aber der Anblick seines Arms, dessen Position nicht normal war, hielt sie zurück. „Wir müssen sofort zu Pahra!", ordnete sie an. Sie versuchte, so ruhig wie möglich zu sein, doch in ihr tobte ein Sturm an Gefühlen. Es war, als risse dieser sämtliche Fasern aus ihr.
„Bist du verletzt, Khione?", wollte Asku besorgt wissen.
Eilig schüttelte sie den Kopf. „Nein, mir ist nichts passiert", antwortete sie. „Inyan, lauf vor und sag Bescheid. Asku, such nach Sabah und Makira. Sie sollen heißes Wasser vorbereiten."
Asku warf ihr einen kurzen Blick zu, ehe er mit Inyan davonrannte. Ihr war bewusst, dass er sie ungern allein mit Makhah ließ, aber in seinem derzeitigen Zustand war dieser nicht in der Lage, ihr etwas zu tun.
Sobald beide außer Sichtweite waren, traten sie den Rückweg zur Burg an. Tehew unterstützte, soweit es möglich war, trotzdem erkannte Khione, wie Makhahs Kräfte rapide schwanden. Alle paar Meter benötigte er Pausen, die immer länger wurden. In einer rutschte sein blutdurchtränkter Pelz zu Boden. Sie hob ihn auf und betrachtete sorgenvoll die klaffende Wunde an seinem Rücken, die sich von seiner linken Schulter fast bis zur Wirbelsäule zog.
Hoffentlich hat es ihn dort nicht direkt getroffen, dachte sie bekümmert.
Die Art, wie Makhah lief, war keineswegs normal. Eine unendliche Erleichterung breitete sich in ihr aus, als sie die Burg erreichten und Pahra sie schon erwartete. Zuerst erkundigte sich die Heilerin nach Khiones Befinden. Erneut versicherte sie, dass ihr nichts passiert sei.
„Aber er benötigt dringend Hilfe", sagte sie mit einem Nicken zu Makhah.
„Es ist alles vorbereitet." Pahra führte sie zum Behandlungsraum und wies Makhah an, sich auf den Tisch zu setzen. Tehew war eine große Unterstützung und blieb solange bei ihm, bis Asku zurückkam. Erst dann zog er sich zurück.
Pahra fing an, sich die Verletzungen mit größter Sorgfalt anzusehen. Vorsichtig, aber gründlich tastete sie Makhahs Arm ab, wobei er immer gequältere Laute von sich gab. Sie erfüllten den Raum genau wie Pahras Fragen und nachdenklichen Geräusch. „Eindeutig gebrochen", bemerkte sie nüchtern. „Mit einer Schiene und genügend Ruhe sollte er ohne Probleme heilen."
„Soll ich die Bretter und Verbände holen?", fragte Khione sofort.
„Noch nicht. Wie es aussieht, haben sich ein paar Splitter tief in der Wunde am Rücken festgesetzt", erwiderte Pahra. „Die müssen wir zuerst versorgen."
Erschrocken sog Khione die Luft ein und starrte Makhah mit offenem Mund an. Einerseits fand sie seinen Einsatz leichtsinnig, andererseits war sie dankbar. Er hatte die Verletzungen in Kauf genommen, nur um sie zu schützen ... Der Gedanke schürte den Sturm an Gefühlen und drohte, die Kontrolle über sie zu erlangen. Sie spürte genau, wie sich ein neuer Funke an Zuneigung in ihr anbahnte. Bis jetzt hatte sie jegliche niedergekämpft und nicht mehr zugelassen, doch nun fing ihr Herz an, sich selbst zu reparieren und nicht auf den Kopf zu hören.
„Asku, geh und frag nach, ob das heiße Wasser vorbereitet ist. Wir sollten uns beeilen, die Splitter zu ziehen, um unnötige Entzündungen zu vermeiden", befahl Pahra.
Allein das Wort ließ Khione schaudern. Mühsam drängte sie die schrecklichen Erinnerungen an ihre eigene Behandlung in den Hintergrund. Sie hatten im Moment keinen Platz. Alles, was zählte, war Makhah.
