Kapitel 10

Sly

Evans rauscht den Gang der Bibliothek entlang, als ob ihre roten Haare Feuer gefangen hätten. Ich hatte nicht vor, das Gespräch zu belauschen, aber ich kam auch nicht drumherum.

Ich sitze eine Nische weiter und die beiden waren nicht gerade leise. Mich hat es gewundert, das Madam Pince nicht vorbeigerauscht kam, um Potter ein „Psst" reinzuwürgen, wie sie es neulich bei mir getan hat.

Potter.

Ich kann nur mit Mühe ein verächtliches, Pince herbeirufendes Schnauben unterdrücken. Es ist nicht so, dass ich etwas gegen den Potter-Jungen habe. Er ist nur so... nervig. Ständig steckt er seine Nase mit Malfoy zusammen oder in diese dicken Bücher, beid sind so verdammt ungesellig.

Ja, ich bin mir durchaus bewusst, wie dialektisch diese Aussage ausgerechnet von mir ist. Ich bin aktuell ja selbst kein Paradebeispiel von Geselligkeit, aber Al-

Al ist... komisch. Ein Freak. Zumindest zieht Soph ihn damit auf. Nach den Vorkommnissen im letzten Schuljahr um Albus ist es eigentlich kein Wunder, dass er sich noch seltsamer verhält als zuvor. Ich meine, er hat mit einem fucking Zeitumkehrer echt viel Scheiße gebaut - zumindest erzählt man sich das. Sein Bruder James hat es seiner Freundin gesagt, die ihren Freundinnen, die noch auf der Schule sind und ab da war das Gerücht ein Selbstläufer.

Es sind Gerüchte von Du-weißt-schon-wem, dessen Tochter, und Cedric Diggory. Dessen Name geistert seit den Gerüchten über das neue Trimagische Turnier wie ein hartnäckiger Geruch durch das Schloss.

Im Grunde genommen bin ich froh, dass es über meinen letzten Sommer nie Gerüchte gab. Die Einzige, die wirklich weiß, was passiert ist, ist Violett, und die wird bei Dumbledores Grab nicht darüber sprechen. Natürlich wird gemunkelt, dass irgendetwas passiert ist. Und manche reimen sich auch etwas zusammen, was der Wahrheit erstaunlich nahekommt.

Ich weiß, dass manche hinter vorgehaltener Hand darüber reden, dass ich nicht auf der Beerdigung war.

Ich starre auf das Buch vor mir.

War ich nicht.

Aber ich habe noch nie jemanden offen darüber sprechen hören. Sollen sie sich doch im Geheimen das Maul zerreißen.

Mein Kopf fängt an zu pochen und ich reibe mir über die Augen.

Was war mit deinem Bruder?

Potters Frage kommt in meinem Gedächtnis hoch wie die Erinnerung an die Beerdigung, auf der ich nicht gewesen bin.

Sie hat ihm nicht geantwortet. Mein Bruder hatte auch einen gewissen Ruhm, mit dem ich zuhause umgehen muss. Ihre Stimme hat gezittert, als sie das gesagt hat. Als ob da etwas ist, worüber sie nicht sprechen will.

Flüchtig steigt die Erinnerung an Evans in meinen Kopf, als sie genau dort saß, wo ich jetzt sitze, mit Tränen in den Augen, und ich frage mich, ob die Tränen, ihre zittrige Stimme und das wehende, rote Haare etwas miteinander zu tun haben.

Sie haben von Druck gesprochen. Sie und Potter. Als ob nur Potter mit familiärem Druck umgehen müsste. Dass ich nicht lache.

Ich starre noch immer in das Buch vor mir, den dicken Wälzer über Zauberschulen in Amerika, den ich wegen des Referats für Binns lesen soll, und gebe es auf.

Wenn die beiden über Druck sprechen, kann ich mithalten. Seit Jahren hat sich so viel Last auf meinen Schultern aufgebaut, dass ich manchmal das Gefühl habe, nicht mehr aufstehen zu können. Quidditch, die Schule. Die Erwartungshaltung meines Vaters. Dieser dämliche Anspruch an mich selbst, besser zu sein als-

Besser zu sein als alle.

Der letzte Sommer hat es nicht besser gemacht.

Wir wären eine nette Selbsthilfegruppe, Potter, Evans und ich. Wobei mir noch nicht klar ist, was sie über Druck wissen will. Was ist mit ihrem Bruder?

Mein Kopf pocht wieder. Immer noch.

Ich habe keine Zeit, mir Gedanken über Potter und Evans zu machen. Die Uhr tickt. Ich muss dieses Referat schreiben. Meine Leistungen in Zaubereigeschichte hängen davon ab – und das baut Druck auf. Ich hasse es, dass ich mich davon noch mehr stressen lasse. Ich hasse es, dass ich mich von diesem nervtötenden Gespenst dazu nötigen lasse, mein Bestehen von ihm abhängig zu machen und damit Vaters Ansehen zu riskieren. Als ob ich ein um Aufmerksamkeit heischendes Baby bin.

Und außerdem fängt das Mannschaftstraining an. Ich muss mich darauf konzentrieren. Ich muss fliegen. Ich muss vor allen Dingen gut fliegen. Ich muss endlich wieder exzellent sein.

Druck.

Ich nehme meine Feder in die Hand und spüre, wie sie unkontrolliert in meiner Hand zittert. Sofort lasse ich sie sinken und schließe die Augen.

Unter Druck entstehen Diamanten, sagt man. Habe ich mal gehört.

Wenn das stimmt, muss ich im Dunkeln funkeln wie eine verdammte Schatzkammer in Gringotts.


So, da habt ihr euren Puzzleteile-Teil 😎
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