level 13: the little things give you away

Brad fuhr herum. Er hörte nur den Schrei von Lucy, der den kalten Nachmittag erfüllte. Das Smartphone glitt aus seiner Hand und er starrte immer noch auf sie.

Eigentlich hatte sie eine Kugel erwartet. Präzise in ihr Herz. Doch es war bei einem Messerstich geblieben, auf Herzhöhe. Seine lodernden Augen brannte sich in ihren Kopf, ehe sie spürte, wie mit dem Verschwinden der scharfen Klinge aus seinem Körper, auch ihre Kraft zu stehen schwand.

Sie fiel rücklinks in das Gras und spürte ihre Haare, die ihr um die Wangen streiften. Schmerzimpulse ließen sie ihre Muskeln immer wieder krampfhaft verspannen und es war noch ein Schuss zu hören. Welches Déjà-vu, sich hier doch abspielte. Sie das Blut fließen spürte. 

Nun war es soweit. Sie hat versagt. Es haben sieben Leben nicht gereicht, um ihm am Leben zu halten. Ihre Aufgabe zu erfüllen.

Tränen strömten nun über ihre Wangen und verschleierten ihre Sicht in den Himmel. Sie brachte kaum Kraft auf, den Kopf zu drehen, weder noch eine Hand zu heben. Alles, jeder noch so kleine Gedanke einer Bewegung schmerzte im Vorhinein.

"Lucy", warf Brad sich neben sie in das Gras und ließ seine Augen mehrmals über ihren Körper schweifen. Der Schock war ihm anzusehen. Er war blasser, als er es je in seinem Leben werden konnte und hatte seine Augen immer noch weit aufgerissen.

Er hat eine Person getötet.
Das erste Mal in seinem Leben und er haste sich dafür, obwohl derjenige es verdient hat. 
In seinem Kopf brachte er sich dazu, es als Notwehr zu betiteln, was ihm nicht wirklich gelang.

Delson wusste nicht, was über ihn gekommen war, als er aus dem Gras die Waffe gehoben hat und ein Schuss reichte, um Thanatos zu Fall zu bringen. 

War es seine Verzweiflung, in der er gehandelt hat.

"Brad", hauchte sie hervor und griff nach seiner Hand, als würde sie dadurch seine Unversehrtheit spüren, obwohl sie es kaum schaffte und er nun nach ihrer griff, "bist du okay?"

"Alles gut", strich er ihr eine Strähne aus der Stirn und sie schloss kurz ihre Augen, vor Schmerzen die Zähne zusammenbiss, "halte durch Lucy."

Doch sie lachte nur. Aus dem tiefsten ihres Herzens lachte sie, wohl sie sich immer tauber fühlte. Von dem vielen Adrenalin, welches ihre Sinne und ihren ganzen Körper überschüttete. Für sie gab es kein Durchhalten mehr, da es ohnehin schon zu spät war. Sie hatte keine Leben mehr, das sprach für sich. Ihr blieb das erneute Auferstehen verweigert, was sie mit leichtem Bedauern feststellen musste.

Aber jetzt sah sie es. Ihre Aufgabe die ihr immer vorgehalten wurde. Ein guter Schutzengel zu sein.
Sie hat diesen Satz nie wirklich verstanden, was es hieß ein treuer Beschützer zu sein.

Doch sie glaubte nun zu wissen, wenn man sein Leben für seinen Schützling riskierte, damit dieses Leben rettete und seines gab, war die Aufgabe wohl erfüllt. Wie ein Soldat. Was sie immer in ihrem Leben sein wollte.

"Für mich gibt es keine Rettung mehr", seufzte sie sanft und versuchte wenigstens noch ein paar Momente Brad zu schenken, der sichtlich unter seinen Schuldgefühlen litt. Obwohl er keine Schuld daran trug, wie es nun stand. Sie hat für sich alleine entschlossen.

"Du wirst hier nicht sterben", hauchte er und festigte den Griff um ihre Hand ein wenig, um damit seinen Ernst der gesagten Worte widerspiegeln zu können.

"Ich werde sterben", lächelte sie stets und wollte mit diesem Lächeln in seinem Gedächtnis herhalten bleiben. Obwohl es dennoch für ihn schmerzte, sie nun so zu sehen.

"Kannst du wenigstens für mich sagen, dass du nicht stirbst?", schluchzte er kurz und versuchte wieder Stärke zu fassen, was ihm aber kaum gelang.

"Vergiss bitte nie", hoffte sie mit ihren Worten Brad ein wenig die Hoffnung wiederzugeben, die er ihr, auch wenn sie ihm kaum bewusst war, an jedem dieser verdammten Tage, in denen sie dort eingeschlossen waren, gegeben hat. Sie immer wieder dazu motiviert, nicht aufzugeben und weiterzumachen.

