14. Ruhe vor dem Sturm

Am Tag darauf trug ich zum ersten Mal außerhalb meiner privaten Gemächer Hosen, wenn es auch sehr weite Hosen aus demselben dünnen Stoff, wie die Gewänder der anderen waren. Zu meiner Erleichterung war die Reaktion nicht so dramatisch, wie ich erwartet hatte, aber das könnte auch daran liegen, dass die meisten der Wüstengötter auf der Jagd waren und Youngjae schon wieder leidenschaftlich mit Daehyun stritt.

Als ich also zögerlich das Zelt betrat, nickte Himchan mit nur kurz respektvoll zu, dann vertiefte er sich wieder in seine Lektüre. Ich sah von ihm zu den beiden Streithähnen in der Mitte des Zeltes, Daehyun hatte sich den kleineren Mann am Kragen gepackt und nahe an seine inzwischen ebenfalls den Temperaturen entsprechend gekleideten Körper gezerrt.

"-te bisher zumindest noch nie davon gehört!", fuhr Youngjae gerade seinen Freund an und ich bemerkte bunte Flecken an seinem Schlüsselbein, wo Daehyun mit seinem harten Griff zwei Knöpfe seines Hemdes aufgesprengt hatte.

"Ich habe es dir davor mehrmals gesagt! Du bist derjenige, der einfach nicht hören will!"

"Halt den Rand! Denkst du ich weiß nicht, welche Blicke du mit Baby tauschst, wenn du denkst du bist allein?! Himchan sag etwas, diese Knutschkugel hier hat mir ja wohl gar nicht zu sagen!"

Ich wandte mich Himchan zu, der die beiden geflissentlich ignorierte.

"Wer ist Baby?", flüsterte ich ihm hinter vorgehaltener Hand zu und Himchan blätterte unbeeindruckt eine Seite um.

"Seine Stute."

"Wen nennst du hier eine Knutschkugel, gibt es auch nur eine junge Frau in London, auf deren Lippen du deine noch nicht hattest?!", ging es weiter, bevor ich weiter über die eigenartige Natur von Youngjaes Vorwurf nachdenken konnte und ich beobachtete, wie Youngjae empört den Mund öffnete, um etwas zu erwidern.

Daehyuns große Augen wanderten allerdings zu mir und er blinzelte gegen die Haarspitzen in seinen Wimpern an, um mich scharf zu mustern.

Ich reagierte, indem ich beschämt das Gesicht abwandte und mich zwang nicht zu erröten, bevor ich es mit meinen Händen vertuschte.

"Wirklich, Youngjae?! Der Titel der Knutschkugel geht ja wohl eindeutig an dich!" Er klang mehr enttäuscht als vorwurfsvoll.

"Es gibt eine."

"Huh?"

Nun hob sogar Himchan entertaint sein Haupt, schien diesen Neuigkeiten nicht zu trauen.

"Sie war mir bisher zu weibisch und laut, um etwas zu tun... Aber jetzt, wo du mich daran erinnerst, wäre das eine perfekte Technik, um sie zum schweigen zu bringen."

Daehyun starrte.

"Das wollte ich damit nicht bezwecken! Lass die arme Lady in Ruhe, sie will dich vermutlich nur loswerden!"

Es geschah alles zu schnell, aber zum Glück konnte ich mich auf Himchan verlassen.

Youngjae packte sich Daehyuns Haar, um seinen Kopf die letzten Zentimeter zu seinem zu ziehen und der überraschte Laut des Götterfängers brach in dem Moment ab, als das Titelblatt eines Buches meine Augen verdeckte.

Codex Gigas. Das Buch der Teufel.

"Komm, es wird Zeit, dass wir uns einen anderen Ort zum bleiben suchen.", murrte Himchan mir gedämpft zu und bugsierte mich rückwärts aus dem Zelt, ließ das Buch erst dann sinken, als ich im sicheren war.

"Danke..."

Er nickte nur und ging davon, ich wanderte in eine andere Richtung weg, um mich nach einer Beschäftigung umzusehen.

Ich fand sie in der Form eines jungen Mannes, der im Schatten einer Palme ruhte und einen dunklen Haufen Fell neben sich liegen hatte.

Während ich mich näherte, öffnete der Mann die Augen und leckte sich über trockene Lippen, bevor eine Hand an seine Augen hob, versuchte mich zu erkennen.

Sobald ich nahe genug war, leuchtete sein Gesicht dann auf.

"Hallo, Jongup.", grüßte ich ihn freundlich und Akuma hob den Kopf, um mich hechelnd anzugrinsen, dann über Jongups Beine zu floppen und mir Platz in ihrem schattigen Fleckchen zu machen.

"Was führt dich her?"

Ich nahm an seiner Seite Platz und sah hinaus über die sandigen Dünen, die uns von allen Seiten bleich umgaben, auf die flimmernde Luft.

