Das Verhör (41)
Natürlich war die Sache damit noch nicht abgeschlossen.
Wenn ein Mann, der so reich war wie Dimit, plötzlich verstarb, dann wurden Nachforschungen angestellt. Die Gesetzeshüter waren zu seinem Haus gekommen, hatten das Schlafzimmer und das kaputte Fenster untersucht und mit den Hausbewohnern geredet. Nach einer höflichen, schriftlichen Vorwarnung kamen zwei von ihnen auch zu Eiwies Haus und baten mit Lelas Eltern zu sprechen.
Katalia servierte bei diesem Austausch Tee im Salon. Teils weil es als Sklavin unter ihre Aufgaben fiel, teils um zu lauschen.
,,Unsere herzallerliebste Lela habt ihr befragt... wie eine Verbrecherin! Erst verdächtigt ihr unsere Tochter, nun uns, ist das recht?" Schluchzte Dorissa, Eiwies Schwiegermutter. Sie war eine dickliche Frau mit dunkelbraunen Zöpfen, die sie sich mit einer Mischung aus Ton und Henna färben ließ, um die Spuren von Grau darin zu verstecken. Wie üblich war sie mit Blumen und flatternden Bändern geschmückt, ihr Modegeschmack war ein wenig exzentrisch.
,,Nun, es ist nur Recht sie zu befragen. Sie ist schließlich die Witwe. Bitte beruhige dich, Liebling." Sagte ihr Mann besänftigend.
,,Mich beruhigen?!" Dorissa warf aus Empörung beinahe ihr Taschentuch quer durch den Raum. ,,Wie bitte soll ich mich beruhigen? Du herzloser Mann! Dimit war ein Teil unserer Familie und nun ist er tot! Ganz plötzlich! Oh, welch Tragödie, welch ein Fluch hat unsere Familie befallen! Der Mann meiner Tochter! Meiner einzigen Tochter, tot!"
,,Die Nachricht hat sie sehr mitgenommen." Flüsterte Dorissas Ehemann den Ermittlern entschuldigend zu. ,,Uns alle eigentlich."
Der, der sich als Herr Kaulus vorgestellt hatte, nickte verständnisvoll. Er war ein älterer Mann mit silbrig grauen Haaren und trug ein fließendes, Lavendelfarbenes Gewand
Katalia sah anhand seiner Kleidung und Sprechweise, dass er aus einer hohen gesellschaftlichen Schicht stammen musste. Vermutlich war er nicht minder bedeutend als das Ehepaar welches er und sein Kollege befragten.
,,Wir verdächtigen sie oder ihre Tochter keineswegs, Madame." Sagte er beflissen. ,,Wir möchten ihnen nur ein paar Fragen stellen."
Dorissas üppig geschminkte Augen lugten hinter dem Taschentuch hervor in dem sie ihr Gesicht vergraben hatte. ,,Und die da wären?"
,,Nun," der Mann setzte sich grader hin. ,,Zunächst einmal, wie würden sie den Charakter ihrer Tochter beschreiben?"
,,Lela ist sanft wie ein Lämmchen! Sie würde keiner Fliege etwas zu Leide tun!" Rief Dorissa bestimmt.
Ihr Ehemann nickte bestätigend. ,,Davon abgesehen, nun..." er überlegte eine Weile und machte dabei ein Gesicht als fiele ihm auf einmal auf wie wenig er seine Tochter kannte. ,,Sie ist klug." Meinte er schließlich. ,,Und gebildet. Die besten Lehrer der Stadt haben wir für sie rufen lassen. Davon abgesehen kann sie leider sehr stur sein. Ein wenig undankbar ebenfalls. Und so kindisch manchmal, man meint sie wäre erst fünf!"
Der Schreiber, der die beiden Männer begleitete, schrieb eifrig vor sich hin.
