Kapitel 38
Zwei Tage später reiste Yakari mit seinen Leuten und den drei Sheikahs ab. Von weitem beobachtete Khione, wie sie sich verabschiedeten und auf ihre Pferde stiegen.
Am Abend zuvor hatten die Arakis am Lagerfeuer gesessen und gefeiert. Sogar im Stall hatte Khione deren Trommelspiel und Gesang gehört. Zwar hatten Sabah und Yona tagsüber versucht, sie zum Kommen zu überreden, doch da sie nicht reagiert hatte, hatten sie letztlich aufgegeben und sie in Ruhe gelassen. Sie hatte gehofft, endlich komplett allein zu sein, aber Asku war schlimmer als der beste Wachhund. Er ließ sie keinen Moment aus den Augen und hatte den Abend schweigend in der Ecke verbracht. Selbst jetzt stand er in ihrer Nähe, anstatt sich von den anderen zu verabschieden.
Wann verstand Asku, dass Makhah nur darauf wartete, seine Drohung in die Tat umzusetzen? Seine Entschuldigung bei der Verhandlung war nichts als leere Worte. Lügen, die sie dazu bewegen sollten, wieder sein Fußabtreter zu werden. Khione war schlau genug, sich nicht mehr davon beeinflussen zu lassen. Sie nahm an, dass die anderen auf seinen Befehl hin zu ihr kamen und sie um Rat oder Vorschläge baten. Wie die Sache mit den Sheikahs. Glaubte Makhah wirklich, sie fiele darauf herein? Er hatte deutlich gezeigt, dass sie als Shihara nichts zu sagen hatte. Warum sollte sie sich dann überhaupt die Mühe geben, eine Lösung zu finden?
Ein Schauer rann Khiones Wirbelsäule hinunter und breitete sich bis in die letzte Faser ihres Körpers aus. Zitternd rieb sie sich die Arme und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Dieser lief ihr ständig in die Augen und ließ ihre Sicht verschwimmen. Immer wieder wechselten sich Hitze und Kälte in ihr ab, was ihr zusätzlich die Kräfte raubte und die Beschwerden verschlimmerte. In den letzten Tagen waren sie unerträglich und seit das eiskalte Wasser im Fluss sie nicht mehr betäubte, verzichtete sie gänzlich aufs Baden.
Erschöpft von den quälenden Schmerzen krallte sich Khione an die Tischkante. Sie schaffte es kaum, aufrecht zu stehen geschweige denn den Stein zur Einarbeitung auf den Tisch zu heben. Innerlich fluchte Khione. So schwer war er nicht! Jeden Moment hatte sie das Gefühl, dass ihr Körper endlich aufgab und sie zusammenbrach, doch das geschah nicht. Stattdessen wurde sie mit drehender Umgebung und flimmernden Sicht belohnt. Eine unerwartete Bewegung ließ sie aufschrecken und einen Schritt zurückstolpern. Nach mehrmaligem Blinzeln sah sie Asku, der ihr schweigend den Stein auf den Tisch stellte.
„Du musst dich ausruhen, Khione", sagte er ruhig. „Deine Augen glitzern fiebrig. Bitte geh zu Pahra und lass dich behandeln", bat er.
Für einen Augenblick glaubte sie, Sorge in seiner Stimme zu hören, aber sie entschied sich, seine Worte zu ignorieren. Würde sie sich versorgen lassen, würde Makhah sie sicher wieder zu sich holen. Gleichzeitig nahm sie an, dass die Heilerin sie mit Fragen überschütten würde, bis sie endlich sprach.
Pah, darauf können sie lange warten, dachte Khione kämpferisch, doch als der Boden unter ihr wankte, griff sie nach dem Erstbesten, was sie fand. Ihr wurde schwarz vor Augen und bevor sie reagieren konnte, bemerkte sie, wie ihre Beine nachgaben. Ein lautes Poltern und stechende Schmerzen im Unterleib folgten.
„Khione!", rief Asku erschrocken.
Verwirrt sah sich Khione um und als sie ihm das erste Mal seit langer Zeit ins Gesicht blickte, senkte sie sofort den Kopf.
„Lass mich dir helfen", bot Asku an und hielt ihr seine Hand hin.
Anstatt sie anzunehmen, kämpfte Khione mühsam gegen den Schwindel an, der sie regelrecht am Boden kleben ließ. Es dauerte, bis er endlich nachließ und sie es schaffte, sich wieder aufzurichten. Askus eindringliche Stimme, die ihr sagte, sie solle aufhören zu arbeiten, ignorierte sie. Was half es, den ganzen Tag im Stall zu liegen? Das Leder musste vorbereitet werden, da ein paar Frauen auf Nachschub warteten, um Kleidung für den Winter herstellen zu können.
