17. Auf hoher See
Ich hatte das Glück während unseren langen Rittes an die Küste mit einem Krug Wasser und etwas Brot versorgt zu werden, tat mich allerdings weiterhin schwer darin zu ermitteln auf welcher Seite diese Gestalten hier waren.
Meiner Erwartung nach würden sie mich in die Stadt zurück bringen und entweder einem heidnischen Gott, dem ein Auge fehlte, opfern, oder mich irgendwo anders los werden.
Umso überraschter war ich also nachdem nach stundenlangem Reiten das Meer in der Ferne erschien und zuerst nur ein blauer Streifen am Horizont war, bevor es langsam zur Fläche heran wuchs, einen atemberaubenden Anblick bot.
Nicht ganz so bewundernswert war allerdings das schwarze Schiff mit den ebenso schwarzen Segeln und der schwarzen Totenkopfflagge, auf das wir zu hielten. Letzten Endes wurde ich doch panisch und wehrte mich gegen meinen Gefährten, der daraufhin von seinen Kameraden ausgelacht wurde und mit einer Hand meine Hände halten musste, während die andere die Zügel führte.
Je näher wir dem Schiff kamen, desto mehr schwoll das ungute Gefühl in meinem Bauch an, bis mir vollkommen schlecht war und ich mich kaum rühren konnte aus Angst mich zu übergeben. Als wir dann hielten, wurde meine klamme und zitternde Form also vorsichtig vom Pferd gehoben und ich stolperte zwischen den Männern auf ihr Schiff hinauf, das an den felsigen Abschüssen angelegt hatte.
Sie sprachen hier eine nochmals andere Sprache, als die Sklaventreiber gesprochen hatten, aber diese hier kam mir vage vertraut vor. Spanisch womöglich? Meine Französischkurse machten sich bezahlt.
Ein weiterer Mann mit schwarzem Hut näherte sich, aber dieser hier war kleiner als mein Fänger, wohl ungefähr so groß wie ich. Er war außerdem der einzige, dem die dreckblonden Haare unter dem Hut heraus schauten, er trug sie hinten länger als vorne und hob sich dadurch von seiner Gruppe ab.
Zu meiner Überraschung trug er keine Maske und seine jungen Gesichtszüge lagen offen, waren rein abgesehen von einer grässlichen Narbe, die sich quer über sein Gesicht zog, sich über der Nase etwas verbreitete und zu seinen Wangenknochen hin wieder schmälerte.
Der Mann an meiner Seite verbeugte sich steif vor ihm, während die anderen drei irgendwo verschwanden und ich mich dabei erwischte mich staunend in der Takelage und den drei Masten umzusehen.
Die beiden sprachen leise miteinander, der Kleine hatte viel zu zischen und der größere stand im Rang eindeutig tiefer, suchte gelegentlich panisch nach Worten.
Irgendwann dann trat der Mann mit den beunruhigend blauen Augen näher zu mir und besah sich ebenfalls mein Haar, sah skeptisch von diesem zu meinen Augen.
"Wie heißt du?", erkundigte er sich dann auf Englisch bei mir und ich atmete etwas auf, froh, dass es hier zumindest einen gab, der mich verstehen könnte.
"Tsukiko. Tsukiko Hoshikawa."
Bei den Worten hob er eine Braue und wandte sich wieder seinem Mann zu, um weiter auf Spanisch zu sprechen. Abermals wurde ich warten gemacht.
"Was führt dich her?", war die nächste Frage, die ich wieder verstand und ich nickte zu seinem Freund hin.
"Ich wurde von meiner Reisegruppe getrennt. Er hier hat mich von meinen Entführern befreit." Nicht, dass es die Situation unbedingt besserte, aber zumindest waren hier Leute, die mit sich reden ließen.
Er nickte knapp und zischte dem anderen Mann noch einmal etwas zu, dann scheuchte er ihn davon und deutete mir ungeduldig ihm zu folgen.
