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Pyo schickt ihm ein paar Links mit hilfreichen Informationen, die Hyunuk sich gleich auf dem Heimweg durchliest, während Inho sich stumm an ihn kuschelt und sein Gesicht vor den starrenden Leuten versteckt. Die beiden sind ein ungewöhnlicher Anblick. Normalerweise kennt man männliche Wolfhybriden als aggressive Wachtiere, die große Anwesen reicher Schnösel beschützen.

"Können Sie ihr Wildtier nicht zu Hause lassen?", regt sich eine Dame im Bus auf.

"Ich hab ihn heute erst abgeholt."

"Hmpf. Können Sie ihm nicht wenigstens einen Maulkorb anlegen??"

"Glauben Sie mir, vor keifenden alten Damen muss man viel mehr Angst haben als vor ihm."

Zunächst ist sie sprachlos und die empörte Erwiderung bekommt er nicht mehr mit, weil er an der Haltestelle aussteigt und Inho nach Hause trägt. Der schläft schon wieder. Laut Internet kann die Kuschelphase nach der Paarung bis zu 24 Stunden andauern, das heißt er hat Inho vielleicht morgen Abend noch an der Backe kleben. Zur Uni kann er ihn nicht mitnehmen, das wäre viel zu viel Aufregung für ihn, also muss Hyunuk morgen wohl einen Tag daheim bleiben. Wenn er Glück hat, kommt Inho nur aller sechs Monate in die Paarungsphase, dann fehlt er nicht so oft in den Vorlesungen.

Jetzt nimmt er ihn erstmal mit ins Bett, obwohl er sich immer dagegen gesträubt hat, jegliche Haustiere in sein Bett zu lassen. Aber wenn man einmal damit anfängt, kann man das Tier oder den Hybriden nur noch schwer vom Bett fernhalten. Künftig muss er sich seinen Schlafplatz also teilen.

Inho strahlt so viel Körperhitze ab, dass Hyunuk gar keine Bettdecke braucht und trotzdem verschwitzt aus dem Halbschlaf aufwacht. Wirklich ausgeruht ist er nicht. Er will duschen, solange Inho noch schläft, doch sobald er sich aus dem Bett entfernt, tappst Inho ihm hinterher.

"Willst du dich auch waschen?"

Die Antwort ist ein Knurren, was wohl nein heißt. Der Hybrid setzt sich vor der Dusche auf den Badvorleger und wartet, bis Hyunuk fertig ist. Zurück im Bett kuschelt Inho sich wieder an ihn. Seine Temperatur flaut merklich ab, was dafür sorgt, dass Hyunuk angenehmer schlafen kann. Er holt den verlorenen Schlaf nach und wacht erst gegen Mittag wieder auf.

Das Bett ist leer.

Erschrocken setzt er sich auf und fragt leise nach Inho. Es ist dunkel durch die heruntergezogenen Rollos, weswegen es einen Moment dauert, bis er Inho in der Ecke hinter dem Kleiderschrank entdeckt. "Was machst du denn da?", fragt er und steht vom Bett auf. Vorsichtig kniet er sich neben den Schrank und schaut in Inhos Augen, die ihn misstrauisch anfunkeln. "Komm her. Du musst dich nicht da verstecken, ich tu dir nichts."

Inho macht keine Anstalten sich zu rühren. Irgendwann steht Hyunuk auf, setzt sich wieder aufs Bett und klopft neben sich. "Komm her. Hier ist dein Platz. Dort ist es doch bestimmt unbequem", säuselt er, auch wenn der Hybrid ihn vielleicht gar nicht versteht. Er wartet geduldig und schreibt in der Zwischenzeit Pyo, der ihm Mitschriften von seinen Kommilitonen besorgen soll.

Unmerklich nähert sich Inho dem Bett. Zentimeter für Zentimeter kriecht er aus der Ecke, wenn er denkt, Hyunuk sähe nicht hin. Schließlich ist er an der Kante angekommen und springt mit einem Satz halb auf Hyunuk drauf, der vor Schreck erstarrt und sich von dem Hybriden mustern lässt, eh dieser ihn augenscheinlich für ungefährlich befindet und sich neben ihm für ein Nickerchen einrollt. Das leise Schnarchen ist süß, das Magengrummeln bereitet ihm eher Sorgen. Wer weiß, wie wenig der Kleine in letzter Zeit gegessen hat.

