Die Zeremonie (5)

,,Sag, Malita. Wo sind eigentlich deine Eltern?"

Etwas Zeit war vergangen, die beiden Mädchen hatten sich auf zwei der gepolsterten Stühle niedergelassen. Malita redete in einem fort über dies und jenes, doch Katalia hatte sie jetzt unterbrochen. Mit einer Frage die sie schon länger plagte.

Malita legte den Kopf schief.

,,Meine Eltern? Sie haben es vorgezogen nicht zu kommen. Meine Tante ist meine Begleitung, doch ich weiß nicht wo genau sie sich grade aufhält sonst hättest du schon längst ihre Bekanntschaft machen können."

Katalia sah sie skeptisch an. Es kam ihr komisch vor. Wie alle Gäste schien Malita aus einer wohlhabenden Familie zu kommen. Die Ohrringe aus Jade und edle Gewand, dass sie trug, sowie ihre Art sich auszudrücken, waren klare Anzeichen dafür. Und nicht nur das, Malita hatte die selbstbewusste Unbekümmertheit von jemanden für den liebende Eltern gesorgt hatten. Ein Kind dem es erlaubt gewesen war ein Kind zu sein. Sicher würden liebende Eltern ihre neunjährige Tochter nicht beinahe alleine zum Besuch einer Hochzeit schicken.

,,Das ist in Ordnung. Ich freue mich für deine Tante, wenn sie sich auf dem Fest amüsiert und möchte sie nicht damit stören ihr für ihre reizende Nichte zu gratulieren. Ein Kompliment, dass sie sicher schon allzu oft erhalten hat."

Katalias Schmeichelei zeigte Wirkung, Malitas Wangen färbten sich rosa.

,,Solch freundliche Worte, Katalia! Meiner Tante würden sie gefallen. Doch ich sehe sie im Moment nicht und mir ist auch nicht danach aufzustehen und sie zu suchen, so bitte vergib mir wenn du ihre Bekanntschaft erst im späteren Verlauf des Abends machen wirst."

Katalia atmete auf. Sie hatte überlegt, dass es sicherer wäre sich von Erwachsenen auf dieser Feier fernzuhalten. Ein Kind wie Malita mochten ein gestohlener Numbii und schwarz geschminkte Augen villeicht hinters Licht führen, doch jeder Anderer würde ihre Verkleidung sofort durchschauen. Trotz allem war es schließlich nur das. Ein Kostüm, eine Verkleidung so wie sie die Straßendarsteller in den Gassen und Marktplätzen von Dun trugen, wenn sie Leuten für ein paar Münzen Unterhaltung boten.

Bis Malitas Tante auftaucht bin ich schon längst auf dem Weg nach Hause, nahm sie sich vor. Mit einem vollen Magen.

,,Malita, wann denkst du wird die Zeremonie stattfinden?"

,,Nun, ich werde es dir nicht genau sagen können, doch ich denke noch vor der zehnten Stunde. Wie du sicherlich weißt... Du weißt es doch?!.... wird die Zeremonie erst nach Eintritt der Dunkelheit stattfinden."

Katalia vergaß für einen Moment ihre Vorsicht.

,,Warum das denn?"

Das Mädchen sah sie an als würde ihr soviel Unwissenheit die Sprache verschlagen. Sie schlug ein paar Mal mit den Augenlidern bevor sie sich wieder fasste und in so geduldigem Ton antwortete als wäre Katalia das Kind unter den Beiden.

,,Weil der Mond und die Sterne als Zeugen über die Zeremonie wachen müssen."

Katalia nickte als würde ihr das einleuchten. In Wirklichkeit verstand sie gar nichts mehr.

Bei Leuten aus ihrer sozialen Schicht war eine Hochzeit meist nicht mehr als ein leises Versprechen zwischen den Eheleuten, das niemanden sonst zu kümmern hatte. Ein Paar galt als verheiratet sobald es zusammenlebte oder spätestens dann wenn das erste Kind auf der Welt war.

Wenn sich doch entschlossen wurde eine Feier zu haben fand sie meist mitten auf der Straße statt. Katalia und ihre Familie hatten stets zu zurückgezogen gelebt, um je auf solch eine Feier eingeladen zu werden, doch Katalia war im Vorbeigehen oft Zeuge solcher Festlichkeiten geworden.

Aus den Augenwinkeln hatte sie beobachtet.

