Therapien und Flashbacks

!!ich selber habe keine bulimie oder ptsd, also wenn etwas falsch dargestellt ist, dann weist mich gerne darauf hin!!

* * *

„Hier ist der Musikraum", erklärte Remus gerade, öffnete die braune Holztür ein wenig und ließ Sirius hinein schauen. „Oft sind hier Therapiestunden, aber in der Freizeit darf man auch einfach so hinein gehen."

„Gibt's ein Klavier?", fragte Sirius interessiert. Es war kurz nach acht und er und Remus hatten direkt nach dem Frühstück die Führung gestartet. Bis jetzt hatte Sirius gesehen, wo er zur Gesprächstherapie musste, wo die Kunsträume waren, wie man in den Garten kam und Remus hatte ihm auch noch die Notausgängen gezeigt und erklärt, wie er am schnellsten zu McGonagalls Büro kommen konnte.

„Ja", meinte Remus und zeigte weiter hinten in den Raum in eine Ecke, wo direkt neben dem großen Fenster ein Flügel stand. „Spielst du?"

Sirius nickte: „Meine Eltern haben mich zum Unterricht gezwungen. Ich hab's immer gehasst und mochte die klassischen Stücke nie, aber irgendwann hab ich gecheckt, dass ich auch einfach das spielen kann, was ich will. Bohemian Rhapsody, zum Beispiel oder anderes von Queen."

„Bist du Fan?", fragte Remus nebenbei, während er die Tür wieder schloss und sie dann den Gang entlang führte.

„Übelst", gab Sirius stolz zurück. „Was magst du?"

„Queen ist schon gut", Remus überlegte. „Aber ich höre meistens mehr Blue October. Kennst du die?"

„Nope", Sirius zuckte mit den Schultern. „Musst du mir irgendwann mal zeigen. Wo gehen wir gerade eigentlich hin?"

„Zurück ins Zimmer", erklärte Remus. „Hab nur einen anderen Weg genommen, um dir diesen Teil des Gebäudes zu zeigen. Hier sind die anderen Zimmer der Patienten."

„Hast du noch andere Freunde hier?", fragte Sirius, während er sich umsah. Aus einem der Zimmer kam ein Mädchen heraus, warf ihm einen verwirrten Blick zu, weil sie ihn wahrscheinlich nicht erkannte und lief dann hastig davon. Wohlmöglich zu ihrer Therapiestunde.

„Ich hatte", erzählte Remus. „Peter war früher mein Zimmerpartner, ist aber vor einem Monat gegangen. Also nicht von uns, sondern wurde ausgewiesen."

„Wie lange bist du denn schon hier?"

„Sechs Monate", gab Remus zu. „Ich weiß, ist ziemlich lang. Ich möchte nicht ins Detail gehen, aber es gibt noch andere Gründe, außer der Zwangsstörung. Außerdem sollte ich schon vor ungefähr zwei einhalb Monaten entlassen werden, hatte aber einen Rückfall."

„Rückfälle passieren", meinte Sirius mitfühlend und blieb stehen, um Remus eine Hand auf den Arm zu legen. „Du wirst das schon irgendwie schaffen."

Remus schmunzelte: „Du auch. Jetzt komm, wir haben nur noch zwanzig Minuten bis zur Therapie. Ich hab heute übrigens zwei, vormittags und nachmittags, also hast du später bisschen Ruhe von mir."

„Ich mag deine Nähe", rutschte es Sirius unbedacht raus. „Ich meine Gesellschaft. Du bist nett. Ist schön, nicht ganz auf sich allein gestellt zu sein."

Remus lächelte nur und machte die Tür auf, verschwand dann sofort im Badezimmer, um sich die Zähne zu putzen. Sirius setzte sich solange auf sein Bett, um Remus nicht zu bedrängen und ging, während er wartete, an sein Handy. Er hatte zwei Mitteilungen von Regulus, ein „Guten Morgen" von James und von Euphemia ein Foto von ihrem sonnigen Garten mit der Unterschrift „Wir denken an dich" bekommen. Sirius lächelte, antwortete allen außer Regulus und ging dann, sobald Remus fertig war, ebenfalls ins Bad.