Als Hyunuk später mit einem vollgeladenen Teller aus der Küche zurückkommt, kauert Inho wieder in der Ecke. Na gut, im Bett essen findet Hyunuk sowieso nicht so toll. Er setzt sich im Schneidersitz vor den Schrank, wobei er darauf achtet, dass er seinem kleinen Wolf den möglichen Fluchtweg nicht versperrt, damit der sich nicht bedroht fühlt.

Mit einem Stück Fleisch versucht er ihn zu ködern. Er hat nur es nur teilweise angebraten, da er nicht weiß, wie Inho es am liebsten hat, aber allgemein kann er bei einem Wolf sicher nicht viel falsch machen, wenn er ihm Fleisch anbietet. Eigentlich wollte er ein Curry daraus machen, aber jetzt bekommt es eben Inho. Sofern er es annimmt.

Es dauert eine halbe Ewigkeit, bis er sich endlich hervortraut, ihm die Gabel aus der Hand reißt und den Fleischbrocken nach kurzem Beschnuppern gierig verschlingt. Hyunuk hat die gekauften, großen Filets extra zerteilt, damit Inho nicht alles auf einmal futtert und dann Bauchschmerzen kriegt.

Unschlüssig sitzt er mit der Gabel da. Hyunuk rückt etwas näher und hält ihm den Teller hin. Wie erwartet zögert Inho wieder und schlägt dann blitzschnell zu. Er angelt sich mit der Gabel ein großes, rohes Stück Fleisch und stopft es sich in den Mund.

"Du musst nicht so schlingen, das ist alles deins."

Nun rückt Inho weiter vor. Mit jedem Stück nähern die beiden sich weiter an, bis Inho ihm den Teller abnimmt und bei der zufälligen Berührung ihrer Hände eine Gänsehaut bei Hyunuk auslöst. Gebannt sieht er dem Hybriden zu, wie er sich das Fleisch schmecken lässt, jedes einzelne Häppchen.

Schüchtern will Inho ihm den Teller zurückgeben und sich wieder in seine Ecke verkrümeln. "Warte!", bittet Hyunuk ihn und streckt die Hand aus. Das Wölfchen presst eingeschüchtert den Rücken gegen die Schranktür. "Bitte... lass mich dich berühren."

Ganz langsam lehnt Hyunuk sich immer weiter vor. Inho hält ihm eine Wange hin und fiept erschrocken, als Hyunuks Finger sie schließlich sanft antippen. Sein Körper reagiert auch heftig auf Hyunuk, doch mental scheint er trotz der gestrigen Paarung sehr scheu zu sein. Es wird wohl eine Weile dauern, bis er Hyunuk wirklich vertraut.

Hyunuk entfernt sich wieder und schafft den Teller in die Küche. Er muss kurz durchatmen. Dieses Kribbeln, das er in Inhos Nähe spürt, macht ihn ganz wuschig.

Bei seiner Rückkehr erwischt er Inho, wie er vorsichtig aus dem Schlafzimmer blickt. Sofort stürmt der Hybrid wieder in die Ecke. Wortlos klettert Hyunuk aufs Bett und macht es sich dort mit seinem Handy bequem. Sein Tag besteht jetzt daraus auf Inho zu warten und sich miteinander bekannt zu machen. Vielleicht sollte er den Rest der Woche einfach frei nehmen, denn er ist sich unsicher, ob er Inho in der Wohnung allein lassen kann.

Aber Essen hat er auch nicht mehr viel. Er ruft Pyo an. "Wie geht's ihm?", bekommt er statt einer Begrüßung zu hören.

"Ganz gut, denke ich. Er hat vorhin gegessen, sitzt ansonsten aber nur in der Ecke neben dem Schrank."

"Mh okay. Kaum zu glauben, dass er so scheu ist..."

"Mhm. Kannst du für mich einkaufen?"

"Klar. Fleisch?"

"Ja, bitte. Viel."

"Alles klar, wird erledigt!"

"Super, danke."

Neugierige Augen schauen ihn von der Bettkante an. "Komm her", sagt er leise. Inho springt aufs Bett und streckt die Hand nach dem Telefon aus. Hyunuk gibt es ihm nicht, auch als Inho einen unheimlich süßen Hundeblick aufsetzt.

"Willst du was spielen?" Inho nickt. Er scheint ihn also zu verstehen. "Komm her." Ein wenig widerwillig rückt Inho immer näher und bekommt schließlich das Gerät ausgehändigt. Hyunuk öffnet ein Spiel, das einfach zu bedienen ist, man muss da nur rumtippen und Kometen explodieren lassen. Pyos Babybruder spielt das auch gern.

