Kapitel 24

„Sabah, bitte sorge dafür, dass mehr Wassereimer in die Küche getragen werden", keuchte Khione auf arakisch. Stolpernd kam sie mit einem Heuballen durch die Eingangstür, die ihr ein männlicher Araki offenhielt. Hinter ihr folgten zwei Weitere, die sie auf den Boden warfen und gleich wieder umkehrten. Seit Makhahs Aufbruch glich die Burg einem Bienenhaufen. Mittlerweile war der Stapel an Ballen in der Eingangshalle beträchtlich gewachsen.

In einer Diskussion mit Kabiha, Sabah und Pahra hatte sich Khione dazu entschieden, sie als provisorisches Lager für die Pferde einzurichten. Dafür hatte sie sich die Vor- und Nachteile der geeigneten Räume aufzählen lassen. Zwar hatte Tehews Frau vorgeschlagen, die Tiere wie beim letzten Mal auf den rechten und linken Flügel aufzuteilen, aber Khione hatte auf die Eingangshalle bestanden. Aus dem einfachen Grund, da der Weg vom Stall nicht zu weit war. So würden sie später weniger Arbeit haben, wenn die Gefahr vorbei war. Zudem befand sich ein Teil des Heus in einem Holzunterstand, der gleich neben der Burg lag. Dort war es geschützt und jederzeit greifbar, aber Khione wollte die Heuballen aus der Stallung sichern. Ihr war bewusst, wie viel Anstrengung es bedurfte, einen einzigen mit bloßen Händen herzustellen. Daher lag es ihr am Herzen, die Arbeit der Arakis zu würdigen und zu retten.

Sabah nickte und eilte mit zwei Eimern an ihr vorbei. Sie war mit ein paar Frauen eingeteilt, Wasser aus dem Fluss zu holen und in die Küche zu bringen. Durch den anhaltenden Regen hatte sich Krishna in eine dreckige Brühe verwandelt, die Khione nicht als sicher ansah. Aus Erfahrung mit unsauberem Wasser wollte sie vorsorgen, indem sie es abkochen und mit einem Leinentuch filtern ließ. Zwar bedeutete das eine Menge zusätzliche Arbeit, aber Khione fühlte sich für die Arakis und ihre Pferde verantwortlich und sie würde nicht mit deren Leben spielen. Glücklicherweise waren diese damit vertraut, sodass es nur wenige Worte der Kommunikation benötigte. Dennoch hatte sie angewiesen, dass zumindest zwei Männer die Frauen mit Fackeln begleiteten. In der Dunkelheit war der Schlamm tückisch und nicht zu unterschätzen.

Aufatmend fuhr sich Khione mit dem Handrücken über die Stirn und lächelte Pahra zu, die mit Kabiha einige der Heuballen öffneten und sie auf dem Boden verteilten. Den Rest schoben sie an die Seiten, wo sie später abgedeckt wurden. So würden sich die Pferde nicht unerlaubt bedienen.

„Ruh dich für ein paar Minuten aus, Khione", schlug Pahra vor. „Du siehst aus, als ob du jeden Moment umfällst."

Fast schon trotzig schüttelte sie den Kopf. Ihre Arme waren lahm und ihre Kräfte schwanden, aber das Adrenalin pulsierte nach wie vor durch ihre Venen und ließ sie die Müdigkeit kaum wahrnehmen. „Ausruhen hilft keinem, wenn die Zeit drängt. Wenigstens sind die meisten Heuballen gerettet", verkündete sie und ließ ihren Blick über den Boden schweifen. Kurz überlegte sie, wo ihre Hilfe am nötigsten war. Die beiden Männer, die nach ihr gekommen waren, würden die restlichen vier allein schaffen, da war sie sich sicher. Daher nahm sie den Ballen, den sie gebracht hatte, und verteilte ihn großzügig. Je eher sie damit fertig waren, desto schneller konnten sie die Pferde holen.

