9. Dezember - Die lebende Menge

Einfach nur rein und die Tasche stehlen... Das sollte doch für mich kein Problem sein...

Arista ging mental noch einmal ihren Plan durch. Sie hatte einen mysteriösen und sehr gut bezahlten Auftrag angenommen und bewegte sich nun leise in den riesigen Krater in der Erde, der einer lokalen Legende zufolge einmal ein mächtiger Vulkan gewesen war.

Ihre Mission bestand darin, einen speziellen Opal zu stehlen. Laut den Informationen, den die Auftraggeber ihr mitgeteilt hatten, war dieser in Besitz einer zierlichen Frau in einem versteckten Dorf in Australien und wurde von ihr immer in einer roten Tasche aufbewahrt.

"Pass nur auf, dass dich niemand entdeckt. Die Leute da halten mehr zusammen, als man es für möglich halten würde.", hatten sie ihr noch erzählt, "Die Leute aus der Region haben Angst vor ihnen, nennen sie sogar 'Die Lebende Menge'."

Arista war dabei ein Schauer über den Rücken gefahren, aber sie hatte es ignoriert und einfach den Auftrag angenommen. Stehlen war für sie eine einfache Angelegenheit und sobald es die betroffene Person bemerkte, war es bisher immer bereits zu spät gewesen.

Langsam trat die junge Frau an den Rand des Kraters und blickte hinab auf das Tal, dessen rötliche Erde teilweise von hellgrünem Gras bedeckt war. Ganz in der Mitte befand sich eine kleine dörfliche Stadt, auf der mehrere Menschen auf- und abliefen.

Dann, auf geht's...

Arista schnallte ihren Rucksack fester, begann ihren Abstieg vorsichtig und glitt anmutig über den teilweise steinigen Erdboden. Es schien ihr, als verginge eine Ewigkeit, bis sie endlich am Rande des Dorfes ankam. Hätte sie schätzen müssen, hätte sie gesagt, dass die Stadt etwa 4000 Einwohner besaß. Doch das war schwer zu beantworten, denn es schienen viel zu viele Menschen auf der Straße herum zu laufen.

Also Touristen sind das auf jeden Fall nicht... Aber so viele Häuser gibt es hier auch wieder nicht...

Sobald sie in den Bereich eingetreten war, richteten sich alle Blicke auf sie. Erschrocken schaute sie umher und wusste nicht genau, wie sie reagieren sollte.

"Schönes Dorf, habt ihr hier. Ich hörte, ihr seid ein toller Ort zum Besuchen. Hoffentlich macht euch das nichts aus.", reif sie in die Runde und versuchte selbstsicher zu wirken.

Nach einiger Zeit schauten die Menschen wieder desinteressiert davon und liefen wieder ihrem Alltag nach. Arista atmete erleichtert auf und bewegte sich lautlos und zügig durch die Häuserreihen. Die Gebäude waren seltsamerweise alt und zerfallen und es schien eher eine Geisterstadt zu sein; wären da nicht so viele Leute auf der überfüllten Straße.

Die junge Frau schlüpfte unauffällig durch die Menge hindurch bis sie schließlich an ein kleines heruntergekommenes Haus gelangte, das auf die Beschreibungen ihrer Auftraggeber zutraf. Schnell huschte sie in eine kleine Nische an der Seite einer Gasse und beobachtete die Situation genau.

Sie konnte in das halbzerbrochene Haus hineinschauen und erkannte dort die rote Tasche, in der sich vermutlich der Opal befand. Arista blickte umher und musterte die Menge. Es schien sie niemand zu beachten, was sie zutiefst erleichterte, denn als alle Bewohner sie am Anfang angestarrt hatten, ist ihr ein sehr unangenehmes Gefühl im Bauch aufgestiegen.

Das ist meine Chance!

Zügig kletterte sie an einer Regenrinne hoch und sprang in genau dem Moment, in dem niemand hinschaute in das zerfetzte Haus. Sie landete auf dem Boden, rollte schnell ab und duckte sich, sodass sie niemand von außen sehen konnte. Dann kroch sie in Richtung der Tasche und öffnete diese eifrig.

Sofort stach ihr ein übernatürliches Glänzen entgegen. In dem Stoffbehälter befand sich ein handtellergroßer schwarzer Opal, der verschiedenste Farben auf seinem dunklen Hintergrund aufwies. Arista streckte behutsam ihre Hand aus und näherte ihre Finger dem Objekt. Je näher sie ihm kam, desto stärker wurde in ihr eine unerträgliche Unruhe, die sie erfüllte. Als sie nun den Stein in die Hand nahm, fühlte sie, als ob tausende von Gedanken, Gefühlen, Wünschen und Ängsten sie durchflossen.

Ihr ganzer Körper begann zu brennen und absolut konzentriert darauf, nicht loszuschreien, hob sie zitternd die Hand mit dem Stein und führte diese mit aller Kraft zu ihrem offenen Rucksack. Es waren lange Sekunden, die sich wie Jahre anfühlten. Doch schließlich gelang es der jungen Frau, den Stein in den Rucksack zu packen und sobald sie die Gemme losgelassen hatte, verschwanden alle Wünsche und Willen.

Schnell atmend versuchte Arista kurz zu verschnaufen, bevor sie aufbrechen würde. Nachdem sie genug Erholungszeit gehabt hatte, kroch sie wieder zu dem Ort, an dem sie hereingesprungen war und schaute sich um. Zum Glück hatte sie eine Stelle gewählt, die von der Straße schwer zu sehen war, was ihr das unbeobachtete Davonspringen erleichterte.

Sobald sie wieder leise auf die Seitengasse geklettert war, trat sie wieder auf die Straße und lief erzwungen entspannt wieder auf den Ausgang des Dorfes zu. Es schien alles gut zu gehen.

Puh, aber jetzt nichts wie weg hier. Hier in der Menge müsste ich eigentlich sicher sein. Selbst wenn die Besitzerin bemerkt, dass der Stein fehlt, wird es ein wenig dauern, bis sie mich unter den vielen Leuten erkennen...

Arista schaute nervös einmal über die Schulter und erkannte eine alte Frau, die in genau das Haus hineinlief, in dem zuvor noch der Stein gewesen war.

Oh je, dachte die Diebin und begann unbewusst schneller zu laufen.

Eine gefühlte Ewigkeit lang schien nichts zu passieren und Arista war bereits fast am Ende des Dorfes angelangt, als plötzlich alles auf einmal passierte.

Ein entsetzter Schrei durchriss die Luft, als hätte etwas seinen größten Schatz verloren und gleichzeitig schien die ganze Umgebung zu verdunkeln und alle Menschen um Arista herum wurden zu Silhouettenfiguren mit roten Augen. Doch das schlimmste von allem war, dass sie alle auf die Frau starrten; Ausnahmslos.

Und kurz darauf stürmten sie alle gleichzeitig von allen Seiten auf die Diebin zu.

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Was glaubt ihr, ist dieser Stein?

Und die lebende Menge?

Heov veîmon siniuv!

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