Der zweite Ermittler, ein deutlich jüngerer Mann um die dreißig, der sich als Herr Kailan Jaminus vorgestellt hatte, stellte die nächste Frage. ,,Warum haben sie ihre Tochter ausgerechnet an Dimit verheiratet?"
,,Er hatte Geld!" Platzte Lelas Vater heraus. Etwas beschämt räusperte er sich. ,,Dimit war ein guter Bekannter der Familie. Wir verkehrten oft in denselben Kreisen und machten bei verschiedenen Gelegenheiten Geschäfte miteinander. Als Lela älter wurde hörte ich mich nach möglichen Partnern für sie um und Dimit verkündete sein Interesse. Er war wohlhabend, er hatte ihr viel zu bieten, deswegen habe ich die Heirat der Beiden nur zu gerne vermittelt."
,,Ich vermute die Verbindung mit einem so einflussreichen und wohlhabendem Mann hat ihren Geschäften gut getan?!" Herr Jaminus schien keine Antwort zu erwarten. Sein Ton war beinahe spöttisch. ,,Wie hat Lela die Nachricht ihrer Verlobung mit Dimit aufgenommen?"
Der Vater zuckte mit den Schultern. Sein Gesicht nahm einen verschlossenen, unwilligen Ausdruck an. ,,Sie war nicht begeistert, aber hat sich am Ende ihrem Schicksal gefügt."
,,Oh, einen Aufstand hat sie gemacht!" Ließ Dorissa vernehmen und verdrehte die Augen. ,,Bei allen Göttern! Man könnte meinen dieser Ehevertrag hätte das Ende der Welt bedeutet! Doch, ja ja, nach einigen Diskussionen hat sie sich gefügt."
Der silberhaarige Ermittler sah ernst von einem Elternteil zum andern. ,,Warum war das so? War er ihr zu alt?"
,,So war es." Dorissa zuckte unbeeindruckt mit den Schultern. ,,Sie meinte er wäre ein Greis und sie würde ihn kaum kennen und nicht mögen und sie wolle ihn nicht heiraten." Sie schnaubte, einen Seitenblick auf ihren Mann werfend. ,,Pffff Als müsse man jemanden mögen, um ihn zu heiraten!"
Die Beiden lachten herzlich.
Katalia betrachtete das Geschehen aus desinteressierten Augen, aber innerlich starb sie vor Ungeduld. Seit der Ankunft der Ermittler hatte sie ihre Wimpernschläge gezählt, nur darauf wartend, dass die Männer bald wieder gehen würden.
,,Von alt und reich einmal abgesehen, wie würden sie den Charakter von Dimit ansonsten beschreiben?" Fragte der junge Ermittler das Ehepaar, nachdem sie sich wieder beruhigt hatten.
Lelas Vater zuckte mit den Schultern. ,,Praktisch veranlagt. Ein Geschäftsmann eben. Aber Sinn für Humor hatte er, das muss man ihm lassen. Wir haben oftmals gut zusammen gelacht bevor sein Asthma so schlimm wurde."
Die beiden Ermittler tauschten einen Blick.
,,Wie war das Verhältnis von Lela und Dimit nach der Hochzeit? Hat ihre Tochter ihnen je von Problemen erzählt?"
Das Ehepaar schüttelte den Kopf. ,,Wir haben sie nicht mehr viel gesehen nach der Hochzeit."
Warum wohl dachte Katalia mürrisch. Dimit wäre noch am Leben hätten Lelas Eltern einfach einen besseren Ehemann für ihre Tochter ausgesucht.
Der jüngere Ermittler räusperte sich. Er hatte volles schwarzes Haar, gebogene Augenbrauen und Gesichtszüge, die nur als edel beschrieben werden konnten. Er sah so gut aus, dass Katalia sich unwillkürlich fragte ob er sich täglich genauso vielen Schönheitsritualen unterzog wie Eiwie.
,,Lela sagte uns sie hätte ein recht enges Verhältnis sowohl zu ihrem Bruder als auch zu ihrer Schwägerin. Ist das wahr?"
