Kapitel 2: Meine Welt ist anders

Nachdem Gandalf Charlie alles erklärt hatte, was er wissen musste (inklusiv die Namen aller Zwerge), ritt Thorin in gemächlichem Trab zu ihnen nach vorne.

Er schwieg und starrte unerlässlich in die Tiefen des Waldes, welchen sie soeben passierten. Er sah so in Gedanken vertieft aus, dass Charlie und Gandalf beide schwiegen, um den Zwerg nicht zu stören.

Einige Zeit später kehrte Thorin aus seinen Gedanken zurück in die echte Welt und sprach Charlie an: „Wisst ihr euch zu verteidigen, Charlie?"

Seine Stimme klang verbissen und genervt, als rechne der Zwergenprinz mit einer Antwort, welche ihm nicht gefallen würde.

Charlie versuchte indessen so selbstbewusst wie möglich zu antworten, denn er hoffte, dass Thorin ihn danach etwas freundlicher behandeln würde: „Nun, ich beschäftige mich mit dem Schwertkampf seit ich zehn Jahre alt bin und auch der Umgang mit Wurfmessern ist mir seit drei Jahren nicht mehr unbekannt. Ich gewann schon viele Turniere mit diesen Waffen."

Der harte Ausdruck wich aus dem Gesicht des Schwarzhaarigen und er sah überrascht zu Charlie, als habe er sich verhört. „Ach wirklich?", fragte er ein wenig verblüfft, aber auch durchaus erfreut.

„Ja", entgegnete Charlie einfach nur.

„Dann erlaube ich mir folgende Frage: Wo sind diese Waffen, von denen ihr spracht?"

„Ich trage sie nur äußerst selten bei mir, eben nur, wenn ich auch damit trainiere."

„Ihr nehmt sie nicht mit auf die Straße, um euch notfalls verteidigen zu können?"

Charlie lachte: „Nein. Aber meine Welt ist anders als diese hier. Dort gibt es nur Menschen, nicht einmal Orks oder andere Fabelwesen haben wir bei uns. Für Recht und Ordnung sorgt die Polizei und es ist außerdem illegal mit Waffen auf die Straßen zu gehen."

„Bei euch gibt es keine Elben? Wie wunderbar!"

„Gandalf hat mir von ihnen erzählt. Solange ich hier bin, möchte ich unbedingt welche sehen!"

„Hat dir Gandalf auch gesagt, dass eine Fehde zwischen Elben und Zwergen herrscht?"

„Ja, aber er erzählte ebenfalls davon, dass wir durch den Düsterwald gehen müssen, um zum Erebor zu gelangen."

„Freue dich nicht darauf, denn ich glaube kaum, dass Thranduil uns durch den Wald gehen lässt."

„Aber wir haben doch Gandalf bei uns, mit ihm hat er doch keinen Streit."

„Du setzt viel auf unseren Zauberer, nicht wahr?"

„Ja. Was vielleicht auch daran liegen mag, dass ich von euch noch niemanden besser kenne als ihn."

„Das können wir recht schnell ändern. Du könntest zu Fili gehen und ihn nach ein paar Messern für deine Verteidigung fragen, bis wir ein anständiges Schwert auftreiben. Du weißt doch wer Fili ist?"

„Er ist dein Neffe und der Zwerg mit den hellblonden Haaren."

„Genau der. Frage ihn nach ein paar Waffen und komme mit ihm und seinem Bruder ins Gespräch. Ihr müsstet ungefähr gleichalt sein."

So schickte Thorin Charlie davon, um sich mit Gandalf ungestört über ein Nachtlager unterhalten zu können. Der Braunhaarige tat, was ihm aufgetragen worden war und ließ Reißer zu den zwei Durinbrüdern trotten, welche den Schluss der Gruppe bildeten.

Er reihte sich neben Fili ein und schwieg. Wie sollte er am besten ein Gespräch mit den beiden beginnen? Man sah es ihm vielleicht nicht an, doch bei fremden Leuten war Charlie eine ziemlich schüchterne Person. Wenn er sie dann länger kannte, wurde er mit jeder Minute sicherer und sein eigentliches Wesen kam zum Vorschein – wild und ungestüm.

Die Brüder unterhielten sich flüsternd miteinander und schienen Charlie nicht einmal bemerkt zu haben, doch der achtzehnjährige wusste nicht, dass Thorin auch schon seinen Neffen geraten hatte, mit ihm zu reden und die beiden ebenfalls nicht wussten, wie sie am besten ein Gespräch beginnen sollten.

Dieses Problem trat von ganz allein aus der Welt als Thorin die Gruppe anwies Halt zu machen und das Nachtlager vorzubereiten: „Oin, Gloin, ihr kümmert euch um die Ponys. Bindet sie in möglichst kleinen Abständen an die Bäume. Dori, Ori, Nori versucht halbwegs bequeme Lager herzurichten. Bifur, Bofur ihr werdet Bombur helfen, Abendessen zu kochen, du auch Meister Beutlin. Kili, Fili, Charlie! Sucht nach Feuerholz, aber entfernt euch nicht zu weit vom Lager. Balin, Dwalin kommt und helft mir und Gandalf, wir wollen noch einmal die Route für Morgen durchgehen."

Da nun jeder wusste was zu tun war, brach ein strukturiertes Chaos aus, alle liefen umher und riefen nach ihren Gefährten, um die Aufgaben zu erledigen, die Thorin ihnen aufgetragen hatte.

