Die Erpressung (35)
,,Eiwie?"
Katalia stand vor Eiwies Gemächern, einen Korb frisch gewaschener Wäsche im Arm, und erhob bereits zum dritten Mal die Faust um zu klopfen.
,,Komm rein." Ertönte es kläglich von drinnen. Katalia runzelte die Stirn. Etwas stimmte nicht.
Sie drückte die Tür auf und ging hinein. Eiwie war auf ihrem Bett zusammengesunken. Sie hatte ihren Schmuck abgenommen und trug nur noch ihr Untergewand. In der Hand umklammerte sie einen Krug Wein. Vor und zurück wippend starrte sie stumpf ins Leere.
,,Was ist passiert?" Verlangte Katalia zu wissen. Eiwie hob den Blick. Ihre Augen waren gerötet.
,,Lela weiß es." Wisperte sie.
Katalia wurde heiß und kalt zugleich. ,,Lela weiß was? Weiß sie dass du...?"
Eiwie nickte bloß.
,,Verdammt!" Entfuhr es Katalia. Sie waren geliefert! Alle Beide. ,,Wie hat sie das bloß herausgefunden?"
,,Sie hatte Gerüchte gehört, dass Gofro wohl eine spezielle Zuneigung für eine Kurtisane hegen soll. Als er mich mit nach Hause brachte und seiner Familie vorstellte hatte sie nach und nach den Verdacht entwickelt, dass es sich dabei um mich handelt." Eiwie schniefte und wischte sich über die Augen. ,,Zunächst wollte sie es nicht glauben. Sie dachte ihr hochgebildeter Bruder könne nicht so leichtsinnig, so wagemutig sein, eine Prostituierte in die Familie einheiraten zu wollen. Doch meine Geschichte mit dem Juwelenhändler als Vater, der leider verarmt gestorben ist, hat sie nie ganz überzeugt."
Katalia biss die Zähne zusammen. Sie hatten Lela gehörig unterschätzt!
Eiwie fuhr fort. ,,Dann hat sie Nachforschungen angestellt. Eine Weile lang sah es so aus als würde sie nichts finden, weil ich stets falsche Namen verwendet hatte und dergleichen und weil ich doch zu viel Einfluss genossen habe, als das jemand einfach so Informationen über mich ausplaudert, doch dann ist sie gestern auf dem Marktplatz auf eine Malerei gestoßen."
Eiwie schloss die Augen. ,,Sie hatte nach Bildern für ihr Schlafzimmer Ausschau gehalten. Und einer der Händler meinte er hätte genau das Richtige für sie."
Katalia verstand nicht ganz. ,,Du hast dich malen lassen?"
,,Einer meiner Freier war ein angehender Maler. Er hatte mich überredet für ihn Modell zu sitzen, hat mir gesagt ich wäre seine Muse und er würde mich lieben und niemand würde das Bild je zu Gesicht bekommen."
Eiwie stöhnte und warf einen Armreif aus Elfenbein so heftig gegen die Wand, dass er zerschellte. ,,Und jetzt hat er es verkauft, dieser elende Lügner! Ich schätze mal er hat Geld gebraucht!"
,,Was ist das für ein Gemälde?" Katalia ließ sich da wo sie stand auf den Boden fallen. Vor wenigen Minuten war sie noch voller guter Dinge gewesen. Wie das Blatt sich wenden konnte!
Eiwie wandte den Blick ab. ,,Keines das meine Schwiegereltern jeh zu Gesicht bekommen sollten."
Katalia seufzte. ,,Und lass mich raten, Lela hat es gekauft und droht es ihnen zu zeigen?!"
,,So ist es."
Katalia vergrub stöhnend den Kopf in den Händen. Wenn Eiwie aufflog, würde Katalia mit ihr auffliegen. Was würde dann passieren? Sie waren Lügnerinnen. Sie würden ins Gefängnis kommen.
,,Es muss doch irgendetwas geben, was wir tun können, um Lela davon abzuhalten." Katalia sah zu Eiwie auf. ,,Villeicht wenn wir ihr Geld geben...?"