Während der Arbeit schwiegen sie, aber Khione lag schon lange eine Frage auf der Zunge. „Kabiha, woher kennt ihr eigentlich die Namen der Räume?", fragte sie. Tehews Frau hatte bei ihrer Ankunft diese problemlos benannt und aufgezählt. Bisher hatte sie nie nachgefragt, weil sich Khione keinen Kopf darum gemacht hatte, doch sobald sie etwas tat, bei dem sie sich nicht konzentrieren musste, verglich sie die unterschiedlichen Lebenskulturen.

„Früher hatten wir unserer Khemahs hier und alles war Wiese und Wald. Bei der Rückkehr nach Pah Koha stand hier plötzlich die Burg", erzählte Kabiha, die einen Ballen auf einen anderen wuchtete. So viel Kraft hatte Khione ihr nicht zugetraut, da sie sich meistens innerhalb der Gemäuer aufhielt. „Bei der Erkundung haben wir Baupläne gefunden und da einige von uns und natürlich Pahra eure Sprache verstehen, haben wir herausgefunden, welcher Raum wofür genutzt werden sollte. Laut dem Plan war die Burg für einen Lord gedacht", fuhr sie fort.

Jetzt ergab das Ganze einen Sinn. „Oh", gab Khione nachdenklich von sich und warf Pahra einen Blick zu, den diese mit einem Nicken erwiderte. Es war, als ob sie Kabihas Erzählung zustimmte. Durch Makhah selbst hatte sie von dem Kampf um Pah Koha erfahren. Den Abend im Tempel würde sie nie vergessen. Er hatte ihr ein wenig die Augen geöffnet. „Sind wir fertig? Dann gehe ich mit den anderen die Pferde holen."

„Geh ruhig, mein Kind. Pahra und ich schaffen den Rest", munterte Kabiha sie auf.

Dankbar lächelte Khione den beiden zu und huschte hinaus. Der Regen peitschte ihr ins Gesicht und sorgte für eine willkommene Abkühlung, doch sobald er ihren Nacken traf, fröstelte sie. Khione sah hinauf in den schwarzen Nachthimmel und seufzte. Wann hörte es endlich auf? Waren die Arakis, die den Fluss an einigen Stellen kontrollierten, in Ordnung? „Ich mache mir Sorgen um dich, Makhah", flüsterte Khione.

„Ich auch haben Sorge", sagte plötzlich jemand.

Erschrocken hielt Khione den Atem an und sah Sabah, die mit zwei Eimern und einer anderen Frau im Schlepptau die Stufen zur Burg hinaufkam. Hatte sie etwa laut gesprochen? Sie konnte nicht leugnen, dass sie Sorgen um Makhah hatte. Große, um genauer zu sein. Sie vermochte sich nicht auszumalen, was geschah, wenn er nicht zurückkam. In all den Wochen hatte sie ihn ins Herz geschlossen und mochte ihn jeden Tag ein bisschen mehr. Zwar blieb die Vereinigung mit ihm weiterhin schmerzhaft und unangenehm, aber es war ihre Pflicht, der sie nachzukommen hatte und wortlos befolgte. Dennoch hatte sie manchmal den Eindruck, dass er gröber als sonst war. Meistens dann, wenn sie einen süßlichen Geruch an ihm feststellte, nur konnte Khione keine Verbindung dazwischen herstellen, denn den hatte er oft, fast täglich. Ihr war bewusst, dass ihre aufkeimenden Gefühle nie auf Gegenseitigkeit stoßen würden, doch das akzeptierte sie und verschwieg sie deshalb. Khione versuchte sogar, sie auszustellen und so wie er neutral zu bleiben, nur schaffte sie das nicht immer.

