Ilmis Warnung (17)
Katalia folgte Ilmi die hölzerne Treppe hinunter und durch die Eingangshalle.
Die geschäftigte Atmosphäre von vorhin war verschwunden und einer ruhigen Erwartung gewichen. Vereinzelt saßen erste Kunden auf bunten Kissen und sahen zwei Frauen zu, die zu sinnlichen Lyraklängen tanzten.
Katalia befand es für höchste Zeit, dass sie hier wegkam. Den weiteren Verlauf der Nacht an einem Ort wie diesem hier, musste sie nun wirklich nicht beobachten.
Ihre Augen fest auf die Tür gerichtet bewegte sie sich vorwärts, als Ilmi plötzlich ihren Arm packte.
,,He! Was-"
,,Komm hier rein!"
Grob zog Ilmi sie in einen kleinen Raum, kaum mehr als eine Kammer, die links von der Eingangshalle lag. Drinnen befand sich nichts außer einer Liege, breit genug für mehrere Personen. Die Wände waren mit Tüchern verhangen, durch die aufgestellte Öllampen schienen und ein geheimnisvolles Licht verbreiteten.
Sofort stellten sich Katalias Nackenhaare auf. Sie hatte genug Gruselgeschichten gehört von Mädchen, die entführt und in Bordellen festgehalten worden waren.
Sie verfluchte ihren Leichtsinn. Wie hatte sie nur so dumm sein können hier im Dunkeln herzukommen? Völlig alleine und ohne, dass jemand davon wusste! Was sollte aus Mutter werden, wenn sie nicht zurückkam?!
Katalia ballte die Fäuste und hob das Kinn. Zum Kampf bereit.
Doch bevor sie etwas tun oder sagen konnte, platzte Ilmi heraus: ,,Geh nicht auf diese Hochzeit!"
Katalia glaubte sich verhört zu haben. Sie ließ die Fäuste sinken. ,,Wie bitte?"
,,Ich sagte: Geh nicht auf diese Hochzeit!"
,,Auf Eiwies Hochzeit?! Aber Warum?"
Katalia musterte Ilmi, zwischen deren Augenbrauen sich eine tiefe Falte gebildet hatte. Das Geplänker zwischen ihr und Eiwie eben fiel ihr wieder ein.
Sie glaubte den Grund für Ilmis Worte gefunden zu haben und hob in einem Anflug von Spott die Augenbrauen.
,,Du bist neidisch." Stellte sie fest.
Ilmi entglitten die Gesichtszüge. ,,Neidisch?!"
,,Ja. Auf Eiwie. Weil sie jetzt heiratet und Geld haben wird und einen ausschweifenden Lebensstil führen kann und all das. Du bist neidisch darauf. Deswegen möchtest du versuchen ihre Hochzeit zu ruinieren."
Katalia konnte es verstehen.
Obwohl ,,Heiraten" und ,,Eine Ehefrau sein" sehr weit oben auf der Liste ihrer persönlichen Alpträume stand, konnte auch sie nicht anders als einen leisen Neid zu verspüren, bei dem Gedanken an das sorglose Leben das Eiwie erwartete. Doch sie gönnte es ihr. Alles davon. Aus vollem Herzen.
Ilmi schlug sich die flache Hand gegen die Stirn. ,,Du missverstehst mich! Ich bin nicht neidisch, ich will dich beschützen!"
,,Wie bitte?!" Katalias Augen weiteten sich ungläubig. ,,Wovor denn?"
,,Vor Eiwie!"
,,Warum würdest du mich vor Eiwie beschützen wollen? Sie hat mir nichts getan! Im Gegenteil, sie hat mir geholfen als ich in Not war!"
Katalia wäre fast nach Lachen zumute gewesen, so abstrus kamen ihr Ilmis Worte vor.
Ilmis Stimme wurde beinahe flehend. Sie verschlang ihre Finger ineinander.