Sobald Asku verschwunden war, widmete sich die Heilerin ihrem Regal. Sie nahm eine kleine Flasche und reichte sie Makhah. „Trink, das wird dich ein wenig benebeln", sagte sie und gab ihm zusätzlich ein ledernes Stück, das er sich danach in den Mund schieben sollte.
Wortlos nahm er das Gebräu zu sich und Khione hätte angesichts seines angewiderten Gesichtsausdrucks fast gelacht. Sicher verfluchte er Pahra in Gedanken als Hexe. Das konnte sie ihm nicht verübeln. Die meisten Tränke hatten einen bitteren Geschmack, an den man sich nie gewöhnte.
Sanft legte sie die Hand auf seine und streichelte seinen Handrücken. „Du schaffst es", flüsterte sie. „Ich bin da." Für einen Moment kam es ihr so vor, als würden seine dunklen Augen aufhellen. Freute er sich über ihre Worte, oder lag es an dem Trank?
Eine genaue Antwort blieb ihr vorenthalten, denn Pahra trug mit einem Tuch ein scharf riechendes Mittel auf seinen Rücken auf, das ihn nach Luft schnappen ließ. Keuchend krallte er seine Hände in die Kante des Tisches und murmelte ein unschönes Wort.
„Ich weiß, es brennt", meinte die Heilerin ungerührt. „Im Gegensatz zu den Splittern wird es dich aber nicht das Leben kosten."
„Ist es so schlimm?", fragte Khione unbehaglich.
„Soweit Inyan erzählt hat, ist das Holz morsch. Darin sammeln sich eine Menge Bakterien, die schnell zu einer lebensbedrohlichen Situation führen können. Es ist wichtig, die Wunde tief zu reinigen", erklärte sie. „Dennoch ist es nicht ausgeschlossen, dass sie sich entzündet. Sie muss täglich ausgewaschen, gereinigt und neu verbunden werden", fügte sie hinzu und warf ihr einen fragenden Blick zu. „Traust du es dir zu?", wollte Pahra wissen.
„Ja, ich übernehme es", versprach Khione sofort, aber mit klopfendem Herzen. Es war das Mindeste, da das hier in gewisser Weise ihre Schuld war. Sie kannte sich zwar mit der Versorgung von Verletzungen aus, doch Makhah aus Versehen zu schaden, lag ihr fern. Wenigstens schwächte Pahra ihre Nervosität ab, indem sie versicherte, ihr alles zu zeigen.
Sachte tupfte Khione die Wunde an der Schläfe ab. Zum Glück war diese nur oberflächlich und bedurfte keiner weitere Behandlung.
Als Asku mit einem Eimer dampfenden Wassers zurückkam, wies die Heilerin ihn an, die Zange aus dem Regal zu holen. In der Zwischenzeit wusch sie sorgfältig die Wunden aus. Der Trank schien zu wirken, denn Makhah blieb still, bis sie erneut die scharf riechende Flüssigkeit zur Hand nahm.
„Versuche, dich nicht so viel zu bewegen", bat sie ernst. „Du willst sicher nicht, dass ich dir unnötig wehtue."
„Du quälst mich doch schon", bemerkte er mit brüchiger Stimme trocken. „Bringen wir es hinter uns."
„Wenn du es nicht aushältst, gebe ich dir einen Schlaftrank", schlug sie vor, aber Makhah lehnte fürs Erste ab.
Für seinen Mut bewunderte Khione ihn heimlich. Hätte sie die Wahl, würde sie lieber schlafen, als alles bei Bewusstsein mitzuerleben. Es reichten die Erinnerungen, die sich ausgerechnet in dem Moment wieder in den Vordergrund drängten. Mit einem tiefen Atemzug verscheuchte Khione sie und konzentrierte sich auf Pahra, die Asku um die Zange bat.
