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Halloween ist vorbei. Zeit für Weihnachten.

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Mit glänzenden Augen steht Inho vor dem Bäckereischaufenster, in dem Lebkuchenhäuschen inmitten von Wattebäuschen stehen. "Ist das Schnee?", fragt er Hyunuk aufgeregt.

"Äh, ja?"

"Ohhhh! Ich hab schonmal echten Schnee gesehen", erzählt er stolz. "Ich glaub, sogar dreimal oder so."

"Wie schön", meint Hyunuk dazu. Im Winter durfte Inho wohl nicht so oft raus.

"Schneit es eigentlich oft?"

"Äh? Manchmal? In manchen Jahren schneit es ganz viel und in manchen sehr wenig."

"Ich hoffe, es schneit diesjahr ganz viel! Und dann mag ich ganz oft rausgehen!"

"Können wir gern machen", verspricht Hyunuk und drückt dann Inhos Hand, der sich nur widerwillig von der hübsch geschmückten Auslage löst. Vor der nächsten bleibt er sofort wieder stehen.

"Warum schmücken die eigentlich alle so schön?" Inho hat durchaus mitbekommen, dass in der Stadt etwas Besonderes los ist, aber er hat keine Ahnung, was.

"Naja, bald ist Weihnachten."

"Und was ist das?"

"Ähm?" Diesmal ist Hyunuk ist derjenige, der anhält. Er versucht ruhig zu bleiben und sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen. "Hast du das noch nie gefeiert?"

"Nein? Ist das ein Fest? So wie ein Geburtstag? Oh, da gibt's bestimmt leckeres Essen, oder?"

"Ja... Weihnachten ist das Fest der Liebe. Ich hab gehört, in westlichen Ländern feiert man es grundsätzlich mit der Familie, aber hier ist es eher ein Tag für Paare."

"Paare wie wir?", fragt Inho lächelnd.

"Ja."

"Also feiern wir das zusammen?"

"Ja!"

"Wie schön!"

Der Wolfhybrid macht sich bereits auf zum nächsten Schaufenster, da fällt Hyunuk ein: "Sag mal... kennst du Jesus?"

"Nee, wer ist das? Warte. Meinst du den Sohn von Omas Gott?"

"Ja, das ist wahrscheinlich der, den ich meine."

"Oma hatte einen kleinen Jesus im Wohnzimmer. Der stand auf dem Regal und hat auf die Familie aufgepasst."

"Ah ja. Und der hat Weihnachten Geburtstag."

"Achso! Dieser Jesus war ein sehr wichtiger Mann, nicht wahr? Ist das deswegen ein so großes Fest, das jeder feiert?"

"Ja, kann man so sagen. Wenn du Weihnachten noch nicht kennst, was hast du denn sonst den Winter über gemacht?"

"Viel geschlafen oder gelesen... Oma hat mich manchmal heimlich aus dem Keller geholt und Kekse mit mir gebacken oder mir lesen beigebracht. Aber die letzten Jahre war es manchmal sehr langweilig, vor allem weil Jaehwi seltener zum Spielen runtergekommen ist. Er hat lieber am Computer gespielt oder Filme geschaut, aber manchmal durfte ich mitschauen. Und das Haus war im Winter auch immer so schön geschmückt, aber ich hab eigentlich nie gefragt warum. Ich dachte das macht man halt so", erzählt Inho und schaut interessiert die nächsten Schaufenster an. "Schmücken wir zu Hause auch?", fragt er dann.

"Können wir gerne machen. Ich schau mal, was ich dahab, wir können aber auch noch was Schönes kaufen." Begeistert stimmt Inho zu und stürmt mit Hyunuk in den nächstbesten Dekoladen. Viel Weihnachtsdeko hat Hyunuk nicht, da er die Weihnachtsferien bisher immer bei seinen Eltern verbracht hat und es nicht für nötig hielt, seine Wohnung ausgiebig zu dekorieren. Pyo hat trotzdem oft genug Dekokrempel angeschleppt, den Hyunuk dann weiterverschenkt hat.

Inho fühlt sich von der ganzen Auswahl erschlagen. Eigentlich gefallen ihm nur die Rentierfiguren, weshalb Hyunuk von jeder Sorte eins mitnimmt. Zuhause findet er noch eine Lichterkette mit Sternen, die er ins Fenster hängt, während Inho die Rentiere auf dem Regal über dem Fernseher aufstellt.

Dann geht Hyunuk in seinem Kellerabteil nachschauen. Neben Notfall-Lebensmittelvorräten und einem alten Fahrrad ohne Luft in den Reifen hat er dort noch Kisten mit diversem Krempel. Fündig geworden kehrt er in die Wohnung zurück und stellt den künstlichen Mini-Weihnachtsbaum auf den Couchtisch. Einer der beiden gefundenen Engelsfiguren verpasst er Wolfsohren und Wolfsrute und hängt sie zusammen mit der anderen ins Fenster unter die Lichterkette. Sein Schatz ist ganz begeistert davon!

