Kapitel 10

Genervt brachte Makhah seinen Hengst zum Stehen und drehte sich um. Seit zwei Tagen waren sie auf der Rückreise nach Pah Koha, aber sie kamen nur im Schneckentempo voran. Im Normalfall wären sie viel weiter, doch Khione weigerte sich vehement, vor ihm auf Denali zu sitzen.

Sie bevorzugte als Einzige das Laufen und hielt somit alle auf. Erneut hing sie ihnen hinterher und zog die Gruppe auseinander. Pahra und Sabah hatten sich angeboten, bei ihr zu bleiben und ein Auge auf sie zu werfen, falls sie auf die Idee kommt, sich in die Schlucht zu stürzen. Beide ritten hinter ihr und Makhah nahm ihre besorgten Blicke wahr.

Khione keuchte und schwankte den steilen Pfad hinauf und legte alle paar Meter eine Pause ein. Bisher schlug sie sich tapfer, aber der Weg würde weitaus schwieriger werden.

Mit den Augen rollend übergab er seinem Freund Asku die Führung sowie Ahyokas Stute, die er als Handpferd hatte und ließ die anderen an sich vorbeiziehen. Erst dann wandte er Denali zu Khione um, die ein Stück von ihm entfernt war, und betrachtete sie kopfschüttelnd. Sie sah völlig am Ende aus. „Bist du immer noch nicht bereit, bei mir mitzureiten?", fragte er spöttisch. „Du hältst uns mit deiner verdammten Sturheit auf."

Nach Luft japsend warf Khione ihm einen erbosten Blick zu. „Wenn es dir nicht passt, lass mich doch hier", konterte sie wütend. Sein Genörgel ging ihr gehörig auf die Nerven, aber ihr Körper signalisierte ihr schon seit Stunden, dass sie am Ende ihrer Kräfte war. Ihre Ehre hielt sie allerdings davon ab, klein beizugeben. Sie wollte beweisen, dass sie keine Hilfe brauchte und allein zurechtkam!

„Bruder", mischte sich Sabah plötzlich ein. „Sie reiten kann bei mir. Du nehmen Taschen", schlug sie vor. Bis jetzt hatte sie geschwiegen, und Khione hin und wieder etwas zu trinken gegeben.

Makhahs übertriebenes Seufzen ließ sie brummen, doch sie war überrascht, dass er einwilligte. Zuvor hatte er verlangt, dass sie nur bei ihm mitritt.

In ihrer eigenen Sprache tauschten Sabah und Makhah ein paar Worte aus, und sie überreichte ihm ihre Taschen, in die wesentlich mehr hineinpasste, als es aussah. Kurz warf das Oberhaupt Khione einen merkwürdigen Blick zu, ehe er sich wieder an die Spitze der Gruppe begab.

Stumm sah sie ihm hinterher, bis Sabah dicht an sie heranritt.

„Du können aufsteigen und sitzen hinter mir?", fragte sie lächelnd und hielt ihr die Hand hin.

Abschätzend betrachtete Khione die Höhe ihres Pferdes. Die Stute war nicht annähernd so groß wie Makhahs Hengst, daher wagte sie einen Versuch. „Ich denke schon."

Khione wollte abspringen, doch sie unterschätzte die Erschöpfung der letzten Stunden. In ihren Beinen war kaum noch Kraft vorhanden, darum griff sie nach Sabahs Arm. Makhahs Schwester zog sie hoch, aber als sich Khione mit der rechten Hand festhielt, spürte sie einen stechenden Schmerz in ihrer Schulter, der ihren Arm völlig lähmte.

Trotz Sabahs kräftigem Griff ließ sich Khione nach unten gleiten und schwankte. Sie hatte nicht erwartet, dass die Verletzung solche Probleme mit sich brachte. Ihr war aufgefallen, dass ihre Schulter manchmal blockierte und dadurch ihre Hand verkrampfte. Waren das etwa die Nachwirkungen, von denen Pahra gesprochen hatte? Inständig hoffte Khione, dass sie von allein wieder verschwanden und sie nicht den Rest ihres Lebens damit verbringen musste.

Vorsichtig öffnete und schloss sie ihre Hand, bis die Verkrampfung nachließ. Eine Bewegung neben ihr ließ sie zusammenzucken. Musternd sah Pahra sie an, als würde sie ahnen, was in Khione vor sich ging.

„Ich helfe dir", bot sie an. Ähnlich wie Makhah nahm sie Khiones angewinkeltes Bein und schob sie hinter Sabah nach oben. „Geht es?", fragte sie.

