17 | Anders als erwartet

Ich wünsche euch viel Spaß mit dem Kapitel, auch, wenn es etwas verspätet kommt :D

„Ich hoffe, er ist jetzt nicht sauer", seufzte Malia und strich sich frustriert eine Haarsträhne hinters Ohr. Cassie musterte sie lächelnd. Malia hatte sich gerade kurz mit ihr getroffen, um ihren Frust über die kurzfristige Planänderung bei ihr abzuladen. Ihre Freundin hatte ihr daraufhin einen Latte Macchiato angeboten und nun saßen sie gemeinsam am Tresen in Cassies Küche.

„Ich bin mir sicher, dass er es versteht. Er weiß schließlich, wie das ist und ihm ist die Arbeit auch wichtig", bemühte Cassie sich, ihr Hoffnung zu machen.

„Dabei habe ich mich so gefreut, ihn zu sehen", sagte Malia traurig.

„Ihr findet bestimmt eine andere Lösung", erwiderte Cassie zuversichtlich.

„Inzwischen frage ich mich, ob ich den Job nicht einfach hätte absagen können. Der Flug ist immerhin schon länger gebucht", sprach Malia ihre Gedanken offen aus.

„Mach dir darüber keinen Kopf. Ich war auch schon häufig in der Situation, dass unsere Planung sich mit meinen Jobs überschnitten hat. Natürlich fand John es manchmal nicht cool, wenn ich kurzfristig alles über den Haufen geworfen habe, aber er war mir nie böse, denn bei ihm läuft es manchmal genauso. Raf kann das ab, da bin ich mir sicher."

Malia seufzte schwer.

„Zum Glück habe ich diesmal das Flugticket bezahlt und er bleibt nicht auf den Kosten sitzen", sagte sie nachdenklich und nippte an ihrem Latte Macchiato.

„Du tust, als würde ein Flug von Hamburg nach Berlin mehrere hundert Euro kosten", erwiderte Cassie.

„Trotzdem ist es ätzend, das Geld auszugeben und dann den Flug kurzfristig nicht zu nehmen. Ich habe mich wirklich auf das Wochenende gefreut – und jetzt fällt es ins Wasser", gab Malia frustriert zurück und schaute auf die Uhr. Unter anderen Umständen hätte sie bald ihre Sachen packen und sich auf den Weg zum Flughafen machen müssen.

„Und wenn du heute Abend trotzdem hinfliegst und morgen zum Dreh rechtzeitig zurück bist?", schlug Cassie plötzlich vor. Malia runzelte die Stirn. Kurz dachte sie darüber nach. Es schien tatsächlich eine Möglichkeit zu sein, ihr Treffen mit Raphael irgendwie zu retten.

„Drehbeginn ist um elf Uhr am Vormittag. Wenn ich einen frühen Rückflug bekommen könnte, wäre das vielleicht tatsächlich eine Option. Ein Abend und ein kurzer Morgen ist vielleicht besser als gar kein Treffen", mutmaßte Malia, bevor sie sich ihr Smartphone schnappte. Doch ihre Hoffnung wurde schnell zerstört.

„Was ist?", hakte Cassie nach, als Malias Blick düster wurde.

„Es gibt so kurzfristig keine Direktflüge mehr von Berlin nach Hamburg. Aber vielleicht könnte ich ja mit dem Zug zurückfahren", überlegte sie und tippte auf ihrem Smartphone herum.

„Wäre jedenfalls komfortabler als mit dem Auto, wenn du anschließend noch einen so langen Dreh vor dir hast", sinnierte Cassie, schob ihre eigene Kaffeetasse beiseite und rutschte vom Stuhl.

„Es gibt tatsächlich noch eine Verbindung, die ich buchen kann", stellte Malia erleichtert fest.

„Wann?"

„Abfahrt um halb neun, Ankunft um halb elf in Hamburg", antwortete sie.

„Passt doch perfekt", sagte Cassie.

Malia lächelte, während sie sich in die Buchungsmaske tippte und ihre persönlichen Daten eingab. Auf einmal hielt sie inne, hob ihren Blick und sah zu Cassie, die gerade ihre Kaffeetasse in die Spülmaschine räumte. „Ob ich ihn vorher besser nochmal anrufe?"