,,Auch wenn sie das getan hat, Katalia, geh nicht auf diese Hochzeit! Halte dich von Eiwie fern, ich bitte dich!"
Katalia verdrehte die Augen. Für solchen Unsinn war ihr ihre Zeit zu kostbar. ,,Warum sollte ich nicht auf Eiwies Hochzeit gehen? Sie hat mich eingeladen!"
Ilmi warf die Hände in die Luft. ,,Meinetwegen dann geh auf ihre Hochzeit! Aber danach halte dich fern von ihr. Lass es nicht zu, dass sie dich noch weiter in ihre Schuld drängt. Das ist es nämlich was sie tut. Sie investiert in dich. Bringt dich dazu ihr zu vertrauen. Manipuliert dich auf Arten die du nicht einmal wahrnimmst. Ich kenne Eiwie!"
Katalia wurde neugierig. Und nicht nur das, Ilmis ernster Tonfall sorgte dafür, dass sie langsam unbehaglich wurde. ,,Wie lange kennst du Eiwie schon? Warum würdest du so etwas über sie sagen?"
,,Ich kenne sie seit etwas über drei Jahren. Das mag vielleicht nicht ewig lang wirken, doch ich denke ich kann behaupten, dass ich Eiwie von all den Personen in ihrem Leben am Besten kenne."
Katalia runzelte zweifelnd die Stirn. ,,Es hat vorhin eher so gewirkt als würdet ihr euch hassen!"
,,Das ist wohl wahr." Ilmi lachte finster. ,,Jedoch war es nicht immer so. Einst waren wir gute Freundinnen, beinahe wie Schwestern. Sie hat mir Dinge anvertraut, die sie sonst keinem anvertrauen würde."
,,Dann wird Eiwie sicherlich außer sich vor Freude sein, dass grade diese ehemalige gute Freundin Leute hinter ihrem Rücken vor ihr warnt!" Erwiderte Katalia zynisch.
Sie machte Anstalten aus dem Raum zu laufen, aber Ilmi stellte sich vor sie.
,,Bitte gib mir noch einen Moment! Ich will es dir erklären!"
Katalia seufzte. Sie hatte wenig Lust zwischen die Fronten von zwei zerstrittene Freundinnen zu geraten, aber welcher Schaden konnte schon daraus entstehen, dass sie Ilmi zuhörte? Danach könnte sie sich immer noch ihre eigene Meinung bilden. Immerhin schien es nicht mehr so, als würde man sie im Bordell festhalten wollen.
,,Nun Gut. Ich höre."
Ilmi atmete tief durch und legte Katalia eine Hand auf den Arm. ,,Mir leuchtet ein wie befremdlich meine Warnung auf dich wirken muss. Du denkst sicher Eiwie ist die Gutherzigkeit in Person. Doch lass mich dich eins fragen, wenn Eiwie wirklich nichts zu verbergen hätte, warum hat sie deine Frage über ihre Jahre auf der Straße nicht beantwortet?"
,,Weil sie nicht dazu verpflichtet ist mir über sich zu erzählen! Sicherlich waren es harte Zeiten, über die es ihr schwer fällt zu sprechen."
Ilmi sah sie an und Katalia wurde immer gereizter, als sie so etwas wie Mitleid in den schmalen, schwarzen Augen erkannte.
,,Katalia, weißt du, es gibt ein Sprichwort in dem Dorf aus dem ich stamme." Sagte sie ruhig. ,,Es geht so: Traue niemals einem Überlebenden, wenn du nicht ganz genau weißt was er getan hat um zu überleben."
Katalia schüttelte Ilmis Arm ab. Der leichte Anflug von Unbehagen war verschwunden, stattdessen fand sie jetzt, dass Ilmi wohl nicht mehr alle Haarsträhnen im Zopf hatte.