"Ich bin immer bei dir. Ich bin dein Schutzengel."

"Danke für alles Lucy", überströmten Tränen seine Wangen und nun konnte er sein Schluchzen nicht unterdrücken.

Wie sie vor ihm lag, übersät mit Kratzern im Gesicht, die von der Aktion mit dem Fenster zurückgeblieben waren. Mit Blut überströmt, wie die Tage zuvor immer gewesen.

Wie mit dem letzten Atemzug ihr das Leben ausgehaucht wurde und in der Luft verpuffte. Mit dem Wind mitsegelte.

Ihre Haut verlor an Glanz, wie auch das Schimmern ihrer Haare war verschwunden. Aber dennoch stand ein Lächeln auf ihren Lippen, welches sich in seinen Verstand prägte.

Ihm noch mehr Schmerzen zufügte.

Sie hatte ihr Leben für seines gegeben. Eine Geste, die er ihr nie vergessen wird. Doch die Realität, sie war wie ein Hammer, der auf seinen Verstand einschlug, fachte seine Schuldgefühle an.

Hätte er den Brief von Anfang an ernst genommen. Hätte er gleich mit der Polizei geredet. Hätte er es nicht verheimlicht.

Alles Dinge, die er vielleicht etwas ernster hätte nehmen sollen. Doch das hätte brachte ihm nun auch nichts mehr. Keine lebendige Lucy.

Er kniete neben ihr, die Hand bereits in beide genommen und bitter weinend. Jede noch so einzelne Träne, die in ihm war, tropfte auf den leblosen Körper.

Nun war es der Moment, in dem er versagt hat. Auch wenn sie noch sein Schutzengel gewesen war, niemand könnte ihm je Ausreden, nicht auf Messers Schneide gewandert zu sein.

Sirenenklänge rissen ihn aus seinem Kopf. Doch er sah nicht auf. Es war zu schmerzhaft sie nun einfach loszulassen.

Autotüren wurden geöffnet, zugeworfen. Schwedisch erklang, mehrere Geräusche hier und da. Doch Brad ertrank nur in seinem Schmerz, schottete sich ab von der realen Welt und wollte flüchten in eine andere. In der er seine Fehler nicht noch einmal machen und das Geschehene zurück spulen konnte.

"Alles in Ordnung Brad?", legte jemand sanft eine Hand auf seine Schulter und Delson sah auf. In das sorgende Gesicht von Chester, der jedem Bild, welches er sich selbst von der jungen Frau machen konnte, offensichtlich aus dem Weg ging. Mike stand auf der anderen Seite und starrte paralysiert auf sie herab.
Er hat sich dies nicht erwartet.
Konnte nicht glauben, dass es so schlimm gestanden war.

Brad war still und sagte nichts mehr. Seine Stimmbänder waren wie zugeschnürt. Durchtrennt, damit er den schmerzenden Schrei nicht loslassen konnte, der in ihm aufgestaut war.

Mike ließ sich neben ihn an die Kante des Krankenwagens nieder, der hinten geöffnet war, wo sich beide nun befanden. Brad in eine Decke gehüllt und hatte immer noch etwas Arbeit an dem Müsliriegel, den er nicht einmal zur Hälfte gegessen hatte. Sein Blick war viel zu oft über die vielen Polizisten geschweift, die ihm von Lucy gezerrt haben. Nun wie Irre umher rannten und nicht wirklich wussten, was sie tun sollte. Oder es war alles organisiert, wie es hier war. Er wusste es nicht.

"Wie geht's dir?", fragte Shinoda zurückhaltend und bekam nur ein Schulterzucken von Brad, der immer noch keine Worte aufbrachte. Er wusste doch selbst nicht, welche Gefühle er spürte. Wie es ihm ging.
Es war alles so leer in ihm. Und dunkel. Kalt und finster.

Mike wusste beim besten Willen nicht, was er tun musste, um Brad wieder zum Reden zu bringen. Der Schock saß tief im Gitarristen und war verständlich für Mike. Doch er konnte sich nicht vorstellen, wie Brad sich fühlen müsste.

Aber dennoch konnte Shinoda sich nicht halten, seine Gedanken auszusprechen. Aus längst vergangenen Zeiten, in denen er Lucy das erste Mal getroffen hat. Vielleicht würde dies Delson ein wenig Trost spenden. Auf anderen Wegen.

"Heute kommt Miri", war Mike kaum mit beiden Füßen im Haus gestanden, da hat seine bezaubernde Frau ihn überfallen, "und Lucy."

