Eiwies Hochzeit (26)

Wie nicht anders zu erwarten sah Eiwie umwerfend aus.

Sie trug ein eng anliegendes Gewand, in der traditionell schwarzen Farbe einer Braut, das ihre makellose Figur betonte. Ihr geöltes Haar war in einem einzigen Zopf geflochten, der am Hinterkopf begann und ihr bis zur Hüfte fiel.

Der Schmuck den sie trug war silbern, eine ungewöhnliche Wahl, bevorzugten Dunja Frauen doch in der Regel Gold, aber an Eiwie sah es hervorragend aus.

Die schnatternde, lachende Masse von Gästen verstummte, als sie auf der Türschwelle erschien.

Eiwies Schritte waren zaghaft, beinahe schüchtern. Silberne Armreifen klirrten sachte, während sie sich auf den zeremoniellen Weg quer durch den Garten machte.

Katalia bemerkte, dass Eiwie auf den roten Lippenstift und das viele Puder verzichtet hatte, dass sie sonst auf dem Gesicht trug. Einzig ein wenig zartes Rosa auf Lippen und Wangen hatte sie aufgelegt, sowie Kohlenstift auf den oberen Teil ihrer Lider, der ihre Augen größer und runder wirken ließ.

Es ließ sie jünger aussehen, unschuldiger. Eine rehäugige Braut, die noch nie vorher einen nackten Mann gesehen hatte.

Katalia hätte es ihr fast abgekauft, hätte sie es nicht so viel besser gewusst.

,,Das ist deine Freundin?" Flüsterte Martinus beeindruckt.

,,Bekannte." Gab Katalia zurück. ,,Flüchtige Bekannte."

All ihre Erwartungen des Festes waren bisher übertroffen worden.

Mindestens zehn lange Tische ächzten und neigten sich unter dem Gewicht von goldenen Tellern und Schüsseln voller feiner Speisen.

Die Dekoration war mehr als üppig.
Elinda und ihr Vater mussten ganze Blumenfelder abgeerntet und herangeschafft haben, denn überall verbreiteten kunstvolle Sträuße, Kränze und Girlanden ihren Duft. Auch Laternen, Kerzen und seidene bunte Tücher schmückten den riesigen Garten. Ganze Stadtteile hätten hier drin Platz und ausreichend Dekoration gefunden, so hatte Martinus es formuliert.

Trotz der Größe des Gartens hatten Martinus und Katalia kaum den Platz sich umzudrehen, denn Hunderte Gäste waren erschienen. Sie drängten sich um den, aus Blütenblättern gelegten, Pfad, um einen möglichst guten Blick auf die Braut zu haben. Die Meisten waren Frauen, die ihre glitzernden Zöpfe unter Numbiis versteckten, in hohen Stimmen kicherten und tratschten, und Eiwie neidische, missgönnerische Blicke zuwarfen.

Katalia rückte ihren roten Numbii zurecht und sah zu, wie Eiwie den Weg entlang schritt.

Sie war froh, dass die Zeremonie langsam ihren Lauf nahm, denn so schön das Fest auch war und so sehr sie sie sich auch freute Zeit mit Martinus zu verbringen, der im Angesicht all dieser Pracht völlig aus dem Häuschen war, so wenig konnte sie die Feierlichkeiten genießen. Katalia fühlte sich leer, hohl, ausgesaugt und sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass sich das jemals wieder ändern sollte.

Sie betrachtete Eiwie, die wie in Trance ihrem neuen Leben entgegenschritt.

Mit einem Anflug von Traurigkeit, der diesmal nichts mit ihrer Mutter zu tun hatte, dachte Katalia daran, dass sie selbst wohl nie eine Braut werden würde.

Als Eiwie direkt an ihr und Martinus vorbeischritt, bohrten ihre Augen sich in Katalias. Katalia lächelte ihr zu und wachsende Verwirrung keimte in ihr auf, als sie bemerkte das Eiwie wütend zurücksah. Ihre dünn gezupften Brauen waren erzürnt zusammengezogen.