„Guten Morgen, Sirius", grüßte Poppy fröhlich, machte die Tür auf und trat zur Seite, um Sirius hinein zu lassen. Unsicher betrat er das Zimmer und setze sich, nach kurzem Umsehen, auf den schwarzen Ledersessel, der einem weiteren gegenüber stand.

„Mein Name ist Poppy Pomfrey", stellte die Frau sich freundlich vor. Sie war eine ältere Frau, wahrscheinlich so alt wie McGonagall, hatte ebenfalls gräuliche Haare, welche in einen ordentlichen Dutt gesteckt waren, war ein wenig kleiner als Sirius selbst und trug ein entspanntes Outfit, ohne Schmuck oder Auffälliges, nur ein blumiges Oberteil und einen langen Rock. „Du darfst mich ruhig duzen und mit Vornamen ansprechen, aber mach, wie es dir lieber ist."

Sirius nickte bloß und legte die Hände angespannt auf seinen Schoß, spielte mit den Ringen herum, drehte sie oder zog sie aus und wieder an. Poppy holte sich einen Schreibblock von dem Schreibtisch, welcher in der Ecke stand und setzte sich ihm gegenüber. Sirius sah sich währenddessen um, betrachtete die Bilder an den Wänden, welche einfach nur verschiedene Farbtöne darstellten, sah auf den kleinen Glastisch neben sich, wo Taschentücher lagen und blickte dann aus der Fensterwand, wo auch eine Glastür zum Minigarten war. Im Garten war ein kleiner Teich und viele Blumen, offensichtlich dafür da, dass die Patienten einen schönes Ausblick hatten.

„Ich mag Ihre Lilien", meinte er nach kurzer Zeit. „Die weißen dahinten. Die sehen schön aus."

Poppy lächelte und schrieb etwas in ihren Block, wahrscheinlich überrascht, dass genau das sein erster Satz zu ihr war.

„Bevor wir anfangen, Sirius", sie legte ihren Stift kurz zur Seite. „Möchte ich dich gerne nach deinen Pronomen fragen, damit ich später keine Fehler mache."

„Oh", unerwartet riss Sirius den Blick von den Blumen. „Er ist gut. Im Englischen wäre mir aber he und they lieber."

„Danke", Poppy schrieb es auf. „Ich möchte dich daran erinnern, dass alles hier von dir abhängt. Du musst dich nicht gezwungen fühlen, mir jetzt schon alles zu erzählen. Wenn du es möchtest, werde ich dich nicht aufhalten, aber ich möchte nur, dass du weißt, dass du alles selber entscheiden kannst."

Sirius nickte: „Ich weiß, danke. Ich bin aber eigentlich ein sehr offener Mensch und rede viel, deshalb entschuldige ich mich im Voraus, falls ich anfangen sollte vor mich hin zu plappern."

„Ich finde, plappern, wie du es sagst, ist gar nicht so schlimm", meinte Poppy. „Dann hält man seine Gedanken nicht zurück, sondern lässt alles raus. Überlegt nicht wirklich und schämt sich nicht. Denn, und da möchte ich dich auch dran erinnern, es gibt nichts, wofür du dich schämen musst. Ich werde dich weder verurteilen, noch anders sehen."

Sirius nickte wieder. Kurz verfielen sie in eine Stille und er wandte nervös den Blick ab. Er wollte etwas sagen, wollte anfangen zu erzählen. Er wusste, wie solche Gespräche verliefen, er hatte schon Erfahrungen damit gemacht, nur fiel es ihm plötzlich schwerer, als je zuvor.

„Können Sie mir Fragen stellen?", meinte er nach einiger Zeit. „Ich weiß nicht, womit ich anfangen soll und so wäre es einfacher. Vielleicht starten sie nicht direkt mit den starken Traumata, sondern steigern sich."

„Du denkst mit, sehr gut", lächelte Poppy. „Wie alt bist du, Sirius?"

„Siebzehn", gab er zurück. „Werde im November achtzehn. Am dritten."

Sie schrieb es auf: „Hast du einen Traumberuf? Gehst du noch in die Schule?"

„Traumberuf, nein. Ich war auf einem Gymnasium, aber nur bis zur Zehnten. Hab also so gesehen einen Realschulabschluss. Vielleicht mach ich irgendwann eine Ausbildung oder so, aber keine Ahnung."

„Wer sind die wichtigsten Menschen in deinem Leben?"

