level 6: a line in the sand
"Und warum?", bekam sie die nächste gescheuert und auch dadurch entwich ihr Lächeln nicht, "warum nicht?"
"Weil wir auch Forderungen haben", murmelte sie hervor, ein wenig ihren Mund in alle Richtungen verziehend, um die Tüchtigkeit ihres Kiefers zu überprüfen.
Nun kam die erste Aussage von Thanatos, ohne einen damit verbundenen Schlag, der ihr galt. Sie war ein wenig verwundert, wie schnell er sich doch auf dies einließ, was sie wollte.
"Wir wollen etwas zu essen und Wasser."
"Und warum sollte ich?"
Seine Hände stemmte er in die Hüfte und musterte sie prüfend, ob dahinter nicht etwas mehr, als nur dieses Verlangen stand. Was seinen Plan in irgendeiner Hinsicht gefährden könnte.
"Für dein Geld."
Damit hatte sie den Nagel auf den Kopf getroffen, ihn aber auch ein wenig verbogen. Ein kleiner Schuss nach hinten.
"Hat er angerufen?"
Langsam schüttelte sie den Kopf und mit der Hand zogen sich auch mittels Fingernägel, neben die von gestern noch vorhandenen Kratzer, neue.
"Willst du euch beide umbringen?", knurrte er ihr entgegen und zeigte deutlich, wie viel Wut doch in ihm war. Dies alles bekam sie zu spüren.
"Ich will nur wissen, dass du uns nicht umbringst."
Sein Lachen hallte im Raum, während er mit seinen Fingern ein grässliches Knacken nachsetzte. Und sich vor sie stellte.
Seine Hände waren neben ihr an den Kanten der Sitzfläche geklammert und er in der Hocke nun vor ihr.
"Dir scheint es wohl zu gefallen, zu bluten."
Seine glitzernden Augen durchbohrten sie, tief und Gänsehaut aufsträubend und nun hob sie leicht den Kopf, um ihm ein Lächeln zu schenken.
"Jeder hat schräge Hobbies", schmunzelte sie und war selbst ein wenig überrascht, welch schnippische Worte doch noch über ihre Lippen kamen.
Leicht wütend, sein Dauerzustand war kaum anders, bekam sie nun den letzten Schlag des Tages, in das Gesicht und kippte von der Kraft dieser Handbewegung samt Stuhl, auf dem man sie festgebunden hat, um.
Wie nicht anders erwartet, schnitt er die Fesseln durch und zog sie an den Haaren auf die Füße, obwohl sie kaum stehen konnte.
Alles drehte sich um sie herum, der Schwindel war kaum erträglich und sie nahm nur verzerrt wahr, als sie wieder in der Zelle saß. Den kleinen 5 Quadratmetern.
"Ruf verdammt nochmal deine Freunde an, wenn sie leben soll."
Es war das letzte was sie hörte, bis sie bewusstlos am Boden zusammenbrach. Wie durch Wolken in ihren Gedanken fiel und sie Bilder sah, die sie nicht wollte.
Sie wusste nicht mehr, ob es der dritte oder vierte Tag war, den sie hier verbrachten. Die vielen Schläge auf den Kopf haben ihr einen kleinen Filmriss verpasst und das kleine Fenster war auch keine wirkliche Hilfe, dies herauszufinden, Tag und Nacht zu unterscheiden.
Nun standen sie beide da, Hand in Hand an die Wand gestellt. Thanatos in seiner vollen Größe rannte immer wieder vor ihnen auf und ab, während sein Zeigefinger erneut über den Lauf fuhr, wie schon die hunderten Male zuvor.
Er hielt eine große Ansprache von allem, was ihm in den Sinn kam um es noch weiter hinauszuzögern. Das offensichtliche, wie er es nannte. Sie hat es zu den Optionen, die niemals in Frage kommen gestellt. Doch jetzt wurde ihr ganz ganz anders.
Sie hätte es verhindern können. Der eine Anruf. Es war doch vor der Hand. So einfach. Doch etwas sagte ihr, dass sie schon früher hier gestanden wären. Haben sich dabei noch ein paar Tage Leben herausgehandelt.
"Dann ist es wohl soweit", verriet das leise Klacken das Laden der Waffe, die er nun, nach einigen Schritten auf sie beide zu, Delson an die Stirn drückte.
Dieser nur fest seine Augen zusammenkniff, um es nicht zu sehen. In Gedanken bei seiner Familie. Beim Lachen seiner Frau, dem Unsinn seiner Kinder. Dem Familienfoto, welches seit letztem Jahr an der Wand hing, im Flur. Sie waren so glücklich.
Sie stand nur da und starrte darauf. Wartete, bis er abdrückte und damit ein Leben auslöschte.
Sie hat versagt.
Mit einem Schrei wurde Lucy wach. Der Raum war dunkel und wurde nur von dem Mond ein wenig erhellt, der draußen schien. Ihr Atem war völlig außer Kontrolle und ihre Adern pochten nur so vor sich hin.
Langsam richtete sie sich auf und sah um sich. Spürte in ihrer Jacke etwas, was vorhin noch nicht dort eingesteckt gewesen war. Vorsichtig zog sie nun ein Smartphone hervor, welches Thanatos ihr zugesteckt haben müsste.
War es die einzige Möglichkeit, hier rauszukommen?
