Kapitel 16
Seit Anbruch der Dunkelheit knisterte das gigantische Lagerfeuer auf dem Burghof und tauchte ihn in ein orangefarbenes Licht. Die Wärme des Feuers erreichte sogar die Ecken des Hofs, schaffte es jedoch nicht, die Kälte in Khiones Gliedern zu mildern. Mit einem mulmigen Gefühl betrachtete sie die Flammen, die sich an den hochkantigen Holzscheiten dem Nachthimmel entgegen züngelten. Es war beängstigend, mit welcher Macht das Holz innerhalb kurzer Zeit in Kohle verwandelt wurde und am Ende nichts als Asche zurückließ. Bei der kleinsten Windbrise stoben Funken auf und wurden mitgerissen, bis sie nicht mehr zu sehen waren.
Es erinnerte sie an die letzten Stunden von Mija Wa, in denen der Schein der in Flammen lodernden Häuser die Nacht zum Tag gemacht und die Anwohner aus dem Schlaf und wie Vieh herumgetrieben hatten. Wie der abartige Geruch von verbranntem Menschenfleisch und qualvolle Schreie die Gassen mit Angst erfüllt und Khione zum Würgen gebracht hatten. Die dunklen Gestalten, die sich genussvoll am Betteln der Menschen labten, bevor diese grauenvoll hingerichtet wurden ... Rollende Köpfe, die achtlos zur Seite gekickt wurden ...
Mehrmals blinzelte Khione, um die Bilder aus ihrem Kopf zu verbannen. Allein der Gedanke sorgte für einen Kloß im Hals, der das Schlucken schmerzhaft werden ließ. Unwillkürlich zog sie die Schultern in die Höhe und rieb sich ihre klammen Finger. Trotz Sabahs Massage nahm sie die Schmerzen im Unterleib noch wahr. Aufopferungsvoll hatte sich Makhahs Schwester um ihr Wohlbefinden gekümmert und ihr Tee und etwas zu Essen gebracht. Zwischendrin war sie gereinigt und erneut mit dem Leinentuch eingekleidet worden, sodass die kleine Wunde über ihrem Herzen für alle sichtbar war. Nachdem Sabah die rötliche Salbe wieder aufgetragen hatte, spürte Khione diese nicht mehr. Nur war sie nicht wie erhofft an weitere Informationen bezüglich des letzten Teils der Eheschließung gekommen.
Rundherum tanzten Männer und Frauen und spielten auf ihren Icabu Musik. Das hohle Holzinstrument, über das dünner Leder gespannt war, stellte bei den Arakis eine Verbindung zwischen Himmel und Erde da. Das gleichmäßige Trommeln symbolisierte den Rhythmus des Herzens und der Natur, das die Einheit und Harmonie mit der Welt ausdrückte. Bei manchen Anlässen wurden die Icabu genutzt, um mit der Göttin Kontakt aufzunehmen und um Schutz zu bitten. Es war eine Art der Arakis, mit der Anderswelt zu kommunizieren. Dazu sangen sie Lieder, die aus hohen und tiefen Tönen ohne richtige Worte bestanden. Selbst Pahra wusste nicht genau, worum die Texte handelten. Obwohl sie schon lange bei ihnen lebte, hatte sie es bis heute nicht herausgefunden. Das lag wohl daran, dass Pahras Bezeichnung dieses Gesanges bei Makhah sauer aufgestoßen war. Sie meinte nämlich, dass er sich wie liebeskranke Wölfe mit Keuchhusten anhörte. Selbst Khione grinste bei dem Ausdruck. So ganz unrecht hatte die Heilerin nicht.
„Du essen wollen?"
Sabahs Stimme neben ihr riss Khione aus den Gedanken. „Danke, nein", erwiderte sie. Solange sie nicht wusste, was auf sie zukam, brachte sie keinen Bissen mehr herunter. Nicht einmal von Pahra hatte sie Informationen erhalten, nur, dass sie jederzeit bei Schmerzen zu ihr kommen konnte. Khione hasste die Geheimniskrämerei, und warf Makhah einen düsteren Blick zu, weil er sich keinerlei Mühe gab, sie darauf vorzubereiten. Stattdessen stand er mit Tehew, Kabiha und Asku etwas abseits des Sitzplatzes, der aus Strohballen bestand und für ihn und Khione reserviert war.
