Kapitel 12

„Soli, was bedeutet eigentlich dein Name?", fragte Lilli plötzlich, als wir nebeneinander auf dem Bett lagen.

„Wie kommst du da drauf?"

„Naja, ich weiß, dass er etwas bedeutet, aber den Grund dafür hältst du so tief in dir versteckt, dass ich ihn nicht fühlen kann.

„Oh, also gut" Ich wusste genau, wieso sie es nicht konnte. Ich hatte alles, was mit meinen Eltern und besonders mit meinem Vater zu tun hatte, in die hinterste Ecke meines Gehirns verbannt.

„Solina Shine bedeutet eigentlich nur Sonnenschein"

„Nur? Was redest du denn da? Das ist eine wunderschöne Bedeutung" Es herrschte eine kurze Stille.

„Da ist noch mehr, oder? Ich spüre, dass es dir nicht gut geht. Was ist los?" Sie nahm wieder meine Hand und sofort wurde mein Körper von diesem wunderbaren Gefühl durchströmt. In den letzten Tagen war jedoch ein anderes Gefühl dabei. Ich konnte es nicht definitiv deuten und ich wollte sie damit nicht belasten. Ich würde es ihr sagen, wenn ich mir sicher war.

„Du kannst mir vertrauen, das weißt du"

„Ja, ich weiß, es ist nur...das ist wahrscheinlich der Grund wieso ich überhaupt hier her gekommen bin"

„Erzähl es mir. Bitte?"

„Okay. Also, wie du schon weißt, hat auf Alchran jeder seinen eigenen Kometen" Sie nickte. „Und alles hat damit angefangen, dass mich meine Eltern besucht haben. Es war Chaos, weil ich vorher ganz schnell die „unnützen und verbotenen" Sachen wegräumen musste. Am Anfang, als sie da waren, war alles wie immer. Mein Vater hatte mir ein Geschenk mitgebracht, bei dem er meinte, es würde mir gefallen"

Die Erinnerungen durchfluteten mich und alle Gefühle kamen zurück. Wut, Enttäuschung, Trauer, Schmerz.

„Es waren aber Studienbücher. Er hat sich schon immer nur um meine glorreiche und berühmte Zukunft und nicht um mich oder meine Interessen gekümmert. Ich habe gerade noch verhindern können, dass er mein Buch, also das hier, findet. Sie haben sich danach auch bald wieder verabschiedet und waren wieder weg. Später bin ich dann in meinem Sternenzimmer gesessen und habe das Buch weiter gelesen. Auf den Seiten über die Erde, bin ich bei einem bestimmten Thema hängen geblieben. Ich bitte dich, wenn ich dir das jetzt erzähle, dass du mich nicht danach verurteilst. Bitte, sieh mich genauso, wie vorher"

„Natürlich mache ich das. Ich könnte nie etwas anderes in dir sehen" „Danke. Also gut, dort ging es über Menschen auf der Erde. Menschen, die anfangs nicht akzeptiert wurden, wegen den Menschen, die sie liebten. Wenn Frauen andere Frauen liebten und das Gleiche bei Männern und so weiter. Auf Bildern hatten sie Regenboden-Flaggen dabei und sie haben dafür gekämpft"

„Gay pride"

„Genau und letztendlich haben sie es auch geschafft. Das hat mich so fasziniert. Ich hatte mir seit diesem Zeitpunkt noch viel mehr gewünscht, auf der Erde zu sein. Dort würde ich mich nicht alleine fühlen. Weißt du, ich würde endlich dazu passen. Ich habe mich noch nie wirklich für Jungs interessiert und ich wusste schon bald, dass ich Mädchen mehr mochte. Bitte, denk jetzt nicht schlecht über mich, ich..."

„Nein, wie kommst du denn darauf? Ich mag dich so, wie du bist und um ehrlich zu sein fühle ich mich jetzt noch mehr mit dir verbunden"

„Was?"

„Ist da zufällig auch etwas über Leute gestanden, die bi waren?"

„Ja, das bedeutet, dass man beide Geschlechter gleich liebt, oder?"

„Genau und das bin ich"

„Du bist...echt?"

„Ja, ich verstehe dich"

Und da war wieder dieses wunderbare Lächeln. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, ich war dabei, mich in sie zu verlieben.

„Aber du hast nicht weiter erzählt. Was ist dann passiert?" Ich atmete noch einmal tief durch.

„Ich bin während dem Lesen eingeschlafen, das Buch war immer noch auf dieser Seite aufgeschlagen. Am Morgen sind meine Eltern überraschend zurückgekommen. Zuerst hat sich mein Vater über meine von mir geplante Zukunft beschwert, keine Ahnung, was er da rausgefunden hat, aber er wollte immer, dass ich so lebte, woe er es sich wünschte. Aber dann hat er das Buch entdeckt und dann war alles vorbei. Er hat mich angeschrien und er wollte mir nicht zuhören. Auch meine Mutter hat sich gegen mich gestellt. Bevor sie gegangen sind hat er mir gesagt, ich sei es nicht wert, seine Tochter zu sein"

Ich konnte nicht mehr weiter reden, die Erinnerungen hatten aufgeholt und ich hatte meine Augen geschlossen. Wieso konnte nichts auch nur annähernd normal in meinem Leben sein? Ich spürte Lillis Hand an meiner Wange. Sie strich eine Träne weg, von der ich gar nichts gemerkt hatte. Langsam sah ich sie wieder an.

