Das Bad (33)
Der nächste Morgen kam, wie jeder nächste Morgen kommen musste und Katalia schleppte sich, übermüdet und mit einem flauen Gefühl im Magen, zu Eiwies Gemächern. Den Großteil der Nacht hatte sie wachgelegen und über die gestrigen Ereignisse nachgedacht.
In dem Gespräch mit Zonia hatte Katalia ihre Wut abkühlen können und nun gelang es ihr die Dinge aus einem neutraleren Sichtwinkel zu betrachten. Ihr Bruder war wieder aufgetaucht. Bis auf Großeltern, die sie nie kennengelernt hatte und eine weitverzweigte Verwandschaft ihres Vaters, die sich momentan weiß-der-Himmel-wo aufhielt, war er die einzige Familie die Katalia noch blieb. Hatte sie einen Fehler damit begangen ihn wegzuschicken? Es schien fast so.
Sein Angebot ging ihr nicht aus dem Kopf. Katalia vermied es so gut es ging über die Zukunft nachzudenken, sie lebte von Tag zu Tag und für den Augenblick war sie versorgt, doch wollte sie wirklich für den Rest ihres Lebens eine Sklavin spielen? Hatte der Gedanke mit ihrem Bruder in einem schönen Haus im Süden zu leben, weit weg von Eiwie und ihren Machenschaften, nicht trotz Allem einen gewissen Reiz?
Katalia wusste nicht was sie denken oder fühlen oder tuen sollte und das war höchst ungewohnt für sie. Sie wünschte sie könnte mit Martinus reden. Ihm gelang es stets das Positive an jeder Situation zu sehen.
Katalia ließ den Blick durch Eiwies Gemächer wandern, ohne sie tatsächlich zu sehen. Es waren drei riesige Räume, durch elegant geschwungene Türbogen voneinander abgegrenzt. In der Ecke des hintersten Raumes befand sich ein großes, in den Boden eingebautes, Steinbecken in dem Katalia ihrer Herrin grade das morgendliche Bad eingelassen hatte.
Im Gegensatz zu ihrer Dienerin war Eiwie bester Laune und bemerkte deren Grübeleien nicht. Sie sang vor sich hin während sie vor ihren Schränken stand und Kleidung für den heutigen Tag erwählte.
,,Oh du mein Lieber, komm und fass mich an. Ich bin ein Mädchen und du ein junger Mann. Ich will dich haben und weiß, dass ich's kann! Ist das Bad bald bereit, Katalia?"
Das Mädchen verdrehte die Augen. So wunderschön Eiwie auch singen konnte, "im Bordell lernt man so etwas", hatte sie Katalia erklärt, so ungern hörte sie dabei zu. Alle Lieder die Eiwie kannte waren entweder sehr kitschig oder sehr anzüglich. Meistens Beides zugleich.
,,Ja, es muss nur noch ein wenig abkühlen."
Katalia beugte sich über die Wanne und streute ein paar Rosenblätter in das dampfende Wasser. Sie war so übermüdet, dass sie dabei fast hineinfiel.
,,Dann gieß mehr von dem kalten Wasser hinein!" Wies Eiwie sie an und hörte auf zu singen. ,,Ein Bote von Lela ist so eben unten eingetroffen und hat verkündet, dass sie gedenkt uns heute zum Tee zu besuchen. Ich muss sicherstellen, dass mein Haar bis dahin Zeit hatte zu trocknen."
,,Ja, Herrin." Katalia tat brav wie ihr geheißen und goss einen Krug kaltes Wasser in die Wanne. Mit der anderen Hand prüfte sie die Temperatur. ,,Jetzt ist es gut."
Katalia räumte den Krug beiseite während Eiwie sich entkleidete und in die Wanne stieg. Die mollige Wärme trieb ihr das Rosa auf die Wangen und sie seufzte wohlig.
Katalia stützte die Ellbogen auf den Wannenrand und starrte nachdenklich ins Leere. Auf einmal fiel ihr etwas auf.
,,Moment mal, Eiwie, hat Lela sich also selber zum Tee eingeladen?"
Katalia kannte sich mit den verwirrenden Regeln und Bräuchen der Höflichkeit nicht halb so gut aus wie ihre Herrin, doch selbst ihr kam das unangemessen vor. Nicht das es Katalia interessierte was Lela tat.
Eiwie lachte in glöckernder Boshaftigkeit. ,,So ist es! Ach, ich kann es gar nicht erwarten sie damit zu quälen! Man sollte meinen ein Kind das so aufgewachsen ist wie sie, sollte die Regeln der Höflichkeit besser kennen."
Eiwie schüttelte amüsiert den Kopf. ,,Sich selber zum Tee einladen... und dann auch noch so kurzfristig... Tzzt Tzzt Tzzt... Das ist höchst unhöflich!"
