Noch zwei Wochen
wir nähern uns dem ende ahh :D
* * *
Am 58. Tag seines Aufenthaltes aß Sirius zum ersten Mal eine zweite Portion.
Es war an einem Samstag, Sirius saß in der Mensa an seinem typischen Platz, blickte nach draußen, beobachtete, wie der Regen immer stärker wurde. Er war alleine, weil Remus übers Wochenende zu seinen Eltern gefahren war, da seine Mutter Geburtstag hatte und er dabei sein wollte. Es war ungewohnt für Sirius, erstmalig alleine in der Klinik zu sein und obwohl er zu Anfang, als Remus ihm Bescheid gegeben hatte, ängstlich war und sich Sorgen gemacht hatte, war Sirius ruhiger, als gedacht. Das Einzige, was bis jetzt passiert war, war der Fakt, dass Sirius verschlafen hatte, weil niemand da war, um ihm die Decke wegzureißen.
Sirius kaute zu Ende, schluckte runter und blickte auf seinen Teller, blinzelte überrascht, als er erkannte, dass dort nichts mehr war. Verwirrt dachte Sirius nach, wann er denn alles gegessen oder ob er einfach eine kleine Portion bekommen hatte, doch er merkte vor allem, wie sein Bauch nach wie vor knurrte. Ohne sich viele Gedanken zu machen, stand er auf, ging wieder zur Theke, wie man es immer zu Anfang tat und fragte, ob er Nachschlag haben durfte. Zwar verwundert, aber ohne Widerspruch legte ihm die Köchin auf.
Zurück am Tisch aß er diesen Teller wieder leer, war in Gedanken bei Regulus, welcher ihm geschrieben hatte, dass er ihre Eltern überreden konnte, über die kommenden Ferien mit einigen Freunden wegzufahren. Es war nur ein Alibi, denn Regulus wollte eigentlich weg, ebenfalls zu den Potters ziehen und sein altes Zuhause zurücklassen. Sirius freute sich, er freute sich unglaublich, war stolz auf seinen Bruder, gerührt von dessen Mut und glücklich, dass dieser endlich eine zweite Chance bekam sein Leben zu gestalten, wie er wollte.
Sirius brachte sein Besteck weg, schob das Tablett in den Geschirrwagen, blickte über die Schulter zu seinem Platz, um zu prüfen, dass er nichts vergessen hatte und verließ dann zufrieden die Mensa, ging die Gänge entlang, durch das Treppenhaus bis zu seiner Etage, kam in das Zimmer, schloss die Tür.
Er erstarrte, als ihm auffiel, was passiert war.
„Ich hab gegessen", hauchte er an sich selbst gewandt, ließ die Hand von der Türklinke fallen, drehte sich langsam zum Zimmer, nahm alles ein. Die zusammengeschobenen Betten, die chaotisch hin und her geschlagene Decke, die er heute Morgen in seiner Hektik liegen gelassen hatte, das Unterhemd auf dem Boden, sein Handy auf dem Nachttisch.
Langsam schlich sich ein Lächeln auf Sirius' Lippen. Erst nur zaghaft, zögernd, doch nach und nach wurde es breiter, fröhlicher und Sirius erwischte sich dabei, wie sein Herz vor Freude schlug.
Er hatte es getan. Er brauchte keine Hilfe mehr, brauchte nicht, dass Remus bei ihm saß und beruhigend sprach. Sirius konnte es jetzt alleine, konnte essen ohne Hintergedanken, konnte es genießen, konnte sich gut fühlen, ohne Angst zu haben, dass er zunahm.
Sirius schlug sich die Hände überwältigt vor den Mund, schmiss sich aufs Bett, rollte glücklich hin und her, trampelte mit den Fersen auf die Matratze und konnte sich nur knapp davon abhalten zu schreien. Er fühlte sich so wohl, so zufrieden mit sich, so stolz auf das, was er geschafft hatte, darauf, wie weit er gekommen war. Es war unglaublich, kaum zu realisieren, Sirius musste die Situation dreimal im Kopf durchgehen, bis er glauben konnte, dass er es sich nicht ausgedacht hatte.
Was sollte er jetzt tun? Er musste es feiern, musste es Leuten mitteilen, musste-
Sirius sprang auf, zog seine Schuhe schnell wieder an, kippte bei dem Versuch fast um, stolperte aus der Tür, rannte los, schubste dabei aus Versehen fast eine Patientin zur Seite, rief ihr eine Entschuldigung hinterher, flog die letzen drei Treppenstufen runter, knallte gegen eine Wand, sprintete aber weiter.