Sobald Sabah die oberste Stufe erreichte, blieb sie bei Khione stehen. „Ich sicher sein, Bruder wissen, was tun er muss", sagte sie. Obwohl Khione alle Anordnungen auf arakisch gegeben hatte und öfters die Sprache nutzte, unterhielt sich Makhahs Schwester liebend gern in ihrer, als würde sie Khione das Leben bei ihnen erleichtern wollen. „Du ihm vertrauen können. Er dir vertrauen", fügte sie mit einem kleinen Lächeln hinzu.

Das konnte Khione nur anhand des Scheins der Fackeln erkennen. Es war ihr stets ein Rätsel, wie die Männer das Feuer bei solch einem Regen aufrechterhalten konnten. „Wir werden die Pferde holen", verkündete sie und eilte die Stufen hinunter. Es war besser, wenn Sabah ihre Gefühle nicht mitbekam. Khione befürchtete, dass die Araki sich etwas ausmalte, was gar nicht der Wahrheit entsprach und es den anderen mitteilte. Nein, das durfte unter keinen Umständen geschehen.

„Naira, komm, wir holen die Pferde rein", Khione sie der jungen Frau auf arakisch zu, die tüchtig bei den Heuballen angepackt hatte. „Wo sind die anderen?", fragte sie, sobald sie näherkam und nur sie im Schein der Fackel im Stall erkannte.

„Sie sind schon auf der Wiese", antwortete Naira und nahm einige Stricke von der Stallwand. Ein paar davon drückte sie Khione in die Hand. Genau wie Sabah beherrschte Naira ihre Sprache nur in Bruchstücken, darum versuchte Khione, sich meistens auf arakisch zu unterhalten. „Sie sind auf der Hintersten und treiben sie Richtung Burg. Wir warten hier und lenken sie dann die Stufen hinauf."

Einen Moment lang brauchte Khione, bis sie Nairas Worte verstand. Aufatmend seufzte sie leise. Sie war froh, dass die eingeteilten Männer schon dabei waren und sie nicht in der Dunkelheit über die matschigen Wiesen stolpern musste. Nicht, dass ihr das Schmutzigwerden etwas ausmachte, aber sie war sich nicht sicher, ob sie ein ausbrechendes Pferd durch den Schlamm einfangen konnte.

Naira zeigte ihr, wie sie die Stricke zusammenbinden musste, bevor sie diese an Speeren befestigten, dass sie eine Art Durchgang darstellten. In dem Augenblick, in dem sie den Letzten anbrachten, zerriss ein Wiehern die Nacht. Kurz darauf folgte Hufdonnern, und Naira nickte Khione zu. Sie positionierten sich an den Seiten und waren bereit, die Pferde mit langen Stöcken in Richtung Burgeingang zu manövrieren.

„Öffne die Tür!", rief Khione dem Araki zu, der diese immer wieder aufgehalten hatte.

Aus der Dunkelheit wurde das Donnern der Hufe lauter, aber Khione sah die Tiere erst, als sie um die Kurve preschten. Sofort hob sie die Arme, wie Naira es ihr gezeigt hatte und versuchte sich an den Geräuschen, die an ein Zungenschnalzen erinnerten. Ihre waren kläglich und beruhigten die Pferde keineswegs, weshalb sie das doch lieber Naira überließ. Durch die junge Frau verlangsamten sie ihren Schritt und folgten ihr mit bebenden Flanken die Burgstufen hinauf. Glücklicherweise waren sie nicht zu eng gebaut, und sie schienen kaum Probleme damit zu haben. Nach und nach verschwanden sie im Inneren der Burg und Khione drehte sich mit klopfendem Herzen zur Dunkelheit. Das war besser gelaufen, als sie angenommen hatte. Dennoch hörte sie, dass es ein paar Nachzügler gab. Darunter auch ihre Stute, die plötzlich bei ihr stehenblieb und sie anstupste.

„Wartest du etwa auf mich, Sakari?", flüsterte Khione mit einem Lächeln und rieb die nasse Pferdestirn. „Keine Sorge, ich komme gleich nach. Geh zu den anderen in die Burg", sprach sie beruhigend weiter, als Sakari mit ihren Ohren spielte und schnaubte. Das sorgte für eine Unruhe in Khione, die sie auf die Zehenspitzen stellen ließ. Was war los? Stimmte etwas nicht?

