level 1: welcome

"Wie können sie mir das nur antun", rannte Brad erneut sein Zimmer auf und ab, während eine stille Seele ihm nur mit halber Interesse zuhörte und mit den petrolblauen Augen über die Kante des Buches lugte, in welches sie nun die letzte halbe Stunde, in der der Lockenkopf sich immer und immer wieder beschwert hat, ihre Nase gesteckt hatte. Weswegen es ihm auch immer so störte, was seine Freunde unternommen haben.
In ihrer berechtigten Sorge.

"Bist du fertig?"
Ihr leichtes Lächeln und die Tatsache, dass ihr Buch nun zugeklappt auf ihre Oberschenkel gewandert war, ließ sie einmal stark hoffen, dass er endlich keine Worte mehr hatte, um seine Lage zu beschreiben.

"Was mischt du dich jetzt in meine Probleme ein?", fuhr er die braunhaarige an, wie er es am restlichen Tage schon nicht anders gemacht hat und der Ehemann von ihrer Mutters Freundin ihr versicherte, dass es nicht an ihr sondern an seinen Schmerzen lag. Die blauen und pinken Strips an den Unterarmen und Handgelenken, sowie dem Handrücken machte dies deutlich.

"Jetzt beruhige dich", seufzte sie und machte einen Griff zur Seite, um nun eine kleine Kartonschachtel in der Hand zu halten und es ihm entgegenzustrecken, "die halbe Stunde ist um."

"Ich hacke mir gleich meine Hände ab", warf er sie in die Luft und wollte die Finger im Nacken verschränken, was er nur mit einem schmerzenden Knurren unterließ und die Arme vor der Brust wieder verschränkte. Wie die unzähligen Minuten zuvor, was augenscheinlich die Position war, die erträglich war. Doch dieser Grad des Schmerzes war auch nur relativ.

Der Arzt, er war vor guten drei Stunden dagewesen, hat ihm eigentlich Schlaf und viel Ruhe verordnen, wenig Bewegung der Ärme. Doch Brad schaffte nichts anderes, als sich vom Leben verraten zu fühlen. Wie wieder einmal alles zusammen kam und es ihm wie immer nicht in die Situation passte. Wie er sich wünschen würde, eine Version von sich selbst vor sich stehen zu haben, nicht nur das Spiegelbild, welcher er ordentlich mal die Meinung sagen konnte. So ließ er seinen Frust bei ihr aus, was sie aber nur kalt ließ.

"Dann verlierst du doch deine Arbeit", schüttelte sie raschelnd die Schmerztabletten in ihrer Hand zur Unterstreichung, die ihr nun grob aus den Fingern gerissen wurden und lächelte leicht.

"Bist du jetzt allwissend?", schnaubte er und war dabei eine Tablette zu schlucken, die wohl wieder nur eine gute Minute Linderung bringen wird. Er wusste es schon. Seine Überzeugung in den gepressten weißen ovalen Tabletten nicht groß war.

"Ich sehe nur die Tatsache", kicherte sie kurz und lächelte Delson entgegen, der ihr einen leeren Blick mit hochgezogener Augenbraue schenkte, in einem Stuhl lungernd, "jetzt leg' dich ein wenig hin und am Abend sind wir sowieso weg."

"Wir", knurrte er und sprang von seinem Stuhl auf, während er nach Stunden einmal Ruhe gefunden hatte, "ich will das alles nicht."

Sie verdrehte nur die Augen. Waren es doch die selben Worte, die er als zweites nach dem kurzen Vorstellen gesagt hatte. Heute am Vormittag. Nun saß sie aber dennoch da, stets ein wachsames Auge auf ihn und die Umgebung gerichtet, die Ohren gespitzt auf jeden noch so kleinen Laut, der verratend sein könnte.

"Jetzt ist es aber so", wanderte ihr Blick von ihm zum Fenster, an welches er während seiner Wanderung immer wieder gekommen war, worauf sie sich erhob, "und jetzt setz' dich."

