Base 4
Rücksprache für den Gay Support ®️
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"So", verkünde ich bedeutungsschwanger und gleichzeitig nichtssagend, wie Wonbin immer, die sich das von ihren deutschen Internetfreunden abgeschaut hat.
"So", meint auch Hao. Neben mir auf seinem Bett sitzend sieht er mich nachdenklich von der Seite an. In der Hand halte ich mein Handy mit einem Foto der drei Liebesbriefe, zusammengefaltet und auf meinem Schreibtisch abgelegt. Mitgebracht habe ich sie nicht, Hao würde zwar nie verlangen sie lesen zu dürfen - trotz Neugier - aber ich will sie nicht überall hin mitnehmen. Ich bewahre sie sorgfältig zuhause auf.
Das Display geht immer wieder aus und ich schalte es wieder ein. Weil ich nichts mehr sage, fragt er schließlich: "Wen von den dreien nimmst du?"
"HA!", rufe ich laut, wodurch er die Stirn runzelt. Sein Blick ist ein bisschen zweifelnd. Ich erklär's ihm: "Du denkst auch gar nicht dran, OB ich überhaupt einen von den Dreien nehmen sollte!"
"Ja, wieso auch", entgegnet er schulterzuckend. "Du hast doch gesagt, dass alle drei voll lieb sind, also was spricht dagegen? Magst du keinen von ihnen wirklich?"
"Tja... was spricht dagegen?", sinniere ich und lasse diese Frage offen im Raum stehen. Mit prüfendem Blick durchbohre ich die Briefe auf meinem Bildschirm, als würden sie es mir verraten, aber ihnen fallen auch keine Gegenargumente ein. Sie sagen vielmehr, dass absolut nichts dagegen spricht und ich doch bitte einen, oder alle, von ihnen beantworten möge.
"Du solltest das tun, was dein Herz dir sagt", rät mein Bester in die Stille hinein. Soweit war ich in etwa auch schon, das Ding redet nur nicht mit mir. Nicht direkt zumindest.
"Ich mag irgendwie alle drei...", murmele ich und Hao neben mir nickt verständnisvoll, als wäre das das Normalste der Welt. Wenn man in einem Anime wäre. Und einen Harem hätte. Welchem normalen Typen, wie mir, passiert sowas?? "Es ist verrückt."
"Ist doch cool?", widerspricht mein Bester. "Deine Probleme möcht ich haben... als wär es nicht mit einem schon schwer genug. Hast du zu viel Auswahl oder was? Du hast die Qual der Wahl. Drei tolle Typen..."
"Yeah... Typen", murmele ich.
"Ooohhh!", entfährt es Hao in diesem Moment der Erkenntnis? Höre ich da leichte Panik, ganz tief versteckt in seiner Stimme?? "Das ist es, was dich stört?", stellt er dann ruhig fest. Mein Blick ruht nun auf seinem Gesicht, doch er sieht mich nicht mehr an.
"Dich scheint es nicht zu stören." Meine Brust fühlt sich etwas eng an und ich kriege schlechter Luft, obwohl ich gerade ruhig daliege. So Gefühlskram und romantische Interessen sind ganz neues Terrain in unserer Freundschaft. Natürlich bin ich nervös. Ich spüre meinen Herzschlag viel deutlicher als sonst, es schlägt seltsam hart gegen meine Rippen.
"Nee", sagt Hao zu meiner Bemerkung, kurz und knapp.
"Du hast mir nie gesagt, dass sowas überhaupt okay wäre." Das ist kein Vorwurf, sondern eine neutrale Feststellung. Ich hab es ja selbst auch nie gesagt.
Am Rand meines Blickfelds, da meine Augen immer noch direkt in Haos Gesicht hängen, zuckt er kaum merklich die Schultern. "Wir haben nie über sowas geredet... aber es war nie nicht okay."
"Hao", spreche ich ihn an, damit er endlich mich und nicht mehr nur meine Hände ansieht. Seine zittern ein bisschen. Er ist noch nervöser als ich! Seine dunklen Augen werfen mir eine stumme Entschuldigung zu, die ich nicht annehnen kann, da es von seiner Seite aus nichts zu entschuldigen gibt, finde ich. Bin nicht eher ich ein schlechter Freund, weil ich es nie bemerkt habe?
"You're gay", spreche ich das Geheimnis, das keines ist, aus. Er weiß es, ganz offensichtlich, vielleicht schon sehr lange, und es ist okay.
"Tut mir leid, dass ich es dir nie gesagt hab."
"Tut mir leid, dass ich nie gefragt hab. Oder drauf geachtet hab. Oder..." Dass ich überhaupt nicht drüber nachgedacht habe. Dass es in Ordnung ist. Dass Hao in Ordnung so ist und dass auch ich in Ordnung so bin wie ich bin, wie auch immer ich schließlich feststellen werde zu sein.
Ich lasse die Briefe Briefe sein, lege das Handy ab und drehe mich mit ausgebreiteten Armen zu Hao. Er lehnt sich entgegen und schmilzt in meine Umarmung, da wo ein er hingehört, mein Bestie, für immer.
"Hey, ich hab dir das nie gesagt, weil's irgendwie schwul klingt", kündigt Hao an und ich höre die Erleichterung und das Amüsement in seiner Stimme. "Hab dich lieb!"