Ihre Gedanken gingen zu ihrer Ansprache zurück und sie sah genau vor sich, wie einige bei ihrer Aufteilung das Gesicht verzogen hatten. So, als ob sie nicht vorhätten, den Befehlen der Shiharu zu gehorchen. Es waren nicht viele, doch Khione hoffte inständig, dass diese keine Probleme verursachten. Sie befürchtete, dass sie sogar absichtlich etwas sabotierten, damit sie als unfähig dastand. Das würde ihnen nur ins eigene Fleisch schneiden, da war sie sich sicher. Aber was, wenn wirklich etwas dergleichen geschah? Würde sie es beweisen können? Niemand würde ihr Glauben schenken.

Bevor sie sich weiter Gedanken darum machte, hörte sie erneut das Donnern der Hufe und zählte leise die vorbeigaloppierenden Pferde. Erleichtert drückte sich Khione an Sakari. Alle waren da. Kurz darauf erschienen die drei, die sie zusammengetrieben hatten. „Gab es Probleme?", fragte sie vorsichtig und sah unruhig von einem zum anderen. Ihre Mienen waren ernst, und sie erkannte ein Gesicht, das nicht mit ihren Befehlen einverstanden gewesen war. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in Khiones Magen aus und sorgte für Übelkeit. Hatte er etwa ...? Ausgerechnet der Mann räusperte sich.

„Nein, nicht direkt. Sie waren nur der Meinung, nicht mit der Herde mitziehen zu müssen", sagte er nüchtern. „Ihnen war das Gras lieber. Alle sind in Sicherheit, trotzdem kontrollieren wir vorsichtshalber noch einmal die Wiesen", fügte er hinzu. „Wir sind bald wieder da."

„Danke", erwiderte Khione und atmete tief ein. Ihre Befürchtung war nicht eingetreten. Vielleicht hatte sie seine Mimik bei der Versammlung missverstanden. Jetzt blieb nur zu hoffen, dass die Reiter in keinen Schwierigkeiten waren. „Bitte bleibt nicht zu lange weg", bat sie, ehe sie sich mit Sakari in Bewegung setzte und die Stute in die Burg brachte.

Drinnen hatten sich die Pferde über das ausgelegte Heu hergemacht und wurde von denen, die nicht in der Küche beschäftigt waren, mit Strohbündeln trockengerieben. Einer der Arakis hatte ein Feuer entzündet, sodass in der Eingangshalle eine behagliche Wärme herrschte. Es war verblüffend, wie gelassen und friedlich die Tiere waren. Khione hatte angenommen, dass es Unruhe geben würde. Umso erleichterter war sie, dass alles reibungslos verlief. Am Rande bekam sie mit, dass Sabah für genug Wasser in der Küche gesorgt hatte und erst wieder im Morgengrauen neues holen würde.

Erschöpft lehnte sich Khione gegen Sakari und mahnte sich zur Ruhe. Ihre Sorge um die anderen versuchte, ihren bisher kühlen Kopf auszuschalten. Es würde niemandem weiterhelfen, wenn sie Panik schob. Um sich abzulenken, fing sie an, ihre Stute ebenfalls zu trocknen. Zwischendrin ließ sie ihr Liebkosungen in Form von Worten und Streicheleinheiten zukommen. Trotzdem sah sie immer wieder aus dem Fenster und lauschte, ob sie etwas anderes als den Regen hörte. Erst, als die Männer, die die Pferde hergetrieben hatten, hineinkamen, wurde Khione ein kleines bisschen gelassener. Sie bedankte sich bei ihnen und ließ Pahra sowie Kabiha wissen, dass sie die Küche aufsuchen würde. Mit einem Kuss auf die Nüstern ihrer Stute schnappte sie sich eine Fackel und entzündete diese im Feuer des Kamins. Ein letzter Blick, ehe sie der Eingangshalle den Rücken zuwandte.

