Es wird besser

„Sirius?"

Verschlafen grummelte Sirius eine Antwort, vergrub das Gesicht aber weiter ins Kissen und rollte auf den Bauch, weg von der Person, die neben dem Bett hockte.

„Komm schon, Sirius, steh auf."

„Zu früh", gab Sirius genervt zurück, streckte einen Arm hinter sich und versuchte Remus zu schlagen, konnte aber natürlich nicht treffen. Lachend wich Remus aus, kletterte aufs Bett und setzte sich auf Sirius' Rücken, lehnte sich runter, küsste kurz dessen Hals, ehe er ihm ins Ohr rief: „Steh auf, du Schlafmütze!"

Sirius zuckte erschrocken zusammen, kickte mit dem Fuß hoch, in der Hoffnung Remus zu treffen und hielt sich eine Hand ans Ohr, versuchte dabei aber den Kopf zu drehen, um Remus einen wütenden Blick zuzuwerfen.
„Hast du den Verstand verloren, Lupin?"

„Vielleicht. Aber gerade ist nicht der richtige Moment, um das zu besprechen", grinste Remus und packte Sirius an den Schultern, um ihn kräftig zu rütteln. „Jetzt steh auf! Ich hab seit sechs Uhr gewartet, bis die Sonne aufgeht, damit ich dich endlich wecken darf."

„Wie früh isses denn?", fragte Sirius, mit dem Schlaf in seiner Stimme immer noch deutlich präsent.

„Acht", meinte Remus, schwang die Beine von Sirius runter und lief fröhlich zu seinem Handy, um Musik anzumachen. „Komm schon, sei keine Diva."

„Ich kann sein, was ich will", murmelte Sirius, stützte sich mit den Händen aber ab und setzte sich etwas auf, legte sich aber die Decke über die Schultern und ignorierte nur knapp den Drang, wieder mit dem Gesichts ins Kissen zu fallen. „Woher hast du überhaupt diese Energie?"

„Mir geht es blendend", Remus klatschte bei jeder Silbe in die Hände, um das letzte Wort zu betonen. „So gut ging es mir schon lange nicht mehr."

Er legte sich dramatisch eine Hand an die Stirn und fiel mit einem zufriedenen Seufzen zurück aufs Bett: „Keine Schmerzen, keine Krämpfe. Frei."

„Wirklich?", ungläubig sah Sirius an, ehe er zu strahlen begann. „Das ist toll, Moony! Deshalb willst du den Tag ausnutzen?"

„Deshalb will ich den Tag ausnutzen", bestätigte Remus. „Aber mit dir zusammen. Wollen wir in die Stadt? Einfach ein wenig rumlaufen und so?"

„Klar, was immer du willst", meinte Sirius. Über die Wochen, die er hier verbracht hatte, war Sirius schon oft aufgefallen, wie die quälenden Schmerzen Remus beeinträchtigen und beeinflussen konnten. Er könnte ständig wütend und aggressiv sein, aber auch traurig und lustlos, wollte manchmal den ganzen Tag im Bett verbringen oder aß nichts beim Essen. Seine Laune konnte sich drastisch ändern oder Remus fiel ohnmächtig um, wenn es zu viel wurde. Sirius freute sich unglaublich für ihn, dass es heute besser war und wünschte sich, dass Remus für immer von diesen Qualen befreit sein könnte.

Nach einem schnellen Frühstück, wo sogar Sirius eine ordentliche Portion runterkriegen konnte, gingen sie zur Eingangshalle, wo eine Liste war, in der Remus ihre Namen, Uhrzeit des Losgehens und Uhrzeit des Zurückkommens eintrug. Sie hatten maximal vier Stunden Ausgang von der Klinik, welche sie auch komplett ausnutzen wollten.

Hand in Hand und Rucksäcken auf den Schultern, machten sie sich auf den Weg. Sirius, welcher normalerweise quatschte, bis sein Mund trocken war, blieb dieses Mal still und hörte Remus aufmerksam zu, da dieser heute nicht von den Schmerzen abgelenkt werden musste und entspannt erzählen konnte.