Für den restlichen Tag stellte Khione ihre Ohren auf Durchzug. Egal, wie oft Inyan und Taira ihr versicherten, dass sie zurechtkamen, blieb sie bis kurz vor Anbruch der Dunkelheit. Bevor der Weg gänzlich von der Finsternis verschlungen wurde, zog sich Khione zurück.
Im Stall wurde sie wie in den letzten Tagen von einer dampfenden Schüssel und etwas zu trinken erwartet. Statt zuzugreifen, ließ sich Khione leise stöhnend auf ihre Schlafstätte plumpsen. Der Hunger war ihr schon lange vergangen. Alles, wonach sie sich sehnte, war zu schlafen und nie wieder aufzuwachen. Am liebsten würde sie ihr Leben beenden, nachdem Makhah sich weigerte, aber sie war sich sicher, dass Asku ihren Plan vereiteln würde.
Wann war es ihr vergönnt, endlich ihren Frieden zu finden?
Schon seit einiger Zeit lauschte Asku dem leisen Wimmern, das aus der Ecke mit den Heuballen kam. Manchmal stöhnte Khione und murmelte etwas vor sich hin, das er nicht verstand. Zwischendrin klapperten ihre Zähne so laut, dass er fast schauderte. Zudem war der Geruch von Eiter und Blut zu penetrant, um ignoriert zu werden.
Schließlich hatte Asku genug. Lautlos näherte er sich Khione und befühlte sanft ihre Stirn. Scharf sog er die Luft ein. Sie war so heiß wie Feuer und die Kälte im Stall würde ihr Fieber weiter steigen lassen. Sicher wurde sie von Fieberträumen geplagt, die einen erholsamen Schlaf nicht ermöglichten.
Kurz entschlossen ließ er Khione allein und eilte in die Burg. Ihm war bewusst, dass sie sich weigern würde, wenn er sie dorthin brachte, daher würde er Pahra eben zu ihr bringen. So ging es nicht weiter.
Mit langen Schritten huschte Asku den Flur zum Heilerflügel entlang und hielt einen Augenblick inne, als er Stimmen aus Sabahs Krankenzimmer vernahm. Neben ihrer hörte er Pahras und die seines Freundes. Scheinbar fragte die Heilerin nach seinem Empfinden, seit er keine Aislingblüten mehr nahm. Davon hatte Makhah erzählt. Das war die Gelegenheit, die Asku beim Schopfe packte. Kurz klopfte er und trat ein.
Mit einem Nicken grüßte er die drei. „Pahra, komm in den Stall. Khione hat hohes Fieber und leidet unter Fieberträumen", keuchte er.
Seine Nachricht sorgte für Schrecken. Makhah verlor jegliche Farbe im Gesicht und starrte seinen besten Freund mit offenem Mund an. Er war nicht fähig, sich zu rühren. Ganz im Gegensatz zu seiner Schwester. Innerhalb einer Sekunde kam Leben in Sabah, die aus dem Bett sprang und zur Eile drängte. Daraufhin holte Pahra aus der Truhe einige Decken, die sie ihr in die Arme drückte.
„Ich hole Kräuter und Wasser. Wir treffen uns dort", sagte sie rau und verschwand. Sicher würde sie ihr Kämmerchen wieder sorgfältig abschließen. Seit er gestanden hatte, heimlich Aislingblüten entwendet zu haben, achtete sie verstärkt darauf, dass es nur noch in ihrer Anwesenheit betreten wurde. In der Sache war die Heilerin unerbittlich.
Makhah stob an Asku vorbei, ohne auf dessen oder Sabahs Rufe zu hören. Seine Gedanken waren allein bei Khione, die dringend Hilfe benötigte. Zwar nahm er ihre Angst vor ihm ernst, aber er würde nicht zulassen, dass sie durch ihre Sturheit starb. Sich innerlich verfluchend, rannte er wie von einer Meute gehetzt die Burgstufen hinunter. Er würde sich nicht von seinem Freund aufhalten lassen, ihr zu helfen, sondern beweisen, wie wichtig sie ihm war.
Trotz Makhahs Schnelligkeit überholte Asku ihn kurz vor dem Stall und versperrte den Weg. „Warte", keuchte er und hob seine Fackel an. „Du gehst nicht allein zu ihr."
