07 | Für jede Lösung ein Problem
So, meine Lieben, Zeit für das neue Kapitel. Ich wünsche euch viel Spaß dabei :)
Raphael blies den Rauch aus und schloss die Augen, um sich das Grundgerüst des Beats, an dem er gerade arbeitete, noch einmal anzuhören. Er hatte sich direkt nach dem Training im Studio eingeschlossen, um an Songs zu arbeiten, und dafür, dass er kaum geschlafen hatte, lief es wirklich gut. Er fühlte sich produktiv, auch, wenn er noch nicht ganz zufrieden war und immer wieder über den Beat ging, um Nuancen zu verändern. Es war ihm sogar gelungen, sich so sehr in die Arbeit zu vertiefen, dass er bisher nicht einmal an Malia gedacht hatte.
Als jetzt ihr Gesicht vor seinem geistigen Auge auftauchte, seufzte er lautlos. Sie fehlte ihm unglaublich, obwohl sie nicht einmal zusammenwaren. In den letzten Tagen hatte sie sich kaum gemeldet, dabei hatte er geglaubt, dass sich ihr Verhältnis endlich etwas bessern würde. Als er ihr überraschend in Hamburg begegnet war, hatte er sie zumindest von einer Aussprache überzeugen können.
Er schüttelte bedächtig lächelnd den Kopf. Er hatte nicht damit gerechnet, sie bei seinem Foto-Shooting zu sehen. John hatte die Sache eigenmächtig eingefädelt und auch, wenn Malia ganz und gar nicht begeistert gewesen war, hatte er seinem Freund im Nachhinein von Herzen für seinen Alleingang gedankt. Zu dem Zeitpunkt war er so genervt von Malias abweisender Art gewesen, dass er vermutlich kein weiteres Mal über seinen Schatten gesprungen wäre.
Das Gespräch mit ihr war wider Erwarten gut gelaufen, also hatte er geglaubt, sie würden nun Fortschritte machen. Doch Malia hielt sich weiterhin zurück. Er war mit seinem Latein am Ende und hatte während seines Barcelona-Aufenthalts in den letzten paar Tagen entschieden, ihr nicht länger hinterherzulaufen. Auch er hatte eine Grenze – ganz egal, wie viel sie ihm bedeutete.
Dass er diese Entscheidung getroffen hatte, bedeutete jedoch nicht, dass er nicht hin und wieder mit sich haderte, sie anzurufen. Aber er tat es nicht. Er verdrängte die Gedanken an Malia, zog ein letztes Mal an der Kippe und drückte sie im Aschenbecher aus, bevor er den Beat ein weiteres Mal abspielte.
Raphael wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als er eine Weile später das Studio verließ. Sein Magen knurrte, also hatte er entschieden, sich eine Pause zu gönnen. Er zog den Autoschlüssel aus der Tasche, betätigte die Fernbedienung und der Wagen entriegelte.
Zufrieden sank er in die weichen Sportsitze seines Maserati und schnallte sich an. Noch immer kribbelte es in seinem Bauch, wenn er den Motor aufröhren hörte. Er war gerade einige Meter gefahren, als sein Handy zu klingeln begann. Offenbar hatte es sich noch nicht mit der Freisprecheinrichtung verbunden, also zog er es aus der Tasche und warf einen Blick auf das Display. Er hob überrascht die Augenbrauen, als ihm Malias Name entgegenblinkte. Er zögerte kurz, bevor der den Slider nach rechts schob und das Gespräch annahm.
„Hallo?", begrüßte er sie, so, als wisse er nicht, wer ihn da gerade anrief.
„Hey, ich bin's."
Sie klang unruhig. Ihre Stimme bebte.
„Hey, alles gut?", hakte er dennoch bemüht gelassen nach, obwohl er unbedingt wissen wollte, was los war.
„Könnte besser sein. Und bei dir?", steigerte sie unwissentlich seine innere Anspannung.
„Alles okay. Ich wollte mir gerade was zu essen holen", erzählte er und brachte seinen Sportwagen an der nächsten roten Ampel zu Stehen. „Und was ist bei dir los?"
Sie zögerte einen Moment.
„Ich brauche deine Hilfe", sagte sie schließlich. Er runzelte skeptisch die Stirn. Malia gehörte zu jenen Menschen, die sich lieber einen Arm abhackten, als jemanden freiwillig um etwas zu bitten.
„Wobei?", hakte er nach.
„Ich bin gerade in Berlin und habe gerade meinen Autoschlüssel verloren."
„Du bist hier? Warum weiß ich das nicht? Und wie kann man einen Autoschlüssel verlieren?", wollte er wissen.
„Ich hatte eine Produktschulung und wollte eigentlich gleich nach Hause fahren. Dann war plötzlich der Schlüssel weg und ich finde ihn nicht wieder. Ich habe alles andere im Auto. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich habe schon den Pannendienst angerufen, aber-"
„Alles klar, ich bin unterwegs. Schick mir deinen Standort."
