In der Küche (34)

Es war Katalia ganz recht, dass nicht ihr sondern Zonia befohlen worden war beim Tee zu bedienen. Eiwie würde ihr später sowieso jedes Wort und jede Geste von Lela schildern.

Stattdessen verbrachte Katalia den Rest des Tages damit, Umbro in der Küche zu helfen. Umbro war der Koch des Hauses und außerdem Zonias Ehemann. Er war gut fünfzehn Jahre älter als seine Frau, dunkelhäutig und untersetzt, verlor niemals die Fassung und summte bei seiner Arbeit stets mit tiefer, dunkler Stimme vor sich hin. Katalia konnte ihn gut leiden und wusste seine schweigsame Gesellschaft zu schätzen. Umbro hatte die Gabe jedem ein Gefühl der Ruhe zu vermitteln.
Davon abgesehen war er ein ausgezeichneter Koch und Backmeister, der Katalia schon des Öfteren die ein oder andere Leckerei zugesteckt hatte.

,,Ist das Tablett bald fertig, Katalia?" Fragte Zonia nervös, die von einem Fuß auf den anderen trat und ihre Hände knetete. ,,Die Sänfte ist draußen bereits eingetroffen. Wir werden Ärger kriegen, wenn der Gast wegen uns warten muss."

,,Es ist so gut wie fertig." Antwortete Katalia konzentriert und setzte das letzte Stück Gebäck auf den kunstvoll aufgetürmten Stapel. ,,Kocht das Wasser, Umbro?"

Umbro, der an der Wand lehnte, warf einen Blick in den Kessel. ,,Es braucht noch einen Moment."

Zonia gab einen jaulenden Laut von sich und begann nervös auf und ab zu tigern. Umbro zog sie in seine Arme und redete ihr beruhigend zu. ,,Warum machst du dir solche Sorgen, mein Liebling? Alles ist so gut wie bereit. Wäre es dir lieber wir hätten früher angefangen und würden nun kalten Tee servieren?"

Allmählich beruhigte sich Zonia. Sie atmete tief durch. ,,Verzeih, mein Herz. Es ist nur so, dass ich den Herrn und die Herrin heute Morgen in einer grässlichen Laune vorfand. Ich fürchte erlauben wir uns heute ein Missgeschick so müssen wir mit Schlägen rechnen."

Umbro rieb ihre Schulter. ,,Nun, wenn dem so ist, dann werden wir uns eben kein Missgeschick erlauben. Siehe da, das Wasser kocht."

Umbro bereitete den Tee zu und Zonia eilte erleichtert mit dem beladenen Tablett hinaus. Kleine Falten grieben sich um Umbros Augen als er ihr lächelnd hinterher sah. Dann wandte er sich wieder dem Wesentlichen zu: es war Zeit Essen für die Wachmänner zu kochen, die bald ihren Schichtwechsel haben würden. Er wies Katalia an Rindfleisch und Gemüse zu schneiden.

Sie tat es, in Gedanken versunken. ,,Warum haben du und Zonia eigentlich keine Kinder, Umbro?" Fragte sie plötzlich.

Der Koch blinzelte amüsiert. Bei diesem Mädchen wusste man wirklich nie was als nächstes kam!

,,Nun, wir führen eine abstinente Ehe."

Tack Tack Tack. Katalias Messer hackte Karotten wie mechanisch. ,,Aber wieso? Möchtet ihr keine?"

Umbro nahm ebenfalls sein Messer auf und wog es nachdenklich in der Hand. Er war jemand der nie sprach ohne vorher nachzudenken. Manchmal ließ er sich stundenlang für eine Antwort Zeit. Katalia machte das nichts aus, sie konnte warten.

,,Doch, wir wollten welche, aber wir haben uns dagegen entschieden. Sieh, Kinder von Sklaven sind automatisch Sklaven und haben wir als Eltern das Recht unserem Kind dieses Schicksal aufzuerlegen? Ich denke nicht und Zonia sah das genauso. Warum Kinder kriegen wenn man ihnen kein gutes Leben bieten kann."

Katalia lachte leise. ,,Ich wünschte meine Eltern hätten dieselbe Sichtweise gehabt."

Umbro sah sie an und runzelte die Stirn. Über Katalia wusste niemand viel, selbst Zonia nicht, die sich bei jeder Person bemühte sie so gut wie möglich kennenzulernen. Niemand wusste wo genau sie herkam, es schien als wäre Katalia, genau wie ihre schöne Herrin, einfach aus dem Boden gewachsen. Mit ihrer kurzangebundenen, oftmals mürrischen Art, die nicht recht zu ihrem jungen Alter passen wollte, hatte das Mädchen sich anfangs etwas unbeliebt gemacht, doch Umbro schätzte sie sehr. Er fand sie fleißig, zäh und an das mit anpacken gewohnt. Umbro wäre stolz, eine Tochter wie sie sein Eigen nennen zu können.