Im Licht des Feuers waren seine Augen so schwarz wie Kohle, doch so ernst, dass Makhah schluckte. Hinter sich hörte er Sabah nach Luft japsen. „Ich will zu ihr!", zischte er.
„Nicht allein", wiederholte Asku kühl. Erst, als Sabah sie erreichte, drehte er sich um und ging zuerst in den Stall.
Sobald Makhah ihn betrat, traten ihm Tränen in die Augen. In der Luft hing ein Geruch von Blut und Eiter, der ihn fast erdrückte und zu Boden rang. Dazu leise, wimmernde Geräusche, die sich in der Stille der Nacht wie ein Mäusekratzen anhörten. Mühsam blieb er hinter Asku, doch kaum sah er Khione, vergaß er alle Warnungen und kniete sich langsam neben sie.
Sorgenvoll strich Makhah über ihr nasses, heißes Gesicht und flüsterte zärtlich ihren Namen. Selbst im bescheidenen Licht war deutlich, wie sie von Schmerzen gebeutelt wurde. Sie so leiden zu sehen, war für ihn unerträglich. Khione war nicht mehr die Frau, die sich nicht unterkriegen ließ, denn er hatte sie gebrochen.
Plötzlich wurde er grob beiseitegeschoben. „Halt dich von ihr fern", brummte Asku, aber er klang nicht so barsch wie zuvor.
Blinzelnd bemerkte Makhah Pahra, die mit einem Beutel um die Ecke kam. Zitternd erhob er sich und machte der Heilerin Platz. Ungeduldig sah er zu, wie sie Khiones Stirn befühlte und ihre Hände unter deren Kleidung verschwinden ließ. Als sie ihre Hose herunterschob, sog sie scharf die Luft ein.
„Was ist los?", fragte Makhah alarmiert.
„Wir müssen sie in die Burg bringen. Hier ist kein guter Ort für eine Behandlung", antwortete Pahra, zog ein Leinentuch aus dem Beutel und säuberte sich die Hand. Auf ihrer faltigen Haut waren dunkle Flecke, die Makhah schwer schlucken ließen.
„Ich trage sie", sagte er sofort. Sanft hob er sie hoch, doch genau in dem Moment öffnete Khione die Augen. Zuerst blinzelte sie und sah sich verwirrt um, aber sobald ihre Blicke sich trafen, erstarrte sie. Sekunden später kam Leben in sie und sie drückte sich so vehement von Makhah weg, bis dieser sie notgedrungen auf den Heuballen absetzte.
Der stechende Schmerz ließ Khione keuchen, doch statt ihm Beachtung zu schenken, sprang sie auf. Ihr Herz trommelte heftig gegen die Rippen, während sie versuchte, einen Ausweg zu finden. Rastlos sah sie nach rechts und links. Als sie erkannte, dass sie umzingelt war, hastete sie in die hinterste Ecke, in der sie sich klein machte und schützend die Hände vor sich hielt.
„Khione", flüsterte Makhah.
Seine Stimme sorgte dafür, dass ihr Mund so trocken wie die Steppe wurde. Der pochende Puls am Hals schnürte ihr zusätzlich die Luft ab, aber sie wagte nicht, sich zu bewegen. Erst recht, als sich ihr Schritte näherten und sie es rascheln hörte. Kurz darauf streifte ein warmer Hauch ihre Hände und lähmte sie regelrecht. Wer vor ihr war, verstand sie, ohne die Augen zu öffnen.
Ich bin ihnen hilflos ausgeliefert, dachte sie verzweifelt. Die Angst vor den anderen überrollte sie wie ein Steinhaufen. Es gab keinen Weg, der sie jetzt noch rettete, dennoch drückte sie sich so fest gegen die Wand in ihrem Rücken, in der Hoffnung, mit der Finsternis zu verschmelzen und zu verschwinden. Es war ein Wunschdenken, das nie in Erfüllung gehen würde, das war ihr bewusst.
Als Makhah seine Hand auf ihren Arm legte, zuckte Khione zusammen und versteifte sich. Die Berührung fühlte sich wie tausend glühende Nadeln an, die sie ungewollt wimmern ließ. Genau so hatten sich seine Worte angefühlt, die er ihr entgegen gespien hatte. Nie würde sie diese vergessen. Vor ihrem geistigen Auge tauchten Bilder aus der Nacht auf, in der er ihr Handgelenk packte und seine Fingernägel warnend in ihrer Haut vergrub.