Eiwie schüttelte den Kopf. Ihre Stimme klang erstickt. ,,Nein, sie will kein Geld."
,,Was will sie dann?" Katalia schöpfte Hoffnung. ,,Es gibt also etwas? Hat sie es dir gesagt? Hat sie dir ein Ultimatum gestellt?"
Eiwie antwortete nicht und nahm stattdessen einen großen Schluck Wein.
,,Eiwie!" Drängte Katalia. ,,Nun sag schon! Was ist es das sie will?"
,,Sie will, dass wir ihren Ehemann umbringen."
...
,,Das ist nicht dein Ernst!" Martinus blieb stehen, drehte sich um und sah seine beste Freundin fassungslos an.
,,Leider doch."
Er starrte kopfschüttelnd ins Leere. ,,Warum?" Fragte er. ,,Warum würde diese Lela ihren Ehemann umbringen wollen?"
Katalia zuckte mit den Schultern. Sie fand Lelas Beweggründe ziemlich einleuchtend. ,,Nun ja, zunächst einmal ist der Mann alt genug um ihr Großvater zu sein, er ist kein sehr angenehmer Zeitgenosse, von dem was man so hört, und sie ist gezwungen worden ihn zu heiraten. Davon abgesehen würde sie als seine Witwe kräftig erben. Und wenn Eiwie bei, oder nach dem Mord erwischt wird, dann schlägt sie zwei Fliegen mit einer Klappe und wird ihre verhasste Schwägerin ebenfalls los. Man muss kein Genie sein, um sich Lelas Motive denken zu können."
Martinus verzog den Mund und setzte sich wieder in Bewegung, die zwei Esel hinter sich herziehend. ,,Trotzdem... ihn gleich ermorden lassen zu wollen..."
,,Ja ich hätte Lela auch nicht zugetraut so skrupellos zu sein."
Katalia rutschte auf dem Eselrücken zurecht und ließ die Beine baumeln. Nach einer kurzen Nachtruhe in der sie kaum Schlaf gefunden hatte, war sie noch im Dunkeln in die Stadt gelaufen und hatte auf Martinus gewartet. Auf einer Bank, umgeben von den Lichtern und vertrauten Geräuschen ihrer Heimatstadt, war sie erneut eingeschlafen und erst von zwei weichen Eselnasen wieder geweckt worden. Martinus war mit ihnen auf dem Weg zum Marktplatz, um sie zu verkaufen.
Er war überrascht gewesen sie zu sehen.
,,Was machst du denn hier, Katze?" Hatte er gefragt, während sie kurzerhand von der Bank aus auf einen der Esel geklettert war.
,,Es ist etwas passiert wovon ich dir erzählen muss." Hatte sie gesagt und ohne Umschweife von dem Ultimatum berichtet, welches Lela Eiwie gestellt hatte.
Martinus zog das Tempo an und Katalia griff mit einer Hand in die Eselmähne, als das Tier seinen wiegenden Gang beschleunigte. Der Marktplatz war schon in Sicht.
,,Wird Eiwie es also tuen?" Martinus kam auf das Wesentliche zurück. Seine Stimme klang so, als wäre er sich nicht sicher ob er die Antwort hören wollte.
,,Nicht so ganz." Katalia räusperte sich. ,,Wir haben letzte Nacht ausgiebig nachgedacht und sind zu dem Entschluss gekommen, dass wir erst probieren wollen das Gemälde an uns zu bringen. Sollte das nicht funktionieren können wir uns immer noch überlegen wie wir den Mord am Besten ausführen. Aber auf Mord stehen höhere Strafen als auf Prostitution. Wenn Eiwie Dimit wirklich umbringen würde und das herauskäme, dann könnte man sie dafür hinrichten. Es ist zu gefährlich."
,,Also was?" Fragte Martinus und zog einen der Esel, der sich interessiert über ein Grasbüschel gebeugt hatte, weiter. ,,Sie wird Lela besuchen kommen und sich dann unter einem Vorwand davon schleichen und nach dem Bild suchen?"
