14. Dezember - Einfach nur nichts fühlen
"Willkommen bei einem neuen Video von GiantTomatoJoe und heute sind wir hier am verfluchten Wasserloch, dass es hier in der Nähe meines Dorfes gibt.", schrie George Dennter Richtung Vlog-Kamera.
Der Kleinyoutuber hatte erst vor Kurzem seinen Kanal erstellt und versuchte nun den großen Hit einzuspielen. Er wusste, dass es gefährlich war, was er vorhatte, aber das kümmerte ihn nicht. Schließlich waren seine Gedanken an den großen Ruhm viel größer als seine Vorsicht zu jenem Zeitpunkt.
"Für die Leute, die es nicht wissen: In der Nähe meiner Stadt gibt es ein verstecktes Wasserloch, nicht weit vom eigentlichen Meer entfernt, das so tief ist, dass niemand genau weiß, wo eigentlich der Grund ist. Außerdem soll es wohl ausgehöhlt sein, was insgesamt einen riesigen Wasserkörper bedeutet.", erklärte der Mann hektisch, "Ne, aber ehrlich. Das ist riesig. Schaut selbst!"
Der Youtuber packte seine Kamera fester und hielt sie in die Nähe des tiefblauen Gewässers. Für einen einzigen Moment, war es still und nur das leise Plätschern des Wassers und die wehenden Palmblätter im Wind waren zu hören.
George stellte sich wieder aufrecht hin und brachte die Kamera wieder vor sein Gesicht.
"Aber das ist noch gar nicht das Krasseste hier. Es gibt Legenden...", er pausierte dramatisch und tat so, als würde er ein mysteriöses Geräusch hören, dass er später einfügen würde.
Dann schüttelte er den Kopf und fuhr fort: "Es gibt Geschichten über diesen Ort... Dass vor etwa 30 Jahren böse Experimente hier durchgeführt wurden. Manche sagen, es wurden Obdachlose als Versuchskaninchen benutzt, da sie sowieso niemand vermissen würde..."
Wieder eine dramatische Pause, in die George später eine dramatische Musik einfügen wollte.
"Und diesen Leuten wurde angeboten, nicht mehr Leiden zu müssen. Sie versprachen den Testsubjekten, einfach nichts mehr zu fühlen. Sorgenfrei und ruhig leben zu können, ohne sich über irgendetwas stören zu müssen."
George wurde unruhig; natürlich gut geschauspielert.
"Sie sagten, so wie Quallen, die mit ihrem simplen Nervensystem nur ihren Grundinstinkten nachgehen, könnte man werden... Es gibt verschiedene Varianten der Geschichte an dem Punkt. Manche erzählen es so, dass diese Leute ehrlich von dem Angebot verlockt wurden und tatsächlich freiwillig das Experiment durchführten, um nichts mehr zu fühlen. Andere wiederum meinen, dass sie gezwungen worden sind... Aber alle einigen sich auf eine Sache..."
George hatte begonnen immer energischer zu reden und war nun verstummt.
Dann flüsterte er beinahe: "Sie sind zu menschlichen Quallen geworden und wurden in dieses Wasserloch geworfen, wo sie sich von unschuldigen Badebesuchern ernähren, ohne jemals wieder etwas zu fühlen oder tatsächlich menschlich wahrzunehmen."
Die Legenden und Gerüchte gab es in der Tat. Das war keine Erfindung aus Georges Unterbewusstsein. Auch passierten an dem Wasserloch viele Unfälle und es war letzten Endes ein tödlicher Ort, aber das war vermutlich einfach den Strömungen zuzuschreiben, die manche Badende in den Unterirdischen-Bereich schwemmten. Es war so schlimm geworden, dass die Autoritäten das Baden in den Gewässern verboten haben. Dennoch gab es immer noch Leute wie George, die trotzdem versteckt dorthin gingen.
"Heute werden wir diese menschlichen Quallen suchen. Vielleicht ist das eine sehr dumme Idee, aber hey, dafür gibt es uns Youtuber doch: Damit ihr diese dummen Sachen anschauen könnt und nicht selber machen müsst!", schrie er wieder regelrecht in die Kamera.
Dann bückte er sich und packte ein Seil.
"Aber um für ein wenig Sicherheit zu sorgen muss ich trotzdem noch einiges vorbereiten. Zum einen,", sprach er und zeigte das Seil, "werde ich mich an einen Baumstamm hier draußen binden, da es hier Strömungen gibt, die mich unter die Erde, weg von der Öffnung ziehen könnten. So kann ich mich dann einfach rausziehen, wenn etwas ist. Außerdem sollte ich dadurch vielleicht auch schneller wieder hochkommen, wenn ich vor irgendetwas fliehe muss, als ich über normales Schwimmen hinkriegen würde."
Er hob nun etwas anderes vor die Kamera, nachdem er das Seil hatte fallen lassen.
"Und natürlich habe ich eine wasserfeste GoPro, damit wir die Quallen auch aufnehmen können. Ich werde sie natürlich auch extra an das Seil binden, damit sie nicht aus Versehen wegrutscht und ich meine Aufzeichnungen verliere."