,,Was auch immer die Geschichte deiner Eltern ist, das Leben ist ein Geschenk, Katalia. Schätze es wert." Sagte er streng und damit war die Sache beendet.

In ihre Arbeit vertieft ertappte Katalia sich dabei wie sie um ein Haar eines von Eiwies Bordell-Liedern vor sich hingesummt hätte. Schnell den Kopf schüttelnd, um die Melodie und den unanständigen Text zu vertreiben, nahm sie sich vor, morgen früh heimlich Martinus treffen zu gehen. Sie könnte ihn auf seinem Weg zur Arbeit abfangen.
Katalia musste einfach mit ihm reden, sie musste wissen, ob ihr Bruder ihn bereits aufgesucht hatte und was er von der ganzen Affäre hielt.

Inzwischen bereute sie ihre hasserfüllten Worte. Ihr Bruder hatte nicht wissen können das Mutter und Vater während seiner Abwesenheit sterben würden. Er und sie waren die letzten Splitter einer einst glücklichen Familie und ihre Eltern hätten keine Zwietracht zwischen ihnen gewollt, das hatte sie sich zerknirscht eingestanden. Villeicht wüsste Martinus wo in der Stadt ihr Bruder sich aufhielt. Sie könnte ihn suchen gehen, sich entschuldigen.

Es klopfte an der Holztür. ,,Herein." Brummte Umbro, dann traten zwei der insgesamt vier Männer ein, die unten das Tor bewachten. Katalia wusste das es keine Sklaven waren, es waren ausgebildete, freie Soldaten und umso mehr schätzte sie es, dass die zwei sich nicht zu schade waren ihre Mahlzeiten bei den Sklaven in der Küche einzunehmen.

,,Grüßt euch." Brummte der Eine und ließ sich ächzend an dem Holztisch nieder. Er war groß, blond und um die vierzig. Sein Gesicht hatte die pinke Farbe von frisch gekochten Krabben. Ohne Umstände nahm er den Helm ab, zog seine Stiefel aus und streckte die Beine. ,,Ist schön kühl hier drin... Das tut gut."

Der Andere grüßte ebenfalls und setzte sich so sachte auf einen der Stühle, als befürchtete er er könnte unter ihm zusammenbrechen. Er war Katalia schon öfter aufgefallen. Jünger als sein Kamerad, etwa anfang zwanzig, mit glattem Haar, das für einen Wachmann eigentlich ein wenig zu lang war. An seinen blassen, leicht hageren Gesichtszügen und den stechend schwarzen "Krähenaugen" konnte Katalia erkennen, dass er aus der Region ihrer Eltern kommen musste. Villeicht war er sogar aus einer Familie von fahrenden Händlern. Sie nahm sich vor, heimlich darauf zu achten ob er wie sie einen Ring im Ohr trug.

,,Ihr seid früh da." Bemerkte Umbro in seinem wiegenden, ruhigem Ton. ,,Euer Essen ist noch nicht fertig."

Der Blonde grunzte träge. Er hatte die Augen halb geschlossen und sein Kinn auf die Brust sinken lassen. ,,Wir haben uns ein paar Minuten früher ablösen lassen. Dem Herrn und der Herrin wird's nicht auffallen... Die sind drinne beschäftigt, denk ich, wo doch die Frau Tochter zu Besuch gekomm' ist."
Er hob den Blick und sah zu seinem Kameraden. ,,Und in was für ner Aufmachung die gekommen ist, nicht wahr, Raschid?"

Der Dunkelhaarige nickte leicht. ,,Eine Kutsche mit Vierergespann, alles Rappen. Und geschmückt war die Kutsche wie ein Schrein im Tempel, mit Flitterbändern und Glocken und was nicht."

Katalia grinste leicht. Es sah Lela ähnlich. Sie hatte Eiwie wohl erneut daran erinnern wollen mit welch wohlhabender Dame sie sich angelegt hatte.

,,Ist sie alleine gekommen?"

Der Blonde nickte. ,,Nur mit einigen Sklaven. Man sieht sie ja eigentlich nie mit ihrem Mann. Wenn du mich fragst findet deren Ehe rein auf Papier statt. Wie könnte es auch anders sein. " Er senkte vertraulich die Stimme. ,,Neulich habe ich von einem Schwager meines Cousins gehört, dass der Ehemann, dieser Dimit, eine Vorliebe für sehr, sehr junge Sklaven zu haben scheint, Mädchen wie Jungen. Ich sagte ihm: dann ist es kein Wunder, dass seine Braut so jung ist. Bei den Göttern, das arme Mädchen!"

