level 14: the messenger
Er stand nur da. Hatte in einer Hand seine Gitarre am Griffbrett umklammert, die er vor wenigen Minuten erklingen hat lassen und blendete die Menschen aus, die sich von dem Grab entfernten. Die ganzen Gespräche von gelogenen Beileidsbekennungen. Traschtanten über alte Kleider lästernd, während er nur Bilder im Kopf hatte.
Love keeps us kind.
Diese Worte waren hineingeritzt in den grauen Grabstein. Unter ihren Namen und dem Geburts- und Sterbedatum. Sie war nur 26 Jahre alt geworden. Wieder ein Punkt, der Brad schwer traf und ihm vorhielt, falsch gehandelt zu haben. Seinen nicht geglaubt vorhandenen Dämonen Futter für seine Schuldgefühle gab.
Chester und Mike standen nur wenige Meter hinter ihm und sahen Brad wie in den letzten Tagen nicht anders. Er war am Boden zerstört und nichts schaffte es, in Delson vorzudringen. Ihn zu erreichen.
Niemand wusste, was Brad und Lucy über sich ergehen haben lassen müssen, während der Gefangennahme.
Brad wird auch kaum darüber sprechen, bevor nicht ein paar Jahre seinen Schmerz besiegelt haben. Vielleicht war es auch besser so, wenn niemand erfuhr, was in dem Keller dort unten von sich gegangen war. Alleine die Leiche von Lucy hat erschreckend ausgesehen.
Chester sah Brad noch vor ihm, wie er, nicht mehr als ein kleines Häufchen Elend vor seinem Haus in Arizona gestanden war. Den Gitarrenkoffer in der Hand und mit der stillen Bitte, ein Lied für die Beerdigung von Lucy einzustudieren. Ihre Wahl war auf Hallelujah gefallen, laut Brad hatte es mehr Bedeutung als man glauben möge. Doch die Bedeutung dahinter war nicht über seine Lippen gekommen.
Wie schwer war es Bennington dann doch schlussendlich vor den vielen Leuten gefallen, dieses Lied zu singen, ohne dabei selbst in Tränen auszubrechen. Als hätte Brad ihm etwas von seinem Leid abgegeben.
Doch nicht einmal dazu war Brad mächtig.
Dieser drehte sich zu Mike und Chester, bevor er mit einem Seufzen von sich gab, dass er ins Studio gehen würde. Er bräuchte seine Ruhe.
Mit beider Nicken verschwand er nun auf die Straßen von Los Angeles. Sie war auf dem Westwood Village Memorial Park begraben worden. Unter einem alten Ahornbaum. Die Grabstätte war in der Nähe der UCLA, wo sie, sowie auch er die Collegezeit abgewickelt hat. Und dieser Friedhof, was ihm nun schmerzlich bewusst wurde, war nicht weit weg vom Studio. Versetzte ihm damit einen erneuten Stich in sein Herz.
Der kalte Wind streifte um seine Wangen, auf denen noch glitzernde Schlieren von den einzelnen Tränen zurückgeblieben waren. Mit einem Seufzen versuchte er wieder an innerer Ruhe zu gewinnen, doch kochte seine Wut gegenüber ihm selbst, noch nie in dieser Brutalität vorhanden gewesen, noch ein wenig mehr auf. Er würde am liebsten seine Gitarre gegen die nächste Wand werfen, doch dann würde wieder sein Schuldgefühl in ihm hochkommen, wieder etwas zerstört zu haben. Er sah in allem, was passierte seine Schuld. Etwas, was er nicht abstellen konnte.
Als er nun in den Räumlichkeiten stand, welches fast ein zweites Zuhause für ihn war, legte er die Gitarre auf das Sofa und warf seine Jacke gleich daneben. Er haste Anzüge über alles. Verband er sie meistens mit schlechten Ereignissen, da er immer den gleichen bei Beerdigungen trug.
Brad wanderte weiter in das eigentliche Studio und rannte dort den Raum auf und ab. Huschte sanft über den Teppichboden und legte die Stirn in Falten. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt.
Er hat kaum mehr geschlafen in den letzten Tage, da er immer wieder von Albträumen gefoltert wurde. Sich jedes Mal detailgetreu die Flucht in seinem Kopf abspielte. Die er nicht mehr sehen wollte.
Doch er wusste sie nicht auszusperren, seine Gedanken. Es war unmöglich. Obwohl er nichts lieber haben würde, als einen Gedächtnisverlust der vier Tage, die er in diesem Keller verbracht hatte.
Und schon wieder dachte er nur daran.
Als hätte er keine anderen Sorgen.
Hatte er auch nicht.
Nichts als Schuldgefühle, falsch gehandelt zu haben. In seinem blinden Hochmut, als könnte ihm nichts und niemand, nur mit einem Brief etwas anhaben.