Pahra saß mit Makira neben seiner Schwester und stärkte sich mit der kräftigen Suppe aus Wurzelgemüse, die mit gebratenem Fleisch am Spieß ein herzhaftes Mahl bot. Sie schwieg und hörte nur zu, aber Khione bemerkte, wie oft sie den Blick schweifen ließ, der am Ende immer bei ihr landete. So, als wolle sie fragen, ob mit ihr alles in Ordnung war. Doch würde sie Khione verstehen? Oder war sie durch ihr Leben bei den Arakis auf deren Seite und würde Khione für ihre Zimperlichkeit auslachen?
Leise seufzend fuhr sich Khione mit dem Handrücken über die Augen. Der anstrengende Tag machte sich langsam bemerkbar und der Rauch sowie die Wärme ließen sie brennen. Mühsam unterdrückte sie ein Gähnen und rutschte an Sabah, als Makhah zurückkehrte und sich – ohne sein Gespräch zu unterbrechen – neben ihr niederließ. Von Tehew nahm er eine Pfeife entgegen, an der er kräftig zog und zurückreichte, ehe Asku ihm einen Kelch gab, den er großzügig auffüllte. Eine alkoholische Substanz, die Khione zum Naserümpfen brachte. Ihr war der Saft lieber, der die Arakis in den Sommermonaten aus Buschbeeren herstellten.
„Makhah", sagte Pahra plötzlich, wobei sie leicht warnend klang.
Sein dunkles Lachen erstarb und Khione beobachtete aus dem Augenwinkel, wie er seine Stirn furchte und seine Augen verengte. Es sah aus, als würden sie einen stummen Kampf ausfechten, bis sich die Heilerin mit einem Kopfschütteln wieder ihrem Essen widmete. Verwirrt sah sie zwischen den beiden hin und her. Was hatte die Geste zu bedeuten? Ein kleiner Schauer rann ihr über den Rücken, woraufhin Khione ihre Schultern rieb, um die Gänsehaut zu vertreiben.
„Dir kalt sein?", fragte Sabah mitleidig und hielt ihr eine Schüssel mit dampfender Suppe hin.
Abwehrend hob Khione ihre Hand. „Ein wenig, ich bin nur müde", log sie mit einem gezwungenen Lächeln. In Wahrheit bemerkte sie die kühle Stimmung zwischen dem Oberhaupt und Pahra und das steigerte ihre Nervosität. Wie konnte Makhah so ruhig bleiben und so tun, als wäre nichts geschehen? Warum rückte er nicht endlich mit der Sprache heraus, anstatt sie in der Luft hängen zu lassen?
Khione ballte ihre Hand zur Faust und versuchte sich mit tiefen Atemzügen zu beruhigen. Sie fokussierte ihren Blick auf einige Arakis, die ihre Spieße ins Feuer hielten. Vor zwei Nächten waren sie erfolgreich von der Jagd zurückgekehrt. Der leckere Geruch nach frisch gebratenen Fleisch war jedoch alles andere als verlockend und sorgte nur dafür, dass sich Khiones Magen umdrehte.
Ein paar Minuten wartete sie noch, ehe sie leicht Makhahs Oberarm anstupste. Von ihm kam keine Reaktion, und sie nahm an, dass er es einfach nicht gespürt hatte, doch als sie ihn erneut berührte und sogar seinen Namen sagte, wurde sie wütend. Er ignorierte sie absichtlich!
Mit einem Sprung stand sie auf den Beinen und blitzte ihn aus funkelnden Augen an. „Wenn du mich sowieso die ganze Zeit ignorierst, kann ich jetzt auch ins Bett gehen! Gute Nacht!", fuhr sie ihn bitter an.
