Kapitel 17

Für alle, die Kribbel-Krabbel im Bauch haben, wenn sie auf dem Besen fliegen

Ich habe Mühe, ihn einzuholen. Und das sage ich nicht nur so. Scheiße, er ist wirklich schnell. Er fliegt einen verzogenen, uralten Nimbus 2001 und hängt mich mit dem Feuerblitz eiskalt ab.

Ich würde es gerne darauf schieben, dass ich den Besen nicht kenne. Dass ich das Gelände nicht kenne. Aber daran liegt es nicht. Er ist einfach sauschnell. Immer, wenn ich das Gefühl habe, fast zu ihm aufgeschlossen zu haben, schlägt er einen Haken, geht in den Sturzflug, weicht mir aus oder-

Er ist verdammt gut.

Und er hat richtig viel Spaß, mich das gerade spüren zu lassen.

Irgendwann drosselt McDou sein Tempo und sieht sich freudestrahlend nach mir um. Die Wolken sind lichter geworden und er steuert eine Bergkuppe im Hochland, auf der mit dem Geräusch von knirschendem Kies leise landet. Er grinst mich an. „Du siehst etwas zerzaust aus, Evans." Er feixt und lässt sich nach hinten auf den Boden fallen. Die Beine streckt er von sich und sieht zu, wie ich mit Pam ebenfalls auf dem kleinen Hochplateau lande.

„Alter, hast du von dem Nimbus die Fabrikats-Plakette abgekratzt?!" Ich stöhne und lasse mich neben ihn fallen. Der Boden ist kalt und ich wünschte, ich hätte eine Decke dabei. „Ist das ein fucking Ferrari?"

„Ein was?" Er runzelt die Stirn.

Ich schüttele den Kopf und hole erschöpft Luft. „Ein Rennwagen. Ein sehr schnelles Muggel-Auto."

„Ah." Verständnislos sieht er mich an und zuckt dann lächelnd mit den Schultern. „Nicht schlecht für eine alte, verzogene Klapperkiste, was?" Er wackelt mit den Augenbrauen und sieht vollkommen zufrieden aus. „Besser?", fragt er und funkelt mich herausfordernd an.

Ich nicke. Von seiner Wut auf Olly ist nichts mehr übrig und auch mein Kloß im Hals ist verschwunden. Mein Kopf ist wieder vollkommen klar.

Dann richtet er seinen Blick in die Weite und mir verschlägt es schlichtweg die Sprache, als mein Blick seinem folgt. „Wow...", mache ich überwältigt. Die Landschaft vor mir, vor uns, ist schlichtweg atemberaubend. Die Highlands vor uns sehen aus wie kleine, grün-braune Hügel, auf manchen sind weiße Flecken, weil der Schnee sich bereits breitmacht. Dazwischen liegen spiegelglatt die Seen, die dem ganzen Anblick etwas verwunschenes, melancholisches verleihen, den ich nicht recht in Worte fassen kann.

„Schön, oder?", sagt er. „Ich war ewig nicht mehr hier."

„Warum nicht?"

Er nimmt den Blick nicht von der Weite, sondern holt tief Luft. „Hat sich nicht ergeben."

Ich drehe den Kopf und mustere sein Gesicht. Die grünen Augen, seine markanten Wangenknochen, sehe die kleine Narbe unter seinem linken Auge und überlege, woher er sie hat.

„Das war nicht okay", sage ich dann. „Das mit den Zeitschriften. Mich hat das kalt erwischt." Ich schlucke.

Er nickt langsam. „Ja. Hab ich gemerkt. War auch nicht mein bester Move."

„Collin ist..."

„Du musst mir das nicht erklären, Evans." Er nimmt den Blick noch immer nicht von den Seen. Er schließt stattdessen die Augen und atmet ein. „Ich verstehe es. Wirklich."

Es ist die Art, wie er die Worte ausspricht, die mich dazu bewegt, nicht in die Defensive zu gehen. Stattdessen halte ich inne und lausche der Stille. Ich weiß, wie hat er damals angesetzt.

Ich weiß, wie du dich fühlst.

Ich weiß, wie es sich anfühlt.

Ich weiß, wie es ist.

Ich sehe ihn immer noch an. Ich habe keine Ahnung, was er wirklich sagen wollte. Aber ich bin mir sicher, dass es etwas in der Richtung ist. „Warum?"