Langsam ging Khione den dunklen Gang entlang und schauderte bei jedem kleinen Geräusch. Merkwürdig, wie unheimlich er trotz der Fackel wirkte. Fast bedrohlich. Einmal blieb sie stehen und sah aus dem Fenster hinaus. Nichts als Dunkelheit herrschte auf der anderen Seite der Burgmauern, die plötzlich von einer heftigen Windböe umgeben wurden. Khione hatte keine Angst, dass die Burg der Naturgewalt nachgab, aber ihre Sorge um Makhah und die Reiter wuchs.

Leicht fuhr sie mit ihren Fingern der rechten Hand über ihr Hisokan oberhalb der linken Brust und betrachtete daraufhin die Narbe auf ihrer Handinnenfläche. Im bescheidenen Feuerschein war sie kaum zu erkennen, aber als sie die Hand zur Faust schloss, berührten ihre Fingernägel die kleine Erhebung. Es war merkwürdig, doch sie verband diese und das Brandmal mit Makhah. Erst mit der Zeit war sie zur Ansicht gekommen, dass es wirklich eine Verbindung darstellte, und nicht rein zur Folter war, wie sie zuerst angenommen hatte. Mittlerweile hatte sich Khione so daran gewöhnt, dass sie beides nicht mehr wahrnahm.

Wenn sie sich doch nur davon überzeugen könnte, dass er und die anderen in Sicherheit waren ... Nur wo würde sie anfangen, nach ihnen zu suchen? Sie kannte die Strecken nicht genug, um sie problemlos in der Nacht zu reiten. Hinzu kam, dass sie keine Ahnung hatte, wo genau sie sich aufgeteilt hatten. Es wäre wohl einfacher, eine Nadel im Heuhaufen zu finden. Daher blieb ihr nur das Warten auf ihre Heimkehr.

Leise seufzend setzte Khione ihren Weg fort und bemerkte, wie laut sich ihre Schritte anhörten. Erneut rann es ihr kalt den Rücken hinunter, doch sobald sie aus der Küche einen Lichtschimmer sah, beschleunigte sie ihr Tempo. Dort angekommen, erfasste sie die Situation mit einem Blick und grinste. Durch die Fackeln an den Wänden und das Feuer unter dem riesigen Bottich wirkte der Raum düster und gruselig wie eine Hexenküche. Das erinnerte sie automatisch an Makhahs Bemerkung zu Pahras Flügel.

„Ah, Shihara sein da", begrüßte Sabah sie und kam zu ihr.

Khione grüßte die Anwesenden mit einem Lächeln und einem Nicken. Die Araki hatte sich freiwillig für die Küche gemeldet und ihre zwei Töchter dazu aufgefordert, ihr zu helfen. „Habt ihr schon ein paar Eimer filtern können?", erkundigte sie sich auf arakisch.

„Ja", erwiderte Makhahs Schwester und führte sie zum Bottich. Darin blubberte die braune Brühe, die in der Dunkelheit fast schwarz aussah. Appetitlich war anders ... Sabah zeigte auf einige kleinere Töpfe. „Da sein Wasser sauber. Noch heiß sein, aber trinken bald können."

Unwillkürlich grinste Khione über Sabahs Antwort. „Du kannst ruhig in deiner Sprache reden. Wenn ich etwas nicht verstehe, frage ich nach", forderte sie Makhahs Schwester auf.

„Ich wissen du können besser Araki verstehen seit Ankunft, aber ich möchten lernen deine Sprache", beharrte Sabah. „Sie schön sein. So anders." Dabei hatte sie ein Funkeln in ihren dunklen Augen, dem Khione nicht widerstehen konnte.

„Also gut", gab sie nach. Hoffentlich hatte Makhah nichts dagegen ... Ihm gefiel es sicher nicht, dass seine Schwester Khiones Sprache lernen wollte. „Kann ich helfen, das Wasser zu filtern?", fragte sie dennoch auf arakisch.