Sie stellen noch ein paar Kerzen auf und machen es sich dann auf dem Sofa gemütlich. Die Stimmung ist so romantisch, dass Hyunuk Inho den ganzen restlichen Tag im Arm halten und küssen will. Kekse backen können sie morgen noch.

"Was wünscht dir eigentlich zu Weihnachten?", fragt er nach einigen zärtlichen Küssen.

"Mh? Was soll ich mir denn mir denn wünschen?"

"Keine Ahnung. Die meisten Leute beschenken sich eben."

"Ohhh... zu Weihnachten gibt's Geschenke? Achja, es ist ja ein Geburtstag."

"Sozusagen, ja. Wünscht du dir irgendwas?"

"Äh... ich weiß nicht? Ich glaub nicht? Ich hab doch bei dir alles, was ich brauche."

"Ok, gut."

"Und du? Wünscht du dir was?"

"Nein. Alles, was ich will, bist du."

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Als Hyunuk nach Hause kommt, hockt Inho mit der Gießkanne am Balkonfenster und streichelt in beschaulicher Beleuchtung die Blätter seiner Avocadopflanze. Er hat vor einiger Zeit einen Avocadokern angepflanzt und nun reicht ihm das Pflänzchen schon bis zu den Hüften. Mit Grünzeug kann er sehr gut umgehen. Er hat es ja sogar geschafft, die kleine verkümmerte Palme aufzupeppeln, die Hyunuk damals zum Einzug von einer Freundin seiner Mutter geschenkt bekommen hat, und von der weder er noch seine Familie sich erklären können, wie sie drei Jahre bei ihm überlebt hat. Die Blätter sind wieder kräftig grün und hängen nicht mehr traurig herab. Auch der Weihnachtsstern, den er letzte Woche für Inho gekauft hat, scheint sich hier wohlzufühlen.

Stolz auf seinen Freund macht er ein Foto von ihm und der Pflanze und schickt es seiner Mutter. "Schau mal, wie gut es der Palme geht. Mein Freund hat einen grünen Daumen!", schreibt er dazu. Er hat ihr immer noch nicht gesagt, dass er fest vergeben ist, er hat es nur bei irgendeinem Telefonat angedeutet und neugierige Nachfragen gleich abgewimmelt. Und damit, dass sein Schatz männlich und noch dazu ein Hybrid ist, rechnet sie sicher auch nicht. Aber das wird sie ja jetzt anhand des Fotos feststellen, und da er so süß lächelt und Hyunuks Wohnung ein wenig grüner und wohnlicher gemacht hat, muss sie ihn einfach mögen, das geht gar nicht anders. Zumindest hofft Hyunuk das.

Nachricht von Mama
Oh, das ist aber schön 🌴🌞 Ein Wunder, dass die noch lebt.
Der ist ja süß! Wie heißt er denn und wann stellst du ihn vor?

Ausnahmsweise besteht er darauf, dass Inho sich sofort nach dem Duschen Klamotten anzieht. "Wieso?", kommt als verwunderte Rückfrage.

"Ich würd gern Mama anrufen. 'Nen Videoanruf."

"Oh? Äh? Okay?" Eilig zieht Inho sich ein sauberes Shirt über und verheddert sich darin. Hyunuk findet das unheimlich niedlich und grinst breit, als er ihm hilft. Eine Hose anzuziehen findet Inho wohl die Mühe nicht wert, denn er wirft sich aufs Sofa und schaut seinen Freund erwartungsvoll an.

Hyunuk setzt sich daneben, zieht die Sofadecke über ihre Beine und ruft dann seine Mutter an, um ihr Inho vorzustellen. "Hallo Mama", begrüßt er sie und winkt in die Kamera. "Das ist Inho, mein fester Freund."

Inho winkt auch kurz und verbeugt sich dann. "Hallo Frau Han, schön Sie kennenzulernen!"

"Freut mich auch sehr! Wollt ihr zwischen den Feiertagen nicht mal zum Essen kommen?"

"Ooohh!", freut Inho sich gleich. Unter der Decke zuckt seine Wolfsrute vorfreudig auf, doch dann schielt er unsicher zu Hyunuk rüber, der ihm bisher nie viel von seiner Familie erzählt hat. "Äh?"

"Können wir gern machen", bestätigt er. "Ich sag dir Bescheid, wenn wir Zeit haben."

"Sehr schön, du warst lange nicht mehr hier! Du könntest ruhig öfter vorbeikommen!", erwidert seine Mutter zufrieden und erzählt noch ein paar Neuigkeiten aus der Familie, bevor sie wissen will, wie das Studium läuft und wie es Pyo und seinem Hund geht. So lange wollte Hyunuk eigentlich nicht telefonieren, aber seine Mutter ist sehr gesprächig. Sie unterhält sich auch toll mit Inho.