,,Mmhja." Dorissa sah angenehm überrascht aus. ,,Es freut mich zu vernehmen, dass Lela das gesagt hat. Sie zürnte eine gute Weile mit ihrem Bruder, da ihm die Braut missfiel, die er sich ausgesucht hatte. Das Verhältnis zwischen Eiwie, jener Braut, und ihr sah zwischenzeitlich auch recht feindselig aus, doch die Beiden besuchen sich regelmäßig zum Tee und pflegen eine enge Bekanntschaft."
,,Ist das so...?!" Murmelte der Ermittler mit einem halben Lächeln. ,,Wäre es möglich, dass wir mit Lelas Bruder und Schwägerin ebenfalls reden? Nur um mehr über Lela und Dimit zu erfahren."
Dorissa zuckte gleichmütig mit den Schultern. ,,Ja ja, das wäre möglich. Auch wenn ich ihnen versichere, dass sie keinen Grund haben sich noch weiter mit dem Charakter unserer Lela zu beschäftigen, weil sie nichts mit Dimits Tod zu tun hat! Geh Eiwie und Gofro holen!" Wies sie Katalia an.
Diese nickte, wandte sich stumm um und machte sich auf den Weg zu den Gemächern des jungen Paares.
Eiwie und Gofro saßen beieinander und tauschten süße Nichtigkeiten aus, doch Katalia entging nicht, dass ihre Herrin besorgt dreinblickte.
,,Die Ermittler verlangen nach euch. Die Herrin bittet euch hinunterzukommen und mit ihnen zu reden." Trug sie vor.
Beide standen auf und strichen ihre Kleidung glatt. Gofro legte einen Arm um seine Frau. ,,Wenn die Ermittler wieder weg sind, mein Herz," raunte er vertraulich, ,,Denkst du nicht dann wäre ein guter Moment, um meinen Eltern die wundervollen Neuigkeiten zu überbringen?" Er sah auf Eiwies Bauch.
Sie straffte sich und rang sich ein Lächeln ab. ,,Jawohl, mein Liebster. Lass uns das tun! Der Doktor wird zwar erst morgen kommen, doch ich denke wir haben lange genug gewartet. Warum sollte der Doktor von dem Kind erfahren bevor es die Großeltern tun?!"
,,So ist es, mein Herz! Oh Ich freue mich schon auf ihre Gesichter!"
Gofro zog Eiwie lachend an sich und vergrub seine Nase in ihren Haaren. Katalia lief zügig voran, heimlich die Augen verdrehend. Paare waren ja wohl nicht zum aushalten!
Als sie wieder in den Salon kamen passte es Katalia überhaupt nicht, als Dorissa sie zurück in die Küche schickte. Sie wollte bleiben und hören was die Ermittler Eiwie fragten. Herausfinden ob sie irgendetwas wussten. Leider konnte sie gegen die Anweisung nichts tun. So trottete das Mädchen mit hängendem Kopf in die Küche zurück, wo Zonia es mit einem Haufen Silbergeschirr empfing, das poliert werden musste.
Auch das noch! Katalia war Zonia aus dem Weg gegangen. Hatte es vermieden mit ihr allein zu sein. Wenn wenigstens Umbro mit in der Küche gewesen wäre! Doch der befand sich leider im Gemüsegarten, wo er Kartoffeln erntete, Eier aus dem Hühnerstall holte und sich Gedanken über die Speisefolge der nächsten Tage machte.
Katalia nahm den Lappen in die Hand, machte sich an die Arbeit und setzte ihr grimmigstes "Ich will nicht reden - Gesicht" auf. Leider hatte sich Zonia mit nonverbaler Kommunikation schon immer schwer getan.
,,Du bist in letzter Zeit so still, Katalia. Ist alles in Ordnung?"