„Poppy!", rief er von weitem, als er die Frau zusammen mit McGonagall erkannte, lief grinsend auf sie zu und blieb nur knapp stehen, sodass er sie alle fast zu Boden riss.
„Sirius, meine Güte", erschrocken wechselten McGonagall und Poppy einen Blick, versuchten sich vom Schreck zu erholen. „Was ist denn los? Ist etwas passiert?"
„Ist es Remus?", fragte McGonagall besorgt, plötzlich aufmerksam.
„Nein, nein, alles ist gut", stieß Sirius außer Atem aus. „Alles ist bestens, ich- ich hab gegessen, Poppy! Zwei Portionen. Von alleine."
Poppys und McGonagalls stolze Lächeln kamen Sirius wie das schönste Geschenk vor, wie eine Bestätigung, dass er alles richtig getan hatte.
—
„... und dann hat mein Dad ihr eine Kette geschenkt und wir haben Kuchen gegessen", beendete Remus seine Erzählung, lehnte sich zur Seite und blickte hoch, wo Sirius hinter ihm saß und lächelnd zugehört hatte. Es war Montagabend, nach den Therapiestunden und Remus und Sirius hatten endlich einen Moment für sich gefunden. Sie lagen auf dem Bett, Sirius saß mehr oder weniger angelehnt an den Kissen und Remus lag zwischen Sirius' Beinen mit seinem Rücken gegen Sirius' Brust und entspannte sich, während Sirius ihm durch die Haare kraulte.
„Das Beste war aber in der Nacht", schmunzelte Remus. „Meine Mum hat mir am Morgen erzählt, dass ich die ganze Zeit im Schlaf geredet hätte und mein Dad war einfach nur verstört."
„Hast du wieder von Garfield erzählt?", fragte Sirius amüsiert.
„Wer ist Garfield?"
„Dein Hamster, ein Weibchen", meinte Sirius lachend, als Remus sich verwirrt aufsetzte und irritiert die Stirn runzelte. „Hast du mir erzählt. Du hast sie im Schlaf gesucht."
„Ich hatte nie Haustiere", Remus zuckte mit den Schultern. „Aber ich hab anscheinend meine Eltern dazu aufgefordert mir zu helfen, einen Körper zu verstecken."
„Du Mörder", lachte Sirius. „Hoffentlich war der Körper von Gid?"
„Zu hundert Prozent", meinte Remus, packte Sirius sanft an den Beinen und zog ihn am Bett runter, damit er lag. Remus lehnte sich vor, küsste Sirius erst nur zärtlich, nahm vorsichtig Sirius' Hände in seine, verschränkte ihre Finger, drückte sie ins Kissen neben Sirius' Kopf. Er wanderte dann weiter runter, küsste sich an Sirius' Kiefer entlang, biss leicht in die Haut am Hals.
Sirius drehte seine Handgelenke, spannte und entspannte die Finger, drehte den Kopf, nicht wissend ob er den Berührungen entfliehen oder entgegenkommen wollte. Er war überfordert, wusste nicht, was er fühlen oder denken, wie er sich benehmen und handeln sollte. Die Situation kam ihm neu, doch gleichzeitig schmerzhaft bekannt vor, ließ ihn unwohl und merkwürdig fühlen, obwohl er wusste, dass es Remus war.
„Moony", warnte er. Es war nicht, als hätte Sirius Angst vor Remus oder vor dem, was dieser tun könnte, er fühlte sich immer sicher in Remus' Nähe, doch in diesem Moment fiel es ihm schwer, auf seine beruhigenden und sinnvollen Gedanken zu hören, welche ihm einredeten, dass alles gut war.
„Remus", versuchte er wieder, dieses Mal etwas fester. „Remus, warte."
„Sorry", Remus hob verwundert den Kopf, seine Pupillen geweitet, die Haare leicht durcheinander. Erst als sein unkonzentrierter Blick Sirius' eigenen traf, schien er zu verstehen. Sofort ließ Remus Sirius' Hände los, setzte sich fast panisch auf, rutschte zur Seite, als hätte er sich verbrannt, fuhr mit einer Hand durch seine Haare, atmete durch.
„Es tut mir leid", meinte Remus leise und Sirius' Herz zog sich zusammen bei der Reue in Remus' Stimme, bei der Art, wie er sich für sein Verhalten zu schämen schien. „Wir haben gerade noch über Gideon geredet und ich- es tut mir so leid, Sirius."