,,Was kümmert es mich, was Eiwie vor Jahren getan hat? Was auch immer es war, die Wahrheit ist, dass wohl jeder das Selbe tun würde, ginge es um Leben und Tod! Jeder würde lügen, oder stehlen, oder töten, wenn es wirklich gälte. Eiwie hat getan, was sie tun musste und diese Zeiten sind jetzt vorbei. Das ist kein Grund sie als Bedrohung einzustufen!"
Ilmi seufzte. ,,Lass mich dich noch etwas fragen, Katalia. Du sagst Eiwie hätte dir aus einer Notsituation geholfen... Aus welchem Grund, denkst du, hat sie das getan?"
Katalia warf genervt die Hände in die Luft. ,,Ich weiß es nicht! Warum helfen Menschen sich gegenseitig? Villeicht weil sie es können, oder weil sie sich danach gut fühlen, oder villeicht auch wegen etwas so simplem wie Gutherzigkeit!"
Ilmi schnaubte. ,,Eiwie macht für niemanden etwas aus Gutherzigkeit!"
,,Wenn du so unbedingt wissen willst, warum sie mir damals geholfen hat, dann geh wieder nach oben und frage sie!" Sagte Katalia ungnädig.
Wenn Ilmi glaubte eine Hasstirade und eine kryptische Warnung würden sie davon abhalten auf Eiwies Hochzeit zu gehen, dann hatte sie sich geschnitten.
Ilmi schüttelte den Kopf. Ihre Stimme klang müde. ,,Selbst wenn ich sie fragen würde, würde ich den wahren Grund nicht erfahren. Es gibt etwas, dass du über Eiwie wissen musst: Sie spricht nie die ganze Wahrheit, nur Teile davon. Nicht zu dir, nicht zu mir und auch nicht zu all den anderen armen Narren die ihre Gesellschaft suchen."
Katalia war entrüstet. ,,Du sagst also Eiwie ist eine Lügnerin?! Warum hat sie mir dann eben voller Ehrlichkeit von ihrem Leben erzählt? Von ihrer Vergangenheit, ihren Plänen?"
Ilmi schnaubte spöttisch. ,,Voller Ehrlichkeit?! Sie hat zwei bedeutende Jahre völlig übersprungen! Sie hat überhaupt nicht erzählt, wie sie diesen Narren dazu gebracht hat sie zu heiraten und sie hat dir erzählt ihre Mutter wäre adelig gewesen!"
Katalia stutze. ,,Ihre Mutter war nicht adelig?"
Ilmi schüttelte den Kopf und lachte, wie man über einen Dummkopf lachte. ,,Nein. Das redet sie sich nur gerne ein. Ihre Mutter ist ebenso in einem Bordell geboren worden, wie Eiwie selber!"
Katalia wollte trotzig erwidern, dass das ja wohl eine harmlose Lüge war, für die man Eiwie nicht verurteilen durfte, doch Ilmi schnitt ihr das Wort ab.
,,Eiwie lügt ständig! Sie erzählt dir was du hören willst und was ihr am Besten gefällt. Was kümmert sie die Wahrheit?! Sie erzählt dir Sachen die ihren Zwecken dienen, damit sie dich dazu bringen kann, dass zu tun was sie will. Ob du ihre Freundin bist oder ihr Verlobter ist völlig gleich, sie sieht dich als Nichts mehr als das was du ihr nützen kannst."
Ilmis schmale Augen bohrten sich in sie. Ihre Stimme war eisig. ,,Nimm dies als meine Warnung, Katalia. Halte dich von Eiwie fern oder ihre Arglist wird dich schließlich zu Fall bringen! Ich weiß, dass sie mich zu Fall gebracht hat!"
,,Wie meinst du das?" Flüsterte Katalia.
Ilmi starrte sie aus finsteren Augen an. ,,Hätte es Eiwie nicht gegeben wäre ich jetzt nicht hier! Sie ist der Grund warum ich in diesem Bordell bin."
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