Als Eiwie ihren Weg zur Bühne unterbrach und direkt vor Katalia zum stehen kam, beschlich das Mädchen das Gefühl, dass etwas nicht stimmte.

,,Eiwie, was-"

,,Was machst du in der Menge, Katalia?!" Fauchte die junge Braut sie im Flüsterton an. Jedoch laut genug, dass alle Gäste ihre Worte vernehmen konnten, in der Totenstille die herrschte. ,,Du musst hinter mir herlaufen! Den Weg entlang!"

Katalia wechselte einen verdutzten Blick mit Martinus. Dieser war ebenfalls verwirrt, aber nickte mit dem Kinn zu dem Weg, der die Menge teilte wie ein Bach zwei Ufer.

,,Nun geh schon, Katze."

Katalia war so verdutzt, dass sie einfach tat wie ihr geheißen. Eiwie setzte ihren Weg fort, entschuldigend ins Publikum lächelnd, und Katalia folgte ihr mit einigen Schritten Abstand.

Angestrengt überlegte sie was los sein könnte? War dies wieder irgendein dämlicher Brauch über den sie nicht Bescheid wusste?

Verflucht seien all diese Bräuche! Welcher Narr hatte sie sich bloß ausgedacht?! Und verflucht sei Eiwie! Vor hunderten von reichen, einflussreichen Leuten zum Affen gemacht zu werden war nichts was Katalia heute gebräucht hätte.

Sie erreichten die Bühne und Eiwie erklomm die hölzernen Stufen, anmutig wie ein Schwan.

Auf weitere Anweisungen wartend verweilte Katalia vor der Bühne. Als hätte Eiwie ihren Blick im Rücken gespürt, drehte sie sich kurz um.

,,Bleib da! Setz dich hin!" Zischte sie.

Katalia fuhr zusammen und ließ sich dort wo sie stand auf dem Boden nieder. Mit Erleichterung bemerkte sie, dass die allgemeine Aufmerksamkeit von ihr abgelassen und sich wieder auf Eiwie gerichtet hatte. Die schwarzgekleidete Frau stand mit gespielter Züchtigkeit auf der Bühne und tauschte mit den Eltern des Bräutigams auswendig gelernte Phrasen aus.

Katalia stützte missmutig das Kinn in die Hände. Eine Welle von Enttäuschung überrollte sie. Das war nicht das Hochzeitsfest auf das sie sich vor wenigen Wochen noch gefreut hatte. Warum behandelte Eiwie sie so merkwürdig?

,,Versprichst du meinem Sohn eine gute Ehefrau zu sein, so wie seine Mutter es mir ist?" Fragte der ältere Mannn, der auf der Bühne saß, Eiwie.

Katalia fiel auf, dass einige der Phrasen anders waren, als bei der Hochzeit auf der sie an ihrem Geburtstag gewesen war. Sie waren angeglichen worden, um sich nach der Tatsache zu richten, dass diesmal die Familie des Bräutigams für das Fest zahlte. Normalerweise war es andersherum, traditionell kam die Familie der Braut für Hochzeit und Mitgift auf.

Wenn Katalia sich richtig entsinnte, dann war die Braut von der letzten Hochzeit eine der Schwestern von Eiwies Verlobten gewesen. Das hieß die Eltern hatten zwei dieser riesigen Hochzeiten innerhalb weniger Wochen gehalten. Katalia stockte der Atem. Wieviel Geld musste diese Familie besitzen?

Sie war überrascht angesicht des Ehemannes, der nun ebenfalls quer durch den Garten lief und die Bühne erklomm. Er war ganz anders, als Katalia erwartet hatte, jünger, charmanter, besseraussehender. Sein weißes Gewand war makellos, sein Gesicht sorgfältig rasiert und, als er Eiwie als Braut gekleidet vor sich sehen sah, lag in seinen Augen ehrliche Liebe, die schon an Anbetung grenzte. Er schien nicht wie ein Mann der abends Bordelle aufsuchte.