Blitzschnell drehte sie sich auf dem Absatz um, hielt aber mitten in der Drehung inne, als sie dem Blick der anderen begegnete. Deren Mienen schwankten zwischen Verblüffung und Todesverachtung. Ihre ohnehin heißen Wangen fingen zu glühen an und sie war nahe dran, den Burghof mit eiligen Schritten hinter sich zu lassen, wäre da nicht Makhah, der sie plötzlich am Handgelenk packte.
„Nicht so schnell."
Ausgerechnet in dem Moment verblassten die letzten Klänge von den Icabu und des Gesangs und es wurde so still, dass Khione nicht einmal mehr das Knistern des Feuers hörte. Es war, als würde die ganze Welt stillstehen und nur auf ihre Reaktion warten.
„Wir sind noch nicht fertig", sagte Makhah und erhob sich. An den Schultern schob er Khione dem Lagerfeuer entgegen, bis die Hitze unerträglich wurde und sie ihre Füße in den Boden stemmte. In ihrem Rücken spürte sie seine Muskeln, die ihr einen Schritt zurück verwehrten. „Kagaiye."
Hinter dem Feuer trat der Schmied der Arakis vor und nickte Makhah zu. Mit einem unguten Gefühl betrachtete Khione den Mann, dessen Hammerschläge von morgens bis abends durch Pah Koha hallten und mehr als einmal Neugier in ihr ausgelöst hatte. Wann immer Khione nichts mehr zu tun hatte, kam sie bei ihm vorbei und beobachtete ihn dabei, wie er mit reiner Muskelkraft rötlich glühendes Metall formte. Er war zurückhaltend und sprach auch mit seinen Artgenossen nicht viel, doch er gab Khione nicht das Gefühl, unerwünscht zu sein. Das war einer der Gründe, weshalb sie sich gerne in seiner Nähe aufhielt. Der andere war, weil sie selbst durch bloßes Zusehen etwas lernte.
Was hatte er mit dem dritten Teil der Eheschließung zu tun?
Fragend warf Khione ihm einen Blick zu, den er nur kurz erwiderte, ehe er etwas aus den Flammen holte. Ihre Augen weiteten sich angesichts des glühenden Metalls, das sie an die Form einer Mondsichel erinnerte und an einem Stiel angebracht war.
„W-Was ...?", keuchte sie und drängte sich so fest gegen Makhah, dass er gezwungen war, einen Schritt zurückzutreten.
„Ist die Form wie gewünscht?", erkundigte sich Kagaiye mit dunkler, rauer Stimme, die beim Summen eine hypnotische Wirkung und Khione damit oft unbewusst entspannt hatte. Unter seinen Augen zog sich ein zweifingerbreiter, weißer Streifen über seine Nase von einer Seite zur anderen. Eine Bemalung, die sie bei ihm noch nie gesehen hatte. Sonst trug er nur an seinen Oberarmen einen hellen Ring.
Eingängig betrachtete der Shihara die Form des Eisens. „Ja", antwortete er. „Ist es bereit?"
Kagaiye nickte. „Tretet hervor."
In dem Moment traf Khione die Erkenntnis wie ein Schlag: Sie sollte gebrandmarkt werden!
Nach Luft schnappend entfernte sie sich mit einem Satz von den beiden und funkelte Makhah wütend an. „Bist du von allen guten Geistern verlassen?", fauchte sie mit klopfendem Herzen und versuchte, die anderen Arakis auszublenden. „Ich bin doch kein Tier, das sich noch mehr von dir verletzen und verstümmeln lässt!"
Makhah zog seine Augenbrauen in die Höhe. „Du hast in die Ehe eingewilligt, Khione. Außerdem war ich vorsichtig", sagte er mit verschränkten Armen. „Die Brandmarkung ist Teil der Zeremonie und betrifft uns beide."
Bitter lachte Khione auf. „Vorsichtig? Das nennst du vorsichtig? Das ... Monsterding da ...", zischte sie und zeigte auf seine Mitte, wofür sie in dem Augenblick keine andere Bezeichnung fand, „... in mich zu zwängen, dass es mich fast zerreißt? Das war alles andere als vorsichtig!"
Mit einer abwinkenden Geste fuhr sich Makhah durchs Haar. „Ich war es", beharrte er grimmig und seufzte. „Wie dem auch sei. Bringen wir es hinter uns."