,,Sag du es mir." Sie rieb mit dem Lappen fest über den Silberlöffel. Der wäre mindestens zehn Münzen auf dem Marktplatz wert. Fünfzehn, wenn man sich beim verhandeln gut anstellte. ,,Ist bei dir alles in Ordnung? Oder hast du den Verstand verloren?"
Zonias Stirn legte sich in Falten. ,,Ich weiß nicht wovon du redest." Ihre Stimme klang verletzt. ,,Ich wollte nur nett sein, Katalia."
,,Ach ja? Und zu Raschid dem Wächter wolltest du auch nur nett sein, was?!"
Die Worte waren heraus bevor Katalia es verhindern konnte. Jetzt war es zu spät. Sie atmete durch und sagte etwas ruhiger: ,,Ich verstehe einfach nicht wie du Umbro das antun kannst, Zonia."
Die Sklavin sah aus als stände sie kurz vor der Ohnmacht. ,,Woher... Woher weißt du-?"
,,Ich hab euch gesehen! Beim Springbrunnen. Vor ein paar Nächten."
Zonia starrte zu Boden. Katalia hatte das Gefühl sie würde gleich anfangen zu weinen. ,,Bitte, du musst verstehen... Es ist einfach passiert. Wir haben es nicht geplant, oder gewollt, aber Raschid und ich lieben uns."
,,Ach ja?!" Giftete Katalia. ,,Und was ist mit Umbro? Er liebt dich! Er liebt dich und du betrügst ihn! Wie kannst du ihm das nur antun, Zonia? Er ist so ein guter Mann!"
,,Wohl ist er ein guter Mann, aber er kann mich nicht so lieben wie Raschid es tut." Zonia sah auf und begegnete ihrem Blick. ,,Umbro ist deutlich älter als ich. Er ist weise und klug und einfühlsam und freundlich. Er gibt mir Sicherheit. Er ist mehr wie ein Vater als wie ein Ehemann. Wir haben geheiratet, weil das eine logische Konsequenz war. Umbro und ich kommen aus demselben Land, gehören denselben Leuten, arbeiten in denselbem Haus. Wir teilen dieselben Werte und dieselbe Kultur und Muttersprache. Durch unsere Heirat musste nie wieder einer von uns Beiden einsam sein. Wir waren immer für einander da und glücklich, auf eine ruhige, genügsame Weise. Umbro war meine Entscheidung, Katalia. Meine logische, vernünftige, gute Entscheidung. Doch Raschid ist mein Schicksal."
Sie sah weg und beugte sich wieder über das Geschirr. ,,Während Umbro mir Sicherheit zeigt, zeigt Raschid mir Leidenschaft. Umbro gab mir Kupferohrringe, Raschid kaufte mir goldene, mit echten Saphiren dran, und sagte, dass sich trotzdem kein Saphir dieser Welt jemals mit meinen Augen messen könnte. Die Götter wissen, was er überhaupt an mir findet! Ich bin älter als er, eine Sklavin und hässlich wie eine Ziege. Aber er liebt mich und ich liebe ihn noch mehr. Mehr als mein Leben, welches ich für ihn riskiere."
Sie verknotete ihre Finger ineinander. ,,Meine Beziehung mit Raschid ist so anders als die mit Umbro. Sie ist nicht vernünftig oder logisch oder etwas Gutes. Aber er ist mein Schicksal und man kann sich nicht gegen sein Schicksal wehren."
,,Schön und gut." Schnaubte Katalia. ,,Aber man kann zumindestens versuchen sein Schicksal nicht heimlich im Mondlicht zu küssen."
Zonia seufzte. Sie wollte etwas sagen, aber Katalia ließ sie nicht zu Wort kommen. Sie hob die Hand und wandte den Kopf zur Seite ,,Ich erwarte von dir, dass du es Umbro sagen wirst. Innerhalb des nächsten Tages." Ihre Stimme war eisig. ,,Bevor ich es für dich tue. Er hat die Warheit verdient, Zöe."
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