„Mein bester Freund James, mein kleiner Bruder Regulus und James' Eltern."

„James' Eltern?", fragte Poppy nach.

„Euphemia und Fleamont", meinte Sirius. „Sie haben mich bei sich aufgenommen und sehen mich als zweiten Sohn. Meine leiblichen Eltern sind scheiße."

„Möchtest du mehr darüber reden? Über deine leiblichen Eltern?"

„Ich hasse sie", stellte Sirius klar. „Sie haben mich geschlagen und ständig runtergemacht. Mich versucht zu kontrollieren und bestraft, wenn ich mich nicht so benommen hatte, wie sie es erwartet hatten. Sie haben mir- sie haben gesagt, dass-"

Er atmete tief ein und aus, sah hoch und blinzelte mehrere Male, um die Tränen zu vertuschen. „Tut mir leid. Ich glaube, ich kann es noch nicht sagen."

„Das ist kein Problem, alles zu seiner Zeit", meinte Poppy und zeigte mit ihrem Stift auf die Taschentücher neben ihm. „Nimm dir ruhig. Möchtest du etwas trinken?"

„Nein", meinte Sirius. „Lange Geschichte, aber ich kann keine Getränke von anderen Leuten annehmen. Nichts gegen Sie."

„Möchtest du mehr davon erzählen?", fragte Poppy freundlich. Sie gab ihm eine Wahl, drängte ihn nicht und wirkte auch nicht ungeduldig auf ihn. Sie saß entspannt, die Beine überkreuzt, den Papierblock auf ihrem Knie angelehnt.

„Es liegt ein meinem Ex Freund", erklärte Sirius und wechselte seine Sitzposition. Es war ein Thema, bei dem er kaum still halten konnte und ihm war jetzt schon klar, dass er wieder anfangen würde zu weinen, wenn er mehr preisgab. „Er hat mir Drogen verabreicht. Wenn ich zu ihm gekommen bin, nach einem Streit mit meinen Eltern und Trost brauchte, tat er immer so lieb und freundlich, bat mir etwas zu Trinken an und ich dachte immer, ich wäre bei ihm sicher, er würde auf mich aufpassen, wenn ich dann eingeschlafen bin, aber..."

Poppy sagte nichts, drängte ihn nach wie vor nicht. Sirius nahm an, dass sie merkte, wie schwer es ihm fiel, die Worte zu sagen.

„Sagen wir einfach, ich war nicht sicher", meinte Sirius knapp, wechselte erneut seine Sitzposition. „Das Arschloch heißt Gideon übrigens."

„Gideon spielt eine große Rolle in deinem Leben, oder?", Sirius nickte widerwillig. Er wünschte, er könnte Gideon vergessen, einfach für immer aus seinen Gedanken vertreiben, doch es plagte ihn nach wie vor und er litt darunter, Tag für Tag.

„Woran denkst du?", fragte Poppy vorsichtig. „Versuch zu beschreiben, was du gerade fühlst. Lass die Gefühle zu."

„Ich hasse ihn", presste Sirius zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Ich hasse, wie er mich behandelt hat, ich hasse, was er getan hat und ich hasse mich selber dafür, dass ich mich so leicht habe manipulieren lassen."

„Das ist nicht richtig", mischte Poppy sich ein. „Dich selber verantwortlich zu machen, für das, was andere tun, ist falsch."

„Aber ich hätte es vorher bemerken sollen!", meinte Sirius laut. „Ich hätte einsehen sollen, wie verdächtig alles ist, aber ich habe es gekonnt ignoriert, weil ich- weil ich ihn geliebt habe. Leider."

„Du hast es ignoriert, weil du so sehr gehofft hast, endlich gefunden zu haben, was du wolltest?", schlug Poppy mitfühlend vor. Sirius nickte seufzend, nicht in der Lage noch mehr zu sagen, da er sonst in Tränen ausbrechen wollte. Der Einzige, mit dem er jemals über das Thema gesprochen hatte, war James. Und eigentlich auch mit seinen Eltern, Walburga und Orion, aber diese hatten nicht wirklich hingehört, also zählte es Sirius' Meinung nach nicht.

„Wann hast du bemerkt, dass Gideon nicht der war, der vorgab zu sein?", fragte Poppy.