„Ja, danke, Pahra", antwortete Khione und strich sich die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht.

Aufmunternd klopfte die Heilerin ihren Oberschenkel, ehe sie sich wieder auf ihr eigenes Pferd schwang und es antrieb. Makhah wartete mit den anderen ein Stück entfernt vor einer Kurve. Sobald sie die Gruppe erreichten, ritten sie weiter.

Schweigend hielt sich Khione an Sabah fest und bemerkte, dass sie bei ihr weitaus weniger Hemmungen hatte als bei Makhah. Ohne Sattel rutschte sie bei den steilen Pfaden öfter nach hinten, sodass sie sich teilweise krampfhaft an Sabah festhielt. Es schien ihr nichts auszumachen, wenn sich Khione an ihr festkrallte.

„Du können legen Arm um Bauch", sagte Sabah mit einem Blick über die Schulter.

„Danke", flüsterte Khione. Tatsächlich ging es dadurch besser und sie entspannte sich etwas. Von dem unfreiwilligen Ritt mit Makhah hatte sie Muskelschmerzen, aber die Wärme des Pferdes half ihr, diese auszuhalten.

Schweigend setzten sie ihren Weg fort, wobei Khione sich die Zeit nahm, das Gebiet zu erkunden. Zwischen den schneebedeckten Bergspitzen gab es grüne Täler mit Flüssen und Seen, die sich von den grauen Wänden abhoben. Fast schon wie eine eigene, kleine Welt. Abgeschottet vom Rest des Landes. Im Gegensatz zur Steppe wirkte das Gebiet fruchtbar und lebendig.

In einem der Täler erkannte Khione sogar Tiere, die auf der Wiese grasten. Das Bild war friedlich und sie dachte daran, dass sie es schlimmer hätte treffen können. Ihr gefielen die Berge und die klare Luft, die im Winter sicher unerbittlich eisig war. Wie hielten die Arakis die kalten Monate aus? Reichte ein Khemah mit Feuer aus, sie vor dem Kältetod zu schützen?

„Wann du haben Tag der Geburt?", unterbrach Sabah ihre Gedanken.

Aufgeschreckt hatte Khione ihre Frage nicht verstanden. „Was meinst du?"

„Tag der Geburt. Du sagen, du sein fast 18 Winter."

„Oh", erwiderte Khione zögernd, weil sie nicht wusste, worauf Sabah mit ihrer Frage hinauswollte. „Warum fragst du?"

„Es ist ein spezieller Tag, den die Arakis gebührend feiern", mischte sich Pahra in das Gespräch ein. „Jede Geburt ist heilig und bei der Volljährigkeit werden aus Kindern Erwachsene. Ab dem Moment können sie selbst entscheiden, ob sie im Terikan – also beim Stamm – bleiben wollen, oder ob sie bei einem anderen eine Familie aufbauen", erklärte sie. „Sie feiern den Abschied vom Kindsein und segnen die Zukunft."

Nachdenklich geworden sah Khione auf Sabahs Pferdeschwanz, der bei jedem Schritt hin und her wippte. Schaudernd erinnerte sie sich an ein paar Erzählungen von Reisenden. „Werden da schmerzhafte Rituale vollzogen?", fragte sie leise. Wenn das so war, würde sie keinesfalls ihren Geburtstag verraten!

„Nein, nein!", wehrte Sabah entsetzt ab. „Wir tanzen, singen und gutes Essen haben", ereiferte sie sich.

„Die Volljährigen erhalten ein Geschenk vom Shiharu überreicht. Es kann ein Armband, ein eigenes Zelt, manchmal sogar ein Pferd sein. Das entscheidet er nach Absprache mit dem Stamm", sagte Pahra.

Khione schnaubte. Sie ahnte, was sie von Makhah bekommen würde. Entweder nichts oder etwas, das seine Abneigung ihr gegenüber verdeutlichte, um sie vor allen zu blamieren. Darauf konnte sie verzichten.

„Du gehören jetzt zu uns. Dir es gut gehen. Makhah sein guter Mann. Du sein gute Frau und Shihara", meinte Sabah, wobei sie sich glücklich anhörte.

Erneut schnaubte Khione. Pah, Makhah und ein guter Mann? Dass sie nicht lachte! Sabah wollte ihr ihren Bruder schmackhaft machen und seine brutale Seite unter den Tisch kehren, da war sie sich sicher.

„Sabah hat recht", stimmte Pahra zu.

