Elinda (25)
,,Sie müsste jeden Moment hinauskommen." Sagte Martinus nervös.
Er wippte entweder von den Fußballen auf die Zehen und zurück, lief unentwegt auf und ab oder zupfte an seinen schwarzen Locken, die ihm inzwischen fast bis zur Schulter reichten. Manchmal tat er auch alle drei Dinge zugleich. Warum war Katalia ein Rätsel.
,,Kannst du nicht mal einen Atemzug lang still halten?!" Sie stieß ihm genervt den Ellbogen in die Seite.
Die Beiden standen mitten auf einer breiten, gepflasterten Straße in dem wohl wohlhabendstem Viertel der Stadt. Hier waren die Häuser keine Häuser sondern Paläste, von parkähnlichen Gärten umschlossen und von hohen Eisenzäunen, sowie bewaffneten Wachen geschützt.
Katalia hatte sich selten so fehl an einem Ort gefühlt. Und doch... Der Anblick der riesigen Villen vor denen Springbrunnen plätscherten weckte etwas in ihr. Eine Sehnsucht. Eine Sehnsucht nach etwas das sie nie gekannt hatte.
Der Tag von Eiwies Hochzeit war gekommen und Martinus hatte Katalia vorgeschlagen, dass sie früher da sein und vor dem Tor warten könnten bis Elinda und ihr Vater herauskamen.
,,Auf diese Weise kannst du sie endlich kennenlernen, Katze!" Hatte er gesagt und sie mit Augen angeschaut die vor Begeisterung leuchteten. ,,Ihr werdet euch gut verstehen, da bin ich sicher!"
Katalia war sich da nicht so sicher. Sie hatte dem Treffen trotzdem zugestimmt, denn in gewisser Weise war sie neugierig auf Elinda.
Katalia wusste nichts über sie, außer dass ihr Vater Blumen verkaufte. Wie mochte sie wohl sein?
Fest stand: wenn Martinus so verrückt nach ihr war, musste sie jemand ganz Besonderes sein.
,,Aua! Du hast Ellbogen wie Speerspitzen." Jammerte Martinus und hielt sich die Rippen.
,,Ach, hör auf zu flennen!" Sagte Katalia ungnädig. ,,Oder willst du, dass deine Angebete dich so sieht?! Wo bleibt sie denn bloß?"
Ungeduldig sah sie sich um.
Sie und Martinus standen neben einem Eselkarren, den Martinus als den von Elindas Vater erkannt hatte, unweit von dem riesigem Haus in dem die Hochzeit stattfinden würde. Der Esel war an einen Baum gebunden worden und döste. Katalia fragte sich ob er wohl von dem Gestüt von Elindas Onkel stammte.
Martinus zuckte mit den Schultern. ,,Sie hat mir nur gesagt, sie und ihr Vater würden gehen bevor die Gäste eintreffen. Ich dachte auch, sie wäre inzwischen längst hier."
,,Wie lange kann es denn dauern ein paar Blumengirlanden aufzuhängen?!" Murmelte Katalia genervt.
Sie war den ganzen Tag lang auf der Suche nach Arbeit unterwegs gewesen und immer wieder abgewiesen worden, deswegen war sie schlecht gelaunt. Davon abgesehen war ihr nicht entgangen, dass Martinus keinen Versuch unternommen hatte zu leugnen, dass er Elinda anbetete.
Obwohl Katalia sich vor ein paar Tagen noch sehr auf die Hochzeit gefreut hatte, grübelte sie jetzt nur noch darüber nach ab wann die Regeln der Höflichkeit ihr es wohl erlaubten wieder zu gehen.
,,Ich soll dich übrigens etwas von meiner Mutter fragen." Wechselte Martinus das Thema und verbarg die Hände in den Falten seines Gewandes.
,,Ach ja? Was denn?"
Katalia wollte nichts von Nilia hören.
Sie wollte sie auch nicht sehen. Ihre dunklen, verweinten Augen und der mitleidige Ausdruck in ihrem Gesicht.
Sie würde über das reden wollen was passiert war. Sie würde der Meinung sein, dass Katalia und sie die gleiche Trauer teilten.
Eigentlich stimmte das wohl auch, doch so merkwürdig es war, Katalia wollte es nicht wahrhaben. Sie wollte die Einzige sein die um ihre Mutter trauern durfte.
,,Nun, zuerst einmal wollte sie hören wie es dir geht und dann wollte sie, dass ich dir eine Einladung überbringe..." Martinus kratzte sich am Kopf. ,,und zwar eine Einladung mit uns zu leben."
,,Was?"
Martinus zuckte mit den Schultern. ,,Es ist kein abwegiger Vorschlag. Du bist jetzt völlig alleine in diesem Haus mit der kaputten Tür, das ist nicht sicher! Davon abgesehen sind wir doch sowieso wie Familie."
Katalia starrte den Zaun an, der das Haus umgab. Sie hoffte darauf, dass Elinda genau jenen Augenblick ersuchen würde um zu erscheinen und Katalia vor diesem Gespräch rettete.
,,Nein, Martinus." Sie räusperte sich und versuchte freundlich zu klingen. ,,Gib Nilia meinen Dank für das Angebot, aber ich werde bleiben wo ich bin."
