Kapitel 18

Finneagan

Der Morgen unseres zweiten Quidditch-Matches ist bitterkalt. Es hat die letzten zwei Tage über durchgeschneit, aber gegen Vormittag lässt der Schneefall nach. Ich hoffe, dass der Himmel noch aufreißt, und wir nicht in der dieser kontrastlosen weiß-weißen Suppe spielen müssen. Ich hab ein bisschen Schiss, dass unser Sucher Maxwell Morris die Orientierung zwischen Himmel und Erde verliert und den Schnatz auf dem Boden sucht, der Idiot. Ganz ehrlich: Wir brauchen einen besseren Sucher im Team. Maxwell war bei den Tryouts der Beste, aber er ist eine Null. Am liebsten würde ich selbst Sucher spielen und diese unfähige Null ins Tor stellen. Es gab eine Zeit, da hätte ich nicht gezögert, diese Änderung im Team vorzunehmen, aber nach dem letzten Spiel?

Nach den letzten Spielen traue ich mich ja immer noch nicht höher als die verdammten Stadiontürme in den Himmel. Doch dann drängt sich diese Erinnerung in meinen Kopf und ich halte unwillkürlich den Atem an, während ich noch immer nach draußen starre.

Du bist geflogen, Finn.

Bin ich. Durch die Wolken. Wie früher.

„Argh!" Ich zucke zusammen, als mir jemand die Hand auf die Schulter legt, und ich drehe mich ruckartig herum. Im ersten Moment hoffe ich, dass es Evans ist, doch ich schaue in die dunklen Augen von Atticus. Er grinst.

Ich hoffe.

Evans.

Fuck.

Innerlich stöhne ich auf und rolle die Augen, weil ich mich seit Tagen bei dem Gedanken erwische, dass ich an sie denke, wie sie in diesem schwarzen Badeanzug Stufe um Stufe in das warme Schaumbad abgetaucht ist, die Haare voller Matsch und Schlamm und das Gesicht voller Dreck.

Es ist nicht so, dass es der Gedanke an den verdammten Badeanzug ist. Sondern es ist der Gedanke an sie, der mich völlig grundlos aus dem Konzept bringt. Weil ich nicht verstehe, dass ein Mädchen wie sie, das so unverhohlen schön ist wie Evans, sich so wenig darum schert, ob sie Blätter in den Haaren hat oder Matsch im Gesicht.

Susie hätte sich nie so sehen lassen, denke ich.

Herrje, sie wäre durchgedreht, wenn ihr die dämliche Wimperntusche beim Abtauchen ins Wasser verlaufen wäre – und Rory hat nicht mal Anstalten gemacht, sie fortzuwischen.

Sie hat einfach ihren Kopf auf ihren Armen abgelegt und mich angesehen, solange, bis ich in der Hitze des Wassers keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte und sie fast-

Atti sieht mich fragend an und ich sage: „Sorry, war in Gedanken."

Er deutet einen Catch an und ich zögere kurz, bevor ich nicke. Tatsächlich mache ich mir über das Spiel gerade nicht wirklich viele Gedanken, wenn man davon absieht, dass ich Maxwell nicht wirklich zutraue, Himmel und Erde auseinanderzuhalten. „Ich hoffe, es klart auf", sage ich und schaue nochmal zum Himmel.

Atti zuckt mit den Schultern und zieht aus seiner Hosentasche ein neues Mojo-Amulett heraus. Er reicht es mir mit hochgezogenen Augenbrauen. Ich erwidere seinen Blick und schüttele den Kopf. „Nee, lass stecken. Ich denke nicht, dass das noch irgendwas bringt."

Atti legt den Kopf schief und hält mir das Amulett noch immer hin.

„Steck es weg, Mann." Ich drücke es ihm gegen die Brust. „Ich fliege so oder so wie eine Null. Das wissen wir doch beide."

Atti schüttelt den Kopf und bohrt mir den Zeigefinger fest gegen die Stirn. Das Problem ist in deinem Kopf.

„Ja, weiß ich auch." Ich seufze schwer und sehe wieder aus dem Fenster. Am Horizont schiebt sich immerhin gerade die Sonne ein wenig durch die schwere Wolkendecke.

Atti schüttelt den Kopf und kneift fest die Augen zusammen.

Er hat Angst, dass wir am Ende schneeblind werden. „Auch wieder wahr. Wir sollten mit Schneebrille spielen."

Atti tätschelt mir die Schulter und nickt zur Treppe. Meine Schwester kommt auf uns zu marschiert und starrt das Mojo-Amulett verkniffen an. „Echt, jetzt, Finni? Du hängst dir immer noch diesen Schwachsinn um den Hals?"

Dann sieht sie Atticus an. „Und du solltest dich schämen, Atticus!"

Atti runzelt die Stirn und sieht Vi schulterzuckend nach.

„Weshalb sollst du dich schämen?" Ich sehe ihn an. „Weil du mir dein Mojo andrehst?"

Atti sieht pfeifend hoch zum Kreuzgewölbe und stopft das Mojo-Amulett hastig zurück in seine Hosentasche.

Jetzt werde ich neugierig. „Was hast du gemacht?"

Atti feixt und versiegelt seine Lippen.

„Scherzkeks." Ich rolle die Augen und sehe auf die Uhr. „Hast du sie wieder heimlich beobachtet?"

Atti grinst vielsagend. Er tut das manchmal: Beobachtet still und heimlich Menschen, gerne auch Vi. Er findet sie faszinierend. Ich glaube, er steht auf Vi, aber da beißt er auf Granit. Violett hat damit nichts am Hut. Mit Dates, Geflirte und bewahre: Küssen. Sie lernt.

Einmal hat sie sich mehr aus einem Jungen gemacht, aber ihre Erwartungen wurden enttäuscht. Vi ist in den letzten Jahren vielleicht ein bisschen ruppig geworden. Ein bisschen zu besessen und zu strebsam. Und sie ist definitiv keinen Spaß mehr gewöhnt.

Ich schaue noch mal aus dem Fenster und hole tief Luft. An der Außenseite der Scheibe haben sich kleine Eiskristalle gebildet, die wie Schneeblumen aussehen. Es wird bitterkalt sein, wenn wir später spielen.

Ich will mir gar nicht vorstellen, dass es keine drei Jahre her ist, dass wir nach dem Dezember-Spiel diese Schneeballschlacht auf dem Feld gemacht haben und Vi mitten drin stand. Heute ist die Vorstellung ganz abwegig, dass das stattgefunden hat.

Atti legt mir wieder die Hand auf die Schulter und zieht mich diesmal vom Fenster weg. Komm, es wird Zeit.


Wird es wohl. Zeit für QUIDDITCH :)

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