Überrascht sah Khione zu ihr und bemerkte, wie sie ihre Zügel in einer Hand hielt und mit der anderen in ihren Taschen suchte. So unauffällig wie möglich beobachtete Khione, wie sich die Heilerin etwas zwischen die Lippen steckte.

„Makhah ist zwar sturer als alle Esel auf der Welt zusammen und ist es gewohnt, seinen Kopf durchzusetzen, aber er ist ein anständiger Mann", versicherte nun auch Pahra. „Er sorgt für uns Frauen im Terikan und achtet auf unser Wohlbefinden. Ahyoka war seine Göttin."

„Er hat mich grundlos geschlagen", murmelte Khione, obwohl sie seine Trauer ein Stück mehr nachvollziehen konnte.

„Es war eine Ausnahmesituation, in der er das erste Mal die Hand gegen eine Frau erhoben hat", seufzte Pahra und meinte, dass sie seine Tat nicht verteidigen wollte. „Er weiß, dass er falsch reagiert hat, aber erwarte keine Entschuldigung. Der Dickschädel ist hart zu knacken und nicht berühmt, seine Gefühle auszusprechen, doch er hat auch eine weiche Seite, die er gerne versteckt."

Khione riss die Augen auf und befeuchtete sich, mit einem Blick auf Makhah an der Spitze, die Lippen. Er unterhielt sich mit einem Mann, der sich stets in seiner Nähe aufhielt und sie von Anfang an argwöhnisch betrachtet hatte. Genau wie Makhah hatte er an seinem Hinterkopf eine Feder, die in einem Zopf eingearbeitet war. Das Oberhaupt trug seine Haare offen, aber sie hatte heimlich beobachtet, wie Sabah ihm den Schmuck in einer geflochtenen Strähne angebracht hatte.

Wenn Khione ehrlich war, hatte sie Makhahs weiche Seite nur in Verbindung mit Ahyoka und den Frauen gesehen. Dennoch konnte sie sich nicht vorstellen, dass er sie ihr gegenüber zeigen würde. Sie war keine von ihnen und selbst Pahra behandelte er anders.

Als hätte die Heilerin ihre Gedanken gelesen, lachte sie leise. „Makhah kann zwar ruppig sein und betitelt mich gerne als Hexe, aber ich weiß, dass er mich schätzt und respektiert. Ich bin die erste Sheikah in seinem Stamm", erzählte sie.

Damit nannte sie ein Stichwort, nach dem sich Khione bisher nicht zu fragen getraut hatte. „Wer oder was ist eigentlich Sheikah?"

„Das sind die Weißen, also wir. Es herrscht ein jahrhundertelanger Krieg zwischen ihnen und den Arakis."

Khione wich die Farbe aus dem Gesicht. War das der Grund, warum Makhah sie dermaßen hasste und für alles verantwortlich machte? „A-Aber wir können nichts dafür, dass wir ... Weiße sind! Weder du noch ich haben den Krieg angefangen!"

Pahra nickte. „Das mag sein, Kind, doch wir kommen gegen die lange Zeit des Hasses nicht an", erklärte sie. „Wir können nur damit leben und den Arakis beweisen, dass wir zwei nicht zu denen gehören, die sie tot sehen wollen. Ich musste sein Vertrauen erst gewinnen. Es hat ewig gedauert, bis er mich nicht mehr als Feindin angesehen hat. Versuche, ihm eine Chance zu geben."

Plötzlich unterbrach Sabah das Gespräch und bat Khione, sich auf einen kleinen Sprung vorzubereiten. „Dort sein Stein", sagte sie und zeigte nach vorne. Nacheinander sprangen die anderen über das Geröll, das vermutlich von einem Erdrutsch stammte.

Bei dem Anblick bildete sich ein Knoten der Unruhe in Khiones Magen. Das Hindernis sah beängstigend aus, vor allem, da der Pfad schmal war und der Untergrund lose wirkte. Als sie an der Reihe waren und Sabah ihre Stute zum Galopp antrieb, krallte sich Khione an ihr fest und kniff die Augen zusammen. Die schnellere Gangart ließ sie gefährlich hin und her rutschen. Am liebsten würde sie Sabah bitten, anzuhalten, aber dann sprang das Pferd ab und Khione befand sich für einen Bruchteil der Sekunde in der Luft. Voller Panik stieß sie einen Schrei aus, der zwischen den Bergspalten echote. Unsanft plumpste sie zurück auf den Pferderücken und verlor fast den Halt, wäre da nicht Sabah, die geschmeidig ihren Sitz beibehielt. Dank ihr konnte sich Khione wieder normal hinsetzen, doch der Schock steckte in ihren Gliedern und raubte ihr den Atem.

