19. Geheimnisse
Ich hatte inzwischen drei lange Tage an Bord verbracht und alles wurde immer absurder und eigenartiger, beinahe schon lächerlich.
Der Kapitän (dessen Namen ich immernoch nicht aufgeschnappt hatte) beobachtete mich wie ein Adler und verpasste auch keine Gelegenheit, um es mir passiv aggressiv klar zu machen, dass ich meinen Spaß haben sollte. Dies zeigte sich von unschuldigen Fragen an meinem Ohr, ob mir einer seiner Männer gefiel, bis hin zu offensichtlichen Gemeinheiten, wie dass plötzlich seine halbe Crew ohne Oberteile am Deck schrubben war, oder laut sangen und lachten. Er versuchte mich mit der Einfachheit des Lebens anzustecken und Seonghwa hatte nun öfters hinter ihm die Augen gerollt, als gesund sein konnte.
Ich kannte inzwischen auch Jongho, den Jüngsten an Bord, der mir täglich seine Fähigkeiten Äpfel mit bloßen Händen zu spalten unter Beweis stellte, dann kameradschaftlich mit mir teilte. Mit ihm im Doppelpack kam Mingi, ein großer, ulkiger Mann, der die erfrischende Tendenz hatte unseren Kapitän für seine nicht vorhandene Größe in Verlegenheit zu bringen.
Es fühlte sich an wie ein Märchen, in dem ein Feenvolk den unwissenden Menschen verführte, in ihre Mitte lockte und nie wieder gehen ließ.
Ich konnte auch nach wie vor das Gefühl, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zu ging nicht abschütteln, ich fühlte mich beobachtet, wie im Maul eines Ungeheuers. Nachts lag ich wach, schreckte aus Allbträumen hoch, nur um panisch um Atem zu ringen, bis Yeosang mich beruhigen kam und tagsüber begrüßte mich das strahlende Lächeln des Kapitäns unter bodenlosen Augen.
Sie hatten ihre Masken noch immer nicht gänzlich abgenommen und ich fürchtete mich vor dem, was sich dahinter verbergen mochte.
Der Fall artete allerdings erst dann aus, als ich ein fremdes Crewmitglied dabei erwischte nachts mit dem Meer zu sprechen.
Ich war abermals auf Wanderschaft gegangen, trug inzwischen ironischerweise ein Hemd des Kapitäns und der weiße Stoff flatterte an meiner Haut, als ich auf das leere Deck hinaus trat, das riesig wirkte, so ganz ohne singende Männer.
Der Mann mit dem rot-schwarzen Haar, den ich nun schon einige Male mit einem unangenehmen Lächeln im Gesicht in der Takelage gesehen hatte, hob sofort den Kopf, als er mich hörte und was auch immer, mit dem er sprach, verschwand wieder. Ich hatte das Gefühl es war groß, das Meer bewegte sich aufgebracht um die Gestalt im Wasser.
Mit dem selben gruseligen Grinsen, das seine Augen verschwinden ließ und normalerweise süße Grübchen in seine Wangen bohrte, empfing er mich. Langsam kam ich näher, um mich in einem sicheren Abstand von ihm gegen die Reling zu lehnen.
"Schon wieder des nachts am wandern, Tsukiko?", fragte er mich leise auf französisch und wie auch immer er sprach, mit einem leisen Lispeln, es machte ihn nur noch unheimlicher.
"Ja... Ich glaube wir wurden einander noch nicht vorgestellt."
Damit reichte er mir seine Hand.
"Ich heiße San."
Seine Berührung war kalt, fühlte sich endgültig an, wie als wäre eine schwere Tür hinter mir zu gefallen.
Er lächelte.
-
San war eigenartig. Er schien keine feste Rolle an Bord zu spielen, war aber einer der acht Chefs. Er war mal da, mal nicht, wirkte wie vom Meer verschluckt, nur um dann plötzlich hinter mir von einem Seil zu baumeln. Er machte die gesamte Crew nervös.