Cassie grinste.

„Du hast ihm vor einer Stunde erst abgesagt und er meinte, er würde dann im Studio an einem Song arbeiten. Ich denke nicht, dass er sich so spontan auf einmal etwas anderes vorgenommen und keine Zeit mehr für dich hat. Du könntest ihn also auch einfach überraschen und ihm damit eine Freude machen", überlegte sie. Malia dachte über Cassies Vorschlag nach.

„Die Idee gefällt mir", sagte sie schließlich, widmete sich wieder ihrem Smartphone und schloss die Reisebuchung ab.

„Schade eigentlich, dass ich morgen diesen Workshop geben muss. Ich hätte auch Lust, spontan nach Berlin zu fahren und Iara zu besuchen", kommentierte Cassie, während Malia ihre Kaffeetasse in einem Zug leerte. Ihre Freundin musterte sie skeptisch, als Malia eilig vom Stuhl hüpfte. „Was hat dich denn gestochen?", hakte sie kritisch nach.

„Ich muss los; mein Flug geht in zwei Stunden und ich muss noch ein paar Sachen von zuhause holen", sagte sie hektisch, reichte Cassie ihre Tasse und verschwand im Flur. Cassie folgte ihr amüsiert.

„Okay, vielleicht solltest du erstmal tief durchatmen. Nicht, dass du dir vor lauter Aufregung noch wehtust", sagte sie, während Malia in ihre Pumps schlüpfte, die sie an der Haustür abgestellt hatte. Malia lachte, bevor sie Cassie in eine Umarmung zog.

„Danke. Ohne dich wäre ich vermutlich nicht mal auf die Idee gekommen. Ich hab dich lieb", sagte sie.

„Ich dich auch. Pass auf dich auf", antwortete Cassie, als sie sich voneinander lösten. Malia lächelte.

„Versprochen."

„Bestell ihm liebe Grüße – und Iara auch, falls du sie siehst", sagte Cassie noch, bevor Malia sich auf den Weg machte.

Zwanzig Minuten später lief Malia eilig durch ihre Wohnung und suchte ein paar Sachen zusammen, die sie in ihren kleinen Handgepäck-Trolley warf. Zur Sicherheit ging sie alles noch einmal durch, als sie glaubte, alles Wichtige eingepackt zu haben. Ihr blieb keine Zeit, ihr Make-Up aufzubessern, wenn sie ihren Flug noch bekommen wollte. In Windeseile schlüpfte sie in ein schwarzes Top, eine Jeans, einen Blazer mit Leopardenmuster und Pumps, schnappte sich ihre Handtasche und ihr Gepäck, setzte sich ihre Sonnenbrille auf die Nase und verließ ihre Wohnung. Das Taxi zum Flughafen wartete bereits vor dem Haus auf sie.

Erst, als sie auf der Rückbank Platz genommen hatte, atmete sie tief durch und schloss die Augen, um zumindest für einen kurzen Moment zu entspannen. Der türkische Taxifahrer erzählte ihr eine Geschichte über seine frisch verheiratete Tochter, doch Malia war gedanklich längst am Flughafen.

Ihr Blick fiel auf die kleine Armbanduhr an ihrem Handgelenk. Sie hatte noch eine Stunde bis zum Boarding. Noch bevor sie die Abflughalle erreichten, kramte sie etwas Bargeld aus dem Portemonnaie. Als der Fahrer sie eine halbe Stunde vor Boarding absetzte, drückte sie es ihm hektisch in die Hand, stieg aus dem Taxi und rauschte durch die Halle in Richtung Sicherheitskontrolle. Die langen Schlangen vor den einzelnen Kontrollstellen bereiteten ihr Magenschmerzen. Als sie endlich an der Reihe war, zog sie den Blazer aus und warf ihm zusammen mit ihrer Handtasche in eine der Boxen, ehe sie ihren Handgepäck-Koffer auf das Band legte. Zu ihrem Leidwesen untersuchte der Sicherheitsbeamte den Inhalt ihrer Handtasche ganz genau, bevor er sie endlich ziehen ließ. Schwer atmend und mit wild klopfendem Herzen erreichte Malia schließlich das Gate. Das Bodenpersonal hatte gerade mit dem Boarding begonnen, sie hatte es also gerade noch rechtzeitig geschafft.