Nichts an seiner Reaktion verrät mir, dass er sich versteift. Vermutlich, weil er mit der Frage gerechnet hat. Dnnoch zögert er, bevor er antwortet. „Ich hab schon viel gesehen", sagt er dann. Er stockt, bis er zögerlich davon erzählt, dass Vi und er dabei waren, als ein Nachbarsjunge vor einigen Jahren keine Luft mehr bekam und vor Luftnot blau anlief. „Der Junge war Gryff...", schließt er dann. Er schweigt angespannt und ich spüre, wie sehr ihn das mitnimmt.

„Der andere Finn?"

Er nickt schwerfällig und schüttelt dann den Kopf. „Ich verstehe es...", setzt er noch einmal hinterher.

„Drachenpocken hast du gesagt, oder?"

Finn schweigt einen Moment, bevor er schließlich nickt. Darauf kann ich nichts erwidern. Drachenpocken sind wirklich richtiger Mist.


Die Dämmerung hat eingesetzt und ich bin mir ziemlich sicher, dass wir aufbrechen sollten, um nicht im Stockdunkeln und bei Eiseskälte zum Schloss zurückfliegen zu müssen. Aber weder er noch ich machen Anstalten, das Plateau zu verlassen. Stattdessen holt er irgendwann seinen Zauberstab heraus, murmelt „Accio" und nach einer Weile sausen von irgendwoher drei Holzscheite heran. Finn sieht mich schräg an und entfacht mit einem lässigen „Incendio" die Flammen. „Ich sehe doch, wie du frierst."

„Und wenn ich einfach nur nach Hause will?"

„Willst du?", fragt er und sieht mich an. Die roten Flammen werfen Schatten auf sein Gesicht und ich muss gegen den Gedanken anschlucken, dass ich noch viel länger mit ihm hier sitzen will. Sehr viel länger. „Nein."

Die Wolken haben aufgeklart und der Himmel gibt die Sterne frei. Zum ersten Mal seit langem kann ich die Sterne sehen und – verdammt – es sind richtig viele. Hier oben in den Highlands ist stockdunkel und es ist von Lichtverschmutzung nicht viel auszumachen. Man kann die Milchstraße sehen. In Boston, selbst in Ilvermorny, war das nicht möglich. Die umliegenden Großstädte strahlen dort viel zu hell und nehmen den Sternen viel zu viel an Leuchtkraft.

Mit staunenden Augen liege ich auf dem Rücken und sehe in den Nachthimmel, neben mir wärmt mich das warme Prasseln des Feuers und ich lausche McDous gleichmäßigem Atem, während ich mit einer Hand an meiner Kette spiele.

„Das ist verdammt schön", murmele ich.

„Ist es", höre ich ihn sagen und drehe den Kopf zu ihm herum. Ich schnappe seinen Blick auf und er schmunzelt. „Was hat es mit der Kette auf sich?"

„Mein Bruder hat sie mir geschenkt. Kurz bevor er..." Ich räuspere mich und schüttele den Kopf. „Bevor er- Ach, scheiße." Ich richte mich auf und sehe auf Finn hinunter. „Ich kann das immer noch nicht richtig aussprechen. Dass er verschwunden ist. Dass er... tot ist."

Finn verschränkt einen Arm hinter dem Kopf und betrachtet mich aufmerksam. „Setz dich nicht unter Druck. Man spricht dann über die Dinge, wenn man bereit dazu ist."

„Hältst du das genauso?"

Er zögert kurz, doch dann nickt er. „Jeder in seinem Tempo. Die einen machen große Schritte, die anderen nicht."

„Und du?"

Sein Blick fällt auf meine Kette und dann richtet er sich auf. „Zu kleine für meinen Ehrgeiz. Darf ich mal sehen?" Er streckt die Hand aus und greift nach der Kette um meinen Hals. Etwas widerstrebend nehme ich sie ab und reiche sie ihm, während er seinen Zauberstab herausholt und „Lumos" murmelnd ein wenig mehr Licht zwischen uns bringt. Dann hält er den Zauberstab auf seine Handfläche gerichtet und betrachtet den Anhänger stirnrunzelnd, während das Licht wieder und wieder darüber wandert. „Abgefahren...", murmelt er.

„Was?"

Sein Lächeln wird schief. „Das ist ein Kaipathyro."

„Ein was?"

Er rutscht dicht neben mich und hält mir seine Hand hin. Er strahlt trotz der Kälte ein unfassbare Hitze aus. „Ein Kaipathyro. Das sind Wetterfenster, wenn du es so willst. Das Dach in unserer großen Halle ist auch eins. Sie zeigen dir, wie das Wetter an einem besonderen Ort ist. Ein Kaipathyro ist immer auf diesen einen Ort geeicht. Und an deinem Ort gibt es gerade eine Aurora Borealis." Er strahlt mich an. „Nox."