Der Hauptteil der Crew trug normale Klamotten und war auch nicht maskiert, ich zählte derzeit fünf der Hutträger an Deck und vermutete, dass sie diejenigen hohen Ranges waren.
Ich kletterte dem Mann hinterher zum Helm des Schiffes und bezog eigenartig an seiner Seite Stellung, während er die Aufmerksamkeit der Crew auf sich zog.
"Das ist Tsukiko.", verkündete er laut auf Spanisch. Dann noch etwas mit 'Englisch' und 'Nett'. Vermutlich auch noch ein Schimpfwort.
"Sprich da drinnen mit Seonghwa. Er wird dir wohl erklären können, was hier los ist."
Damit wandte der Mann - der Kapitän, wie ich von den Schreien der Crew erfuhr - sich von mir ab und perplex trat ich durch die Tür hinter und in die Kapitänskajüte, wie ich vermutete.
Auch London hatte lange mit der Bedrohung von Piraten an den Küstenorten zu kämpfen gehabt und ich war froh mich damals etwas in das Thema eingelesen zu haben, wenn ich auch keinen blassen Schimmer von dem tatsächlichen Umgang hier hatte.
Drinnen erwartete mich tatsächlich ein weiterer Mann in Schwarz, nur ohne Hut und Maske, die ruhten neben ihm. Er saß hinter einem wuchtigen Schreibtisch und studierte ein Dokument, als ich eintrat und schüchtern an dem Türrahmen klopfte, um auf mich aufmerksam zu machen.
Der erste Eindruck war bleibend.
Der Mann hob ein gutaussehendes Gesicht gerahmt von hellblondem Haar zu mir, seine Augen dunkel mit Kohl und ein schwarzer Ring in der Mitte seiner vollen Unterlippe.
"Oh, wie kann ich Euch behilflich sein, werte Dame?", schien er sofort durch meine Fassade sehen zu können und ich verbarg mühsam meine Überraschung.
"Ich... Ich weiß es ehrlich gesagt nicht.", war alles, was ich verlegen heraus brachte und lachend erhob er sich, winkte mich näher.
"Unser Cap hat vermutlich einen ersten schlechten Eindruck hinterlassen, nicht? Sorgt Euch nicht um ihn. Woll Ihr mir verraten, was Ihr in Afrika tut, Mylady?" Er deutete mir höflich vor dem Tisch auf einem der beiden gepolsterten Stühlen Platz zu nehmen und artig tat ich, wie mir geheißen, erwischte mich dabei beinahe zu spät wegzusehen, als er sich wieder setzte und dabei einen tiefen Blick in das V seiner Jacke offenbarte.
Fein, wie geheim waren die Götterfänger und wie viel durfte ich über sie weiter geben?
"Meine Gruppe reiste, um ein Gegenmittel für eine tödliche Erkrankung zu suchen. Ich wurde von ihnen getrennt und fälschlicherweise von Sklavenherren aufgesammelt, bevor Euer Kamerad mich rettete." Ich versuchte die Erinnerung an Kaya zu verbannen.
"Ah, ich verstehe... Dann war Eure Exkursion sicherlich von hoher Wichtigkeit?"
Ich nickte hastig, glaubte ihm vertrauen zu können.
"Richtig. Wir wären als nächstes zu den Philippinen gereist, dort warten Freunde von uns auf unser Kommen, aber nun weiß ich nicht, wie weit die anderen aus meiner Gruppe bereits sind."+
Bitte lasst mich gehen, bitte lasst mich gehen.
"Das klingt in der Tat etwas sorglich. Ich werde sehen, wie ich mich mit dem Kapitän vereinbaren kann und sollten wir ein ähnliches Ziel haben, so kann ich bestimmt ein gutes Wort für Euch einlegen. Ansonsten verletzen wir sicherlich keine Frauen, also seid unbesorgt."
Sagte er.
Und in seinen Augen blitzte die Lüge.
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