„Ja, dort sind vorbereitete Eimer", antwortete Avilla, die ältere Frau, die nur arakisch beherrschte, und zeigte auf das Regal an der Seite. „Wir haben Leinentücher darüber gespannt und fangen an, das kochende Wasser abzuschöpfen", fügte sie hinzu. Sie hielt eine Kelle in der Hand, die sie wie eine Köchin aussehen ließ.

Khione und Sabah holten einige Eimer und halfen mit kleineren Schöpfkellen beim Filtern. Obwohl das abgekochte Wasser trinkbar war, hatte es Sand und anderen Dreck, der durch die Tücher abgefangen wurde. Es war eine mühselige Arbeit, denn schon nach ein paar Kellen war es so schmutzig, dass es kaum noch abfloss. Daher mussten sie es immer wieder abmachen und ein neues aufspannen. Nach den ersten Eimern wurde es zu einer Routine, bei der sich eine angenehme Unterhaltung über Gerichte entwickelte. Dabei erfuhr Khione, dass die ältere Araki früher oft für den Terikan gekocht hatte. Sie war die Schwester von Makhahs und Sabahs Mutter, die bei dem Angriff auf Pah Koha gestorben war. Sie und ihre fleißigen Töchter gaben Khione nicht das Gefühl, dass sie als Sheikah an der Vergangenheit schuld oder wie die anderen ihrer Rasse war. Daraufhin wurde sie mutiger und erzählte ihnen von ihrem Leben aus Mija Wa.

Dadurch bemerkte Khione nicht, wie die Stunden verflogen. Nicht einmal, als immer wieder jemand in die Küche kam und einen abgekühlten Eimer holte. Erst im Morgengrauen wurde ihr bewusst, dass sie die ganze Nacht durchgearbeitet hatten und es an der Zeit war, neues Wasser zu holen.

„Hier bist du."

Erschrocken drehte sich Khione um und sah Makhah, wie er sich an den Türrahmen lehnte. Er wirkte müde und völlig durchnässt, aber unverletzt. Seine Haare klebten in Strähnen an seinen Schultern und seiner Brust.

„Makhah!", rief Khione und stellte den Eimer ab, den sie von Avilla erhielt. Zügig kam sie auf das Oberhaupt zu. „Wie geht es dir? Ist alles in Ordnung? Ist Krishna übergetreten?", sprudelten die Fragen aus ihr heraus.

Abwehrend hielt der Shiharu seine Hände in die Höhe. „Es hat aufgehört zu regnen", erklärte er mit einem Fingerzeig zum Fenster.

Verblüfft blinzelte Khione mehrmals. Tatsächlich ... statt bleischweren Regenwolken zeigte sich nach Tagen endlich wieder der blaue Himmel. Eine unendliche Erleichterung breitete sich in ihr aus und sie nahm Makhahs Hand. „Heißt das, dass die Gefahr vorüber ist?", fragte sie atemlos.

„Nein, wir sind weiter wachsam, aber solange es nicht regnet, legen wir eine kleine Pause ein. Drei Gruppen sind noch unterwegs und lösen uns nachher ab", erwiderte er und musterte Khione von oben bis unten. In ihrem Gesicht spiegelte sich eine Mischung aus Beruhigung und Erschöpfung. Sie sah aus, als würde sie jeden Moment vor Müdigkeit umfallen. „Gab es hier Probleme?"

Eifrig schüttelte Khione den Kopf. „Nein, alles ist reibungslos verlaufen. Zum Glück sind unsere Essensvorräte in der Burg gelagert und wir konnten uns dem Reinigen des Wassers, dem Heu und den Pferden widmen", antwortete sie.