"Gib mir das iPhone", hielt Brad ihr auffordernd eine Hand entgegen, doch sie wich nur zurück. Ihr Traum hatte sich mehr als nur ein wenig real angefühlt und es würde sich nichts bringen. Sie hatte das schlechte Gefühl, diese Realität war in Stein gemeißelt. Sie dazu verdammt zu versagen und seine Familie zu enttäuschen, die sie darum gebeten haben, auf ihren Vater und Ehemann aufzupassen.
Beim ersten Schluchzen, welches von den Wänden abprallte, riss sie sich selbst damit aus den Gedanken und strich hastig die Tränen weg.
"Bitte schieb' es ein", hielt sie es ihm entgegen, "nimm' es, wenn du es brauchst."
Ganz verdutzt starrte er zuerst auf das Smartphone und dann auf sie. In ihr leicht von Tränen überströmtes Gesicht und den glitzernden Augen. Seine Hand sich langsam auf das eckige Schwarz zubewegte und nun in seine Hand nahm.
"Wenn ich es brauche?", kam es nun hervor und erinnerte sich an die wenigen Stunden zuvor, als Thanatos ihm Worte zugerufen hat, die ihn nur so erschaudern haben lassen, "er hat mir gedroht, dass er dich foltert. Das kann ich nicht zulassen."
Etwas Licht drang durch das Display des entsperrten iPhones in den Raum und erleuchtete das Gesicht von Brad. Die Stirn in Falten.
"Doch, das kannst du", hauchte sie hervor, als wäre ihre Selbstsicherheit draußen auf dem Flur verloren gegangen und sie nicht mehr mächtig, eine neue aufzubauen. Und dennoch klangen ihre Worte so klar und so einfach, als wären sie das gewöhnlichste der Welt, einem Menschen Schmerz zuzufügen, um die andere Person dadurch in Bedrängnis zu bringen.
"Was?", sah er auf und schnaubte kurz amüsiert, worauf sein Lächeln fiel und sich seine sorgende Miene wieder auf das Gesicht malte, "entschuldige, wenn ich nicht zusehen kann, wie du jedes Mal wieder im Türrahmen zusammenbrichst", deutete er symbolisch auf die Tür, "vor Schmerzen weinst. Du bist mehr als die Hälfte jünger als ich und ich kann meinen Vaterinstinkt einfach nicht abstellen", entkam ihm ein kurzes Seufzen und er tippte mit seinem Zeigefinger auf dem Display herum, "also werde ich jetzt anrufen."
"Nein!", rief Lucy energisch und stürzte sich auf Brad, der nur erschrocken aufsprang, "das machst du nicht!"
"Jetzt hör' auf!", kam es ebenfalls so aufgebracht wie von ihr und er streifte mit dem Smartphone, welches er in die Höhe hob, schon an der Zimmerdecke und konnte es somit von ihren Händen, die immer wieder danach griffen, retten, "ich kann das nicht mehr mitansehen!"
"Nein, nein", klammerte sie sich an sein Shirt, schaffte es aber nicht sich auf ihren Füßen zu halten und sackte langsam zu Boden. Sie wollte es nicht. Es war zu schlimm, das darauffolgende, um es einfach nur in Gedanken zu haben. Sie verkraftete es nicht, mit dieser Zukunft zu leben. Er dürfte es einfach nicht tun, doch ihre Gedankenbilder zwangen sie vor seelischem Schmerz in die Knie.
"Nein nein nein", hauchte sie hervor, ihr Gesicht in die Hände gelegt und mit dem Rücken an der Wand lehnend. Leise begann sie zu weinen und versank in ihren Gedanken, um ihr eigenes Weinen nicht zu hören.
Brad senkte nun seine Hand und steckte das Smartphone gesperrt in seine Hosentasche. Sein Blick löste sich keineswegs von Lucy, die mehr darunter litt, als ihm bewusst war, während er neben ihr in die Hocke ging. Nicht wirklich wusste, was er unternehmen musste, um ihr Schluchzen zu unterbinden, worauf er einfach nur einen Arm um ihre Schultern legte.
Wie auf ein Stichwort hob sie ihren Kopf aus den Händen und begrub ihn in seinem Shirt, welche Geste ihr Weinen noch mehr verstärkte.
Er hatte keine Ahnung, was er nun mit dem gewollten Anruf ausgelöst hat, doch es müsste mehr sein, als er wusste. Was sie ihm auch nicht sagen wird, wie er sich denken konnte. War sie doch ihm ähnlicher, als ihm am Vormittag bewusst gewesen war.
"Alles wird gut", strich er ihr aufmunternd über den Rücken und versuchte sie damit zu beruhigen, doch kamen nur alle angestauten Gefühlseindrücke aus ihr hervor, die es wohl schon lange loszulassen galt.
"Es wird nichts gut", hob sie nun ihren Kopf und schniefte kurz, "nichts wird gut, Brad. Wir sind hier eingesperrt und ich habe versagt. Ich habe Elisa doch versprochen, dich sicher nachhause zu bringen. Ich kann doch nicht mal auf mich aufpassen. Wie soll ich dann schaffen, dass dir nichts", brach ihre vorhin schon zitternde Stimme nun endgültig und zwang sie zum Verstummen.
"Das machst du jeden Tag", hauchte er nun hervor, nach den wenigen Schweigesekunden und versuchte ihr mit dem tiefen Blick die Stärke wieder zurückzugeben, die bei ihr augenscheinlich verloren war, "jede einzelne Minute läufst du für mich ins Messer, nimmst Kratzer auf dich, nur um mich zu beschützen. Für mich hast du nicht versagt. Niemals."
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