Der Hybrid ist für eine Weile beschäftigt und Hyunuk kann ihm in Ruhe zuschauen. Er ist schon echt süß. Vor allem, wie er sich erschreckt, als eine Benachrichtigung von Pyo aufploppt und er das Handy fallen lässt. Hyunuk wirft einen Blick drauf. "Pyo ist gleich da und er bringt Essen mit. Hast du noch Hunger?" Inho nickt so heftig, dass seine Ohren wackeln. "Gut", amüsiert sich Hyunuk. "Er bringt Fleisch mit."

Genüsslich mampft er die Ministeaks direkt aus der Packung - in seiner Ecke, damit Hyunuk und Inypo, die auf dem Bett sitzen, ihm sein Futter ja nicht streitig machen. Die leere Packung hält er dann schüchtern Hyunuk hin, der sie in den Müll schaffen geht, während Inho und Inpyo sich anstarren.

"Er ist ganz anders als gestern", meint Pyo.

"Inwiefern?"

"Gestern ist er die ganze Zeit um mich herumgeschlichen und hat versucht mich zu verführen. Ich hätte nicht gedacht, dass er jetzt so scheu ist." Inho bekommt ganz rote Wangen bei diesem Gespräch zwischen den beiden Männern.

"Wahrscheinlich lag das gestern nur an der Paarung. Ich vermute, er hatte gar kein Schlafmittel, sondern irgendwas Härteres, damit er zu weggetreten ist um sich paaren zu wollen."

"Wie furchtbar! Meinst du, man kann das irgendwie reklamieren?"

"Steht dazu was im Vertrag?"

"Eigentlich steht da, dass eine Rückgabe augeschlossen ist."

Nun gibt Inho ein trauriges Fiepen von sich. "Keine Sorge, ich will dich gar nicht zurückgeben!", sagt Hyunuk sofort. "Wir gehören doch jetzt zusammen."

Inpyo hält sich eine Hand ans Herz und die andere an den Mund, um kein Geräusch von sich zu geben und diesen Moment zwischen den beiden zu stören, als Inho auf Hyunuks Worte hin zur Bettkante geschlichen kommt und die Hand nach ihm ausstreckt. Hyunuk nimmt sie in seine Hand. Inho gibt sie nicht mehr her, vielmehr rückt er immer näher, je öfter Inpyo und Hyunuk beim Quatschen unbewusst die Köpfe zusammenstecken, und macht seine Besitzansprüche deutlich.

Als Pyo nach Hause geht, hängt Inho Hyunuk wieder auf dem Latz und lässt sich herumtragen. Sie landen auf dem Sofa, wo Inho sich am Rücken kraulen lässt. Bei allen anderen Stellen fängt er leise an zu knurren, also belässt Hyunuk es beim Rücken, bis Inho einschläft. Vorsichtig legt er ihn aufs Sofa und macht sich etwas zum Abendessen.

Mitten beim Kochen kommt Inho vorsichtig angetappst. Neugierig öffnet er den Mund. Hyunuk nimmt einen Löffel voll Curry aus dem Topf und pustet. "Vorsicht, heiß", meint er, als er ihn Inho in den Mund steckt.

"Mhhhhhhhh", macht der Hybrid und sperrt er den Mund gleich wieder auf.

"Ist noch nicht ganz fertig", sagt Hyunuk, woraufhin Inhos Mundwinkel sich nach unten bewegen. "Kein Hundeblick", wird er ermahnt und reagiert beleidigt auf das Wort "Hund". Mit einem empörten Schnauben stapft er zurück aufs Sofa. Inho fängt wohl an, sich bei ihm wohl zu fühlen. Hyunuk macht innerlich "awwwwwww" und richtet schonmal den Reis auf zwei Tellern an. Sein Hybrid kriegt weniger, immerhin hat er bereits fast zwei Kilo Fleisch verdrückt.

Sobald Hyunuk mit den Tellern ankommt, springt er auf und wedelt aufgeregt mit dem Schwanz. Wieder atmet er das Essen förmlich ein, sodass Hyunuk ihn ermahnt, langsam zu essen und ordentlich zu kauen. "Dir isst niemand etwas weg, versprochen!"

"Mhm...", nuschelt Inho, stellt seinen leeren Teller ab und liebäugelt mit Hyunuks Portion. Resigniert gibt Hyunuk ihm etwas ab und steckt einen Löffel voll Curry in Inhos weit offenstehenden Mund. Zufrieden kaut er.

Und dann spricht er zum ersten Mal.

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