„Asku hat uns geholt, weil du hohes Fieber hast. Khione, bitte lass dir helfen", sagte Makhah leise. „Pahra möchte dich in der Burg behandeln. Kommst du mit? Kannst du allein laufen oder soll ich dich tragen?", fragte er, wobei er mit dem Daumen über ihren Handrücken strich.
Die Ruhe in seiner Stimme übertrug sich nicht auf sie, sondern schürte die Erinnerungen an seine Gewalt. Obwohl Khione sie mit aller Macht niederkämpfte, hörten sie nicht auf. Abwechselnd wurde ihr heiß und kalt. Sie hatte das Gefühl, das Ganze erneut zu erleben. Der Moment, wie sein in sie hämmerndes Glied ein Feuer im Unterleib auslöste, bis er plötzlich abrutschte und mit voller Wucht in ihren Hintern eindrang. Solche brennenden, stechenden Schmerzen hatte sie noch nie erlebt. Sie hatte deutlich wahrgenommen, wie etwas an und in ihr zerriss.
„Khione?"
Bestürzt sah Makhah zu den anderen. Sabah näherte sich ihnen und versuchte ihr Glück, zu Khione vorzudringen. Fehlanzeige. Wie ein Häufchen Elend blieb Khione in der Ecke sitzen, daher fasste er einen Entschluss. Sanft griff er nach ihren Handgelenken und wollte sie an sich ziehen, doch sie machte sich so steif wie ein Brett. Sie schien ihre restlichen Kräfte zu nutzen, gegen ihn zu kämpfen, denn obwohl sich Makhah die größte Mühe gab, sie hochzuheben, schaffte er es nicht. Sie war so schwer wie ein Stein. Er verstand nicht, wie es möglich war, zumal sie in der Zeit rapide abgenommen hatte.
Der stumme Zweikampf hielt an, bis sie plötzlich in sich zusammensank. Den Moment der Ohnmacht nutzte Makhah, sie auf den Arm zu nehmen. Fest entschlossen nickte er Asku, Pahra und Sabah zu und lief an ihnen vorbei. Mit langen Schritten eilte er die Reihen der Khemahs entlang, wobei sein Freund ihn zügig einholte und warnend brummte.
„Ich bringe sie nur in die Burg", versicherte Makhah. Asku würde ihn nicht davon abhalten! Ein Blick auf ihr nasses und blasses Gesicht ließ ihn die Lippen fest zusammenpressen. Hoffentlich war es noch nicht zu spät, ihr zu helfen.
Kurz bevor sie den Heilerflügel erreichten, regte sich Khione und genau wie im Stall fing sie an, sich hastig von Makhah wegzudrücken. Dank Asku, der vorauslief und die Tür offenhielt, schaffte er es, sie auf dem Behandlungstisch abzulegen, ohne, dass sie aus seinen Armen fiel. Erneut suchte Khione sofort einen Ausweg, doch da Pahra und Sabah hereinkamen, rannte sie in die nächstbeste Ecke. Dort blieb sie zitternd und deutlich unwohl stehen.
„Makhah, raus!", befahl Pahra streng mit einem Fingerzeig. „Du hast keinen Zutritt."
Er war nahe dran, sich ihrem Befehl zu widersetzen, aber ein stummer Blickaustausch mit Asku und der elende Anblick von Khione zwangen ihn zum Rückzug. „Wenn ihr mich braucht, ich warte draußen", presste er hervor und verließ den Raum.
Sobald die Tür hinter ihm zufiel, lehnte er sich gegen die Wand und sank in die Hocke. Mit geschlossenen Augen hörte er dem Wirrwarr aus Murmeln, Wimmern und Scheppern zu. Langsam atmete er ein und sah auf seine zitternden Hände. Der Schock über ihren Zustand saß tief in ihm. Was hatte er nur angerichtet ...? Wie hatte er eine Frau so zurichten können?
Plötzlich sehnte er sich nach dem Gefühl, das die Aislingblüte anfangs ausgelöst hatte: Ruhe und Frieden.
Nein, ich werde das Zeug nie wieder nehmen!, dachte Makhah fest entschlossen. Egal, wie schwer die Zeit des Entzugs war und wie oft er sich dabei ertappte, sie zu brauchen, er würde sie nie mehr anfassen. Am liebsten würde er sie komplett verbannen, um nicht in Versuchung zu kommen, doch sie waren eine geschätzte Medizin, die gebraucht wurde. Außerdem lag es allein an ihm und er würde Stärke beweisen, ohne sie leben zu können.
