Ilmi (15)
Katalia wirbelte herum, um zu sehen von wem die Stimme kam. Sie hatte von erstaunlich weit unten geklungen, was sich jetzt erklärte, denn lang auf dem Boden ausgebreitet lag eine junge Frau.
Sie war wohl mindestens zwanzig, was Katalia an ihren zwei Zöpfen erkennen konnte, die ihr über jede Seite des Halses fielen. Ihr Haar war so schwarz und glänzend wie das Gefieder eines Raben.
Die Frau hielt einen Spiegel umklammert, auf dem sie halb lag. Er war quadratisch und an einer Ecke mit künstlichen Blumen verziert. Ein korallenroter Lippenstift lag unweit ihrer Reichweite. Dem Anschein nach machte sie sich wie Eiwie hübsch für den Abend. Auch wenn es merkwürdig war, dass sie dafür auf dem Boden lag.
Katalia wusste nicht recht wie sie reagieren sollte deswegen nickte sie nur eine stumme Begrüßung.
Schmale spöttische Augen starrten ihr aus dem Spiegel entgegen. Ansonsten reagierte die Frau nicht weiter.
Eiwie drehte sich verärgert zu ihr.
,,Ilmi! Welcher Schatten der Nachwelt hat dich zu dieser Unterhaltung eingeladen? Denn ich oder Katalia waren es nicht!"
Die Schwarzhaarige zeigte sich unbeeindruckt. ,,Ich entsinne mich nicht mehr. Es wäre möglich, dass es der Geist deines Vaters war. Schließlich könnte das jeder sein."
Ilmi legte ein provozierendes Lächeln auf und rollte sich auf die Seite.
,,Aber lass dich nicht von mir stören, Eiwie. Erzähl dem Mädchen von deinem armseligen Leben. Doch bitte fass dich kurz, sonst schlaf ich dabei ein."
Der Blick den Eiwie der anderen Frau zuwarf strahlte die alles vernichtende Wut einer Naturgewalt aus. Sie öffnete den Mund um etwas zu erwidern, besann sich dann aber eines Besseren.
Sie wandte sich wieder ihrer Besucherin zu.
,,Bitte schenk Ilmi keine Beachtung, Katalia. Sie ist bloß eine mürrische Frau, die zu viel Wein nicht veträgt, doch jeden Abend zu ihm greift um ihre Unzufriedenheit zu ertränken."
,,Als würdest du das nicht auch tun." Murmelte Ilmi und hickste.
Eiwie ignorierte sie.
,,Lass mich dir von mir erzählen, Katalia. Damit du verstehst. Ich bin achtzehn Jahre alt. Geboren wurde ich in einem Bordell, von einer Mutter die als Sklavin von den Kamil-Inseln nach Dun kam. Weißt du Bescheid über diese Inseln?"
Katalia nickte. Sie hatte genug Marktplatz Gerede überhört und vor Jahren einmal für ein paar Münzen bei einem Sklavenhändler ausgeholfen, der ihr ebenfalls das ein oder andere erzählt hatte.
Die Kamil-Inseln hatten die Dunja vor etwa zwanzig Jahren unterworfen, doch seitdem war es dort regelmäßig zu Aufständen gekommen. Es kostete viel Kraft die Aufstände niederzuschlagen und demzufolge wurde heftig diskutiert, ob es sich überhaupt lohnte weiterhin an den Inseln festzuhalten.
Die Bewohner der Inseln waren wild und barbarisch, jedoch geübte Kämpfer und Seefahrer, und, durch die Perlenbuchten die sich an den Rändern ihrer Inseln fanden, alles andere als arm. Sie sprachen dieselbe Sprache wie die Dunja, aber mit einen gewissen Dialekt. Außerdem, fiel Katalia ein, sagte man, dass die dortigen Frauen sich ihre Haare nicht flochten.
Katalias ließ ihren Blick erneut über Eiwies gelöstes Haar wandern.
,,Ich habe von den Inseln gehört. Du stammst also von dort?"
Eiwie zuckte mit den Schultern. ,,Meine Mutter stammte von dort. Ob ich auch von dort stamme muss ich noch herausfinden. Ich war noch nie dort. Dennoch trage ich meine Haare manchmal offen, so wie meine Mutter es getan hat, so wie ihre Mutter es getan hat und so wie alle Frauen von den Kamil Inseln es auch heute noch tun. Das ist ein Erbe dieser Inseln, ein Erbe von der Heimat meiner Mutter, dass ich entschieden habe anzunehmen."
Katalia nickte als würde sie verstehen, in Wirklichkeit verstand sie gar nichts.
Eiwie beobachtete sie und entblößte einen Moment lang die Zähne in einem perlweißem Lächeln. Dann fuhr sie fort: ,,Die Familie meiner Mutter, jedenfalls, war adelig und herrschte über einen großen Teil von einer der Inseln. Doch das hat meiner Mutter nicht weiter genützt, nachdem die Dunja in ihr Gebiet eingefallen waren. Sobald man versklavt ist, ist man versklavt."