Sirius überlegte: „Ich glaube, ich hab es schon immer gewusst, aber der genaue Moment, wo ich ihm zum ersten Mal angesehen und das Monster erkannt habe, welches er wirklich ist, war auf einer seiner Partys. Wissen Sie, Gideon hat Partys geliebt, seine eigenen jede Woche geschmissen oder wurde von seinen Freunden eingeladen. Er hatte einen großen Freundeskreis, die meisten von ihnen kenne ich wahrscheinlich gar nicht, aber sie alle kennen mich. Sie kennen mich alle mehr, als es mir lieb ist."

Er hielt kurz inne, um das unangenehme Gefühl in sich verschwinden zu lassen, doch es ging nicht weg. Gequält sah Sirius wieder zur Seite aus dem Fenster, beobachtete ein Rotkehlchen, welches im Vogelhaus auf dem Baum gegenüber des Zimmers Kerne pikte.

„Auf der Party hat er angefangen, mich vor seinen Freunden anzufassen", fing Sirius wieder an. „Er hat es früher ständig gemacht, mich mit seinen Lügen überredet und manipuliert und wenn ich nicht wollte, gesagt, dass mir anscheinend meine Bescheidenheit wichtiger wäre, als er. Ich wollte ihm beweisen, dass ich ihn liebe."

„Er wollte, dass du dich vor seinen Freunden ausziehst?", fragte Poppy geschockt nach. Sirius lachte bitter.

„Mehr als nur ausziehen, leider", meinte er widerwillig. „Ich habe es mir gefallen lassen, weil ich Gid nicht verlieren wollte. Manchmal hat er mich auch vorher betrunken oder high gekriegt, damit ich weniger mitbekomme. Am nächsten Morgen tat mir alles scheiße weh und ich konnte kaum sprechen, weil mein Hals so wund war. Aber als er damals wieder versucht hat, mich zu überreden, ich aber nicht wollte, weil ich schon in die Bulimie verfallen war, vor Erschöpfung kaum stehen konnte und eigentlich seinen Trost und Hilfe brauchte, ist Gid ausgerastet."

„Weil du nicht wolltest?"

„Genau. Er hat mich angeschrieen und mir Vorwürfe gemacht und mir dann quer übers Gesicht geschlagen", Sirius lächelte leicht. „Ich hab ihm im Gegenzug die Nase gebrochen."

„Das hat er auch verdient", rutschte es Poppy raus. „Obwohl ich Gewalt natürlich nicht unterstütze."

„Natürlich", wiederholte Sirius grinsend und Poppy schmunzelte. „Wir haben uns dann geprügelt und als seine Freunde uns auseinander gedrängt haben, hab ich mich losgerissen und bin davongerannt. Das war das Ende unserer ach so tollen Beziehung."

„Wie war's?", fragte Remus, sobald Sirius den Raum betrat. Remus lag auf dem Bauch auf dem Bett, mit dem Gesicht zur Tür und hatte ein Buch vor sich liegen, in dem er las.

„Sehr gut", meinte Sirius fröhlich. „Poppy ist total lieb und nett. Nur hab ich sie glaub ich etwas überfordert. Hab direkt alles rausgehauen. Wenn ich einmal in den Redefluss komme, dann gibt's keinen Weg zurück."

„Besser, als wenn du nichts sagst", Remus zuckte mit den Schultern. „Möchtest du gleich Tischtennis spielen gehen?"

„Später vielleicht", meinte Sirius, während er seine Schuhe auszog und sich auf sein Bett setzte. „Ich muss noch James anrufen. Er wird bestimmt hören wollen, wie's war."


! tw: bulimie (übergeben) und flashback zu non-con sexual activities !

Nachdem Mittagessen rannte Sirius hoch ins Zimmer, obwohl Remus mit ihm raus gehen wollte. Er ignorierte, wie Remus nach ihm rief, stürmte in den Raum, dann ins Badezimmer, schlug die Tür fest hinter sich zu.

Sirius hatte wieder gegessen. Es gab Reis mit Curry und Hähnchen und Sirius hatte gegessen. Sirius hatte gegessen.

Panisch lief er zum Waschbecken, drehte den Wasserhahn auf, nahm sich Wasser in die Hände und wusch sein Gesicht. Verdammt, warum war er bloß so dumm und naiv gewesen? Er sah hoch in den Spiegel, blickte in seine drängenden Augen, als würde sie ihn überreden wollen, es endlich zu tun.

