Eine spontane Entscheidung (13)
Eigentlich war es ja kein Wunder, dachte Katalia, Medizin für ihre Mutter anrührend, dass sie Eiwie nicht erkannt hatte. Ohne Numbii und mit dünn gezupften Brauen hatte sie völlig anders ausgesehen als am Abend der Hochzeit. Außerdem war ein Bordell der letzte Ort gewesen, wo Katalia ein Wiedersehen mit ihrer Retterin erwartet hatte.
Was hatte es bloß mit ihr auf sich?
Nachdenklich rührte sie im Topf. Die Linsen und Kartoffeln waren fast gar.
Draußen neigte der Tag sich seinem Ende zu. Katalia war wie üblich den ganzen Tag auf den Beinen gewesen, hatte auf dem Markt Gemüse, Linsen und ein Stück Seife gekauft, Wäsche gewaschen, Feuer gemacht und sich um ihre Mutter gekümmert. Ohne ihre täglichen Treffen mit Martinus kam ihr der Tag trotzdem unerfüllt vor. Als wäre er noch nicht vorbei.
,,Mutter! Es ist Zeit für deine Medizin."
Katalia weckte sie vorsichtig und flößte ihr die breeige Flüssigkeit Löffel für Löffel ein.
Es dauerte eine Weile. Als sie fertig war, ließ sich ihre Mutter erschöpft zurück auf die Kissen sinken.
,,Danke, mein Kind."
,,Das Essen ist auch gleich fertig." Versicherte Katalia ihr eifrig. Mutter war schon wieder dünner geworden. Kaum mehr als ein Skelett mit Knochen. Gut das morgen die Heilerin kommen würde.
,,Woher hast du das Geld für Medizin und Essen? Warst du arbeiten?" Murmelte Mutter.
Katalia stand auf und beugte sich wieder über den Herd. Sie würde wie üblich lügen und ihre Mutter würde wie üblich so tun, als würde sie ihr glauben.
,,Ja, bei einem Kutscher."
,,Ach, was würde ich ohne dich tun."
Katalia probierte das Essen, das sie auf dem steinernen Herd so gut wie sie konnte zusammengekocht hatte. Es fehlten Gewürze, denn die waren teuer, aber es war das Beste was seit einer Weile in diesem Haus zubereitet worden war.
In Gedanken versunken hob sie den Topf vom Herd und begann ihre Mutter zu füttern.
Hatte Eiwie am Abend der Hochzeit nicht gesagt sie wäre mit dem Bruder der Braut verlobt? Was tat die Verlobte eines reichen Mannes in einem Bordell? Hatte sie gelogen? Und was wenn es gar nicht Eiwie gewesen war, die sie gesehen hatte?
So viele Fragen.
,,Du wirkst nachdenklich, mein Kind?"
Katalia lächelte schwach. So krank ihre Mutter auch war, manche Sachen entgingen ihr nicht.
,,Es ist nichts von Bedeutung."
Katalia pustete auf den Inhalt des Topfes und hielt ihrer Mutter einen weiteren Löffel voll Linsen an den Mund.
,,Ich habe den Doktor heute aufgesucht, Morgen kommt seine Frau und untersucht dich."
Besorgnis schlich sich auf das Gesicht ihrer Mutter.
,,Das wird teuer sein. Haben wir Geld dafür?!"
,,Ja, haben wir."
Ihre Mutter protestierte. Natürlich tat sie das.
,,Sie muss nicht kommen! Kaufe lieber Essen von dem Geld."
Katalia schüttelte energisch den Kopf. ,,Nein, Ich habe sie bereits hergebeten und sie wird morgen kommen!"
Kurz fragte sie sich zu welchem Zeitpunkt die Rollen sich getauscht hatten. Wann hatte sie angefangen sich um ihre Mutter zu kümmern, als wäre nicht sie das Kind von den Beiden?
Energisch hieb Katalia den Löffel erneut in den Topf und hielt ihn ihrer Mutter an die Lippen.
Im Endeffekt war das bedeutungslos.
Sie war jetzt erwachsen und das war alles was zählte.
Ihre Mutter seufzte resigniert. ,,Dann wird sie eben kommen, aber lass das das letzte Mal sein."
Ihren Sieg auskostend begann Katalia nun ebenfalls zu essen, bis der Topf leer war. Sie stellte ihn in eine Ecke des Raumes und goß etwas Wasser hinein, um ihn über Nacht einweichen zu lassen.
Rastlos setzte sie sich hin, die Ellbogen auf die Knie gestützt, und betrachtete ihre Mutter, deren Augen schon wieder zugefallen war. Ihre leisen Atemzüge erfüllten den Raum und für einen Moment fragte sich Katalia was sie wohl tun würde wenn diese Atemzüge eines Tages aufhören würden.
Energisch schüttelte sie den Kopf. Daran durfte sie nicht denken! Daran zu denken machte es eine Möglichkeit. Etwas das tatsächlich passieren könnte.
Mutter würde nicht sterben. Es war nicht so als würde die Medizin ihre Verfassung nicht verbessern, Katalia schaffte es einfach nicht sie ihr regelmäßig genug zu kaufen.
Morgen würde die Doktorin kommen und ihr sicherlich weiterhelfen können. Es gab Hoffnung. Vorallem jetzt wo sie Geld hatte. Geld war Hoffnung.
Katalia trat zum Fenster und spähte durch die Ritzen der Bretter. Die Sonne war grade untergegangen und die Dämmerung tastete sich zögerlich vorwärts. Die steinernen Wände der Häuser strahlten die Wärme des Tages aus und die Mücken schwirrten.
Was Eiwie jetzt wohl tat?
Katalia wandte sich vom Fenster ab. Was kümmerte sie Eiwie. Sie war eine Fremde. Jemand der ihr einst geholfen hatte. Was sie in einem Bordell tat, war Katalia nicht berechtigt zu wissen.
Es war noch zu früh zum schlafen und sie fühlte auch keine Müdigkeit. Rastlos wie ein Wandervogel schweifte sie im Raum umher. Welcher Beschäftigung könnte sie nachgehen um Stille in ihrem Kopf einkehren zu lassen?
Es gab Wäsche die gewaschen werden musste, doch bis sie den Brunnen erreicht hätte wäre es dafür bereits zu dunkel. Und selbst wenn nicht, es würde nicht helfen.
Sie wollte Antworten auf ihre Fragen.
Kurzentschlossen band Katalia sich ihren Zopf neu und trat aus der Tür. Wenn sie sich beeilte könnte sie Eiwie noch erwischen bevor die verruchte Gasse zum Leben erwachte.
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