Er schilderte von einem Urlaub mit seinen Eltern, wo sie an die Küste Englands gefahren waren und erinnerte sich fröhlich daran, wie eine Möwe seinem Vater das Eis aus der Hand geklaut hatte und damit davongeflogen war. Remus war damals sieben gewesen und hatte sich fast eingepinkelt vor Lachen.

Nach einiger Zeit kamen sie bei einer Eisdiele vorbei, wo sie sich jeweils zwei Kugeln holten. Für Sirius Schokolade und Cookies im Hörnchen und für Remus Zitrone und Himbeere im Becher. Ausgestattet gingen sie in den Park, spazieren erst nur den Weg zwischen den Wiesen entlang und bogen den zum kleinen See ab, wo sie die Enten und Gänse beobachteten.

„Sie werden bald wegfliegen", kommentierte Remus, während Sirius den Vögeln ein abgerissenes Stückchen vom mitgebrachten Brötchen zuschmiss. „Wäre schön, oder? Wenn wir das auch könnten."

„Fliegen oder sich ins wärmere Gebiet verpissen?", fragte Sirius neckend nach und ließ sich neben Remus auf der Bank gegenüber vom See nieder.

„Fliegen", meinte Remus sehnsüchtig. „Muss total befreiend sein."

„Ach, ich weiß nicht. Gehen ist irgendwie auch ganz toll."

„Mit dir kann man echt keine philosophischen Gespräche führen", verdrehte Remus die Augen.

„Tut mir leid, Aristoteles", gab Sirius grinsend zurück. „Philosophieren Sie ruhig weiter, ich kann Ihnen auch nur zuhören."

„Und ab und zu einmischen", Remus stupste necken Sirius' Nasenspitze mit dem Zeigefinger. „Ich kenn dich doch. Drei Minuten ohne zu reden ist für dich schon Hochleistungssport."

„Gemein", Sirius rutschte näher zu Remus, bis ihre Gesichter nur wenige Zentimeter Abstand hatten. „Darf ich dich-"

„Ja"

„Ungeduldig, Mr. Lupin?"

„Man, küss mich doch einfach. Meine Güt-"

„Weißt du, du sagst ja ständig, das alles hier könnte nicht für immer sein", meinte Sirius, während er und Remus auf dem Weg zurück waren. „Aber lass uns dann doch wenigstens etwas haben, womit wir uns daran erinnern können. Weil, du bist trotzdem ein großer und wichtiger Teil in meinem Leben, selbst wenn es nicht hält."

„Woran hast du gedacht?"

Sirius zog seinen Rucksack aus und kramte darin, ehe er stolz lächelnd eine Polaroid Kamera herausholte und sie Remus hinhielt: „Die hat mir James letztens mitgebracht. Damit ich Erinnerungen mache."

„Und was hast du bis jetzt schon?", fragte Remus interessiert.

„Noch nichts", gab Sirius grinsend zurück. „Das allererste wollte ich mit dir machen."

„Oh, wie romantisch", meinte Remus ironisch, obwohl er innerlich geschmeichelt war. Die Zeit mit Sirius war auch für ihn ein großer und wichtiger Teil seines Lebens, wenn nicht sogar der Beste bis jetzt. Sirius war besonders, auch wenn ein wenig nervig und laut ab und zu, aber Remus hatte alle Macken und Charakterzüge zu lieben gelernt. Was sie hatten, das war es, was Remus Kraft gab, was ihn stärkte, Sirius' Liebe, die ihn nicht für einen Freak hielt und ihn nicht verurteilend ansah, wenn er die Tabletten nahm. Oder auch mit einem Mal fast die komplette Packung runterkippte, wenn er die Schmerzen nicht mehr aushalten konnte.

„Komm her, du Anti-Romantiker", Sirius zog Remus näher zu sich und schlang einen Arm um seine Schultern. Remus lachte, weil sie beide fast umkippten, da Sirius fast alles immer hektisch und unkontrolliert tat, und drückte Sirius' Arm etwas runter, damit Sirius ihn an der Hüfte hielt, wo er besser drankam und sich nicht auf die Zehenspitzen zu stellen brauchte.

„Was soll ich tun?", fragte Remus. „Ich bin bei Fotos immer total verloren."

„Lächeln. Du hast ein schönes Lächeln", gab Sirius einfach zurück, streckte die Hand mit der Kamera vor sie.