Das Händeklatschen und Singen das bis in die Morgenstunden anhielt. Ausgelassenes Tanzen im Schein von Lagerfeuern und Fackeln. Risikoreiche, selbstgebastelte Feuerwerkskörper, die die Sterne vor Neid erblassen ließen. Ganze Lämmer oder Kälber die über dem Feuer geröstet wurden.

Mit der Feier hier hatten diese Hochzeiten wenig gemein gehabt.

Katalia seufzte und betrachtete den Himmel, auf den sich gerade erst die Dämmerung schlich. So zögernd, als fürchtete sie die Sonne könnte erneut hervorkommen und sich beschweren, wenn ihr Platz am Himmel besetzt war.

Bis die ersten Sterne zu sehen waren, würde sich Katalia noch eine Weile gedulden müssen und das gefiel ihr nicht.

Es machte sie nervös ihre Mutter längere Zeit alleine zu wissen. Was wenn es ihr plötzlich schlechter ging?

Trotzdem, dem Essen zu liebe blieb sie. Außerdem würde Martinus sie verspotten, wenn sie die Hochzeit mit leeren Händen und leerem Magen vorzeitig verließ. Sie konnte seine Bemerkungen schon hören.

"Oh, wurde es der Katze zu langweilig vor dem Mäuseloch zu warten? Verflucht sei deine Ungeduld, Katalia! Du hättest an einem Festmahl teilhaben können! Du warst so kurz davor, niemand hat dich erkannt!"

Deswegen blieb sie.

Schließlich erschienen die ersten Sterne, die erst vereinzelt und dann immer zahlreicher, den Nachthimmel schmückten. Dann erschien der Mond. Eine schmale, silbrigweiße Sichel.

Und dann erschien die Braut.

Ihr Gewand spiegelte den Nachthimmel wieder. Es war schwarz mit hellgoldener Verzierung. Auch der Schmuck war golden, das Licht der zahlreichen Fackeln und Kerzen ließen ihn strahlen und glänzen.

Sie schritt einen von Kerzen und Fackeln gesäumten Pfad entlang, der sie einmal an allen Gästen vorbeiführte.

Hinter ihr folgte mit großzügigem Abstand ihre Leibssklavin, die ihr in den neuen Haushalt folgen würde.

Die Menge war still geworden und auch die Musiker hatten ihre Instrumente niedergelegt. Einzig die Harfe spielte noch. Eine langsame, traditionelle Melodie, die Katalia schon auf etlichen Straßen und Marktplätzen gehört hatte. Sie wurde immer bei einer Hochzeit gespielt.

Als die Braut an Katalia und Malita vorbeischritt, sah Malita mit großen grünen Augen zu ihr auf. Katalia sah ebenfalls auf und versuchte einen Blick auf das Gesicht der Braut zu erhaschen.

Sie sah jung aus, nicht viel älter als Katalia selber. Ihre Lider hielt sie zünftig gesenkt, als wollte sie ihre tiefbraunen Augen vor allzu forschen Blicken verbergen.

Sie war von zierlicher und kleiner Statue mit unauffälligen Zügen. Keine Schönheit, doch so fachmännisch geschminkt und zurechtgemacht, dass sie jedes andere Mädchen im Garten überstrahlte.

Es war so still, dass Katalia das Klirren von den Armreifen und Fußkettchen der Braut hören konnte. Das leichte Rascheln ihres Gewandes. Ihre Schritte auf den Rosenblättern. Die Umstehenden schienen den Atem anzuhalten, als die Braut die Stufen der Holzbühne erklomm. Die Musiker hatten sich zurückgezogen, selbst die Harfe hatte aufgehört zu spielen.

In der Mitte der Bühne standen nun ein Mann und eine Frau, die wohl die Eltern der Braut sein mochten. Das Mädchen blieb vor ihnen stehen und neigte den Kopf.

,,Mutter. Vater. Seid gegrüßt."

Die Worte wirkten einstudiert. Ihre Stimme war regungslos.

,,Tochter. Sei gegrüßt."

Die Eltern antworteten ebenso regungslos und ein auswendig gelernter Dialog ergab sich, der damit endete, dass die Eltern ihre Tochter einluden sich zu setzen.

Mit einer kleinen Drehung ließ sie sich also zu Füßen ihrer Eltern nieder. Ihr schwarzer Rock zeichnete einen perfekten Kreis auf den Holzboden.

Die Hafenmusik setzte wieder ein und nun war es der Bräutigam der den Pfad entlang schritt.

