Ein Paar im Dunkeln (40)
Katalia wartete bis die Schritte von Eiwie und dem Pferdeburschen in der Dunkelheit verklangen. Dann rappelte sie sich auf, klemmte Eiwies Tuch unter den Arm und machte sich ebenfalls auf den Weg.
Eiwie und ihr Begleiter würden auf direktem Wege zum Haus gehen, das hieß wenn Katalia den Weg durch den Garten einschlug und auf der anderen Seite entlang ging, sollte sie vermeiden können den Pferdeburschen auf seinem Rückweg zum Stall über den Weg zu laufen.
Sie zwang sich, nicht zu rennen. Mit schnellen Schritten lief sie den Gartenweg entlang, der in eleganten Kurven durch die Rosenbüsche führte. Der Mond war wieder hinter den Wolken hervorgekommen und beleuchtete Sträuche und silbrig-blaue Olivenbäume. Katalia kannte sich gut im Garten aus. Sie hatte schon ein paar mal mitgeholfen die Büsche zu trimmen und sie und Umbro ernteten regelmäßig das Obst und Gemüse welches dort angebaut wurde.
Der Mittelpunkt des Gartens bestand aus einer Lichtung inmitten der Rosen. Als Katalia dort zum ersten Mal gewesen war hatten die Rosen geblüht und die Sonne geschienen und der Springbrunnen geplätschert und diese Lichtung war ihr wie ein Paradies vorgekommen.
Jetzt, mitten in der Nacht, nachdem sie vor weniger als einer halben Stunde signifikante Beihilfe zum Mord geleistet hatte, erschien ihr der Ort nicht mehr ganz so magisch. Sie spielte sogar mit dem Gedanken ihn zu umgehen, um schneller am Haus zu sein, als sie um die nächste Kurve bog und das Plätschern des Springbrunnens an ihre Ohren drang.
Aber Moment! Da war noch etwas! Ein weiteres Geräusch! Jedes Haar in Katalias Nacken stellte sich auf. Küssten sich da zwei?
Sie schlich sich näher und das Geräusch wurde klarer. Es war unmissverständlich. Da küsste jemand.
Ihr erster Gedanke war: Oh Himmel Eiwie, doch nicht mit dem Pferdeburschen! Ihr zweiter Gedanke war: Ich wusste doch, ich hätte den andern Weg nehmen sollen. Doch dann bog sie um die Ecke und die Lichtung kam in ihr Blickfeld und sie dachte gar nichts mehr.
Vom Vollmond beleuchtet standen dort zwei eng umschlungene Gestalten. Den einen erkannte das Mädchen sofort. Die Rüstung, die glatten, schwarzen Haare, die helle Haut - es war Raschid. Aber wer war die Frau in seinen Armen?
Mit angehaltenem Atem pirschte Katalia sich näher. Das Gesicht konnte sie nicht sehen, aber die Frau war dünn und recht klein, deutlich kleiner als Raschid. Der Mond beleuchtete ebenmäßige, kupferfarbene Haut. Dann drehte das Paar sich ein wenig und Katalia sah die Frau im Profil. Sie keuchte auf.
Tränen stiegen ihr in die Augen. Rückwärts stolpernd machte sie kehrt und rannte den Weg zurück.
...
"Warum nur? Warum nur, Zonia?" Dachte sie wütend als sie endlich in ihrem Bett lag. Sie hatte einen anderen Pfad durch den Garten genommen, so weit weg von der Lichtung wie möglich. "Du bist bereits verheiratet und dein Mann ist zwar älter als Raschid und auch weniger schön, aber ansonsten ist er wundervoll! Warum musstest du Raschid denn auch noch haben?"
Verärgert starrte Katalia an die Decke. Zonias Bett war leer. Sie war immer noch nicht zurück. Vermutlich machten sie und Raschid grade sonst was für Sachen unter den Sternen.
Wie lange mochte das wohl schon vor sich gehen?
Wenn sie ehrlich war war sie nicht nur wütend auf Zonia sondern auch auf sich selbst. Sie hatte sich davon überzeugt Raschid zu mögen. Die und niemand sonst! Sie hatte seine Augen gemocht und die Sanftheit in seinem Gesicht und seinen Namen und hatte sich schon fast davon überzeugt alles an ihm zu mögen, bis ihr heute Nacht in die Quere gekommen war.