„Sirius, ist alles-", Remus wollte gerade die Türklinke ins Badezimmer runterdrücken, als er die Würgegeräusche hörte. Er hielt inne, schloss die Tür wieder ganz und lehnte seinen Kopf dagegen. „Brauchst du etwas?"

„Geh weg", stieß Sirius mühevoll aus. Seine Stimme brach vor Anstrengung und sein Hals fühlte sich rau und kratzig an. Er spülte seinen Mund, wusch wieder sein Gesicht und ging langsam runter auf die Knie auf den kleinen Teppich im Badezimmer. Er fühlte das grobe Material unter seinen Fingern, die kalten Fliesen an seinen Beinen, wo seine Hose hochgerutscht war und der Teppich zu Ende ging. Das laute Klopfen an der Tür liest ihn zusammenzucken und er starrte erschrocken auf den Schlitz zwischen Tür und Boden, wo er erkennen konnte, wie Remus davor stand.

Der Flashback traf Sirius unvorbereitet, hilflos und ungeschützt, lief eiskalt an seinem Rücken runter, ließ eine Gänsehaut auf seinen Armen ausbrechen und obwohl er einen Pullover trug, wurde ihm plötzlich kalt, aber gleichzeitig zu warm, als würde er in dem Zimmer ersticken. Es gab nur ein kleines, längliches Fenster, durch welches Sonnenstrahlen schienen und sie blendeten Sirius, ließen ihn die Augen zusammenkneifen.

„Komm schon, sei kein Spaßverderber", hörte er Gideons Stimme nah an seinem Ohr und schüttelte sich. „Es ist deine Party, warum versteckst du dich im Bad?"

„Mir geht es nicht gut", antwortete Sirius schwach. „Ich geh nach Hause. Sorry, Gid, ein andern Mal vielleicht."

„Du stellst dich an, Babe", Gideon kam näher und Sirius lehnte sich an ihn, dachte, er würde ihn umarmen, trösten, helfen, aber Gideon griff bloß in Sirius' hintere Hosentasche, um das Feuerzeug rauszuholen. „Rauch das hier. Dann geht's dir sofort besser."

Er hielt Sirius einen selbst gedrehten Joint hin und Sirius machte brav den Mund etwas auf, damit Gideon ihm den Joint zwischen die Lippen drücken konnte. Sirius hielt ihn zwischen zwei Fingern, während Gideon ihn mit dem Feuerzeug anmachte. Unsicher atmete Sirius ein, hustete leicht und lächelte, als Gideon ihm durch die Haare streichelte.

„Sehr gut machst du das", murmelte Gideon. „Siehst du? Du musstest nur deine Nerven beruhigen. Jetzt komm mit mir, ich hab noch ein Geschenk für dich."

„Geschenk?", fragte Sirius etwas dümmlich, verwirrt durch den plötzlichen Kontrollverlust über seinen Körper und ließ sich mitziehen, als Gideon ihn am Arm packte.

„Du Dummerchen", schmunzelte Gideon. „Es ist doch dein Geburtstag."

„Wo gehen wir hin? Ich dachte, alle sind unten", Sirius sah verwirrt zur Treppe, die ins Wohnzimmer führte, als Gideon ihn an ihr vorbeizog. „Warten sie nicht?"

„Muss ich mir Gedanken machen, dass du jetzt noch an die Anderen denkst?", Gideon sah streng über seine Schulter. „Wenn du lieber mit ihnen Zeit verbringen willst, dann geh doch. Ich mache mir hier die Mühe, um dir etwas Schönes zu schenken, aber du ignorierst es."

„Nein, natürlich nicht", Sirius wollte sich an Gideon schmiegen, aber dieser wich zurück und hob beleidigt den Kopf. „Gid, bitte, ich hab mich nur gewundert."

Als Gideon ihn nicht beachtete, wurde Sirius ängstlich, trat vor und legte seine Hände auf dessen Schultern: „Bitte, Gid, es tut mir leid. So meinte ich das nicht, ehrlich. Ich freue mich über dein Geschenk, wirklich. Zeigst du's mir?"