„Nein!", rief Khione und ballte ihre Hände zu Fäusten. „Warum hast du mir den Teil verschwiegen?", wütete sie erbost.
„Genau aus dem Grund, dass du dich so aufführst und alles erschwerst", antwortete Makhah schulterzuckend.
„Mit gutem Recht! Nur über meine Leiche lasse ich das machen! Ihr seid doch alle nicht ganz bei Sinnen!", rief Khione mit einem Fingerzeig auf die Umstehenden. „Das hat überhaupt nichts mehr mit den Göttern zu tun! Ihr benutzt sie nur als Vorwand, um eure grausame Seite auszuleben, ohne euch dafür entschuldigen zu müssen! Ihr macht eurem Namen als Barbaren alle Ehre!", warf sie ihm in Rage vor, woraufhin einige scharf die Luft einsogen. Das nahm Khione aber nur am Rande wahr. Ihr Blick lag weiterhin auf Makhah, dessen Augen sich zu Schlitzen verengten.
„Schluss jetzt. Hör auf, dich wie ein Kleinkind zu benehmen", fuhr er sie an und griff grob nach ihrem Handgelenk. Solch eine freche Göre! Woher nahm sie sich die Freiheit, so über ihre Götter, ihre Kultur und ihren Glauben zu sprechen? Khione hatte keine Ahnung! Sie war nicht besser wie die anderen Sheikahs, die weder Respekt vor Regeln noch vor der Natur hatten.
Pahras mahnende Stimme im Hintergrund ignorierend, kam er ihr so nahe, dass er regelrecht ihre Angst aus den Poren triefen sah. Sie zu riechen, war für ihn als Jäger leicht. Warnend starrte Makhah ihr fest in die Augen. „Das hier ist unausweichlich. Ich werde mich sogar vor dir zeichnen lassen, wenn dir das lieber ist."
Mit einem Ruck befreite sich Khione von ihm und erwiderte trotzig den Blick, der bei ihr aus Panik, Angst und Abscheu bestand. „Mach, was du willst, Makhah", presste sie zwischen ihren Zähnen hervor. „Wenn du dich verunstalten lassen willst, bitte, tu dir keinen Zwang an, aber ich werde es nicht! Und ein Kleinkind bin ich erst recht nicht mehr!", rief sie und stampfte mit dem Fuß auf.
Mit den Augen rollend, nickte er zu den anderen. „Sicher?", fragte er höhnisch und schnappte sie am Oberarm. „Du bist jetzt eine Shihara und solltest dich dementsprechend so benehmen", flüsterte Makhah mit Nachdruck. Als Khione verachtungsvoll schnaubte und wissen wollte, ob sie überhaupt ein Mitspracherecht besaß, verfestigte er seinen Griff. „Du hast Rechte, aber auch Pflichten. Und das hier ist eine davon. Reiß dich zusammen. Du gehst nicht, bevor das hier erledigt ist."
„Nein!", widersprach Khione ungehalten, trat einen Schritt zurück und wagte einen Fluchtversuch, der jedoch von den Arakis vereitelt wurde. Sie bildeten einen dichten Kreis, der eine unüberwindbare Mauer darstellte und Khione von der Freiheit trennte. Mit wachsender Panik versuchte sie, eine kleine Lücke zu finden, doch wohin sie auch rannte, die anderen drängten sich enger aneinander. „Lasst mich gehen!", verlangte sie keuchend und schrie auf, als Makhah sie harsch am Arm packte.
„Jetzt ist genug", grollte er und schob sie ungeachtet ihres Protests auf Kagaiye zu.
„Lass mich sofort los!", kreischte Khione und riss mehrmals an ihrem Arm, aber Makhahs Griff war brutal. Mit jedem Ruck nahmen die Schmerzen an der Stelle zu, doch sie war nicht gewillt, einfach aufzugeben.
„Hör endlich auf! Mir gefällt es genauso wenig wie dir!", zischte er verärgert. „Trotzdem muss es sein."