Martinus konnte nicht verbergen, dass er verletzt war.
,,Bist du dir sicher?! Weshalb?"
,,Nun..."
Katalia starrte weiter den Zaun an. Wie sollte sie ihm erklären, dass das Haus zu verlassen in dem die Erinnerung ihrer Eltern lebte und stattdessem bei ihm einzuziehen, Nilia jeden Tag sehen zu müssen und von früh bis spät von seinen Halbgeschwistern umgeben zu sein, die Hölle für sie wäre.
Der Zaun war aus solidem Eisen, so hoch wie drei ausgewachsene Menschen übereinander. Blickdichte Büsche waren dahinter gepflanzt worden, sodass, was auch immer sich im Garten des Hauses abspielte vor der Außenwelt verborgen blieb. Elinda könnte zwei Schritte entfernt von ihnen entfernt direkt dahinter stehen und Katalia und Martinus würden es nicht wissen.
Ein Teil von ihr wünschte sich einfach nur, dass Elinda nicht existieren würde. Das es einfach nur bei Katalia und Martinus geblieben wäre. Zwei Freunde, die einander wichtiger waren als jede andere Person auf der Welt.
Der andere Teil wünschte sie innbrüstig herbei.
,,Martinus!" Ertönte auf einmal eine glockenhelle Stimme hinter ihnen.
Katalia wirbelte herum um und sah ein junges Mädchen mit einem breiten Lächeln im Gesicht auf sie zulaufen. Sie fiel Martinus um den Hals und er erwiderte ihre Umarmung.
,,Elinda, bewahr Haltung! Wir sind in der Öffentlichkeit." Mahnte der ältere Mann sie, der hinter ihr aus dem Tor getreten war und sich nun an dem Eselkarren zu schaffen machte.
Das Mädchen errötete.
,,Verzeihung, Martinus." Sagte sie während sie sich von ihm löste. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit Katalia zu und streckte ihr die Hand hin. ,,Du musst Katalia sein! Ich freue mich sehr dich kennenzulernen. Martinus redet immerzu von dir!"
Katalia nickte und schüttelte zögernd Elindas Hand, während sie das Mädchen mit ihren grün - braunen Augen musterte.
Elinda war villeicht sechzehn Jahre alt und in leuchtenden gelb- und orangetönen gekleidet. Wie sie so in der Sonne stand, sah sie selber aus wie eine bunte Blume.
Ihr langer Zopf war makellos, schwarz und seidenglatt. Sie trug keine Haarspangen, aber dafür metallene Ohrringe sowie Kohlenstift um die Augen. Offensichtlich war ihr ihre Erscheinung nicht gleichgültig.
Sie sah nicht perfekt aus, ihre Zähne waren zu groß und ihr Kinn etwas zu spitz, trotzdem war sie zweifelsohne sehr hübsch. Vorallem wenn sie lächelte.
In ihrem Lächeln lag jener kindlicher Optimismus und strahlende Lebensfreude, die Katalia so völlig abgingen.
,,Habe ich euch warten lassen?" Fragte Elinda, wobei sie ausschließlich Martinus ansah.
,,Es ist kein Problem." Sagte Katalia knapp. Sie räusperte sich und bemühte sich um einen freundlichen Ton. ,,Es ist eine sehr ausschweifende Hochzeit, nicht wahr? Du und dein Vater musstet viel zu tun haben."
Sie nickte. ,,Oh Ja, In der Tat! Ihr solltet das Haus und diesen Garten sehen, jeder Fleck ist dekoriert!"
,,Das tun wir auch gleich, denn Katalia ist auf der Hochzeit eingeladen." Platzte Martinus heraus. ,,Sie kennt die Braut."
,,Nur flüchtig." Murmelte Katalia.
Elindas Augen wurden groß und rund. ,,Wirklich?! Du Glückliche!"
Einen Moment lang war es still.
,,Wirst du dann auch mit auf die Hochzeit gehen, Martinus?" Fragte Elinda neugierig.
Er nickte.
Wieder war es still.
Katalia merkte, dass Elinda auf eine Einladung wartete, doch diese könnte Katalia ihr nicht überbringen. Die Höflichkeit erlaubte es einem nicht, mehr als einen unangekündigten Begleiter auf ein Fest mitzunehmen.
Elinda schien erleichtert, als ihr Vater nach ihr rief.
,,Verzeiht! Ich muss gehen! Auf Wiedersehen." Verabschiedete sie sich.
Dann rannte sie zügig zu ihrem Vater und kletterte neben ihn auf den Karren. Ihr schlankes Handgelenk hob sich und winkte, dann nahm ihr Vater die Zügel auf und der Esel setzte sich in Bewegung.
Martinus und Katalia sahen dem Karren nach, der langsam von dannen zuckelte. Elindas schwarzer Zopf schimmerte in der Sonne.
Martinus Augen leuchteten. ,,Ist sie nicht wundervoll?"
,,Oh ja." Murmelte Katalia.
Es hieß Eifersucht, das wusste sie. Dieses Gefühl, das ihr Herz zu vergiften schien.
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