„Ich bin dir nicht böse", Sirius setzte sich ebenfalls auf, rutschte näher zu Remus, um zu zeigen, dass er wirklich nicht wütend war, dass es nicht bedeutete, dass Remus auf Abstand gehen zu brauchte. „Du hast nichts getan."
„Noch", Remus sah miserabel hoch, peinigte sich selbst für sein Auftreten.
„Es ist alles gut, ehrlich", beteuerte Sirius, wünschte sich fast schon, dass er nichts gesagt hätte, damit Remus nicht mehr so abwesend war und wieder mit ihm kuschelte. Das war es, was Sirius jetzt brauchte, dass sie es zusammen durchstanden.
„Hättest du mich denn aufgehalten?", fragte Remus, unsicher, ob er die Antwort überhaupt hören wollte. „Wenn ich... du weißt schon, mehr gewollt hätte?"
Sirius dachte kurz nach, nahm währenddessen Remus' Hand, fluchte innerlich, als Remus es nicht direkt zuließ und spielte mit ihr herum, brauchte trotz des ernsten Gesprächs den Körperkontakt, die Bestätigung, dass er mit seinen Grenzen niemanden zu weit stieß.
„Ja", antwortete er dann. „Ganz sicher. Ich mach nur das, was ich wirklich will."
Remus atmete erleichtert aus, lehnte seinen Kopf an Sirius' Schulter, vergrub die Nase an dessen Hals und atmete zufrieden den Duft ein. „Ich hab dich einfach vermisst. Wollte dir wieder nah sein."
„Kannst du auch", schmunzelte Sirius, während er Remus besänftigend über den Rücken strich, wissend, dass es noch lange dauern würde, bis Remus sich selbst verzeihen konnte. „Wollen wir einen Film schauen und dabei zusammen liegen? Was sagst du?"
„Klingt gut", Remus setzte sich leicht auf und küsste Sirius kurz auf die Wange. „Aber zuerst geh ich duschen. Willst du uns was raussuchen?"
Sirius stimmte zu und öffnete Netflix, was er auf seinem Handy hatte und wo er und Remus schon gemeinsam Filme geschaut hatten. Er ging gerade die Vorschläge durch und überlegte, welches Genre jetzt gut wäre, als James ihn plötzlich über Videoanruf anrief.
„Hey", grüßte Sirius lächelnd und hielt das Handy etwas weiter von sich. „Was machst du da? Ist das Malerkleidung?"
„Oh, ja, stimmt", James lachte. „Hab total verpeilt die heute Morgen auszuziehen. Hör zu, ich will dich nicht lange aufhalten, aber ich hab eine wichtige Frage."
„Schieß los."
„Welche Bettwäsche findest du schöner?", James hielt erst die rot karierte und dann eine schlichte dunkelblaue ohne Muster hoch. „Ich persönlich tendiere zu rot, aber ich wollte deine Meinung wissen."
„Was zur Hölle?", Sirius schüttelte ungläubig den Kopf. „Warum fragst du mich das?"
„Weil es deine sein wird", erklärte James. „Dad und ich haben heute das alte Büro umgebaut und renoviert, deshalb die Malerkleidung. Wir machen alles bereit für deinen Einzug- oh Mist, oh Scheiße, das sollte eine Überraschung werden. Oh Gott, Mum bringt mich um."
„Meinen... Einzug?", Sirius' Mund fiel auf. „Das meinst du nicht ernst, oder?"
„Doch, doch", James grinste fröhlich. „Ist doch doof, wenn du ständig auf einer Matratze auf dem Boden schlafen musst. Ein eigenes Zimmer ist viel toller. Regulus kriegt auch eins. Das machen wir wahrscheinlich übermorgen, wenn wir hier mit fertig sind. Für ihn bauen wir das Gästezimmer um. Da muss eigentlich nicht viel gemacht werden, aber du weißt schon, es gibt immer was zu tun. Welche Bettwäsche willst du?"
„Prongs, ich-", Sirius konnte keine Sätze mehr bilden, wusste nicht, wie er seine Dankbarkeit ausdrücken sollte. Die Potters hatten so viel für ihn getan, sorgten für ihn, waren seine Familie, es war überwältigend. „Danke, James, danke."
„Kein Problem", meinte James entspannt. Er hatte keine Ahnung, wie viel es Sirius bedeutete, er hielt es für selbstverständlich, dass man so etwas für die Menschen tat, die man liebte. Für ihn funktionierte eine Familie so. „Du kommst doch bald, oder?"