Katalia war so sehr in Gedanken versunken, dass sie die Zeremonie praktisch nicht mitbekam. Erst als laute, fröhliche Musik einsetzte schreckte sie auf.

Die Menge jubelte und pfiff als der Bräutigam und Eiwie von der Bühne stiegen, um den Tanz zu beginnen.

Lärm und Ausgelassenheit erfüllten den Garten. Gelächter machte sich breit, als die Leute sich von dem Essen nahmen, sich um die frisch Vermählten drängten, oder ihrerseits anfingen zu tanzen.

Katalia ließ ihren Blick über die Menge wandern und erspähte Martinus, der an einem der Tische stand und sich gleich zwei Teller mit Essen fühlte. Belustigt schüttelte sie den Kopf.

Die Zeremonie war vorbei und Eiwie schien fürs Erste beschäftigt zu sein, also richtete Katalia sich auf und gesellte sich zu ihrem Freund.

,,Martinus!"

,,Katze." Nuschelte er. Seine Backen waren so vollgestopft, dass sein Gesicht unförmig aussah.

,,Was war denn das bloß eben?" Fragte er, nachdem er ausgekaut hatte.

Katalia zuckte mit den Schultern und nahm sich ein gegrilltes Hühnerbein von seinem Teller. Er wollte nach ihrer Hand schlagen, aber sie wich aus.

,,Ich weiß es nicht." Gab sie zu, während sie an dem Fleisch knabberte. Obwohl sie hungrig war, hatte sie keinen besonderen Appetit. Das war eine weitere der vielen Nebenwirkungen, die der Tod ihrer Mutter auf sie ausgeübt hatte. Alles was sie früher schön gefunden hatte im Leben, hatte nun seinen Reiz verloren. Essen schien geschmackloser, Farben schienen weniger bunt, Blumen rochen nur noch nach Tod und Verwesung.

,,Villeicht ist das ein Brauch?" Schlug Martinus vor. ,,Die Braut darf sich eine Freundin aussuchen die hinter ihr her läuft? Den Weg mit ihr geht, sozusagen?!"

,,Villeicht." Meinte Katalia. ,,Ich verstehe nur nicht warum sie mir davon nichts gesagt hätte." Davon abgesehen hatte Eiwie doch sicherlich Freundinnen, die sie schon länger und besser kannte als Katalia. Mädchen aus dem Bordell, villeicht.

Ilmi fiel ihr wieder ein und Katalia wurde mulmig zumute. War es das gewesen wovor Ilmi sie hatte warnen wollen? Hatte Eiwie vorgehabt sie heute bloßzustellen?

,,Villeicht hat sie es dir gesagt und du hast es wieder vergessen, Katze?"
Martinus lief zu dem benachbarten Tisch auf dem sich alle denkbaren Süßspeisen türmten und nahm sich mit der Hand ein paar Küchlein, die er sogleich in den Mund stopfte. Eine ältere Frau neben ihm rümpfte pikiert die Nase.

Katalia zuckte mit den Schultern. Sie wusste, dass dem nicht so war, aber hatte keine Lust noch weiter darüber zu reden. ,,Wäre möglich."

,,Du kannst sie ja gleich fragen gehen!" Schmatzte Martinus. ,,Du solltest ihr sowieso noch zur Hochzeit gratulieren."

,,Jaja, werde ich auch." Katalia sah zur Seite. Jetzt wo sie schonmal hier war könnte sie ebenso versuchen sich satt zu essen. Wer wusste schon, wann und was ihre nächste Mahlzeit sein würde.

Katalia hatte sich grade von den kandierten Früchten genommen, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte.

,,Hier bist du also."