„Das tut mir so leid. Wenn ich gewusst hätte..."

„Nein, ich hätte es irgendwann jemandem erzählen müssen. Es ist, als wäre eine Last von mir abgefallen. Es tut immer noch weh, was sie getan haben, aber jetzt fühle ich mich verstanden"

„Ich wünschte so sehr, meine Eltern könnten dich sehen. Sie würden dir helfen, sie würden sich freuen, dich zu sehen. Mich haben sie in dieser Hinsicht immer ermutigt und dass ich nie Angst haben sollte, was andere dachten. Sie würden auch dich ermutigen"

„Das ist nett, aber ich bezweifle, dass mich jemals jemand anderes als du sehen wird"

Wir hatten danach noch ewig weiter geredet. Sie hat mir erzählt, dass sie immer bei mir sein wird, auch wenn sie körperlich nicht mehr da wäre. Sie würde mir immer helfen, egal was wäre.

Ein paar Tage später hatte sie mich nach draußen geschickt. Sie wusste, dass ich schon immer mal die Natur erforschen wollte, aber ich war immer bei ihr geblieben. Ich wollte sie nicht alleine lassen. Demzufolge hat sie reichlich Überzeugungsarbeit leisten müssen, bis ich schließlich gegangen war. Ich würde mich trotzdem beeilen, ich konnte sie nicht alleine lassen.

Als ich den Weg nach draußen gefunden hatte, staunte ich erst nicht schlecht. Klar, von drinnen hatte ich auch schon einiges gesehen, aber in Wirklichkeit war alles gleich um Welten besser. Ich machte mich auf den Weg ans hintere Ende des Gebäudes. Von dort aus würde man auf eine wunderschöne Wiese gelangen. Lilli hatte gesagt, dort wäre es am Schönsten. Und tatsächlich war es so. Ich fühlte mich wie im Paradies.

Um mich herum waren einige Bäume und die Wiese erstreckte sich weiter, als ich sehen konnte. Dort waren tausende von wunderschönen Blumen. In der Luft schwirrten Bienen und Schmetterlinge, es war ein Traum.

Ich ging ein paar Minuten lang spazieren, bis ich mich mitten ins Gras legte und kurz die Augen schloss. Es war grausam, dass Lilli hier nicht mehr her durfte, das würde ihr doch gut tun. Sie könnte entspannen und die grauen Wände ihres Zimmers vergessen, aber sie durfte nicht. Ich musste ihr etwas mitbringen. Sie sollte auch etwas von dem Zauber haben. Eine Blume, das wäre das Richtige. Ich setzte mich auf und betrachtete alle um mich herum. Sie waren in allen Farben dort, rot, orange, gelb, blau, violett,...ich konnte mich nicht entscheiden.

Es endete darin, dass ich mit einem ganzen Arm vollen verschiedener Blumen zurückging. Tulpen, Rosen, Vergissmeinnicht, Margeriten, Mohnblumen, alles. Ich hoffte nur, dass die anderen das nicht sahen. Es wäre nämlich schon etwas erschreckend, wenn auf einmal ein Blumenstrauß an einem vorbeischwebte.

Ich hatte Glück und konnte unbemerkt auf Lillis Zimmer kommen. Sie erwartete mich mit einem Lächeln und als sie mein Geschenk sah, traten ihr Tränen in die Augen.

„Soli...das ist wunderschön", brachte sie hervor, als ich ihr meine Errungenschaften entgegen hielt. Vorsichtig inspizierte sie jede einzelne Blume und war immer mehr fasziniert.

„Danke, danke, danke, das ist das beste Geschenk, das ich je bekommen habe", sagte sich und zog mich zu ihr. Ich konnte gar nicht verarbeiten, was passierte, da spürte ich auch schon ihre Lippen auf meinen. Bevor ich überhaupt richtig merkte, was los war, war die Berührung wieder verschwunden. Fragend sah ich sie an.

„Es...es tut mir leid. Ich wusste nicht, ob du...wir...ich meine..."

„Bitte"

„Was?"

„Mach das nochmal"

Sie hatte wohl das größte Lächeln seit jeher und ich setzte mich wieder neben sie. Kurz darauf waren unsere Lippen wieder vereint und es gab kein schöneres Gefühl. Die Wellen aus Glück und Freude, die ich auch schon bei unserer ersten Berührung gespürt hatte, waren wieder da, nur waren sie um ein vielfaches stärker. Es war unbeschreiblich. Jetzt war dort nicht nur unsere Seelenverwandtschaft, sondern auch Liebe.

Vor ein paar Tagen war ich mir noch nicht sicher, aber spätestens jetzt wusste ich es. Ich hatte mich in sie verliebt. Auch wenn es mein erster Kuss war, konnte ich sagen, dass es definitiv mein bester war. Noch nie zuvor hatte ich so etwas gefühlt. Nachdem wir uns langsam wieder voneinander gelöst hatten, hatte ich nur noch eins im Kopf. Lilli, Lilli, Lilli. Ich fühlte mich so geborgen und geliebt, wie bei niemand anderem.

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Okay :) hier mal wieder ein freundlicheres Kapitel... was haltet ihr davon? Lasst es mich doch wissen, Kommis und Voties sind herzlich willkommen xD

Eure

moontosun <3

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