Wir wurden acht Tage nach Reisebeginn das erste Mal angegriffen.
Es war ein anderes Piratenschiff, voll von bis in die Zähne bewaffneten, wilden Männern. Yeosang versteckte mich in seinem Zimmer und ging kämpfen, ich wartete voller Angst. Bei jedem Schuss oder Schrei zuckte ich zusammen, denn das hier war nicht Yongguk, der mit Golems focht. Das hier waren Menschen, die andere Menschen abschlachteten.
Ich wusste nicht, wie es ausging, nur, dass mir mein Herz vor Angst schier aus dem Hals sprang, aber alles klärte sich, als die Tür auf ging.
Es war der Kapitän mit einem stellenweise blutigen und zerfetzten Oberteil, die hellen Augen wild, als sie den Raum nach mir absuchten. Jemand hatte ihn im Gesicht erwischt und die Narbe wieder aufgerissen, das Blut tropfte in einem stetigen Strom von seinem Kinn.
Aber als er mich sah, lächelte er, groß und erleichtert, dass ich nicht beschlossen hatte im Getümmel mein Ende zu finden und abrupt fühlte ich, wie mich mein Atem verließ.
Ich hatte es nicht bemerkt, bis es zu spät war.
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Aus dem einen abendlichen Gespräch mit dem Kapitän wurden viele. Irgendwann fand ich mich jeden Tag an seiner Seite am Bug, sah mit ihm über das nächtliche Meer hinaus, während er redete. Ich erfuhr, dass er der Sohn einer Piratin war und nach einem Schatz suchte, den sie versteckt hatte, es war ihr Schiff, teilweise sogar ihre Crew und ihre Denkweise, die ihn zu dem gemacht hatte, wer er war.
Er erzählte mir von seinen Reisen, von Kämpfen und Siegen, von Niederlagen und Toden. Er erzählte mir die Geschichte der Crew, wie er sie gefunden hatte und geschworen hatte sie zu beschützen, egal was.
Er hieß Hongjoong.
Ehe ich es mir versah, war ich tief in sein Netz gefallen, fand keinen Grund mehr zu gehen. Alles in mir hoffte auf ein Lächeln von ihm und wenn ich es bekam, war ich überglücklich, wollte nicht mehr haben.
Unbeabsichtigt hatte er mir damit einen Grund zum Leben gegeben, einen Sinn darin jeden Tag aufzustehen und den Wunsch meinen Fluch zu brechen, um zu ihm zurück zu kehren und für immer an seiner Seite zu sein.
Es war dumm und irrational, aber so friedlich und schön, dass ich nicht länger darüber nachdachte, wer sie waren, oder was ihre Pläne mit mir sein könnten. Es spielte keine Rolle mehr.
San lehnte an der Schiffswand, als ich später in mein Zimmer zurück schlich, beobachtete mich und nickte bloß lächelnd, als ich seinen Blick traf.
"Nimm dich in acht vor den tiefen Gewässern, meine Liebe.", war alles, was er mir sagte, aber ich hörte nicht auf ihn.
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Die letzte erschreckende Fetstellung, die ich machte, war der Anblick eines vertrauten Gesichtes in der Crew.
Ich hatte ihn einige Jahre nicht gesehen, aber er war unverwechselbar derselbe. Je länger ich ihn beobachtete, desto mehr fiel es mir auch auf. Gewisse Verhaltensmuster, die Art der Bewegung, sogar in der Mimik und den verspielten Augen fand ich Gemeinsamkeiten.
Einer von Hongjoongs wichtigten Generälen war Wooyoung, der Sohn einer nicht länger verwitweten Dame, die meine Eltern gekannt hatten. Ich erinnerte mich daran als Kinder mit ihm zu spielen, während meine Mutter die neu verheiratete Frau besucht hatte, rief es mir ins Gedächtnis, wie er etwas jünger war als ich.
Er war Youngjaes Bruder.
Und es gab keine Möglichkeit, wie er nicht von den Götterfängern wusste.
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