Katalia zog schaudernd die Schultern hoch. ,,Wie furchtbar!"

Der Wachmann nickte lebhaft. ,,Nicht wahr?! Ich habe eine Tochter die bald ihr heiratsfähiges Alter erreichen wird. Verehrer lassen sich jetzt schon reichlich finden, was kein Wunder ist. Schön wie ihre Mutter ist mein Mädchen und lesen und schreiben kann sie noch dazu, doch lass mich dir eines sagen, wenn je ein Greis wie Dimit ein Auge auf sie wirft, so werde ich ihm selbiges ausstechen! Männer sollten Frauen in ihrem eigenen Alter heiraten, das ist es was viel zu viele in diesem Land nicht verstehen! Ich-"

Seine Ausführung wurden jäh von Zonia unterbrochen, die mit einem Tablett voller schmutzigem Geschirr herein eilte. Sie schien aufgebracht. ,,Der Herr und die Herrin haben sich in ihre Gemächer begeben und ihre Tochter hat mich hinausgeschickt! Sie wolle unter vier Augen mit der jungen Herrin reden, hat sie gesagt." Ihre Stimme klang beleidigt. ,,Also wirklich, als könnte man mir nicht trauen! Ich bin seit über zehn Jahren in diesem Haus und nie ist ein Wort über meine Lippen gedrungen, von Angelegenheiten die mich nichts angehen! Ich weiß es die Geheimnisse meiner Herren zu hüten als wären es meine eigenen!"

,,Ich bin mir sicher das weißt du in der Tat." Beschwichtigte sie der dunkelhaarige Wachmann. ,,Gewiss wird es nichts mit dir zu tun haben. Es muss sich um ein sehr, sehr heikles Thema handeln, was das höchstmöglichste Maß an Vertraulichkeit verlangt."

Katalia kaute auf ihrer Unterlippe. Die Dienste einer Sklavin zurückzuweisen, sie aus dem Raum zu schicken, so etwas war mehr als ungewöhnlich! Ein Gefühl von Unwohlsein regte sich in ihr. Lela und Eiwie würden sich doch nicht ernstlich etwas tuen, oder?...

Die Augen des blondem Wachmannes hatten sich sensationsbegierig geweitet. ,,Bei der Sonne!" Rief er aus und strich sich nachdenklich durch den Bart. ,,Was kann es denn bloß sein, was sie bereden, was solche Geheimhaltung erfordert?"

,,Wer auch immer sagt, dass es nur alte Weiber sind die tratschen, der hat noch nie einen Wachmann in seiner Küche sitzen gehabt." Flüsterte Umbro Katalia zu. Die Beiden tauschten einen amüsierten Blick und das Unwohlsein in Katalias Bauch verflog.

Zonia zuckte mit den Schultern und begann das Geschirr abzuwaschen. ,,Nun, nur die Götter können's wissen. An der Tür lauschen werde ich ganz sicher nicht!"

Katalia gesellte sich zu ihr, um zu helfen. Täuschte sie sich, oder folgte ihr der Blick des jüngeren Wachmannes? Geschmeichelt strich sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr.

Umbro griff sich unterdessen zwei Tonschüsseln und begann den Männern kräftig aufzutun. Es gab einen pikanten Eintopf mit Rindfleisch und Gemüse, dazu Reis, Joghurt und Fladenbrot. Er wusste aus Erfahrung, dass diese Wachmänner für drei essen konnten.

Zonia deutete auf die Platte mit dem Teegebäck, das praktisch unberührt war. ,,Möchtet ihr noch davon?" Die Männer nickten begeistert.

,,Ich mach' schon." Flüsterte Katalia ihr zu und trug die Platte vorsichtig zum Tisch. Aus der Nähe betrachtet gefiel ihr der junge Wachmann noch besser. Seine Haut war gepflegt und weich und sein leichter Bart sorgfältig gestutzt. In seinen Augen lag ein sanfter Schimmer, eine gewisse Zaghaftigkeit, die sie bisher selten bei Männern, vorallem bei Männern in Rüstung, gesehen hatte. Raschid hieß er?! Der Name passte nicht zu ihm. Er klang viel zu harsch, viel zu ruppig.

Die Platte abstellend nahm sie all ihren Mut zusammen und lächelte ihm zu. So etwas hatte sie noch nie vorher versucht. Ihr Herz wummerte als wolle es zerbersten. Er lächelte zurück. Seine Zähne waren schön. Einen Moment lang vergaß Katalia alles andere.

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