"Fragen. Was hat Himchan mit dem Codex Gigas zu tun? Was ist das zwischen Daehyun und Youngjae? Welche Rolle spielt Jaebeom dabei? Was hat es mit meiner Prophezeihung auf sich? Wohin wird es uns verschlagen? Solche Dinge."

Jongup nickte leer und lehnte sein Haupt dann wieder gegen die raue Rinde der Palme zurück.

"Ich kann versuchen zu helfen, wenn du willst."

Ich deutete ihm bloß zu sprechen.

"Er ist ein aztekischer Gott, sie waren dem Tod schon immer sehr nahe. Vor allem mit Jinyoung hier... Ich bin mir sicher, er will sich bloß weiterbilden. Davon abgesehen ist das sehr wahrscheinlich Yongguks Buch. Er hegt eine morbide Faszination mit der Dunkelheit."

In der Tat hatte ich das bereits gemerkt und fragte mich, ob es womöglich mit seinem Gott zu tun haben könnte.

"Was Daejae angeht... Das ist übrigens ihr Pärchenname, so geht das schon seit Jahren. Youngjae wandert und Daehyun ist eifersüchtig. Wir warten noch auf Fortschritte. Jaebeom ist, hmmm, schwer zu sagen, vermutlich der einzige Mann in Youngjaes Geschichte, also derjenige, der Daehyun Hoffnung gibt und ihn gleichzeitig zum verzweifeln bringt. Normalerweise ist er aber auch kein Problem, weil wir ihn nur selten sehen."

Er wandte mir sehr ernst seinen Blick zu, hörte auf mit der Wüste zu reden.

"Von deiner Prophezeihung habe ich keine Ahnung.", sagte er schließlich sehr ehrlich und ich musste lachen, lehnte mich dann zurück.

"Ich schätze mal niemand außer Jinyoung weiß genau, was es damit auf sich hat... Ich wüsste gerne, was er gesehen hat."

"Er sagte er sieht eine unglaubliche Macht, richtig? Vielleicht ist es einer der mono....dings Götter?"

Ratlos wiegte ich meinen Kopf hin und her.

"Vielleicht. Vielleicht ist es auch eine Naturkatastophe oder ähnliches... Unter Umständen auch das Gift."

Jongup sah nur leblos auf das Sandmeer hinaus und hob dann ratlos die Schultern.

"Ich dachte immer, dass Daehyuns Hunger die mächtigste Gewalt auf Erden wäre."

Grinsend vergrub ich meine Finger in Akumas Fell, mir war es zwar viel zu warm und mein langes Haar klebte unangenehm in meinem Nacken, aber der Frieden hatte etwas tröstliches.

"Wirst du mir die Geschichte deines Gottes erzählen?"

"Mein Götterkreis... Zu dem auch Njörd gehört, wir sind einer der wenigen Kreise, die nicht mit ewigem Leben gesegnet sind... Daehyun zum Beispiel wird ewig leben, sollte ihn niemand töten oder sein menschlicher Teil mit ihm aufholen. Ich dagegen bin dazu verdammt eines Tages plötzlich zu sterben."

Schockiert beobachtete ich sein gespanntes Gesciht, aber kein Laut entkam meinen Lippen.

"Du kennst die Geschichte, wie ich durch Fenris die Hand verliere... Fenris ist der Bruder der Jörmungandrschlange, die Kinder Lokis, die an der Seite der Riesen meine Art ausrotten. Immer wieder. Loki ist der verantwortliche an dem Verrat an den Göttern. Er tötet meinen Bruder Baldur und beginnt damit den Weltuntergang. Die Götter suchen sich ihre Körper, also wird der Loki hier nur bedingt Schuld an meinem Ende tragen, aber ich hoffe trotzdem, dass du ihm nie begegnen werden wirst. Mit Loki an seiner Seite, kann er gar nicht so nett sein."

Das klang brutal...

Besorgt musterte ich seine Züge, aber Jongup war entspannt, schien schon lange mit seinem Schicksal abgeschlossen zu haben.

"Und" Meine Stimme versagte.

"Und sonst? Wird aus dieser Gruppe noch ein anderer sterben müssen?"

"Youngjae vielleicht, wenn er Daehyun weiter so auf die Palme bringt.", meinte Jongup trocken und lehnte den Kopf zurück, um grinsend in die Blätterkrone über uns hinauf zu spähen.

"Willst du unnützes Wissen, das dich verstören wird?"

Ich nickte wissbegierig, war ein großer Fan von genau dem.

Jongup neigte sich etwas zu mir hinüber, um verschwörerisch flüstern zu können.

"Junhong ist Jaebeoms Großvater."

Ich schaffte es nicht mein Lachen zurückzuhalten und Jongup stimmte leise ein, verlor seine anfängliche Traurigkeit sofort wieder.

Ich konnte es sehr gut nachvollziehen. Die Nachricht zu bekommen eines Tages plötzlich zu sterben und nichts dagegen tun zu können, ich fühlte mich derzeit genauso.

Ich hoffte nur, dass ich so egoistisch sein durfte und seinen Tod nicht erleben musste.

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