Kapitel 2 - Die Jagd

„Elp", Dina deutete auf das Seil, dass sie über die ganze Waldstraße gespannt und mit Laub, Erde und Dreck bedeckt hatten, „Da ist noch eine Lücke."
„Das sieht man doch nicht", protestierte Elpis von der anderen Seite des Weges. Dina konnte schon erkennen, dass ihre Freundin faul an einem Baum lehnte und die Augen halb geschlossen hatte.
„Jaja. Das sieht ein Blinder aus hundert Metern Entfernung", maulte Dina und stapfte dann selbst in die Mitte der Straße um die Lücke in der Bedeckung des Seils zu beseitigen. „Aber hauptsache sich nicht bewegen, was?"
Elpis salutierte nur halb engagiert.
„Ganz genau", murmelte sie verschlafen und zog ihre schwarze Kapuze tiefer in ihr Gesicht, „Solltest du auch Mal probieren, anstatt hier so komisch rumzuspringen."
„Komisch rumspringen?", Dina stemmte die Hände in die Hüften und ging schnell zu Elpis rüber, „Warte wiederhol' das nochmal."
„Och Dina", Elpis stöhnte frustriert und sah zu Dina, die ihr eine behandschuhte Hand entgegenstreckte.
„Komm schon. Du magst das noch weniger als ich", meinte sie lächelnd, „Aber wie ich musst du da durch", als Elpis noch immer nicht nach ihrer Hand griff wedelte Elpis mit ihrer anderen Hand vor ihrem Gesicht„Haaalloo? Jemand Zuhause?"
Elpis griff widerwillig nach der Hand ihrer Freundin und flüsterte währenddessen viel zu leise, als ein normaler Mensch es hätte hören können, ein weiteres Jaja. Dina runzelte die Stirn. Sie war eine Halbelfe und durch ihre seltsamen, krummen Ohren hatte sie es mit Sicherheit verstanden. Doch sie half Elpis nur stumm auf und reichte ihr eine Armbrust, die sie auf ihren Rücken geschnallt hatte.
„Na sieh Mal einer an, wer hier seinen hübschen Hintern plötzlich bewegen kann", scherzte Dina und boxte ihr unsanft in die Schulter.
„Ey!"
„Jaja ist ein schlimmes Wort, Elp."
„Ah ja warte", säuselte Elpis und grinste breit, „Ich freue mich wirklich sehr vor unserem letzten Überfall noch sooo toll, den ganzen Tag, trainieren zu müssen. Ist echt super!"
„Pass auf", zischte Dina jetzt, „du klingst fast schon begeistert."
Sie sank, mit Dinas Armbrust in der Hand, in eine tiefe Verbeugung, bei der sie fast dachte die Kniekehlen ihrer Freundin zu berühren.
„Zu Eurem Vergnügen, MyLady."

~~~

„Guter Treffer", kommentierte Aurelis, als Elpis bei dem nächsten Ziel ins Schwarze traf.
„Hab mir Normans Gesicht vorgestellt", nuschelte sie nur als Antwort und zielte erneut auf das weiße Tuch mit dem roten X in der Mitte, das sie dort befestigt hatte.
„Vielleicht solltest du ein bisschen vorsichtiger sein...", schlug Aurelis flüsternd vor und deutete hinter sich. Dorthin, wo ihr Anführer, wenige Meter entfernt, hitzig mit Dina diskutierte. Ihre Worte drangen nur gedämpft zu ihnen hinüber. Aber Elpis wusste, dass Dina ihre Hilfe nicht schätzen würde. Sie wollte so etwas selbst ausdiskutieren und würde das wahrscheinlich auch schaffen. Mit scharfen Worten hatte sie bisher jeden in die Flucht schlagen können, da war Norman ein Kinderspiel.
„Vielleicht solltest du deine Schnauze halten", fauchte Elpis ihn an und wie zur Antwort traf der nächste Bolzen, nur wenige Millimeter von dem ersten entfernt, erneut das markierte X.

„Hör zu, besser fickst du dich selbst ins Knie. Oder du machst bald Bekanntschaft mit meinen wandernden Klingen", fauchte Dina gerade. Norman antwortete wohl etwas, aber Elpis konnte nicht genau verstehen, was...
„Wir ziehn die Scheiße durch, kapiert? Aber danach sind wir weg!"
„Niemand geht hier weg", antwortete Norman jetzt auch lauter.
„Willst du nicht...", schlug Aurelis vor.
„Nein“, erwiderte sie sicher und schoss jetzt zwei Bolzen nur Sekunden nacheinander ab. Der erste Schuss traf oberhalb, der zweite unterhalb des X.
„Aber..."
„Nein", Elpis funkelte ihn wütend an, „Dina spricht hier für sich selbst."
Abwehrend hob Aurelis eine Hand und fummelte mit der zweiten ein Sparra Röhrchen und einen Flintstein aus seiner Hosentasche.
„Ihr beide seid viel zu gestresst“ behauptete er gedehnt, „Wärt ihr halt einfach gegangen, als es zuvor groß raus zu posaunen.“
Elpis schnaubte und hob abwehrend die Hände: „War nicht meine Idee.“
„Vielleicht solltest du ihr aber wirk…“
„Aurelis“, mahnte Elpis und richtete sich im gleichen Moment zu voller Größe neben ihm auf, „Du hast keine Ahnung, okay? Du weißt nicht wie wir sind, wie sie ist und so.“
„Pff, also äh… i…“, setzte der Drogendealer wieder an, doch er wurde noch im gleichen Moment von einem lauten Warnruf unterbrochen.
„KARAWANE!“, brüllte Buntspecht noch einmal deutlicher. Und hastete von dem Baum hinunter, auf dem er wohl gelauert hatte. „Karawane“
„Alle auf Position!“, befahl Norman.
Elpis ging zu ihrem Trainingsziel, zog die Bolzen aus dem Holz und steckte ihr Tuch mit dem kleinen X wieder ein. Dann tauchte sie im Unterholz neben Dina auf die ausgemachte Position für Scharfschützen.
„Alles gut?“, fragte Elpis leise.
„Norman ist 'n Arschloch“, beschwerte sie sich und rollte mit den Augen.
„Wem du's nicht sagst. Aber wir sind ihn sowieso bald los.“

Dina drückte ihre Hand und so verharrten sie für einige Minuten, die fast ewig dauerten. Dann endlich hörte sie das Geklapper von Hufen, eine hervorrollende Kutsche und die gedämpften Gespräche der Sklavenjäger und Söldner.

„Bist du bereit?“, fragte Elpis leise und sah Dina hoffnungsvoll an. Die blonde Halbelfe zog ein Tuch über ihr vernarbtes Gesicht, sodass man nur noch ihre dunkelbraunen Augen sehen konnte.
Dina nickte: „Uns bleibt ja keine andere Wahl, wenn wir unsere Freiheit wollen.“

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