Sie klang derart verzweifelt, dass er sie unterbrach.
„Vielen, vielen Dank", erwiderte sie erleichtert.
„Hör auf, dich zu bedanken. Bis gleich."
Nur zwanzig Minuten später stellte er sein Auto auf dem kleinen Parkplatz ab. Die Kroatin erwartete ihn bereits. Ihre langen, dunklen Haare wehten leicht im Wind, ebenso wie das wadenlange, schwarz-weiß-gemusterte Kleid, das ihre Figur in Kombination mit den Pumps gekonnt in Szene setzte. Als er ausstieg, schenkte er ihr ein sanftes Lächeln. Sie erwiderte es.
„Dich kann man in einer fremden Stadt wirklich nicht alleinlassen, oder?", stichelte er frech grinsend, als er sie zur Begrüßung in seine Arme zog. Sie roch so betörend gut, dass er sie am liebsten auf den Mund geküsst hätte.
„Ich habe wirklich keine Ahnung, wie das passieren konnte", betonte sie seufzend, als sie sich wieder von ihm löste.
„Wann hast du den Schlüssel denn zum letzten Mal in der Hand gehabt?", fragte er und musterte sie aufmerksam.
„Ich glaube, als ich mein Eis bezahlt habe, aber ganz sicher bin ich mir nicht", gestand sie verärgert. „Ich habe schon überall gesucht, aber..."
„Komm, wir schauen nochmal zusammen", schlug er vor. „Vielleicht hast du ihn in der Hektik auch einfach nur übersehen."
Sie nickte.
„Danke", sagte sie und setzte sich in Bewegung.
„Hör auf, dich ständig zu bedanken", erwiderte er. „Erzähl mir lieber, seit wann du schon in Berlin bist und weshalb du dich nicht früher bei mir gemeldet hast."
„Ich war nur zwei Tage hier. Ich habe gesehen, dass du in Barcelona warst und bin davon ausgegangen, dass du gar nicht in der Stadt bist. Als ich gemerkt habe, dass du doch schon zurück bist, dachte ich, es wäre zu kurzfristig, dich zu fragen, ob du vielleicht spontan Zeit hast", erklärte sie. Raphael ließ seinen Blick den Gehweg entlangschweifen, in der Hoffnung, ihren Schlüssel zu entdecken. Er unterdrückte ein Schmunzeln. Zu hören, dass sie dennoch sein Instagram im Auge behielt, gab ihm ein gutes Gefühl. Sie interessierte sich also nach wie vor für ihn.
„Für dich würde ich immer versuchen, mir Zeit zu nehmen; gerade, wenn du mal in der Stadt bist", stellte er klar und wandte ihr kurz wieder seinen Blick zu. Sie lächelte.
„Aber du hast so viel zu tun", sagte sie, den Blick auf die Grashalme gerichtet.
„Ist doch egal", erwiderte er. „Wenn es nicht passt, sage ich dir das schon."
„Ich habe mir unser Wiedersehen jedenfalls irgendwie anders vorgestellt", offenbarte sie leise. Er drehte ihr überrascht den Kopf zu.
„Aha. Du bist also von einem Wiedersehen ausgegangen", stellte er fest.
„Als ob du das nicht gewusst hast", grinste sie.
„Dafür hast du dich in den letzten Tagen verdächtig wenig gemeldet", stichelte er.
„Sei mir bitte nicht böse, ich brauchte noch ein wenig Zeit für mich", erwiderte sie.
„Schon okay", überspielte er sein gekränktes Ego und schlenderte weiter nach dem Schlüssel Ausschau haltend neben ihr her.
„Wie war es denn in Barcelona?", hakte sie neugierig nach, vermutlich, um das Gespräch auf ein weniger unangenehmes Thema zu lenken.
„Ganz gut. Irgendwann werde ich mir dort ein Haus kaufen", sagte er entschieden.
„Steht das schon fest?", wollte sie wissen. Er drehte ihr lächelnd den Kopf zu.
„Wieso? Hast du Angst, dass du mich dann noch weniger siehst?", hakte er frech grinsend nach.
„Möglich", ließ sie ihn im Unklaren.
„Wenn du es nicht mehr aushältst, kannst du mich gern jederzeit dort besuchen kommen", schlug er versöhnlich vor. Sie lächelte.
„Mal sehen."
„Spätestens im Winter kommst du darauf zurück", schmunzelte er, stutzte und blieb kurz stehen. Als er seinen Arm ausstreckte und im Gras herumwühlte, hielt sie den Atem an, doch dann verzog sich sein Gesicht zu einer Grimasse. „War nur ein Stein."
Sie seufzte.
„Ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn ich den Schlüssel nicht wiederfinde. Der Abschleppdienst kann den Wagen nur bis zur Werkstatt bringen und sie haben gesagt, das Öffnen geht nicht, ohne die Karosserie oder das Fenster zu beschädigen, also würden sie mir davon abraten. Außerdem könnte ich mit dem Auto sowieso nichts machen, selbst, wenn ich reinkönnte – denn ich könnte es ohne Schlüssel ja nicht wegfahren", erzählte sie.