„Jetzt ist mir die Lust danach vergangen", Gideon schubste Sirius von sich und ging weg, an dem Schlafzimmer seiner Eltern, welche diesen Abend außer Haus waren, vorbei und verschwand in seinem eigenen Zimmer, ließ die Tür aber etwas offen.

Sirius schnaubte, rauchte den Joint weiter und verdrehte die Augen, folgte Gideon aber und schloss die Tür hinter sich. „Jetzt bist du der Spaßverderber, Gid. Komm schon, du hast mir das Geschenk doch versprochen."

„Ach, dir kann ich echt nicht widerstehen", schmunzelte Gideon und kitzelte Sirius kurz am Kinn, als er vor ihm stehenblieb. Er griff nach einem schon bereit stehendem Glas und reichte es Sirius. „Trink etwas, du bist bestimmt durstig. Du hast doch gesagt, dir wäre schwindelig."

„Ja, aber dann hast du gesagt, ich würde mich unnötig anstellen", Sirius sah Gideon vorwurfsvoll an, nahm das Glas aber dankbar an und trank einen Schluck. Er wollte es wieder runter nehmen, aber Gideon drückte es mit zwei Fingern höher, damit Sirius alles auf einmal austrank.

„So ist es gut", murmelte Gideon mehr an sich selber gewandt.

„Das schmeckt komisch."

„Es ist nur Wasser", Gideon lächelte aufmunternd, nahm Sirius den Joint aus dem Mund und rauchte selber ein wenig, ehe er ihn achtlos in das Glas warf, wo er aufgrund der wenigen Tropfen, die noch drin waren, erlosch. Gideon nahm Sirius' Hände in seine und ging langsam zurück, führte Sirius mit sich, drehte sie dann um und ging noch etwas weiter, bis Sirius mit den Knien gegen die Bettkante knallte.

„Gid? Was war in dem Glas?"

„Wasser, Sirius, hab ich doch gesagt."

„Mir geht's nicht gut."

„Stell dich nicht so an, Babe, leg dich hin, entspann dich."

Frustriert fuhr Sirius sich mit den Fingern in die Haare. Er war so dumm gewesen, so blind, so naiv, vertraute zu schnell und zu viel und den falschen Menschen. Er hasste ihn so sehr, hasste Gideon und hasste, dass er ihn geliebt hatte.

„Was ist gestern passiert, Gid? Ich kann mich nicht erinnern."

„Ach, war ich so schlecht?", neckte Gideon.

„In was- Willst du mich verarschen?! Ich hab doch gesagt, ich will noch nicht!"

„Es war deine Idee. Du hast dich praktisch auf mich geschmissen."

„Ich hab- ehrlich?", Sirius blinzelte überrascht.

„Ich bin immer ehrlich zu dir. Du warst wahrscheinlich einfach zu high, um es dir zu merken, aber, vertrau mir, dir hat's gefallen."

„Schade, dass ich alles vergessen hab."

So dumm, so dumm, so dumm. Wie hatte er bloß nicht merken können, wie falsch alles gewesen war. Die Situation, die Ausrede, alles war so verdächtig, eine blanke Lüge, die ihm vors Gesicht gehalten wurde, aber Sirius hatte nicht hingesehen, weil er es nicht wahr haben wollte. Die erste große Liebe, die erste richtige Beziehung, endlich das, was Sirius schon immer mal haben wollte. Warum sollte er es dann so schnell aufgeben?

„Für mich?", fragte Gideon, seine Stimme honigsüß, so sanft, legte sich um Sirius, zog ihn in ihren Bann.

„Ich weiß nicht", murmelte Sirius unsicher und hielt Gideons Hand fest, als dieser ablenkend über seinen Oberschenkel strich. „Es sind immerhin deine Freunde. Ich will vor ihnen nicht blöd aussehen."

„Selbst wenn du es versuchen solltest, könntest du niemals blöd aussehen. Komm schon, liebst du mich denn nicht?"

„Doch, natürlich, mehr als alles andere."

Sirius hasste es. Warum hatte er bloß zugestimmt? Warum hatte er sie gelassen, warum sich nicht gewehrt? Es war wohlmöglich das, was er am meisten in seinem Leben bereute und das bedeutete etwas, denn Sirius hatte viele Fehler begangen. Er fühlte sich so ekelhaft, so wertlos, so ausgenutzt, dass es ihn zerstörte. Wieder wurde ihm schlecht, allein bei dem Gedanken an damals und Sirius fühlte den Drang, sich erneut zu übergeben.