Nun muss ich grinsen und drücke ihn noch fester, so fest, dass ich ihn fast erquetsche und er sich zappelnd und lachend halb rauswindet. "Hab dir auch nie so direkt gesagt, dass ich dich auch lieb hab!!" Natürlich hab ich ihn sehr lieb und bei ihm weiß ich das auch! Ich glaub, wir sind beide mehr so der Typ Person, der sowas mit Gesten zeigt. Aber schön, dass wir darüber gesprochen haben. Mein Herz hämmert immer noch ungewohnt hart, weil es gleichzeitig so eine große Sache, aber irgendwie auch so schön normal ist.
Hao strahlt mich an. "Also, was machst du jetzt? Wen von deinen drei Hotties möchtest du daten?"
"Uff", wende ich mich verlegen ab, "zurück zu den ganz schwierigen Fragen, was?" Eine Antwort habe ich noch nicht gefunden. Dafür umso mehr andere Fragen. "Versteh überhaupt nicht, warum die drei Hottesten der ganzen Uni mich wollen?"
"Häää?", lacht er laut auf, "hast du mal in den Spiegel geschaut?"
"Hää? Das kann ich doch nicht objektiv beurteilen, ich kenn mein Gesicht schon mein ganzes Leben lang!"
"Ich kenn dich auch schon dein halbes Leben und es ist nicht nur dein Gesicht, Binnie! Du bist Tänzer, schon vergessen? Und das auch schon genauso lange. Das ist voll cool, und du bist voll lieb. Bei so vielen Verehrern kannst du niemandem erzählen, du wärst nicht mindestens genauso hot!"
Angesichts der ganzen Komplimente muss ich breit grinsen und halte mir die Brust. Mein Herz wird ganz flatterig davon.
"Hey, du bist auch hot, Hao", gebe ich einen Teil davon zurück, worüber er sich sichtlich freut. "Also, was ist mit dir? Magst du jemanden? Oder jemand dich? Bestimmt, oder? Auf wen stehst du so? Warst du schonmal verknallt? Oder jetzt aktuell?"
"Jetzt willst du's aber genau wissen", lenkt er grinsend ab. Er wird verlegen, das heißt ich habe genau ins Schwarze getroffen!
"Ich muss die Gelegenheit nutzen. Wir haben ja nie zuvor über sowas geredet und jetzt können wir's." Er weiß aktuell genau über mein Liebesleben Bescheid, ich will's seins auch wissen! Alle Details!
"Wir müssen nicht gleich das ganze Kontingent aufbrauchen", verkündet er und erhebt sich vom Bett. "Ich geh Eistee holen."
"Hey, warte!", rufe ich hinterher, da ist er bereits halb zur Tür raus.
Er dreht sich nochmal um, sagt, dass es Wang Kimberley ist, und haut ab. Häääääää? Nach kurzer Schockstarre renne ich ihm nach in die Küche. "Wang Kimberley aus deiner Kpop-Gruppenarbeitsgruppe??"
Mit eingezogenen Lippen, um sich das Grinsen zu verkneifen, nickt er. Seine Wangen sind ein wenig rosa. Ich dachte, Wang Kimberley wäre eine Frau, und Hao hat vorhin erst bestätigt schwul zu sein, da passen die Informationen nicht ganz zusammen.
Endlich rückt er mit der Sprache raus: "Kimberley ist ein Kerl und er ist Crossdresser."
"Er ist- ohhhh!" Misgendering-Fail. Das tut mir leid.
"Ich hab ihn heut auf dem Männerklo getroffen, am Pissoir, und er meinte so: 'Hey Bro! Bubble Tea vorm Gruppentreff morgen?' Und ich weiß auch nicht... aber ich glaub, ich hab mich da in ihn verknallt. Ein bisschen. Oder so. Es ist total bescheuert, oder?" Haos Wangen sind mittlerweile so pink wie Kimberleys Haare.
"Es ist NICHT bescheuert", versichere ich ihm. "Es ist irgendwie... total cool." Diese Vorstellung einfach, wie eine Pinkhaarige - ein!!! PinkhaarigeR am Pissbecken steht und Hao locker-flockig auf 'nen Bubble Tea einlädt. So lässig wär ich auch gern! Kimberley klingt echt beeindruckend, und es ist eindeutig nachvollziehbar dass sich jemand in ihn und in so einer Situation verliebt.
"Ich muss ihm nur noch zurückschreiben."
"Du hast noch nicht ja gesagt???" Ich bin entsetzt!
"Ich war zu baff! Und dann war ich mit dir unterwegs und konnte nicht drüber nachdenken! Und jetzt schreib ich ihm! So!!" Eilig rennt er zurück in sein Zimmer, ich nehme die Kanne mit dem selbstgemachten Eistee seiner Mama mit, die er eigentlich holen wollte, und finde ihn wild auf seinem Handy tippend auf dem Bett vor.
Das wäre also geregelt.
Jetzt muss ich mir nur noch über meine eigenen Gefühle klarwerden. Hao sagt, ich soll auf mein Herz hören. Wäre ich bereits auf die Flirtversuche eingegangen, und im Nachhinein bin ich mir tausend Prozent sicher, dass es Flirtversuche waren, dann wüsste ich vielleicht schon besser, wen von ihnen ich wirklich mag. Ricky, Jiwoong oder Matthew?
Ich muss darauf vertrauen, dass mein Herz mir sagen wird, was und wer für mich richtig ist - und zwar hoffentlich bald.
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