Verzweifelnd raufte er sich die Haare und schluchzte. Er konnte kaum mehr Tränen vergießen, da in den letzten Tagen schon so viele gefallen waren, dass er keine mehr besaß. Er war verwundert, wie er es geschafft hatte, am Grab noch ein wenig zu weinen. Doch es war die berührende Grabrede ihres Ehemanns Kanan gewesen, der Oberkommandant bei der Army war.
Er würde sie immer mit ihrem Lächeln und den strahlenden Augen in Erinnerung behalten. Und stets an sie denken, wenn er mit Stolz ihre Marke nun tragen werde.
Obwohl der junge Mann krampfhaft versucht hatte, stark zu bleiben, war dieser Satz nicht ohne ein Schluchzen über seine Lippen gekommen. Spätestens beim Hallelujah hat er geweint.
Sie hatte keine Kinder. Dies wäre die Krönung für das Loch gewesen, in welches Brad immer tiefer zu fallen scheint. Dann hätte er sich selbst nicht mehr verziehen.
Doch er sollte sich auch jetzt nicht selbst verzeihen. Es war dennoch ein Menschenleben verloren, wegen ihm. Seiner Leichtgläubigkeit.
Mit einem Schrei schlug er mit bloßer Faust an eines der Regale, die sich meterweit an der Wand mit Trommeln allerlei erstreckten. Brad war nur immer wieder davor auf und abgewandelt. Sich immer wieder die Haare raufend.
Warum konnten sie nicht einfach fliehen. Warum hätte er nicht einfach anrufen können, das Lösegeld fordern.
Doch wären sie dann mit dem Leben davon gekommen?
Vielleicht war es so bestimmt gewesen, dass Lucy ihr Leben geben musste, um seines zu retten. Sie war sein Schutzengel, sie hat ihre sieben Leben verspielt, aber war es das alles wert gewesen. Hat er ihre Selbstlosigkeit verdient, dafür leben zu dürfen. Schätzte er sie überhaupt. Schätzte er das Leben. Sah er es nicht oft als zu selbstverständlich.
"Brad", hauchte eine zarte Stimme hinter seinem Rücken, worauf er sich abrupt umdrehte und den Atem anhielt. Er hat sich doch nicht etwa verhört. Diese glasklare, klirrende Stimme eingebildet, um sich damit auch noch als verrückt abstempeln zu können.
Im nächsten Moment krachte hinter seinem Rücken, streifte an seinen Haaren, eine der Snaredrums zu Boden, bevor sie dort in mehrere Einzelteile zersprang. Er wirbelte herum und blickte auf das Trümmermeer aus Metall und zerrissenem Fellmaterial vor seinen Füßen. Langsam sah Brad nach oben und stellte fest, dass sie aus dem obersten Regal gefallen war. Und wäre er noch den einen Schritt gegangen, hätte er das zeitliche gesegnet.
Sein Augen flogen über seine Schulter, als ein sanftes Kichern in seinen Ohren nachhallte, welches ihm Bilder in Blitzesschnelle in den Kopf jagten. Es klang genau gleich, als Lucy damals von der Tatsache gesprochen hat, dass er sich niemals seine Hände abhacken würde. Er würde seine Arbeit verlieren.
Er spürte wie ihm seine Gesichtsfarbe augenblicklich entfloh und durchsuchte den Raum mit seinen Augen nach irgendeiner Gestalt, die wohl Ähnlichkeit mit der Soldatin haben möge. Doch es blieb nur bei einem hellen Umriss, am Ende des Raumes, vor dem Schlagzeug stehend, der dort mit Flügel wie in die Luft gezeichnet wirkte. Erneut ein Kichern von sich gab und auch das Reiben der Augen Brads diese Erscheinung nicht vertrieb.
"Ich bin immer da Brad", hallte es leicht im Raum und scheint ihn so etwas wie mit neuem Leben zu erfüllen, "ich bin immer da."
Er wusste nicht warum, aber er rannte ins Freie. Fühlte sich verfolgt und zum ersten Mal nach dem Tod von Lucy hat sich eine stille Leere in seinem Kopf ausgebreitet. Er stürmte an mehreren Menschen vorbei, bis er wieder auf dem Rasen des Friedhofs stand und nun wie entgeistert auf den Grabstein starrte.
Dort saß sie. Mit hellen Umrissen, so sanft und zerbrechlich, saß sie auf ihrem Grabstein und hatte die Beine überkreuzt. Die Hände vor der Brust verschränkt, während ihre Augen blau schimmerten. Erneut rieb er sich seine Augen, da er ein wenig seinem Schlafmangel die Schuld gab, doch in ihm wusste er, dass es wahr war.
"Ich passe immer auf dich auf, auf Elisa und die Kinder", kicherte sie erneut und lächelte ihr weitestes Lächeln, bevor sie aufstand und wenige Schritte auf ihn zuging. Er nur darauf wartete, dass sie noch etwas von sich gab. Etwas, was endlich diesen Schmerz in ihm erlöschen ließ.
"Egal was passiert, ich werde immer dein Schutzengel sein."
When life, leaves us blind.
Love, keeps us kind. It keeps us kind.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top