Ein Schrei ließ ihn zusammenzucken und aufspringen. Trotz Pahras Verbot öffnete er die Tür und trat ein. Scharf sog er die Luft ein, denn Khione lag auf dem Tisch und wehrte sich gegen Asku und Sabah, die sie scheinbar festhalten sollten. Ein ungleicher und unfairer Kampf, bei dem sie nicht aufgab.
„Keine Angst", sagte die Heilerin, die an einem weiteren Tisch stand und Kräuter in Wasser einrührte. Davon schöpfte sie etwas in einen Kelch, den sie Sabah reichte. „Der Trank wird dir helfen, Khione", versicherte Pahra. „Er wird dir die Schmerzen nehmen und dich müde machen."
„Shihara, trink", bat Makhahs Schwester eindringlich und hielt ihr den Behälter an die Lippen. Sie schien den Tränen und der Verzweiflung nahe zu sein.
Ob aus Angst oder von Fieberträumen ausgelöst, war ein Rätsel, aber Khione presste ihre Lippen fest zusammen und drehte den Kopf zur Seite. Es war klar, dass sie den Trank nicht freiwillig zu sich nehmen würde. Sekundenlang blieb sie still liegen, ehe sie wieder anfing, sich zu wehren. Es war unglaublich, woher sie die Kraft schöpfte.
„Müssen wir sie festbinden?", fragte Asku.
„Ich hoffe nicht", erwiderte die Heilerin seufzend und nahm den Kelch von Sabah. Sie versuchte, an Khiones Vernunft zu appellieren, aber entweder ignorierte diese es oder sie war in Fieberträumen gefangen und bekam nichts mit. Während Pahra Messer, Kräuter und Tücher bereitlegte, hörte Khione nicht auf. Letztlich sah sie sich doch gezwungen, zwei Seile zu holen. Diese zog sie durch die Ringe am Tisch, die extra dafür angebracht waren. Manchmal gab es Behandlungen, bei denen ein stilles Liegen von Wichtigkeit war. Nur selten hatte sie diese bisher benutzt und Makhah bemerkte, wie widerwillig sie davon Gebrauch machte. Mit Askus Hilfe fixierte sie Khiones Hände an den Seiten.
Das sorgte dafür, dass die junge Frau erst recht aufbegehrte. Keuchend und sich windend wollte sie vom Tisch rutschen, doch die Heilerin wies Asku und Sabah an, ihren Oberkörper festzuhalten und vorsichtig die Beine so nah wie möglich dorthin zu ziehen. Das zeigte endlich Wirkung und Khione blieb nach Atem ringend liegen.
„Ich tue das hier ungern ...", murmelte Pahra, als sie herantrat und sanft zwei Finger in ihren Mund schob. „Trink zumindest ein wenig. Dann geht es dir bald besser", bat sie. Keiner von ihnen rechnete mit Khione, die – anstatt zu schlucken – alles ausspuckte und unruhig den Kopf hin und her warf. Pahra bewies jedoch eine Engelsgeduld, indem sie den Kelch wegstellte und leise auf sie einsprach, ehe sie einen neuen Versuch wagte. Erfolglos.
„Braucht ihr Hilfe?", mischte sich Makhah ein. Bisher hatte ihn keiner der Anwesenden wahrgenommen, aber er konnte dem Ganzen nicht länger zusehen.
„Raus!", zischten Asku und Pahra gleichzeitig. „Du trägst nicht zur Linderung ihrer Angst bei und hast hier nichts zu suchen. Verschwinde!", sagte sein Freund ernst.
„Hol mir das Lederstück aus dem Nebenraum und lass uns allein", verlangte die Heilerin.
Zögernd warf Makhah einen unschlüssigen Blick zu Khione, die so kräftig an den Fesseln riss, bis ihre Fingerknöchel weiß wurden. Es missfiel ihm, aber er kam Pahras Bitte nach und zog sich wieder zurück. Angespannt lauschte er von der anderen Seite der Wand den Geräuschen und ballte seine Hand zur Faust, sobald er unterdrückte Schreie und Wimmern hörte. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis es still wurde und er Sabahs aufatmende Stimme vernahm, die verkündete, dass Khione erneut ihr Bewusstsein verloren hatte. Langsam sank er zu Boden, versteckte sein Gesicht hinter den Händen und ließ seinen Tränen freien Lauf. Hoffentlich konnte Pahra ihr jetzt endlich helfen ...
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