Katalia musste an ihre eigene Mutter denken. Auch sie hatte einst einer einflussreichen Familie angehört und dann allen Einfluss und Reichtum verloren. Doch sie hatte eine Wahl gehabt. Zwischen ihrem gewohnten Leben und Katalias Vater. Eiwies Mutter hatte keine Wahl gehabt. Ihr war einfach alles genommen worden.
,,Was geschah also mit deiner Mutter?"
,,Nun, sie wurde in ein Bordell verkauft und machte diesem bald einen Namen. Mehrmals wurde sie schwanger, entschloss sich aber nur in meinem Fall das Kind zu haben. Sie bekam mich und nannte mich Eiwiana. Wie Ilmi es schon angedeutet hat, kenne ich meinen Vater nicht. Auch meine Mutter könnte nicht sagen wer er ist. Trotzdem wuchs ich nicht einsam auf. Das ganze Bordell zog mich groß. Ich kann nicht sagen, dass ich meine Kindheit unglücklich verbracht habe. Es war stets für mich gesorgt und da ich nie etwas anderes gekannt hatte hielt ich alles was ich sah für normal. Jede Nacht musste ich zum schlafen in einen Schrank kriechen der dann abgeschlossen wurde. Zu meinem eigenen Schutz. Auch das hielt ich für normal. Das Einzige was ich nicht verstand war, wie die Leute meine Mutter und die anderen Frauen behandelten, wann immer wir ausgingen. Sie wurden gemieden, beschimpft, bespukt. Und trotzdem begehrt. Das Bordell war stets gut besucht. Jede Nacht hörte ich viele unterschiedliche Stimmen, so dass ich kaum Schlaf finden konnte."
Katalia sah sie mit großen Augen an. Sie wusste nicht was sie sagen sollte, deshalb blieb sie still.
Eiwie fuhr fort. ,,So viel zu meiner Kindheit. Meine Mutter hatte mich ein paar Monate lang zu einer Schule geschickt, aber dann beschlossen, dass es das Geld nicht wert war. Ich würde sowieso eine Prostituierte werden. Wie denn auch nicht, wenn das Bordell alles war was ich jeh gekannt hatte."
,,Und hatte sie nicht Recht...?!" Murmelte Ilmi vom Boden aus.
,,Sei still!" Erwiderte Eiwie unwirsch, ohne ihren Blick von Katalia zu nehmen.
,,Als ich dann 14 wurde, wurde es langsam Zeit für mich mit dem arbeiten anzufangen. Weißt du, damals hatte ich gedacht ich wüsste alles was zu wissen war über die Arbeit im Bordell. Wie schwer konnte es sein, dachte ich. Meine Mutter und die anderen Frauen taten es doch fast jede Nacht. Dennoch hätte mich kein Wissen der Welt auf meine erste Nacht, auf meinen ersten Kunden vorbereiten können."
Die junge Frau erschauderte.
,,Also sagte ich meiner Mutter am nächsten Morgen, dass ich das nicht konnte. Es kam zu einem Streit wo sie mich anschrie und schlug. "Warum solltest du es besser haben als ich?" rief sie, dass es durch die ganze Gasse hallte. Du musst wissen, meine Mutter..."
Eiwie rieb sich nachdenklich den Unterarm.
,,Sie war eine aufbrausende Person. Jähzornig sogar. Ich glaube nicht von Grund auf böse, sie konnte sehr liebevoll zu mir sein, doch sie war eine aufbrausende Frau mit einem traurigen Schicksal und einem Hang zum Verdruss. Doch das war nicht der einzige Grund, warum sie mich an jenem Morgen auf die Straße warf. Es war nun einmal so, dass es mir nicht erlaubt war zu bleiben, wenn ich nicht mitarbeitete. Wie in Trance ging ich meine wenigen Sachen holen. Die anderen Frauen weinten und baten mich zurückzukommen sobald ich es mir anders überlegte, doch meine Mutter sagte sie wolle mich nie wieder sehen. Ich hätte sie im Stich gelassen."
Eiwie machte eine kurze Pause, um durchzuatmen. Die Atmosphäre im Raum war zum zerreißen gespannt. Selbst Ilmi schien der Geschichte erwartungsvoll zu lauschen.
,,Ich stand also auf der Straße, meine Sachen in der Hand und sah hinauf zu dem Bordell, dass mein Leben lang mein einziges Zuhause gewesen war. Das war der Tag an dem ich den Namen Eiwiana ablegte und mich nur noch Eiwie nannte. Villeicht war das kindisch, ich weiß es nicht, doch damals erschien es mir nur logisch. Mein Leben würde nie wieder das Selbe sein. Ich würde nie wieder die Selbe sein. Also warum den selben Namen behalten? Den Namen den meine Mutter mir gegeben hatte, die von jenem Tag an nicht mehr meine Mutter war."
Eiwie lächelte betrübt.
Katalia räusperte sich. ,,Und wie ging es dann für dich weiter?" fragte sie heiser.
Heyyyy:) Tut mir Leid, dass so lange nichts kam. Frohe Adventszeit euch allen!
Ich hoffe das Kapitel ist jetzt gut so, ich schau morgen nochmal drüber.
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