„Sirius, sieh mich an."

Er schüttelte schwach den Kopf. Er kannte es, er war schon mal in so einer Situation gewesen. Er würde nicht hochsehen, sich nicht wieder benutzen lassen.

„Sirius, du bist sicher. Hier ist McGonagall, ich will dir helfen."

Unsicher sah Sirius hoch, bereit, den Kopf sofort wieder abzuwenden, wenn es eine Falle sein sollte. McGonagall lächelte ihm freundlich zu, kniete vor ihm auf dem Boden und hielt in der Hand eine kleine Dose mit der Aufschrift Traubenzucker.

„Möchtest du?", fragte sie, ohne ihn drängen zu wollen. „Du hast dich heute überangestrengt. Erst das Gespräch, dann das Mittagessen. War wohl etwas zu viel für dich, hm?"

Sirius nickte leicht und hielt die Hand ausgestreckt hin, damit McGonagall ihm zwei Traubenzucker drauflegen konnte. Er legte sie sich auf die Zunge und ließ sie schmelzen, sah dabei peinlich zur Seite, weil er sich unter McGonagalls Blick beobachtet fühlte.

„Was brauchst du?", fragte McGonagall nach einer Zeit. „Tranquase? Oder einfach nur ein wenig Ruhe?"

„Ruhe", meinte er leise. „Ich weiß nicht, was gerade war, tut mir leid. So stark war's noch nie."

„Die ganze Situation heute und gestern hat dich einfach überfordert. Das ist normal", beruhigte ihn McGonagall. „Möchtest du mit in mein Büro kommen und dich dort ausruhen oder bleibst du lieber hier? Wenn du Remus darum bittest, wird er auch vor die Tür gehen."

„Remus?", Sirius runzelte die Stirn, verwirrt, warum er Remus vergessen hatte.

„Er hat mich geholt", erklärte McGonagall. „War ganz besorgt, als du nach dem Essen weggerannt bist."

Sirius sagte nichts, ließ sich hoch helfen und ging dann, leicht humpelnd, weil sein Bauch wegen dem Übergeben schmerzte, zurück ins Zimmer. Remus saß auf seinem Bett, mit dem Rücken an der Wand angelehnt und sah hoffnungsvoll hoch, als hätte er nur darauf gewartet, dass Sirius zurückkam.

„Kommst du jetzt alleine klar?", fragte McGonagall. „Ich kann noch bleiben, das wäre wirklich kein Problem."

„Passt schon", meinte Sirius, setzte sich vorsichtig und zwang sich ein zuversichtliches Lächeln ab, damit McGonagall ihn schneller allein ließ. Er hatte nichts gegen sie, fand sie eigentlich ganz nett, wollte aber nicht so bemuttert werden und lieber seine Ruhe haben.

„Okay. Aber wenn was ist, kommst du zu mir oder Poppy oder schickst Remus, ja?"

Sirius nickte und seufzte erleichtert, als McGonagall durch die Tür verschwand. Er kickte seine Schuhe aus, öffnete seinen Gürtel und schmiss ihn auf den Boden, damit es gemütlicher war, wenn er sich hinlegte. Er platzierte den Kopf vorsichtig auf dem Kissen, legte sich auf die Seite und atmete tief ein und aus. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er beobachtet wurde.

„Ist was?", fragte er leicht genervt und blickte streng zu Remus, welcher ihm gegenüber saß.

„Sorry", Remus wandte den Blick ab. „Ich wollte eigentlich nur fragen, ob's dir besser geht."

„Ein wenig", antwortete Sirius müde. „Danke, dass du sie geholt hast, anstatt selber reinzukommen. Wie gesagt, nichts gegen dich, aber..."

„Ich hab mir schon gedacht, dass es dich vielleicht noch mehr triggern würde."

Sirius lächelte leicht: „Du bist lieb. So verständnisvoll."

„Ich geb mein Bestes", Remus lächelte zurück und Sirius schloss die Augen, plötzlich überwältigt von dem merkwürdigen Kribbeln in seinem Bauch. Es war nicht unangenehm, aber es machte Sirius Sorgen.

Denn mit diesem Kribbeln hatte auch alles mit Gideon angefangen.

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