Mit einem erleichterten Lächeln auf den Lippen betrat sie als eine der letzten Passagiere das kleine Flugzeug, suchte ihren Platz und verstaute ihren Handgepäck-Trolley im Gepäckfach. Anschließend setzte sie sich, zog ihr Smartphone aus der Tasche und tippte eine Nachricht an Cassie.

„Puh, das war echt knapp, aber sitze im Flieger."

Kurz überlegte sie, auch Raphael schon zu informieren, entschied sich jedoch dagegen. Sie würde sich einfach bei ihm melden, wenn sie in Berlin gelandet war. Wenn sie ihn wirklich überraschen wollte, durfte er nicht wissen, dass sie kam. Sie würde ihn dort überraschen, wo er gerade war.

„Hat doch alles noch super geklappt. Guten Flug", hatte Cassie geantwortet und ein Herz-Emoji dahinter gesetzt. Malia lächelte.

„Danke", tippte sie und schickte ein Herz zurück, bevor sie die Kopfhörer aus ihrer Handtasche kramte und sie sich in die Ohren steckte. Als der Flieger endlich abhob, lehnte sie sich entspannt zurück und schaute aus dem Fenster dabei zu, wie die Häuser unter ihr immer kleiner wurden, bis sie schließlich unter einer dichten Wolkendecke verschwanden.

Nur eine Stunde später landete sie in Berlin. Je näher das Wiedersehen mit Raphael rückte, desto aufgeregter war sie. Das Bauchkribbeln wurde immer stärker. Sie konnte es kaum erwarten, ihn endlich wieder in die Arme zu schließen und ihn zu küssen. Mit einem vorfreudigen Lächeln auf den Lippen zog sie das Smartphone aus der Tasche, während sie sich ihren Weg durch die Ankunftshalle bahnte. Erst überlegte sie, ihn anzurufen, glaubte jedoch, dass möglicherweise Hintergrundgeräusche sie bereits verraten könnten. Also entschloss sie sich dazu, stattdessen eine Nachricht zu schicken.

„Na, wie läufts im Studio? Oder bist du schon nach Hause gefahren?", tippte sie, sendete den Text ab und wartete einen Moment. Schließlich wollte sie ungern mit dem Taxi durch die halbe Stadt fahren und ihn suchen müssen. Sie atmete auf, als die beiden Haken sich tatsächlich blau färbten.

„Bin schon zuhause. Was machst du?", tippte er zurück. Sie stieg gerade in ein Taxi.

„Ich bin gerade noch unterwegs. Wollen wir später nochmal telefonieren?", antwortete sie, um Zeit zu schinden, bis sie bei ihm eintreffen würde, und gab dem Taxifahrer Raphaels Adresse durch. Ihr Freund antwortete in einer Sprachnachricht.

„Du kannst mich auch jetzt anrufen, wenn du mich vermisst", sagte er. Sie lächelte.

„So in zwanzig Minuten? Bist du dann erreichbar?", tippte sie zurück. Er nahm eine weitere Nachricht auf.

„Wo soll ich schon hingehen? Ruf einfach an. Bis gleich."

Sie lächelte zufrieden. Während der Fahrt malte sie sich immer wieder aus, wie er reagieren würde. Sie war sic sicher, dass er sich über ihren Überraschungsbesuch freuen würde. Dennoch war sie aufgeregt wie ein kleines Mädchen, als sie kurz darauf aus dem Taxi stieg und der Fahrer ihr das Gepäck reichte. In Raphaels Wohnung brannte Licht. Das Kribbeln in ihrem Bauch wurde noch ein wenig stärker, als sie auf die Klingel drückte. Es dauerte eine ganze Weile, doch dann knackte es endlich in der Gegensprechanlage.

„Hallo?"

Seine bassige Stimme klang wie Musik in ihren Ohren. Sie konnte es kaum erwarten, ihn in die Arme zu schließen und ihn zu küssen.

„Hey... Ich bin's."