„Nein- also, danke, aber ich weiß nicht. Ich fühl mich komisch."

„Dann...", Sirius überlegte. „Schau irgendwo anders hin, tu so, als würdest du nicht merken, dass ich ein Foto mache."

„Okay", unsicher wandte Remus seinen Blick ab, sah nur aus dem Augenwinkel, wie Sirius posierte, die Zunge rausstreckte, grinste, Grimassen schmiss und verkniff sich nur knapp das Lachen. Nach dem lauten Klick ließ Sirius von ihm ab und schüttelte das Foto, während sie weitergingen, die Gedanken frei von allem Negativen, nur pure Freude den Tag zusammen verbringen zu können.

„Ich mag das hier am liebsten", verkündete Sirius am Abend, als sie wieder bei sich im Zimmer waren und er auf dem Rücken auf den zusammengeschobenen Betten lag, die Beine wie ein Stern ausgestreckt und die Arme über sich, während er das Bild betrachtete. Auf dem Weg zurück hatten sie noch einige Fotos von sich geschossen, hatten einmal sogar einen Passenten die Kamera halten lassen und sonst nur totale Quatsch-Bilder gemacht, bei denen die Hintergrundgeschichte zwar fragwürdig war, niemand sich aber trauen würde wirklich nachzufragen.

Auf einem Bild stopfte Sirius Remus Gras in den Mund, während sie auf der Wiese herum purzelten, auf einem anderen hielt Remus die Kamera hoch über sich, während Sirius versuchte an ihm hochzuspringen, um sie zurück zu klauen.

Aber das Foto, was Sirius in diesem Moment betrachtete und von welchem er nicht den Blick abreißen konnte, war eines der erst geschossenen Bilder, wo sie beide noch nicht den Verstand verloren hatten.

Sirius sah wie immer gut aus, seine Haare flogen elegant nach hinten, sein Lächeln ehrlich und fröhlich, der Blick auf den Betrachter gerichtet, aber Remus, Remus blickte zu Sirius. Und es ließ Sirius' Herz schneller schlagen, seinen Bauch kribbeln und er wollte die Augen vor Überforderung schließen, um mit den Gefühlen klarzukommen. Remus sah ihn mit so viel Liebe, so viel Zuneigung und fast schon Verehrung an, lächelte dabei, glücklich und ungläubig, als wäre Sirius das, was ihm gefehlt hatte, das, wofür er morgens aufstand.

„Zeig mal", Remus schmiss sich neben Sirius aufs Bett, kaute dabei auf einem roten Apfel rum und Sirius' Blick huschte schnell bei dem Klang, als Remus abbiss, zu ihm. „Oh, sorry, soll ich das lassen?"

„Hast du noch einen?", fragte Sirius, wurde aber immer leiser, unsicher, ob es in Ordnung war, wenn er nach etwas bat.

„Noch einen Apfel?", Remus blinzelte erstaunt, ehe er anfing zu strahlen. „Klar, oh mein Gott, natürlich, warte-"

Er rollte hastig vom Bett, stolperte fast über seine eigenen Füße, als er zum Rucksack in der Ecke rüberlief und kramte darin, bis er einen weiteren Apfel fand. Aufgeregt wie ein kleines Kind, setzte er sich ans Bett und reichte Sirius den Apfel, nahm währenddessen das Foto an sich, um Sirius nicht das Gefühl zu geben, dass jede seiner Bewegungen beobachtet und kontrolliert wurde.

Sirius wog den Apfel in der Hand ab, strich mit dem Daumen behutsam über die rote Schale, spürte, wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Er führte den Apfel näher, biss hinein und hielt sich schnell eine Hand ans Kinn, weil der Saft sonst auf die Decke getropft wäre. Sirius kaute vorsichtig, genoss den Geschmack, das Gefühl auf der Zunge, kniff dabei aber angestrengt die Augen zusammen, um die negativen Gedanken und besorgniserregenden Bilder nicht an sich ranzulassen.

„Ich bin so stolz auf dich", kam es leise von Remus und als Sirius hochsah, lag dessen Blick auf ihm. Er schluckte und lächelte.

„Ich auch auf mich."

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