Makhah ließ seinen Blick über die Anwesenden in der Küche schweifen. Deren leichtes Nicken beruhigte ihn. Khione hatte bewiesen, dass sie trotz ihres Alters zu etwas fähig war und sich nicht scheute, selbst Hand anzulegen. Nach Pahras und Kabihas Erzählungen hatte sie tüchtig mit angepackt und sich nicht von der Erschöpfung unterkriegen lassen oder von denjenigen, die nicht ganz mit ihren Anordnungen zufrieden waren. „Das hast du gut gemacht, Khione", sagte er mit einem Lächeln und klopfte ihr auf die Schulter. „Ruh dich etwas aus. Wenn es in den nächsten Tagen nicht regnet, ist die Gefahr vorüber."

„Nein, Sabah und ich gehen Wasser holen. Das Abkochen und Filtern dauert so lange und ich möchte nichts dem Schicksal überlassen", widersprach Khione mit einem ernsten Gesichtsausdruck. „Sicher ist sicher. Solange die Gefahr nicht gebannt ist, komme ich nicht gegen die innere Unruhe an. Ich muss etwas tun, ansonsten werde ich verrückt", setzte sie nach.

Makhah versteckte seine Überraschung bezüglich ihres Eifers und nickte. Es war erstaunlich, wie sie über sich hinauswuchs, wenn sie eine Aufgabe bekam. Laut Kabiha und Tehew hatte sie hingegen Mühe, im Unterricht stillzusitzen. „Sorge dennoch dafür, dass ihr euch zwischendrin stärkt und eine Pause einlegt", bat er und packte Khione sanft an den Schultern. Ihr tief in die Augen sehend, flüsterte er, dass sie die Verantwortung hier trug und es niemandem half, wenn sie vor Erschöpfung zusammenbrach.

„Nur, wenn du dich auch ausruhst, Makhah", verlangte Khione engstirnig. „Du warst die ganze Nacht unterwegs, bist völlig durchnässt und brauchst genau wie jeder hier eine Pause", beharrte sie fast schon trotzig.

Daraufhin lachte Makhah nur. „Keine Angst, mir geht es gut", sagte er und drehte sich mit einem Nicken zu den anderen um. „Sabah, sorge dafür, dass sich Khione auch wirklich ausruht und sich nicht übernimmt."

„Das werde ich, Shiharu", erwiderte seine Schwester eifrig.

Er warf den Frauen ein letztes Lächeln zu und verließ die Küche. Bei Sabah hatte er keine Bedenken, dass sie seiner Bitte nachkam. Sie würde auf Khione aufpassen, da war er sich sicher. Auf dem Weg zu seinem Schlafgemach blieb er am Fenster stehen und sah auf den Nebelschleier, den der Regen im Tal hinterlassen hatte. Durch die frühe Morgenstunde trafen die Sonnenstrahlen noch nicht auf ihn, aber er war dennoch in ein geheimnisvolles Licht getaucht, das Makhah sehnsüchtig werden ließ.

„Ahyoka ... hast du Göttin Inara gebeten, uns zu verschonen?", fragte er leise und spürte, wie sein Herz bei dem bloßen Gedanken an sie zerriss. Khione war seiner Geliebten im Punkt Eifer und Tüchtigkeit sehr ähnlich. Auch im Umgang mit den Pferden bewies sie Geduld und Verstand. Und dennoch waren sie völlig unterschiedlich. Ahyoka war eine sanfte Seele mit viel Fröhlichkeit gewesen, Khione hingegen ein Wirbelwind mit Krallen.

Seufzend legte Makhah seine Hand gegen die Fensterscheibe. Er vermisste die Stunden, in denen er Ahyoka in seinen Armen hielt und ihre weiche Haut liebkoste. Ihr Geruch, der ihn in eine andere Welt führte und ihre Stimme, die so sanft wie die eines Engels war, und ihn in einen ruhigen Schlaf wiegte waren in ihm noch lebendig.

Automatisch griff Makhah in die Tasche an seinem Gürtel und sein Blick verfinsterte sich. Nie wieder würde er das erleben. 

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