„Ich denke", meinte Sirius stolz. „Zwei Wochen höchstens, dann bin ich wieder bei dir."
„Ich freu mich. Kann es kaum erwarten, dich wieder in den Arm zu nehmen."
„Du warst gestern noch hier, Prongs", lachte Sirius. „Du und Remus habt euch ein Tischtennis Duell geleistet, schon vergessen?"
„Und ich hab jedes Mal gewonnen", kam es plötzlich von Remus, welcher hinter Sirius aufgetaucht war und ihm über die Schulter blickte. „Hey, James, wie geht's?"
„Blendend, wie immer. Dir?"
Sirius reichte sein Handy weiter an Remus und nutzte den Moment, um sich bettfertig zu machen. Er liebte es, dass Remus und James sich so gut verstanden, konnte deswegen auch gestern nicht aufhören zu lächeln. Es waren zwei der wichtigsten Menschen in seinem Leben und ihre Freundschaft bedeutete Sirius alles. Zwar war das erste Gespräch zum totlachen gewesen, weil James Remus mit zusammengekniffenen Augen beobachtet hatte, während Remus bei jedem von James' Blicken einen Zentimeter weiter weg von Sirius gerutscht war und immer wieder nervös auf den Boden gesehen hatte. Aber sie fanden schnell gemeinsame Themen und nachdem Sirius sie mehr oder weniger dazu gezwungen hatte sich zu verstehen, da er sonst „beleidigt" gewesen wäre, wurden sie Freunde. Es war ein amüsanter Tag für Regulus gewesen, keine Frage.
„Hey"
Sirius hatte gar nicht bemerkt, dass er gedankenverloren aus dem Fenster gestarrt hatte, sein T-Shirt zum Schlafen fest in der Hand, bis Remus seinen Kopf am Kinn nicht leicht anhob und Sirius ihm somit in die Augen sehen musste.
„Woran denkst du?", fragte Remus und schmunzelte, als Sirius die Arme um ihn schlang und ihn fest umarmte. Er konnte erahnen, was Sirius fühlte. „Zwei Wochen noch, hm?"
„Lass uns nicht daran denken", meinte Sirius streng. „Sonst bin ich traurig."
„Es ist kein Grund, um traurig zu sein", beteuerte Remus. „Im Gegenteil, du kannst stolz auf dich sein, dass du so weit gekommen bist. James sagt, dass Mia gestern vor Freude geweint hat, sobald sie Zuhause waren."
„Du hast auch geweint", stellte Sirius fest und blickte hoch. „Vor kurzem. Ich kann es dir ansehen, also lüg mich nicht an."
Remus lachte, schüttelte aber bedauernd den Kopf, wissend, dass Sirius die Antwort nicht gefallen würde: „Okay, Sherlock Holmes. Aber bevor du fragst, ich will nicht drüber reden, okay?"
Sirius seufzte und nickte widerwillig. Er hasste solche Momente mit Remus, bei welchen er wusste, dass der andere litt, ihm aber nicht einmal beistehen konnte, weil Remus es nicht zuließ. Er wollte doch nur das tun, was Remus von Anfang an für ihn tat.
„Denk nicht drüber nach, Love", meinte Remus. „Film und kuscheln?"
„Mmh", Sirius war nicht allzu überzeugt, versuchte den Gedanken aber abzuschütteln und ließ sich von Remus aufs Bett ziehen, wo sie es sich gemütlich machten. Sie stellten das Handy auf das Kissen und lehnten es an die Wand, legten sich auf ihre Bäuche und es dauerte nicht lange, bis Remus anfing einzuschlafen.
Sirius drehte sich auf die Seite, streckte den Arm aus und fing an leicht über Remus' Rücken zu streicheln, mit den Fingernägeln ab und zu zu kraulen. Er wusste, dass es Remus entspannte und da Remus nach dem Duschen merkwürdig angespannt war, half es ihm ruhig zu werden. Sirius lächelte leicht, als Remus leise ausatmete und in die Traumwelt zu gleiten schien. Er lehnte sich vor, küsste Remus auf die Nasenspitze und strich mit den Fingerkuppeln sanft über seine Wange, ganz vorsichtig, sodass er die Haut kaum berührte.
„Keine Versprechen", flüsterte Sirius. „Aber ich liebe dich."
Als Sirius später in der Nacht das Badezimmer betrat, fiel ihm auf, dass die Dose mit Remus' Schmerztabletten leer war.
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