Er schwieg einen Moment, vermutlich, weil er überhaupt nicht mit ihr gerechnet hatte. Sie lächelte vorfreudig.

„Malia?", fragte er überrascht. Sie grinste.

„Lässt du mich jetzt rein?", fragte sie ungeduldig.

Ein unangenehmes Schweigen entstand. Plötzlich breitete sich ein ungutes Gefühl in ihrem Magen aus. Erst jetzt kam ihr der Gedanke, dass er möglicherweise kein großer Fan von Überraschungen war. Sie biss sich zweifelnd auf die Unterlippe. Hätte sie ihm vielleicht doch besser Bescheid gesagt?

„Klar, komm hoch", antwortete er, doch seine Stimme klang seltsam belegt. Es knackte, dann ertönte der Summer. Das schöne Bauchkribbeln war einem mulmigen Drücken gewichen. Ihre Beine fühlten sich an wie Blei, während sie einen Fuß zweifelnd vor den anderen setzte. Womöglich mochte er solche Alleingänge überhaupt nicht. Sie hätte vorher mit ihm sprechen müssen. Was, wenn er jetzt etwas ganz anderes geplant hatte und sie sogar ungelegen kam? Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, als seine dunkle Stimme durchs Treppenhaus hallte. Er schien mit jemandem zu sprechen, doch noch verstand sie nicht, was er sagte. Ob er telefonierte?

Sie setzte dennoch ein versöhnliches Lächeln auf. Zu ihrer Überraschung erwartete er sie nicht an der angelehnten Wohnungstür. Erst, als sie den oberen Treppenabsatz erreichte, öffnete er ihr. Sie sah ihm verunsichert ins Gesicht, während er perplex in ihr Gesicht sah. Sie schluckte. Irgendetwas stimmte nicht, denn seine Gesichtszüge waren kühl und hart, seine Körperhaltung versteift, das Lächeln, das sich nun auf seinen Lippen bildete, wirkte aufgesetzt, nahezu versteinert.

„Hey... Was machst du denn hier?", begrüßte er sie verkrampft.

„Ich wollte dich überraschen, aber so, wie es aussieht, geht das ziemlich nach hinten los", stellte sie fest. Er fuhr sich schwer seufzend übers Gesicht, suchte offenbar nach den richtigen Worten. Plötzlich tauchte ein roter Haarschopf hinter ihm auf. Malia starrte überrascht an ihm vorbei, geradewegs in Editas Gesicht. Raphaels Exfreundin stand – wie immer perfekt gestylt in Bluse, enger Röhrenjeans und Pumps – hinter ihm im Flur und musterte Malia aus zusammengekniffenen Augen. Es war offensichtlich, dass sie sie hasste. Malia schluckte. Ihre Gedanken überschlugen sich. Was machte sie in seiner Wohnung? Weshalb hatte er ihr nicht erzählt, dass er sich mit ihr traf?

Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als sie sich in jene Zeit zurückversetzt fühlte, in der er sie gegen Edita eingetauscht hatte. Passierte das gerade wieder? Er hatte mit keiner Silbe erwähnt, dass er überhaupt noch Kontakt zu ihr hatte. Das Blut in ihren Adern begann zu kochen. Bedeutete das vielleicht sogar, dass die beiden sich wieder einander annäherten? Trafen sie sich möglicherweise sogar öfter? Hatten sie in den letzten Monaten vielleicht sogar häufiger heimlich Zeit miteinander verbracht, so, wie er es auch mit ihr getan hatte?

Es gelang ihr nicht, ihre Fragen zu ordnen oder sie auszusprechen. Es tat unglaublich weh, die beiden miteinander zu sehen. Ein spöttisches Lächeln umspielte Editas Mundwinkel, während sie ihr überlegen in die Augen schaute. Raphael hingegen stand wie versteinert da, rührte sich nicht und sah ihr sprachlos ins Gesicht. 

Ich  weiß, es ist ein mieser Cut. Es tut mir auch leid. Aber ihr kennt mich. Ich kann einfach nicht anders..... Wie würdet ihr an Malias Stelle reagieren? Und wieso lässt Raf seine Ex überhaupt rein? 

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