Katalia schüttelte den Kopf. ,,Fast aber nicht ganz. Lela ist nicht dumm, sie würde das sofort durchschauen. Wir werden stattdessen bei ihr einbrechen. Heute Nacht."
,,Wir?" Martinus blieb stehen. ,,Warum wir? Das ist Eiwies Problem, wenn sie so leichtsinnig ist und anzügliche Bilder von sich malen lässt, sie soll dich da raushalten! Ein Einbruch in so ein hochbewachtes, teures Haus, das ist etwas anderes als ein paar Schmuckstücke auf Märkten zu stibitzen, Katze. Das ist gefährlich! Lass dich nicht von Eiwie darin verwickeln!"
Katalia rollte mit den Augen und stöhnte. ,,Verstehst du nicht? Wenn Lela Eiwie auffliegen lässt, dann hänge ich da auch mit drin! Wir sind aneinander gebunden, Eiwie und ich."
,,Dann geh solange du noch kannst!" Martinus sah sie ernst an. ,,Ich meine es ernst, Katze. Geh! Geh zu deinem Bruder und wende dich von Eiwie und all diesen perfiden Machenschaften ab! Ehe sie dich noch dazu bringt diesen Mann an ihrer Stelle zu ermorden."
,,Du übertreibst-" fiel Katalia ihm ins Wort, aber er ließ sie nicht aussprechen.
,,Ich übertreibe nicht! Du hast keine Ahnung wozu diese Frau fähig sein könnte! Sie ist von Geld und Status besessen und sie hat dich dafür schon einmal betrogen und ausgenutzt. Vergiss das nicht!"
Kurz herrschte eine unangenehme Stille.
Katalia seufzte. Jetzt wäre eine gute Gelegenheit über ihren Bruder zu reden. Sie verspürte keine Lust sich mit Martinus über Eiwie zu streiten und ein Themawechsel würde ihnen beiden gut tun.
,,Du weißt also, dass mein Bruder zurück ist. Ich hatte geahnt, dass er dich aufsuchen würde." Katalia versuchte so gelassen wie möglich zu klingen. ,,Weißt du wo er jetzt ist? Ich glaube ich sollte mit ihm reden."
,,In der Tat. Das solltest du." Martinus verlängerte seine Schritte. ,,Er hat mir erzählt was du zu ihm gesagt hast. Welche Vorwürfe du ihm gemacht hast."
Katalia lehnte sich auf dem Esel nach vorne und starrte auf Martinus Rücken.
Sie hatte die ganze Zeit schon den Eindruck gehabt, dass er ihr gegenüber irgendwie kühler war als sonst. Jetzt war ihr auch klar warum.
,,Deswegen möchte ich ja erneut mit ihm reden." Gab sie zu verstehen. ,,Es richtig stellen. Er hat mich in keinem rechten Geisteszustand vorgefunden. Ich war von meinen Emotionen überwältigt und habe meine harschen Worte nicht aus vollem Herzen so gemeint."
Martinus schnaubte. ,,Du hast ein Messer nach ihm geworfen, Katze!"
,,Wie gesagt: Ich war emotional überwältigt!"
,,Das bin ich mit meinen Geschwistern jeden Tag! Trotzdem würdest du mich nie dabei erwischen wie ich mit Messern auf sie einwerfe!"
Katalia verdrehte die Augen. Sie wusste, dass Martinus Familienliebe für den wichtigsten aller Werte hielt, doch als ihr bester Freund sollte er gefälligst versuchen auch ihre Situation nachzuvollziehen!
,,Das Messer hat ihn um Längen verfehlt! Warum stört dich das so sehr? Mir scheint, er hat dich gegen mich aufgehetzt."
,,Natürlich nicht!" Erboste sich Martinus. ,,Ich kann für mich selber denken!" Dann wurde er leiser. Der Blick, den er ihr über die Schulter zu warf, war voller Verletzlichkeit. ,,Er ist dein Bruder, Katze. Wie konntest du ihn nur so behandeln? Er ist dein Bruder."