,,Nun, aber es ist das Haus ihrer Eltern." Gab Katalia zu bedenken. ,,Und das Haus ihres Bruders. Ich denke, Lela hegte den schieren Wunsch ihre Familie zu besuchen. Trotz Allem... Ist es nicht schlussendlich normal sich nach seiner Familie zu sehnen?" Ihre Stimme war zum Ende hin leiser geworden. Fast ein Flüstern.
Eiwie machte eine wegwefende Handbewegung. Kleine Tropfen stoben von ihren Fingerspitzen. ,,Lela hasst ihre Eltern! Denke nach, wann hat sie sie jemals freiwillig besucht?! Ihre Mutter und ihr Vater waren es die sie an diesen senilen Greis verheiratet haben, für nichts als geschäftliche Gründe! Er hat bereits zwei Ehen hinter sich und Kinder im Erwachsenenalter! Lela dagegen war zum Zeitpunkt der Hochzeit grade erst fünfzehn. Sag Katalia, würdest du deinen Eltern nicht auch zürnen, wärst du an Lelas Stelle?"
Katalia zuckte mit den Schultern. Sie verspürte keine übermäßige Lust sich gedanklich mit Lelas Lage auseinanderzusetzen. ,,Ich vermute ja. Andererseits ist Lelas Ehemann steinreich. Seine Frau kann in Saus und Braus leben und sich gewiss sein, dass für sie gesorgt ist."
Eiwie lachte und begann ihre Haare zu durchnässen. ,,Wohl war! Doch ich bezweifle das die gute Lela das zu schätzen weiß. Sie wurde mit einem goldenen Löffel im Mund geboren, hat ihr Leben lang nie hungern oder arbeiten müssen. Eine Ehe mit einem alten Fremden, so reich er auch sein mag, erscheint ihr wie das schlimmstmögliche aller Schicksale!"
Katalia betrachtete Eiwie, die ihr den Rücken zugewandt hatte. In ihrer Stimme lag eine gewisse Vertrautheit, als wären sie und Katalia Verbündete und Lela ihr gemeinsamer Feind. Villeicht fühlte sie sich aufgrund ihrer Vergangenheit Katalia tatsächlich mehr verbunden als Lela. Villeicht wollte sie sie deshalb in ihrer Nähe behalten.
,,Nun, es ist gewiss kein schönes Schicksal." Gab Katalia in diplomatischem Ton zu bedenken und dachte mit Schaudern an Lelas weißhaarigen Mann. ,,Villeicht kommt sie ihres Bruders wegen, wenn sie nicht kommt um ihre Eltern zu sehen? Lela liebt Gofro doch, nicht wahr?"
Katalia hatte sich zusammengereimt, dass Lela Gofro sogar sehr lieben musste, wenn sie Eiwie derart für seiner unwürdig hielt. Wenn Katalias Bruder eine Ehefrau hatte, die den gesellschaftliche Normen nicht entsprach so hätte Katalia keinen weiteren Gedanken daran verschwendet. Jede Frau die an ihren Bruder geriet war sowieso bemitleidenswert. Schließlich hatte er schon einmal seine Familie verlassen um eigenen, egoistischen Träumen zu folgen und was hielt ihn davon ab es ein zweites Mal zu tun?!
,,Das tut sie." Eiwie begann sich sorgfältig mit Seife und einem Schwamm zu waschen. ,,Doch Gofro ist geschäftlich unterwegs. Er wird erst in ein paar Tagen zurückerwartet."
,,Oh richtig." Katalia wusste das eigentlich, aber hatte es vergessen. Sie vergaß recht viel seit Kurzem.
Eiwie fuhr fort sich zu waschen. Eigentlich hätte Katalia ihr als ihre Sklavin dabei behilflich sein sollen, aber Eiwie wurde nicht gerne angefasst und es war niemand im Raum für den sie das Schauspiel aufrecht erhalten müssten.
,,Lela kommt also nicht um ihre Eltern zu sehen, nicht um ihren Bruder zu sehen... Ist es nicht offensichtlich weswegen sie kommt? Sie kommt meinentwegen! Um sich für ihre Niederlage vom letzten Mal zu revanchieren."
Eiwie tauchte unter. Als ihr Kopf wieder an die Oberfläche kam, lag ein Lächeln auf ihrem Gesicht. ,,Aber das wird ihr nicht gelingen!" Frohlockte sie.
Sich das Wasser aus den Augen streichend begann Eiwie von Neuem zu singen. So unbefangen und froh wie die Vögel vor den Fenstern.
Katalia starrte nur stumpf vor sich hin. Darüber nachgrübelnd was sie ihrem Bruder in einem zweiten Gespräch sagen könnte, ob es überhaupt zu diesem Gespräch kommen sollte, was Lela wohl im Schilde führte und ob es der überwältigende Geruch von Rosenöl war, der ihr solche Kopfschmerzen verursachte, oder doch bloß die Müdigkeit.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top