Dieser übergab sie ihr und hielt Makhah fest, während die Heilerin das Metall in die Wunde einführte. Seine schmerzvollen Geräusche, die durch das lederne Stück im Mund gedämpft wurden, zerrissen sie, doch er blieb tapfer, bis Pahra die meisten Splitter entfernt hatte. Zitternd saß er da und atmete leise ein.
„Einer sitzt ungünstig und zu tief. Ich muss weiter hinein", sagte Pahra zu Khiones Entsetzen. Die Ältere holte eine Klammer und wies sie an, die Wunde damit aufzuhalten.
Sofort spürte Khione, wie ihr die Farbe aus dem Gesicht wich. Vorsichtig kam sie den Anweisungen nach und schluckte. Was dann geschah, war wie ein Albtraum. Während Pahra den Splitter suchte, verursachte das Metall schmatzende Geräusche im Fleisch, die sich tief in ihren Kopf brannten. Normalerweise war Khione nicht empfindlich, doch Makhahs qualvolle, erstickte Schreie gingen ihr durch Mark und Bein.
Ihr wurde übel, trotzdem zwang sie sich, genau hinzusehen. Oft warf sie ihm einen mitleidigen Blick zu. Dank Asku blieb er an Ort und Stelle sitzen, aber sie erkannte, welche Qualen er durchlitt. Unruhig sah Khione zu, wie Pahra damit kämpfte, den Splitter zu fassen. Er rutschte immer wieder zurück. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis sie ihn endlich mit einem zufriedenen Laut herauszog und zu den anderen auf das Tuch legte.
„Das Schlimmste ist überstanden", verkündete sie. „Du hast dich tapfer gehalten", meinte sie zu Makhah, der nur brummte. Die weitere Behandlung ertrug er mit Fassung, murrte jedoch, als sie seinen Arm in die richtige Position brachte, bevor sie auf ihm die Bretter mit einem Verband fixierte und ihn in eine Art Schlinge legte. Sie kannte sich eindeutig mit Brüchen aus.
Khione war fasziniert, mit welcher Ruhe die Heilerin arbeitete. Diese übertrug sich auf sie und während Pahra eine Bandage für die Wunde am Rücken anlegte, ergriff sie Makhahs Hand und drückte sie leicht. „Gleich hast du es überstanden", hauchte sie und gab ihm einen zarten Kuss auf seine schweißnasse Stirn.
Die Geste schien Makhah zu überraschen, aber er zwang sich zu einem Lächeln. „Danke, dass du mir beistehst", flüsterte er brüchig zurück.
Auch Khione lächelte, ehe Pahra das Ende der Behandlung verkündete und meinte, dass er sich nun ausruhen könne. „Lieg in der nächsten Zeit auf der Seite. So werden dein Arm und dein Rücken geschont."
„Werde ich. Danke."
Gemeinsam mit Asku half Khione, ihn in das Nebenzimmer zu bringen. Dort brachten sie ihn vorsichtig ins Bett. Sie stapelte die Kissen so an seinem Rücken, dass sie seine Liegeposition unterstützten, die Wunde aber nicht berührten. Makhah war erschöpft und ließ alles mit sich geschehen. Auch, als Pahra einige Minuten später mit einem weiteren Trank kam und ihn ihm einflößte.
Khione zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben ihn. Sein Anblick tat ihr im Herzen weh. Zärtlich strich sie ihm immer wieder über die Stirn, bis seine Augenlider schwerer und schwerer wurden.
„Danke, dass du mein Leben gerettet hast", flüsterte sie.
„Ich beschütze das, was mir am wichtigsten ist", murmelte er, ehe sein Atem gleichmäßig und ruhig wurde.
Mit einem dicken Kloß im Hals hielt Khione ihre Tränen nicht mehr zurück. Unaufhaltsam liefen sie ihr über die Wange, ohne ein Ende zu finden. Seine Worte lösten ein warmes Gefühl in ihr aus, das sich in pulsartigen Wellen bis in den letzten Winkel ihres Körpers ausbreitete. Sie ließen den Funken an Zuneigung wachsen und ihr Herz schneller schlagen. Ob Makhah ahnte, wie viel ihr diese Worte bedeuteten?
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