Eiwie stellte sich neben sie. Vom Nahen sah sie noch schöner aus. Katalia bewunderte im Stillen ihren wohlgeformten Körper und den Glanz ihrer Haare.

,,Hatte ich dir nicht gesagt, du sollst vor der Bühne warten? Weshalb hast du meine Anweisungen nicht erfüllt?" Eiwies Stimme war kühl.

,,Herzlichen Glückwunsch zur Hochzeit, Eiwie." Gab Katalia ohne große Begeisterung zurück. ,,Weswegen hast du mir überhaupt Anweisungen erteilt? Gibt es da etwas das ich wissen sollte?"

Eiwie seufzte. ,,So kann man es wohl sagen." Sie langte über den Tisch nach einem Weinkrug und zwei Bechern und goß sich und Katalia ein.

Sie hob den Becher auf Augenhöhe. ,,Zum Wohl, Katalia."

Katalia stieß widerwillig mit ihr an und trank einen Schluck. Langsam wurde sie gereizt. ,,Also?"

Eiwie nippte an ihrem Wein. ,Du musst verstehen, es ist ein Brauch."

Katalia verschränkte die Arme. Soviel hatte sie sich auch schon zusammengereint. ,,Und warum hast du mir nicht schon früher davon erzählt?"

Eiwie trank ein paar Schlucke Wein und bedeutete Katalia es ihr nachzutuen. Verärgert nippte das Mädchen erneut an ihrem Becher. Schon spürte sie, wie ein leichter Schwindel sie überkam. Der Wein musste sehr stark sein.

,,Liege ich recht in der Annahme, dass er deine Begleitung ist?" Eiwie deutete mit ihrer schlanken Hand unauffällig auf Martinus, der auf einer Bank saß und seine dritte Schüssel Eintopf löffelte. Ihr diamantbesetzter Ehering blitzte auf. Katalia konnte nicht anders als ihn zu bemerken. Im Laufe der letzten Monate hatte sie sich einen gewissen sechsten Sinn für das aufspüren von wertvollem Schmuck angeeignet.

,,Dein Freund hat-? Oder warte, ist er dein Bruder? Oder dein Ehemann?" Fragend sah sie Katalia an.

,,Er ist mein bester Freund." Gab sie genervt zur Antwort. Zusätzlich zu dem Schwindel bekam sie jetzt auch noch Kopfschmerzen. ,,Was ist mit ihm?"

,,Ein paar der Gäste haben sich über ihn beschwert, genauer gesagt über seine Tischmanieren. Deswegen werden mein Mann und ich ihn leider bitten müssen zu gehen. Die Wachen werden ihn hinausbegleiten."

Katalia sah wie zwei bewaffnete Sklaven sich Martinus näherten und ihn zwangen aufzustehen. Seine Augen durchsuchten den Garten verwirrt und eingeschüchtert nach Katalia.

Sie hob die Hand, winkte ihm zu. ,,Ich komme gleich nach." Formte sie mit den Lippen.

Er nickte, ein wenig beruhigter. Die Wachen packten ihn unter den Achseln und führten ihn in Richtung des Tores.
Dann begann der Garten sich zu drehen. Mit einem schwachen Stöhnen fasste Katalia sich an den Kopf.

,,Eiwie..." flüsterte sie. ,,Mir geht es grade nicht gut."

Eiwie trat näher an sie heran. Ihre Augen waren groß und besorgt. ,,Oh Nein! Was ist es denn? Soll ich dir ein Glas Wasser bringen lassen?"

Katalia lehnte schwach ab. ,,Nein. Weißt du, meine Mutter ist vor ein paar Tagen verstorben und jetzt..." Katalia hörte ihre eigene, schmerzverzerrte Stimme gedämpft, wie mit verstopften Ohren. ,,Jetzt habe ich auch noch Kopfschmerzen..."

Zurückstolpernd fasste sie sich an den Kopf. Dann verlor sie das Bewusstsein und fiel der Länge nach hintenüber.

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