Verärgert vergrub Katalia ihre Zähne im Kissen. Neulich in der Küche, hatte Raschid sie nicht die ganze Zeit angesehen? Oder Moment... hatte er Zonia angesehen, die direkt neben ihr gestanden hatte?
Die Tür ging auf und Katalia löste blitzschnell ihre Zähne aus dem Kissen und stellte sich schlafend. Kniff die Augen fest zu. Zonia tappte kaum hörbar zu ihrem Bett, legte sich hinein und schon war es wieder still.
Katalia starrte unglücklich in die Dunkelheit. Warum sie? Was fand Raschid denn an ihr? Sie war verheiratet, eine Sklavin. Nun gut, sie hatte tolle Augen, aber war sie nicht viel zu alt für ihn?
Sie rechnete. Raschid war Anfang zwanzig, Zonia Ende zwanzig. Ihre Augen wurden groß, als ihr auffiel, dass der Altersunterschied zwischen Raschid und Zonia nicht unbedingt größer war, als der zwischen Raschid und ihr.
Katalia drehte sich zur Wand und begann sich lautlos in den Schlaf zu weinen. Es war einfach alles zu viel gewesen heute Nacht.
...
Den nächsten Tag verbrachte Katalia in einer merkwürdigen Mischung aus Wut und Nervösität.
Das Bild wurde am Morgen nach dem Mord in einem versiegelten Umschlag von einem Boten gebracht. Genau wie die Neuigkeit das Dimit über Nacht verstorben war. Er sei völlig ohne Wunden, hieß es. Sein Herz musste ausgesetzt haben. Die junge Witwe befände sich in heller Aufregung. Sie hätte eine mitternächtliche Mahlzeit eingenommen und bei ihrer Rückkehr ihren Mann tot im Bett aufgefunden.
Eiwies Schwiegereltern machten ein großes Drama drum, aber konnten dahinter nur mit Mühe ihren Gleichmut verbergen. Ihren Gleichmut und ihre Freude, denn Lelas Erbe war gewaltig. Eiwie selber schickte ihrer Schwägerin viele Briefe in denen sie sich liebevoll besorgt nach ihrem Befinden erkundigte.
,,Mein Herz weint bei dem Gedanken an die arme Lela." Pflegte sie ihren Schwiegereltern zu sagen. ,,Ich wünschte ich würde es vermögen sie zu trösten. Mit der Hilfe der Götter wird Gofro bald eintreffen, um seiner Schwester Beistand zu leisten."
Die Beerdigung wurde geplant. Befreundete Familien wurden informiert. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Bald wusste die ganze Stadt von Dimits Tod.
Katalia beobachtete diese Entwicklungen mit einem nervösen Kribbeln im Magen. Sie versuchte sich so normal wie nur möglich zu verhalten, konnte aber nicht verhindern das sie ständig abgelenkt war.
,,Die Nachrichten haben dich wohl nicht kaltgelassen, Kleine, was?" Sagte der ältere, blonde Soldat ihr eines Tages während seiner üblichen Mittagspause voller Essen, Wein und Getratsche. ,,Schrecklich ist das, wenn so einer einfach im Schlaf stirbt. Selbst wenn er's verdient hat."
Katalia hatte zustimmend gebrummt und einen Blick auf Raschid geworfen, dessen dunkle Augen an Zonia klebten. Er sah die Sklavin so versonnen an, als wäre sie die einzige Frau auf Erden. Katalia spürte ein schmerzhaftes Stechen in ihrem Inneren und wandte sich ab. Wie hatte sie nur so blind sein können?
Das Wetter wurde innerhalb der nächsten Tage immer schlechter. Wolken zogen auf, die tagelang blieben, und es regnete viel. Für das Volk war das ein Grund zum feiern. Regen versicherte gute Ernten im nächsten Jahr.