Das Licht seines Zauberstabes verlischt und der Anhänger auf seiner Handfläche schimmert in strahlendem Türkis, zieht Schlieren und Kurven. „Ein Polarlicht."

„Jepp."

„Ich dachte immer, es zeigt die Stimmung..."

Finn zieht die Beine an und zuckt die Schultern. „Vom Himmel vielleicht", er zwinkert mir zu. „Der schottische Himmel ist meistens mies gelaunt."

„Idiot."

Er grinst und ich muss lachen, während ich mir das Kaipathyro wieder um den Hals lege. „Woher weißt du, was das ist?"

„Ich lese viel", sagt er ausweichend. „Außerdem... Die Kette kommt mir bekannt vor. Ich hatte eben das Gefühl, sie schon mal gesehen zu haben. Aber ich kann mich auch täuschen."

„Wo denn?"

„Bei dir um den Hals." Er grinst. „Keine Ahnung. In nem Buch bei Pince bestimmt. Ich hab da etwas über die Dinger gelesen, da war sicher ein ähnliches abgebildet." Er zuckt gleichmütig die Schultern. „Wollen wir zurück?"

„Das wird eiskalt?"

„Stell dich nicht so an, Rory." Er lacht. „Du bekommst auch die einmalige Gelegenheit, Aquamenti zu zaubern!"

„Ich zauber dir gleich einen Rattenschwanz. Vorne."

Finn steht auf und klopft sich lachend den Staub von der Hose. „Ich mag dich irgendwie, Evans."

Ich werfe ihm einen vernichtenden Blick zu. „Pass auf, dass ich jetzt auch gut auf das Feuer ziele und nicht auf dich." Trotzdem kann ich nicht verhindern, dass mein Herz einen Satz nach vorne macht und mir in der entstehenden Dunkelheit die Hitze in die Wangen steigt.


Der Flug zurück nach Hogwarts zieht sich. Ich bin froh, dass Finn sich in den Highlands gut auskennt und sich auch bei Dunkelheit zurechtfindet. Es ist Neumond und die Sterne spenden daher nur spärlich Licht. Als die nachtschwarze Silhouette von Hogwarts am Horizont erscheint, bin ich bis auf die Knochen durchgefroren und erleichtert, als wir endlich am Stadion landen.

„Das war entgegen aller Erwartungen nett", sage ich, als wir die Besenkammer verlassen. Pam habe ich in einem der Spinde der Ravenclaw-Mannschaft eingeschlossen, sonst hätte ich sie wieder in die Eulerei gebracht.

„Ja..." Finn versenkt die Hände tief in den Jackentaschen, während wir über die pechschwarzen Schlossgründe zurück zum Westturm laufen. Dort angekommen greift er nach der Klinke der Tür und verharrt kurz. „Ähm", setzt er an, während ich leise seinen Namen sage. „Finn."

„Erst du", sagt er und sieht mich an. Mein Magen ist in Aufruhr, während er so vor mir steht, und auf mich hinunter sieht.

Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Viel schneller als es schlagen sollte. Und ich stehe viel dichter vor ihm, als ich dürfte. Ich bin mir seiner Nähe viel zu bewusst. „Du bist geflogen...", flüstere ich und lege ihm, ohne darüber nachzudenken die Hand auf die Brust. Mit dem Zeigefinger tippe ich dagegen und zögere kurz. „Du bist geflogen und hast nicht einmal darüber nachgedacht..."

„Ich-" Er sieht mich an und öffnet den Mund. Er möchte etwas sagen, erwidern, doch in diesem Moment kracht die Tür des Westturms auf. Wir schießen auseinander.

„Evans, McDougal!!", knallt uns die Stimme Professor Longbottom entgegen. „Das halbe Schloss sucht nach Ihnen! Jetzt erklären Sie mir mal bitte plausibel, was sie beide in diesem desolaten, zerzausten Zustand um Mitternacht außerhalb der Schlossgründe machen!"

Finn schaut mich mit offenem Mund an und greift mir dann, sichtlich zerknirscht ins Haar, um mir unnötigerweise ein paar trockene Blätter aus den wild zerzausten Haaren zu ziehen.

Mist", raunt er mir zu.

... ja...  also... 🥰💕 Ich sag mal so.... 🌌

Keiner ist vom Besen gefallen...

🌌⭐️🪐🌠🧹☁️☁️☁️

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