Katalia erschrak ein wenig als sie sah wie alt er war.

Obwohl er mächtig herausgeputzt war, konnten die Fältchen, in denen sich Puder absetzte, auf einen Mann in seinen späten Vierzigern schließen lassen.

Es war nicht so, dass Paare bestehend aus älteren Männern und jungen Mädchen Katalia unbekannt waren, ihr eigener Vater war 7 Jahre älter gewesen als ihre Mutter, doch trotzdem schauderte es ihr ein wenig als sie sah wie dieser Mann der Braut immer näher kam, die zu Füßen ihrer Eltern sitzend, gradezu kindlich wirkte.

Haar und Bart vom Bräutigam waren noch üppig aber bereits ergraut. Im Gegensatz zur Braut war er völlig in weiß gekleidet, mit goldenen Ringen in der Nase und an den Ohren.

Als er sie Bühne erklommen hatte, neigte er den Kopf vor den Eltern der Braut und sprach.

,,Mutter, Vater. Seid gegrüßt. Ich wünsche eure Tochter zur Ehefrau zu nehmen."

Die Eltern antworteten im Chor.

,,Tochter, wünschst du diesen Mann zum Ehemann zu nehmen?"

Die Braut saß regungslos zu Füßen ihrer Eltern. Die Augenlider gesenkt, den rotgeschminkten Mund gespitzt.

Ein viel zu langer Moment der Stille vergang.

Katalia entging nicht wie die Mutter der Braut nervös zu ihrem Mann sah, der ärgerlich die Augen verengte. Sein grauer Schnauzbart begann wütend zu zittern und Katalia glaubte zu sehen wie sein Fuß vorschnellte. Ein leichter Ruck ging durch den Körper der Braut. Endlich erhob sie die Stimme.

,,Ja."

Der Vater sah zu ihr hinunter.

,,Versprichst du ihm eine gute und treue Ehefrau zu sein, so wie deine Mutter es mir ist?"

,,Ja, Vater. Ich verspreche es."

Die Mutter sah zum Bräutigam und rezitierte ihren Satz.

,,Versprichst du ihr ein guter und treuer Ehemann zu sein, so wie mein Mann es mir ist."

,,Ja, Ich verspreche es."

Die Eltern der Braut und das zukünftige Ehepaar tauschten einige weitere auswendig gelernte Phrasen aus. Schließlich bat der Vater seine Tochter aufzustehen und der Ehemann legte ihr einen Ring an den Finger.

Die Menge uhhhte leise, beim Anblick des Ringes. Er war aus solidem Gold, mit einem Diamanten verziert und so breit wie eine Haarsträhne. Katalia malte sich lieber nicht aus was er gekostet haben mochte.

Mit befremdeter Neugier beobachtete sie den Rest der Zeremonie und vergaß darüber fast ihren Hunger. Hatten ihre Eltern eigentlich je geheiratet? Sie wusste es nicht. Villeicht könnte sie ihre Mutter danach fragen, wenn sie wieder Zuhause war.

Andererseits... sie redeten nicht über ihren Vater, das machte sie beide zu traurig. Und über ihren Vater zu reden ließ sich in einem Gespräch über die Geschichte ihrer Eltern wohl schlecht vermeiden. Villeicht sollte sie lieber nicht fragen, im Endeffekt war es nicht wichtig.

Auf der Bühne wurde ein großer Papyrus ausgerollt. Der Ehevertrag.

Katalia konnte nicht lesen, doch sie sah, dass jeder einzelne Buchstabe kunstvoll bemalt und verziert worden war. Die Familie der Braut musste eigens einen Maler angeheuert haben, um ihn anzufertigen. Und einen meisterhaften noch dazu.

In den Wörtern versteckten sich Bilder von glücklichen Paaren, von Babys, spielenden Kindern und all den Versprechungen einer traumhaften Ehe.

Katalia fragte sich ob sie die einzige war der auffiel, dass die Braut beim Anblick des Vertrags das Gesicht verzog. Ihr Blick verweilte auf dem Mädchen, um zu sehen ob sie es sich nur eingebildet hatte. Oder villeicht war es ein Zeichen der Aufregung gewesen?

Doch diese Gedanken verschwanden als sie sah wie die Braut etwas aus dem Ärmel ihres Gewandes holte.

Die Härchen an Katalias Armen stellten sich auf.

Es war ein Dolch.

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