Katalia wurde ein, zwei Mal zum einkaufen in die Stadt geschickt wo sie dem festlichen Treiben mit leerem Blick zusah. Als Kind hatte sie sich der fröhlichen Masse jedes Jahr angeschlossen. War mit ihrem Bruder und Martinus und all den anderen Kindern aus den umliegenden Gassen in Pfützen gesprungen und hatte Wasserschlachten veranstaltet. Jetzt verbrachte sie keinen Augenblick länger als nötig in der Öffentlichkeit. Zu groß war die Angst, jemand könnte die Schuld in ihrem Blick richtig deuten und sie verhaften.
Nicht einmal Martinus ging sie aufsuchen, obwohl es ihn sicherlich interessierte zu erfahren wie sie das Problem mit Dimit und dem Bild gelöst hatten. Villeicht ging sie ihn auch grade deswegen nicht besuchen. Sie wusste nicht wie er reagieren würde wenn sie ihm erzählte, dass seine beste Freundin eine Mörderin war.
Zugegeben, die ersten paar Tage waren eine Qual, doch je mehr Zeit verging, desto normaler fühlte Katalia sich.
Gofro kehrte von seiner Geschäftsreise zurück und wurde mit offenen Armen und der schlechten Nachricht vom Tod seines Schwagers empfangen. Eiwie jedoch hatte ihm auch etwas Gutes mitzuteilen. Ihre Blutung war nun schon seit über sieben Wochen ausgeblieben. Sie wolle noch ein bisschen warten ehe sie den Doktor rief, doch wahrscheinlich, ziemlich wahrscheinlich, war sie schwanger.
Nachdem er diese Nachricht gehört hatte war Gofro nur noch mit einem riesig-breitem Lächeln im Gesicht anzutreffen. Katalia sah ihn manchmal wie er im Garten oder im Salon saß und Gedichte schrieb. Über das ungeborene Kind und das Dasein als Vater was ihn erwartete.
Er hatte Eiwie ein Geschenk von seiner Reise mitgebracht und es war nichts minderes als ein Pferd. Ein großer Falben Hengst namens Sonnenstrahl. Gofro gestattete ihr jedoch nicht ihn zu reiten, aus Sorge um sie und das umgeborene Kind.
Eiwie beklagte sich darüber nicht. Generell war sie guter Dinge. Das Bild war aus dem Weg geräumt. Sie hatte es eigenhändig verbrannt und die Asche im Rosenbeet verscharrt. Lela stellte keine Bedrohung mehr da. Wenn alles gut lief dann hielte Eiwie in etwa acht Monaten ein Kind auf dem Arm, welches ihre Stelle in der Familie auf ewig festigen würde.
,,Ich hoffe es wird ein Junge." Meinte sie eines Abends zu Katalia, die Staub wischte.
,,Wieso das?"
,,Weil diese Welt freundlicher zu einem Sohn sein wird. Er wird erben und das Familiengeschäft übernehmen. Eine Tochter wird verheiratet werden noch bevor sie so alt ist wie du oder Lela." Sich voller Vorfreude in den Hüften wiegend fuhr sie fort: ,,Davon abgesehen denke ich, ich könnte eine bessere Mutter zu einem Sohn sein. Ich wüsste nicht wie man eine Tochter gut behandelt, weil meine Mutter mir nie ein Beispiel sein konnte. Bei einem Sohn habe ich das Problem nicht."
Katalia zuckte mit den Schultern. ,,Du freust dich also auf das Kind?"
,,Und wie! Ach, Ich kann es kaum erwarten bis es da ist!"
Die Arme ausbreitend tänzelte Eiwie durchs Zimmer und begann eins ihrer Bordellieder zu singen. ,,Liebster, ich ging verloren in deinen Augen.
Nimm meine Seele, mein Herz, meinen Glauben. Meine Werte, meinen Körper, mein Selbst, geb ich dir gerne her, solang du mich hältst."
Die Augen verdrehend lud Katalia sich ihren Staubwedel auf die Schulter und verließ den Raum.
Vor Eiwies Gemächern begegnete sie Gofro, der an der Tür stand, die Hand zum klopfen erhoben, und verzückt lauschte.
,,Singt sie nicht schöner als der Schönste aller Singvögel?" Fragte er Katalia versonnen.
,,Ja ja." Erwiderte das Mädchen launisch. ,,Man meinte fast sie gehöre in einen Käfig."
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