Mike brauchte ein paar Sekunden um die beiden Namen in seinem Kopf zuordnen zu können. Bis sein Hirn die Information für ihn bereitstellte, dass Miri die beste Freundin von Anna aus Collegezeiten und Lucy die Tochter von Miri war. Sie kamen immer wieder mal zu Besuch, meistens da, wenn Mike im Studio war. Also hat er sie noch nicht wirklich kennengelernt.

Das Klingeln der vor kurzem noch zugeworfenen Tür ließ Mike zusammenzucken und schnell aus den Schuhen schlüpfen, während Anna die Tür öffnete.

Sofort begann die begeisterte Begrüßung der Frauen und Mike wurde unverzüglich vorgestellt. Im Nachhinein bereute er es nicht, immer im Studio gewesen zu sein.
Er sah nun Anna wie einen Teenie vor ihm stehen, aber keinesfalls als preisgekrönte Schriftstellerin.

"Interessierst du dich für Musik?", fragte Mike an die hellbraune junge Frau, er schätzte sie nicht einmal auf 17 Jahre, als Anna und Miri wegen einer neuen Buchidee von Shinodas Seite losgestürmt waren.

Knapp und etwas zurückhaltend nickte sie und folgte Mike stumm in sein Heimstudio, während er etwas Leben in das stille Gespräch bringen wollte.

"Gehst du auf's College?"

"UCLA", kam es knapp von ihr und sie seufzte kurz, sich selbst ermahnend, ein wenig mehr zu verraten, da ihr gegenüber schließlich an ihrem teilweise schlechten Leben nicht schuld trug, "ich studiere dort Sozialwissenschaften. Schon das dritte Semester."

"Klingt spannend", deutete ihr Mike sich auf dem Sofa niederzulassen, was sie nickend verrichtete und er sich auf seinem Drehstuhl niederließ, "irgendwelche Gründe dafür?"

"Da es ja auch um die Verhandlungsmuster von Menschen geht, wird es mir sehr nützlich sein. Ich will wie Dad Soldatin werden."

"Das klingt sehr mutig von dir", nickte Mike zustimmend, doch erkannte auch den leicht niedergeschlagenen Blick von ihr, "bist du nicht begeistert?"

"Doch doch ich", seufzte sie und vergrub ihr Gesicht in den Händen, bevor sie aufsah und sich räusperte, "nicht so wichtig."

"Doch, ist es", kam es kräftig von Shinoda, "denn alles was du zurückhältst, bringt dich um. Glaub mir", deutete er auf sich selbst und und hatte noch ein paar Worte anzuhängen.
"Außerdem bin ich eine neutrale Person und mir kannst du alles sagen. Bleibt unter Verschluss."

Sie lächelte kurz und begann nun Mike von ihrer Lage zu erzählen. Auf wie viel Hass ihre Idee, sich der Army zu verpflichten traf. Wie viel Spott sie deswegen einheimste und es einfach nicht verstand, warum die Menschen es nicht hinnehmen konnten, wie ihre Entscheidung war. Er hörte aufmerksam zu und nickte zwischendrin immer wieder kurz, um ihr zu zeigen, dass er noch zuhörte und mit der Erzählung mitkam.

"Weißt du Lucy", versuchte er seine Worte mit Bedacht zu wählen, was ihm ihre vollste Aufmerksamkeit brachte, "mir ist es auch nicht anders ergangen. Ich habe an der Pasadena Grafikdesign studiert und hatte jede Woche eine andere Haarfarbe. Ich wollte immer Musiker werden und die Leuten haben mich nur ausgelacht. Ich hab mich nicht unterkriegen lassen und das solltest du auch nicht."

Er griff nach hinten, zu seinem Schreibtisch und zog eine CD hervor, die er ihr nun entgegen streckte.

"Vielleicht hilft dir die."

Mit einem Zwinkern hatte sie nun eine CD Hülle in Händen. Darauf sechs Männer abgebildet. Und in roter Schrift LINKIN PARK Greatest Hits geschrieben.

"Könnte nicht ganz dein Stil sein und ist die russische Ausgabe, natürlich alles englisch, aber vielleicht wird dadurch das Leben ein wenig erträglicher."

"Danke Mike", schimmerten ihre Augen so blau wie noch nie zuvor und ein Lächeln stand auf ihren Lippen, "ich werde es versuchen."

"Es war eine Woche später", strich er sich die Tränen von den Wangen, "da sind Miri und Lucy wieder zu Besuch gewesen. Wir haben ihr das Leben erleichtert und ihr neuen Mut gegeben damals, um zu ihren Idealen zu stehen. Und sie hat geschwärmt", sah er zu Brad, der nur zugehört hatte, "von deinen Gitarrensolos."

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