„Du Angst haben?", fragte Makhahs Schwester erstaunt. „Sprung schlimm sein?"

„I-ich bin noch nie gesprungen", wisperte Khione erschöpft.

„Du reiten lernen", sagte Sabah aufmunternd. „Dann wir reiten zusammen."

Bei ihr klang alles so einfach ... Khione war sich nicht sicher, ob sie lieber wieder zu Fuß gehen sollte. Würde Makhah sich querstellen, wenn sie das Reiten lernte? Auf dem Pferd wäre sie schneller bei der Flucht, und doch bezweifelte Khione, dass sie eine Chance hatte. Sie kannte die Wege durch die Berge nicht und das Oberhaupt hatte bewiesen, dass er sie auch bei Dunkelheit fand.

„Vielleicht", murmelte Khione und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ihre Erschöpfung und der Muskelkater setzten ihr zu. Sie sehnte sich nach einer Pause, in der sie alle viere von sich streckte, sich erfrischte und schlafen konnte. Davon war die Gruppe jedoch weit entfernt, wenn sie den Stand der Sonne betrachtete. Seitdem sie über die Spitzen der Berge ragte, waren sie pausenlos unterwegs. Wie hielten die Pferde das bloß aus? Brauchten sie keine Pause?

Die Gruppe setzte den Weg auf dem schmalen Pfad fort und Khiones Unruhe wuchs mit jedem zurückgelegten Schritt. Auf ihrer linken Seite war die Bergwand, an der sie manchmal rieb, wenn Sabah ihre Stute dicht heranritt. Das war bitternötig, denn zu ihrer Rechten lag eine tiefe Schlucht. Jeder noch so kleine Stein, der sich vom Weg löste, erzeugte ein unheimliches Geräusch. Weit unten war ein Fluss, der von einem Wasserfall auf der gegenüberliegenden Seite gespeist wurde. Aus dem Flussbett ragten teilweise Brocken, die selbst von hier oben gigantisch aussahen.

Trotz der Entfernung hörte Khione ein leises Rauschen und sie schluckte schwer. Eine unachtsame Bewegung wäre das Todesurteil, weshalb sie schwieg, um Sabahs Konzentration nicht zu stören. Daher gab sie auch keinen Ton von sich, als sie an der Bergwand entlang schabte und sich etwas Spitzes in ihre Haut bohrte. Khione versuchte sogar, ihren Griff zu lockern, doch der Anblick der Schlucht lähmte ihren Körper.

„Also du wann haben Tag der Geburt?"

Sabahs Hartnäckigkeit überraschte Khione, noch mehr, da sie keinerlei Anzeichen von Unwohlsein oder Angst zeigte, sondern geschmeidig auf dem Rücken ihres Pferdes saß. Würde Khione jemals so gut reiten können wie Makhahs Schwester?

„In dreiundzwanzig Tagen", presste sie zwischen den Zähnen hervor, obwohl sie eigentlich darüber schweigen wollte. Sie war im späteren Sommer geboren, hatte jeden Winter miterlebt.

„Schöne Zeit sein zum Geburt", erwiderte Sabah und es war, als hörte Khione ein Lächeln in ihrer Stimme heraus.

„Behalte es bitte für dich", wisperte sie ihr zu.

Leicht neigte Sabah ihren Kopf zur Seite. „Was du meinen?"

„Sage es niemanden", versuchte Khione verzweifelt ihre Worte ausdrücklicher zu umschreiben. Daraufhin gab Makhahs Schwester einen nachdenklichen Laut von sich, den sie nicht einordnen konnte.

Sie verfielen wieder in Schweigen, wobei Khione ihre Augen schloss, um die Schlucht unter sich zu vergessen.


Die Sonne erreichte ihren höchsten Stand, als sie den Bergpfad verließen und Makhah eine Pause ankündigte. Aufatmend öffnete Khione ihre Augen und erstarrte.

Vor ihnen lag ein See, dessen Wasser wie Diamanten glitzerte. Rund herum spickten zarte Gräser unter den restlichen Schneeflecken hervor, die wohl bis zum nächsten Winter überlebten. Es war eisig, aber windstill und Khione genoss die Aussicht, die sich ihr bot. Es war unglaublich, wie weit sie von hier oben sehen konnte! Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie groß die Steppe sein musste, da sie sich bis zum Horizont und vermutlich noch weiter hinaus erstreckte.

„Du brauchen Hilfe?", fragte Sabah.