Eine Hand klammerte sich an seine Schulter und wollte ihn die wenigen Zentimeter in den Ohrenstuhl drücken, während die Augen zu Schlitzen geformt auf den Stadtplatz visiert waren, zu dem sie aus dem Zimmer Delsons Aussicht hatten.

"Ich weiß was ich tun soll und was nicht", riss er sich los und schnappte die Jacke, worauf man ihm den verbissenen Schmerzesschrei ansah und er ihr nur gefährlich über die Schulter mit seinen dunklen Augen entgegenblitzte, "lass' mich einfach in Ruhe."

"Brad!", wurde ihr Ruf nach ihm im Türknall erstickt und sie zurückgelassen. Doch blieb sie nicht stehen, von seiner indirekten Drohung von ihrem Verstand dazu gezwungen, im Zimmer zu bleiben. Im Gegenteil.
Sie krallte sich ihre Jacke vom Stuhl, auf dem sie vorhin noch mehrere Stunden mit Lesen verbracht hatte und warf sie über den anthrazitfarbenen Pulli mit der weißer Schrift der Band auf dem Rücken, sowie eine Zeichnung, ihr wurde es als die Albumskunst von 2014 erklärt. Trug ihn eigentlich auch nur, um mehr zur Menge zu passen, dass sie nicht verräterisch sein würde.

In der grünen Militärjacke, hastete sie nun den Flur entlang. Brad war schon lange außer Sichtweite, was ihr etwas Angst bereitete. Sie hatte versprochen, auf ihn aufzupassen.

Die Jungs waren nicht hier. Haben sich entschlossen, den freien Tag in der Stadt zu verbringen, bevor sie am Abend wieder in den Flieger stiegen und zum nächsten Tourort flogen.
Das war es, was Brad auch so verärgerte. Er versauerte in seinem Hotelzimmer.

Nur sie war alleine mit Brad gewesen. Hat auf ihn aufgepasst und so nebenbei auch versucht, ihn etwas aufzumuntern. Doch dem Gitarristen war kaum lachen zumute.

Hatte sie doch gewusst, was passiert.

Sie wusste, was passieren wird, weder noch wo, wann und zu welchen Umständen. Und Brad machte ihr nun einen mächtigen Strich durch die Rechnung, es zu verhindern.

Mit einem Fuß stand sie nun vor dem Hotel in Schweden. Stockholm um genau zu sein. Blätter wurden über den Weg geweht und hinterließen ein sanftes Knirschen in der Luft. Die Temperaturen war eher kalt, als warm und der Himmel zugedeckt mit grauen dicken Wolken.

Doch dies alles war ihr egal. Mehr als alles andere. Sie musste Brad finden, der in seiner blinden Wut wohl auf den Stadtplatz zu stapfen wird.

Es war ein Fehler.

Und erneut beschlich sie die Angst und ihre Hände wurden eiskalt. Langsam wandelte der Schweiß an ihrer Wirbelsäule entlang, obwohl sie zitterte. Am ganzen Körper.

Sie bahnte sich nun den Weg durch die vielen Menschen, die sich auf dem gepflasterten Mittelpunkt der Stadt aufhielten. Muntere Gespräche führen. Immer wieder ihr einen verwirrten Blick schenkten, als sie ihre Hand an die Schulter einer der vielen unbekannten Personen krallte und sich durchzwängte. Immer wieder sich auf die Zehenspitzen stellte, doch nicht viel erkannte.

Es fühlte sich ein wenig aussichtslos an, da ihre Körpergröße es nicht wirklich zu ließ, einen Überblick zu behalten. Den Lockenkopf in der Menge zu sehen.

Sie blieb stehen und versuchte immer noch über die Köpfe hinweg zu sehen.

Stark nach Luft ringend, stemmte sie nun die Hände in die Hüfte und drehte ihren Kopf immer in eine andere Richtung.

Sie hat ihn verloren.

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