„Überhaupt nichts muss sein!", keifte Khione, wobei sich ihre Stimme immer höher schraubte.
Plötzlich räusperte sich Tehew und seine Frau Kabiha griff ein. „Khione, wir verstehen, dass dir unsere Kultur fremd ist, aber Makhah hat recht. Es ist Teil der Eheschließung und kann nicht ausgelassen werden", sagte sie beruhigend. „Ich bin mir sicher, Sabah hat dir die Salbe aus Jingsa aufgetragen, nicht wahr?", fragte sie, woraufhin Makhahs Schwester eifrig nickte. „Es wird schnell vorbei sein."
Zu allem Überfluss blockierten sie den Weg und übernahmen sie von Makhah, der sie mit einem grimmigen Blick in ihre Richtung schob. Sobald sich Kabihas Fingernägel warnend in ihre Haut gruben, stellte Khione ihren Widerstand vorerst ein. Solch eine Stärke hatte sie ihr nicht zugetraut, zumal sie Tehews Frau niemals draußen arbeiten sah. Woher nahm sie nur die Kraft? Khione musste schleunigst etwas einfallen, um die Brandmarkung zu verhindern! Und wenn sie beißen und um sich treten musste!
Mit einem abwertenden Schnauben zu ihr wandte sich Makhah an Kagaiye. „Fang an", forderte er unwirsch, woraufhin der Schmied einen Schritt auf ihn zukam.
Khiones Augen weiteten sich, als sich Makhah ohne mit der Wimper zu zucken das heiße Eisen aufdrücken ließ. Sie erwartete ein gequältes Geräusch, aber nicht einmal ein winziger Laut kam über seine Lippen. Es zischte und qualmte, doch das Oberhaupt wirkte so beherrscht, als würde er keine Schmerzen kennen. Das war doch nicht menschlich! Mitansehen zu müssen, wie sich das glühende Metall in seine Haut zeichnete, verursachte Khione Übelkeit und sie befürchtete, dass das wenige Essen der vergangenen Stunden ihren Weg nach oben fand.
Einige Sekunden später war es vorbei und Kagaiye trat zurück. Anstatt gleich bei Khione weiterzumachen, entfernte er in aller Ruhe die Hautreste mit einem Messer, ehe er das Eisen erneut ins Feuer hielt. Daraufhin fingen die Arakis wieder zu singen und zu trommeln an. Diejenigen, die keine Icabu zur Hand hatten, klatschten im Takt dazu. Wenn Khione es richtig einschätzte, war es ein freudiger Applaus.
Das linderte jedoch nicht die wachsende Panik, die sich in ihrem Körper ausbreitete und ihn zittern ließ. Sie verstand nicht, warum die Arakis so ausgelassen waren. Anderen Schmerzen zuzufügen, war doch kein Grund zur Freude! Vor allem nicht dem Oberhaupt, der das Volk führte und gesund sein sollte!
Wenigstens schien Sabah zwischen Freude und Sorge hin und her zu schwenken. Vorsichtig umarmte sie ihren Bruder und sie tauschten flüsternd ein paar Worte aus, woraufhin Makhah nickte.
„Bitte lasst mich los", wisperte Khione. Sie nutzte die Chance, aufzubegehren, damit Tehew und Kabiha sie losließen, aber alles, was sie sich einhandelte, war lediglich ein zischendes und warnendes: „Schluss jetzt!", von ihnen.
Oh, wie sehr wünschte sich Khione, wenigstens einen zu haben, der für sie einstand und ihr half! Nicht einmal auf Sabahs Hilfe konnte sie hoffen und als Khione ihren Blick schweifen ließ, bemerkte sie, wie Pahra weiterhin auf dem Strohballen saß und den Rest ihrer Suppe austrank. Die Heilerin schien mit ihren Gedanken weit weg zu sein, oder sie blendete absichtlich alles um sich herum aus. So genau konnte Khione nicht sagen, was eher zutraf, aber sie starrte Pahra eindringlich an, in der Hoffnung, dass sie ihren Blick erwiderte. Nach einigen Sekunden hob diese ihren Kopf und ihre Augen trafen sich, doch ihre Miene war entschuldigend, fast schon resignierend.