„Nein, es geht schon", versicherte Khione, rutschte vom Pferderücken und sackte in die Knie. Erneut hatte sie sich und die Erschöpfung unterschätzt. Dennoch war sie froh, dass keiner außer Sabah und Pahra von ihrer Landung mitbekommen hatte.

Die anderen waren damit beschäftigt, den Durst ihrer Pferde am See zu löschen und Essensvorräte aus den Taschen zu holen.

Zitternd stand Khione auf und streckte sich. Sogleich fuhr ein unangenehmer Schmerz durch ihre Schulter, doch sie folgte Sabah an das Seeufer. Wie kristallklar das Wasser war! „D-Darf ich trinken?", fragte sie vorsichtshalber. Wenn sie schon hierbleiben musste, wollte sie Makhahs Zorn nicht auf sich ziehen, indem sie vielleicht etwas Heiliges der Arakis beschmutzte.

Sabah nickte und ging in die Knie, ehe sie mit ihren Händen Wasser schöpfte. Es schien sie nicht zu stören, dass ihr Pferd gleich neben ihr trank.

Da Khiones Mund so trocken wie die Steppe war, beeilte sie sich, es ihr gleichzutun. Ihr Durst war heftig und sie ignorierte die Kälte des Wassers, bis sich ein irrsinniger Schmerz in ihrem Kopf ausbreitete. Sofort hielt Khione inne und verzog das Gesicht. Sie hatte ganz die Wirkung von Eis und Schnee vergessen. Gefühlt minutenlang kämpfte sie mit einem Stechen, das sie fast außer Gefecht setzte, bis Sabah sie anstupste.

„Komm, wir essen. Du haben Schmerzen?"

Eilig schüttelte Khione den Kopf. „Ich habe Hunger", antwortete sie mit einem gezwungenen Lächeln. Wenigstens jetzt log sie nicht. Das Essen der Arakis war gewöhnungsbedürftig und einfach, aber schmack- und nahrhaft. Nach der Anstrengung knurrte ihr Magen wie ein Wolf.

Sabah knotete die Zügel ihrer Stute zusammen und ließ sie stehen, dafür nahm sie Khione an der Hand und zog sie mit sich zur Gruppe, die sich auf Steinen niedergelassen hatte. Zu ihrem Entsetzen setzte sich Sabah in die Nähe von Makhah, der wie gewohnt von seinem Schatten umgeben war. So nannte Khione den Mann, der sie stets argwöhnisch betrachtete. Heute saß jedoch ein Weiterer bei ihm. Angeregt schienen sie in eine Unterhaltung vertieft zu sein, bis das Oberhaupt aufstand, zu Ahyokas Stute ging und einen Behälter von seinen Taschen löste.

„Was macht er?", wisperte Khione Pahra zu, die sich nicht weit von ihr entfernt ausruhte.

„Er verteilt Ahyokas Asche an jedem Ort. Das ist ein wichtiges arakisches Ritual und sie glauben fest daran, dass dadurch die Erde wieder etwas zurückbekommt und gedeihen kann. Außerdem begleiten uns die Verstorbenen so auf unseren Wegen."

„Werden ... alle so geehrt?", wagte Khione zu fragen. In Mija Wa war meistens ein Grab ausgeschaufelt worden, nur bei Hinrichtungen wurde ein Scheiterhaufen gewählt. Es war eine der grausamsten Hinrichtungsarten, die Khione beim bloßen Gedanken daran schaudern ließ.

Die Nächte, in denen lodernde Flammen den Himmel in orangefarbenes Licht hüllten und die schmerzvollen Schreie der Verurteilten, bis das Feuer ihnen den letzten Atem raubte ... Nie würde sie diese vergessen.

„Ja", kam es als Antwort zurück.

Auf ihrem Fleisch herumkauend beobachtete Khione, wie Makhah mit dem Behälter ein Stück weit lief und plötzlich mit dem Rücken zu ihnen stehenblieb. Sekunden verstrichen, ehe er die Hand hob. Khione sah, wie der Wind die Asche mit sich forttrug. Zusätzlich verstreute Makhah etwas auf dem Boden und als er sich umdrehte, begegneten sich ihre Blicke.

Ertappt senkte Khione ihren Kopf und starrte auf das Fleisch in ihrer Hand. Der Hunger war ihr vergangen, doch sie zwang sich dazu, aufzuessen. Bis zum Abend würden sie keine weitere Pause einlegen, das wusste sie.

Den restlichen Tag vermied sie es, Makhah in die Augen zu sehen oder auch nur in seine Nähe zu kommen. 

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