Der Youtuber warf die GoPro auf das Handtuch, das er am Boden ausgelegt hatte und drehte dann die Kamera so, dass er sein restliches Equipment zeigen konnte.
"Natürlich möchte ich auch ein wenig länger drin sein, damit wir die beste Chance haben, die Viecher zu finden, also habe ich hier mein Taucher-Equipment mitgebracht. Ich weiß nicht, ob ihr es wisst, aber da wir hier an einer Küstenstadt sind, habe ich mit dem Tauchen schon einige Erfahrung."
George richtete die Kamera wieder auf sich und sagte schließlich: "So, während ich hier alles vorbereite, möchte ich euch noch mal darum bitten, einen Like dazulassen und den Kanal zu abonnieren, falls ihr das noch nicht getan habt. Ok, also alle bereit? Dann los!"
George begann seine Vorkehrungen zu treffen. Er zog den Taucheranzug an und band das Seil an einem Ende an einen Palmenstamm und am anderen Ende an seinen speziellen Anzug. Dann befestigte er auch die GoPro und war nun bereit. Im endgültigen Video würde er seine Stimme mit der Like- und Abo-Anfrage über ein Timelapse seiner Vorbereitung spielen lassen.
"Seid ihr bereit?", fragte er und ließ die Stimme zittern, "Ich weiß nicht was ich da nur getan habe... Aber egal, los geht's! Ich glaube wir fangen eine menschliche Qualle heute!"
Er glaubte es nicht.
Langsam lief George an den Rand des Gewässers und blickte in die tiefe Bläue. Der junge Mann war ernsthaft nervös, aber nicht wegen mutierten Quallenmenschen sondern eher wegen den Strömungen.
Mit einer Geste der Überwindung stellte er die Vlog-Kamera so hin, dass sie das Wasserloch filmte. Dann nahm er die GoPro in die Hand und zog Taucherbrille und Sauerstofftank auf. Als nächstes sprang er einfach ins Wasser.
Sofort wurde der Mann mitgerissen. Alles verwirbelte und er konnte nicht erkennen wo er war und ob das Seil schon gespannt war. Er fluchte sehr stark innerlich und hoffte von ganzem Herzen, dass das Seil nicht reißen würde.
Mit einem starken Ruck an der Hüfte hörte seine Bewegung auf und George blickte umher. Es war sehr dunkel und er befand sich etwa 10 Meter von der Öffnung entfernt und vermutlich 4 Meter tief. Überall war alles dunkel und bis auf den Lichtkegel vom Loch war nichts sonderlich Spannendes zu erkennen.
George fluchte mental. Er musste so lange dortbleiben, bis er irgendetwas sah, das er auch nur ansatzweise durch schnelles Zusammenschneiden als menschliche Qualle verkaufen konnte. Doch es war nichts zu sehen.
Die Kräfte der Strömung zogen immer noch stark an dem Youtuber und er hatte Angst um sein Seil. Nach wenigen Minuten beschloss er schließlich endlich wieder aus diesem unheimlichen Gewässer zu gelangen.
Er begann an dem Seil zu ziehen und merkte, dass es nur sehr schwer ging und viel Kraft verbrauchte. Doch sofort fiel ihm auch etwas anderes auf. Direkt unter ihm kam ein schwaches Leuchten auf ihn zu.
Zuerst sah es so aus, als wäre es bloß seine Einbildung, aber nach und nach wurde es schneller und größer. Irgendetwas näherte sich ihm von unten.
Georges Herz rutschte ihm in die Hose; oder Badeanzug. Er wusste nicht was das war und hoffte ehrlich gesagt, dass er es sich wirklich nur vorstellte. Doch es wurde immer größer und begann eine Form anzunehmen; beinahe menschlich.
Entsetzt nahm er die baumelnde GoPro, richtete sie schnell auf das diffuse Licht und begann dann sofort, so schnell wie möglich sich herauszuziehen. Doch es war ein mühsamer und langsamer Prozess, während die Gestalt unter ihm immer näher rückte.
Der Youtuber drehte sich noch ein letztes Mal schnell um, um sich zu vergewissern, dass es nicht doch nur ein Trugbild war, als ihm das Blut in den Adern gefror.
Was auf ihn zu schwamm war eine geleeartige zerfranste Gestalt. Sein äußeres schien aus einer schleimigen, durchsichtigen Masse zu bestehen. Doch das grausamste war sein innerer Stamm, den man durch das ausgefranste Fleisch sehen konnte. Es sah aus wie ein Gehirn, das an einer Wirbelsäule befestigt war, die letzten Endes in zwei kurzen Beinen endete.
Komplett außer sich zog George nun noch fester. Doch es war zu spät. Das Wesen erreichte ihn und es dauerte nicht lange, bis er selbst nichts mehr fühlte...
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Was sagt ihr zu der Geschichte?
Heov veîmon siniuv!
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