„Was ist mit einem Ersatzschlüssel?", hakte er nach.
„Habe ich schon drüber nachgedacht. Aber der liegt bei meinen Eltern in Hamburg und eine Express-Lieferung würde mehrere hundert Euro kosten. Ich könnte einen neuen beim Hersteller anfertigen lassen und bei einem Vertragspartner in Berlin abholen, aber das würde ein paar Tage dauern und ich komme nicht an meine Fahrzeugpapiere, meine Kreditkarte oder mein Bargeld. Außerdem müsste ich dann ein paar Tage irgendwo übernachten. Am Ende kostet es mich also ein Vermögen; ganz egal, was ich jetzt mache", sagte sie frustriert.
„Klingt alles nicht nach einer guten Lösung", kommentierte er.
„Was würdest du denn an meiner Stelle machen?", fragte sie.
„Weiß nicht; meistens sind wir mit mehreren Leuten unterwegs, also könnte ich das Auto wahrscheinlich einfach erstmal stehenlassen, bis irgendjemand mal mit dem Zweitschlüssel vorbeikommt. Ich würde ihn nicht aufbrechen lassen; jedenfalls nicht, wenn er dabei beschädigt wird", sagte er.
„Vermutlich kostet es aber auch bei jedem deiner Autos ein Vermögen, das wieder reparieren zu lassen", grinste sie. Er erwiderte es.
„Darum geht's gar nicht. Aber wenn sie die Scheibe einschlagen, bringt es dich wirklich nicht weiter, weil du nicht einfach einsteigen und wegfahren kannst. Aber selbst, wenn du dich dafür entscheiden würdest – wie willst du ohne die Scheibe nach Hause kommen? Wahrscheinlich könnten sie dir nicht sofort eine neue einsetzen und du kannst nicht über vierhundert Kilometer ohne über die Autobahn fahren. Selbst im Sommer ist das nicht angenehm", sagte er.
„Du hast Recht. Im Prinzip bleibt mir nur die Option mit dem Ersatzschlüssel", entgegnete sie, als sie die Stelle am Wasser erreichten, an der sie vorhin noch entspannt gesessen hatte. Auch hier schauten sie such kurz um, doch der Schlüssel blieb nach wie vor verschwunden.
„Ich glaube, das können wir aufgeben", seufzte sie traurig.
Er schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln.
„Lass dich davon nicht so abfucken, okay? Wir finden schon eine Lösung", sagte er ermutigend, bevor sie sich auf den Rückweg machten.
„Du sagst das so leicht; du musst ja auch nicht entscheiden, ob du lieber mehrere hundert Euro für eine Express-Lieferung ausgibst oder dir für weniger Geld einen neuen Zweitschlüssel machen lässt, auf den du aber ein paar Tage warten musst. Dazu kommen in beiden Fällen noch die Hotelkosten – wenn ich überhaupt ein Hotel finde, das mich ohne Kreditkarte und ohne Bargeld einchecken lässt", erwiderte sie genervt.
„Wenn du willst, fahre ich mit dir nach Hamburg und wir holen den Schlüssel."
Er konnte selbst nicht glauben, dass er ihr tatsächlich diesen Vorschlag machte, denn er hatte in den nächsten Tagen eigentlich schon genug zu tun und wusste nicht, wo ihm der Kopf stand.
„Das würdest du tun?", fragte sie überrascht.
„Wenn ich dir damit helfen kann...", erwiderte er. Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
„Das ist wirklich unglaublich lieb, aber das kann ich unmöglich annehmen. Ich meine, das sind mindestens acht Stunden – das kann ich dir unmöglich zumuten", antwortete sie jedoch.
„Wir könnten bei dir übernachten und am nächsten Tag zurück", schlug er vor. Sie schüttelte ungläubig lächelnd den Kopf.
„Nein, ehrlich. Das kann ich nicht von dir verlangen. Dabei würde ich mich wirklich schlecht fühlen. Ich bitte sowieso schon ungern um Hilfe und es ist mir super unangenehm, dir solche Umstände zu machen", erwiderte sie.
Kurz dachte er darüber nach, sie davon zu überzeugen, entschied sich dann jedoch dagegen. Es musste auch noch eine andere Lösung geben, die nicht so viel Zeit kostete. Doch auf die Schnelle konnte er nicht abwägen, welche Entscheidung nun die Optimale war.
„Was hältst du davon, wenn du für heute mit zu mir kommst und wir nochmal in Ruhe darüber nachdenken?"
Ich hoffe, das Kapitel und vor allem die Harmonie hat euch gefallen und ihr freut euch, dass die beiden jetzt endlich Zeit miteinander verbringen. Es ist doch süß, dass er sie mit nach Hause nimmt, oder? 😊 und dass er ihr so viele Vorschläge macht und sich darüber den Kopf zerbricht, zeigt ja, wie gern er sie hat 🥰
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