"Mama liebt ihn jetzt schon", erzählt er Pyo am folgenden Wochenende, als sie gemeinsam auf dem Weihnachtsmarkt indisches Curry futtern. "Gestern haben sie eine halbe Stunde telefoniert, als ich nur schnell Bescheid sagen wollte, an welchen Tagen wir vorbeikommen." Mit vollen Backen nickt Inho eifrig. Hyunuks Mutter ist sehr nett und nachdem sie erfahren hat, dass die beiden schon ein paar Monate zusammen sind, hat sie ihm auch gleich angeboten sie Mama zu nennen. Er freut sich sehr, bald Hyunuks Familie persönlich kennenzulernen, von der er sich so herzlich aufgenommen fühlt, als wäre er schon jahrelang Teil dieser Familie.

Bevor er es soweit ist, hat Hyunuk aber noch eine Überraschung für ihn, Weihnachten ist schließlich das Fest der Liebe.

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Inho staunt nicht schlecht, als er abends mit Hyunuk von ihrem romantischen Restaurantbesuch heimkommt und unter dem Couchtisch etwas glitzern sieht.

"Du, Hyunuk?"

"Mh?" Mit verdächtigem Grinsen hängt Hyunuk ihre Jacken an die Garderobe.

"Ich glaub, da liegen Geschenke unterm Tisch."

"Da könntest recht haben." Eigentlich gehören sie unter den Weihnachtsbaum, aber der ist zu klein, um sie darunterzulegen. Deshalb liegen sie unter dem Tisch, auf dem der Minibaum steht.

"Für wen sind die denn?"

"Na für dich." Von hinten umarmt er Inho und haucht ihm ein Küsschen auf den Hals.

"Aber wieso denn??"

"Weil ich dir zu Weihnachten gern etwas schenken wollte. Eins ist von Pyo für uns beide, die anderen von mir. Willst du sie auspacken?"

Vorfreudig zuckt Inhos Wolfsrute an Hyunuks Bein. Dann stürmt der aufgeregte Hybrid zum Tisch und holt die drei Päkchen hervor. Das Große von Pyo packt er zuerst aus. Es sind zusammenpassende Weihnachtspyjamas, einer für Hyunuk, einer für Inho. Die haben sogar Kapuzen, die in Inhos Fall Aussparungen für seine Ohren aufweisen. Natürlich zieht er seinen sofort an und drückt Hyunuk den anderen in die Hand, damit der sich auch umzieht, bevor er das kleine, schwere Geschenk von Hyunuk öffnet.

"Ein Handy?", wundert er sich. Bisher hat er Hyunuks altes Tastenhandy benutzt, wenn er ihn anrufen musste, und zum Surfen im Internet Hyunuks Laptop. Jetzt hat er ein Gerät in der Hand, das beides kann und noch viel mehr. "Das war doch teuer, oder?"

"Geht schon. Ich dachte, das gefällt dir bestimmt, man kann auch ganz viele Spiele installieren."

"Wie cool!!!" Er bewundert das Smartphone noch ein wenig, eh er es beiseite legt und sich dem letzten Geschenk widmet. An der Seite, die er aufreißt, schaut ihm ein Schwänzchen entgegen. "Nanu?" Aus dem Papier fällt ihm ein kleines Wölfchen aus Plüsch in den Schoß. "Awwwwww! Das ist ja niedlich."

"Fast so niedlich wie du."

"Dankeschön!" Inho knuddelt es kurz, dann fällt sein Blick auf die Couch. Lächelnd setzt er den Wolf neben Hyunuks altes Kuschelschaf, das seinen festen Platz auf der Sofalehne hat. "Jetzt hat dein Schaf auch einen Partner und ist nicht mehr einsam!"

Hyunuk ist auch nicht mehr einsam. Er hat sich nie wirklich allein gefühlt, aber nun, da er Inho kennt, möchte er ihn nicht mehr missen. Glücklich umarmt er seinen Liebsten erneut und haucht ihm weitere Küsschen aufs Haupt.

"Hyunuk... danke für die schönen Geschenke!"

"Bitteschön. Freut mich sehr, wenn sie dir gefallen."

"Ja, sehr! Aber..." Mit entschuldigendem Gesichtsausdruck dreht er sich in Hyunuks Armen um. "Ich hab gar nichts für dich."

Hyunuk zieht ihn noch enger an sich und holt sich das, was er sich gerade sehnlich wünscht - einen Kuss. "Das ist okay so. Ich hab dir doch gesagt, dass ich nur dich will."

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Bald ist es zu Ende... dank bestofjihoon gibt nun insgesamt 8 Kapitel ^-^
Wie fandet ihr es bisher?

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