Dadurch wurde Khione bewusst, dass sie allein mit ihrem Widerstand war. In ihrem Magen keimte eine Wut, die sich blitzartig ausbreitete und ihrem Körper einen Kraftschub gab, mit dem sie sich endlich von Tehew und Kabiha befreite. Ihre Oberarme pulsierten unangenehm und Khione war sich sicher, dass das Festhalten blaue Flecken hinterlassen hatte. Das war ihr in dem Moment egal.
Da Makhah mit seiner Schwester beschäftigt war, nutzte sie den Augenblick, einen weiteren Fluchtversuch zu wagen. Plötzlich hörte sie einen grollenden Laut hinter sich, der sie einschüchternd die Schultern nach oben ziehen ließ. Binnen Sekunden setzte Makhah ihrem Versuch ein Ende. In einer flinken Bewegung packte er ihren Arm und wirbelte sie zu sich herum. Im Feuerschein erkannte sie seine wütende Silhouette, die ihr zeigte, wie sehr ihm ihr Verhalten missfiel. Trotzdem hielt sie seinem zornigen Blick stand und riss an ihrem Arm, den er jedoch nicht losließ.
„Es reicht!", donnerte Makhah los. „Ich habe deine Spielchen satt! Kagaiye!"
Ehe sich Khione versah, schlang das Oberhaupt einen Arm um ihren Oberkörper und drückte sie mit dem Rücken hart an seinen. So fest, dass sie kaum noch Luft bekam und einen unangenehmen Druck auf ihre Rippen wahrnahm.
„Lass mich sofort los!", kreischte Khione aufgebracht. Die Bewegung ihrer Hände war eingeschränkt, weshalb sie anfing, nach ihm zu treten und mit dem Kopf gegen seine Brust zu schlagen. Das führte nur dazu, dass Makhah ihre Stirn warnend an sich drückte. Sobald sich Kagaiye näherte, trat sie panisch um sich. Großen Erfolg hatte Khione damit jedoch nicht. Er wartete, bis Kabiha und Tehew ihre Beine festhielten und ihre Gegenwehr völlig eingestellt war. Mit rasendem Herzen beobachtete Khione, wie er schließlich dem Shiharu zunickte. Je näher er mit dem bedrohlich glühenden Metall kam, desto mehr fühlte sie dessen Hitze. „Nein!", schrie sie und krallte sich in Makhahs Arm, woraufhin er seine Hand auf ihren Mund und ihren Kopf wieder an sich presste.
Sobald das heiße Eisen ihre Haut berührte, breitete sich ein unsagbarer Schmerz in Khione aus, der sie wie am Spieß schreien und ihren Körper in eine Schockstarre verfallen ließ. Bei vollem Bewusstsein bekam sie qualvoll mit, wie sich das Metall Stück für Stück in die Hautschichten fraß, sie zerstörte und sich auf ihr verewigte. Es war ein grauenvoller und langsamer Prozess. Trotz Makhahs Hand und das Zischen des Eisens waren Khiones Schreie deutlich hörbar.
Der Qualm vernebelte ihre Sicht und als beim Luftholen der ekelhafte Geruch von verbranntem Menschenfleisch in ihre Nase drang, würgte sie trotz der Starre. Vor sich sah sie die zahlreichen verkohlten Leichen und die entstellten Körper, von denen noch Hitze ausstrahlte. Jetzt verstand Khione, welche Qualen die Menschen in Mija Wa erlitten hatten. Es war die schlimmste Pein, die sie sich vorstellen konnte. Die Vereinigung war nichts dagegen gewesen!
Es kam Khione wie eine Ewigkeit vor, in die Kagaiye das Eisen aufdrückte. Wimmernd hing sie in Makhahs unnachgiebigen Griff und als die Tränen an ihren Wangen hinab liefen, nahm sie noch wahr, wie er seinen Daumen leicht bewegte. Mit jeder vergehenden Sekunde wichen die Kräfte aus ihrem Körper, bis sie in die Dunkelheit gezogen wurde und alles um sie herum verstummte.
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