,,Ich weiß, dass er mein Bruder ist, vielen Dank!" Gab sie zurück und richtete sich auf. ,,Doch was heißt das schon? Er war nie da! Seit fünf Jahren habe ich ihn nicht mehr gesehen! Es ist viel in dieser Zeit passiert, schlimme Dinge, und er war kein einziges Mal da. Du warst immer da. Du warst und bist mehr mein Bruder als er!"
Martinus schlug einen versöhnlicheren Ton an. ,,Das ehrt mich, Katze, doch es ändert nichts." Er zögerte. ,,Mir gefällt diese Person nicht zu der du dich entwickelst. Vor nur einem Jahr wärst du überglücklich gewesen deinen Bruder Zuhause willkommen zu heißen. Jetzt vergraulst du ihn, sprichst zu mir von Einbrüchen und Morden und führst dein Leben als Sklavin. Eiwie tut dir nicht gut."
,,Das ist völliger Quatsch, Martinus! Ich habe mich nicht verändert und selbst wenn, dann hätte das nichts mit Eiwie zu tun! Du denkst bloß schlecht von ihr weil sie aus einem Bordell kommt!" Regte Katalia sich auf. ,,Als mein Bruder ging hat er mich und unsere Eltern in großer Not zurückgelassen! Du kannst es mir kaum verhehlen, dass ich über die Jahre angefangen habe Groll zu hegen. Doch jetzt hatte ich Zeit zum Nachdenken und ich frage dich: Wo ist er? Sag es mir, dann will ich gehen und mich heute noch bei ihm entschuldigen." Störrisch schob Katalia die Unterlippe vor. Sie war fertig mit reden.
Martinus führte die Esel eine kleine Böschung hinab. Sie hatten den Viehmarkt erreicht.
,,Er ist auf dem Rückweg. Direkt nachdem du ihn abgewiesen hast, ist er zu uns gekommen. Hat mit allen von uns geredet und unser Abendbrot geteilt. Danach hat er ohne weiteres sein Pferd bestiegen und ist wieder aufgebrochen. Meine Mutter wollte ihn nicht gehen lassen, doch er bestand darauf. Sagte es gäbe nichts mehr in dieser Stadt wofür er bleiben müsse."
Katalia senkte den Blick. Sie fühlte sich schuldig.
,,Weißt du wie der Ort heißt in dem er jetzt wohnt?"
Martinus zuckte mit den Schultern. ,,Er ist weit weg. Im Süden der Schault Region. Die Reise dorthin würde Monate lang dauern."
Er band die Führstricke der Esel an einem hölzernen Balken fest.
,,Du könntest versuchen ihn einzuholen, aber er ist zu Pferd und hat bereits über einen Tag Vorsprung."
,,Verdammt." Murmelte Katalia und ließ den Kopf hängen. Als ihr Bruder von einem Haus im Süden geredet hatte, hatte sie angenommen, dass er den Süden von Dunja gemeint hatte. Irgendein Dorf, das villeicht ein paar Tagesreisen entfernt lag, nicht ein völlig anderes Land. Selbst wenn sie gewollt hätte, konnte sie diese Reise nicht antreten. Sie besaß kein Pferd, keinen Wagen und Eiwie brauchte sie heute Nacht, um mit ihr in Lelas Haus einzubrechen.
Fünf Jahre lang war ihr Bruder verschollen gewesen, dann einmal wieder aufgetaucht, um gleich wieder verloren zu gehen. Es wäre besser, er wäre gar nicht gekommen, dachte Katalia. Jetzt kann ich nicht anders, als darüber nachzusinnen, was hätte sein können.
Mit steifen Beinen rutschte sie von dem Esel, klopfte ihm ungelenk den Hals und wandte sich zum gehen. Sie war schon zu lange hier.
,,Danke, Martinus. Viel Glück beim Verkaufen!"
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