Nachdem Fili, Kili und Charlie ihre Ponys zu Oin gebracht hatten traten sie zusammen, um sich einen Plan für ihre Suche nach dem Holz zurechtzulegen.

„Wir werden in dieser Richtung nach Holz suchen.", sagte Fili und deutete in ein Waldstück, welches Charlie so vorkam, als sei es noch dunkler als der Rest.

„Wir werden uns höchstens zweihundert Meter vom Lager entfernen.", er sah Kili kurz durchdringend an, als habe er schon böse Erfahrungen in diesem Gebiet gemacht, aber sein kleiner Bruder grinste nur.

So machten sie sich auf und gingen in unterschiedliche Richtungen, um das Waldstück schneller durchkämmen zu können. Keine fünf Minuten später kam Fili zu Charlie herüber.

„Hast du Kili gesehen? Ich denke wir haben langsam genug Feuerholz gesammelt." Charlie merkte, dass der Blonde versuchte seine Nervosität vor ihm zu verstecken, aber wirklich gelingen wollte es ihm nicht.

„Nein, tut mir leid. Soll ich dir suchen helfen?", fragte Charlie und lächelte Fili warm an, um ihm etwas von der Besorgnis nehmen zu können.

„Ich bitte darum.", entgegnete dieser und verzog seine Lippen ebenfalls zu einem schwachen Lächeln, welches aber noch immer von Sorge getrübt war. Charlie legte das gesammelte Feuerholz ab und gemeinsam liefen sie in dem Waldstück umher, leise nach Kili rufend, damit die anderen nichts von dem Fehlen des Jüngsten bemerkten.

„Kili, du Dummkopf!", fluchte Fili leise und wandte sich dann an Charlie: „Hast du Geschwister?", wollte er wissen.

Der achtzehnjährige spürte einen kleinen Stich im Herzen bei der Frage, doch er antwortete trotzdem: „Ja, eine kleine Schwester. Sie ist zwei Jahre jünger als ich und die nervigste Person unter der Sonne." Der Blonde kicherte leise „Ich glaube das haben alle Geschwister untereinander gemeinsam." Auch Charlie musste lächeln „Das könnte sein."

Die beiden verfielen in ein angenehmes Schweigen bei der Suche, doch es machte keinem von ihnen etwas aus.

Ein Knacken ließ Charlie aufschrecken und er deutete Fili leise zu sein. Still verharrten sie in der Dunkelheit und lauschten, bis sie ein leises Fluchen hörten.

„Kili.", hauchte Fili leise und lief in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Nicht einmal zehn Meter weiter fanden sie Kili in einem Erdloch sitzen.

„Kili, du Sohn eines Orks!", schimpfte sein Bruder und beugte sich über das Loch im Boden. „Du verhältst dich manchmal wirklich wie ein kleiner Zwergling!", er seufzte und streckte den Arm aus.

„Nimm meine Hand." Kili erhob sich schweigend, Schamesröte zierte seine Wangen. Er streckte seine Hand nach Fili aus, doch dessen Arm war nicht lang genug, er konnte seinen Bruder nicht erreichen.

Kili schluckte „Ups.", war das Einzige, was er dazu sagte. Dann grinste er und zuckte die Schultern.

Wie jemand in solch einer Situation noch grinsen konnte war Charlie schleierhaft, aber auch Fili musste lachen: „Bei Durin, Kili. Und wie kriegen wir dich da jetzt wieder raus, du Intelligenzbolzen?"

Nun ließ sich Charlie auf die Knie fallen „Rutsch mal rüber.", wies er Fili an, der auch prompt aus dem Weg rückte.

Dann legte er sich auf den weichen Waldboden und streckte den Arm nach Kili aus. Dieser konnte seine Hand problemlos ergreifen und ließ sich von Charlie heraufziehen.

„Dankeschön.", lächelte er seinen Helfer an. Charlie grummelte nur etwas von kleinen Geschwistern, musste aber auch grinsen.

„Und so jemand nennt sich Jäger! Wären wir nicht gekommen, wärst du der Gejagte gewesen!", zischte Fili, wollte noch etwas sagen, doch Charlie unterbrach ihn: „Das wusste ich noch gar nicht. Du bist Jäger?", wollte er interessiert wissen.

„Etwas untypisch für einen Zwerg, ich weiß.", meinte Kili schulterzuckend und formte mit dem Mund ein lautloses ‚Danke', dafür, dass er ihm einige Schimpftiraden seines Bruders erspart hatte.

„Warum untypisch?", fragte Charlie weiter. „Ich vergesse die ganze Zeit, wie wenig du weißt.", lachte Kili und setzte sich in Bewegung, um zum Lager zurückzukehren. Die anderen beiden folgten ihm.

„Warum das denn?", erkundigte sich der Achtzehnjährige weiter. „Weil du aussiehst und dich auch so verhältst wie ein Elb.", erklärte Kili.

„Muss ich das jetzt als Beleidigung sehen?"

„Nein. Warum auch?"

„Gandalf sagte mir, dass Zwerge und Elben nicht ganz im Reinen miteinander sind."

„Ich habe noch nie einen Elb getroffen, deshalb kann ich das nicht beurteilen."

„Hast du keine Vorurteile ihnen gegenüber? Dein ganzes Volk hegt einen Groll gegen sie."

„Mir wird oft gesagt, ich ähnele einem Elb."

„Weil du so groß bist?"

„Unter anderem. Aber auch, weil ich mir kein klobiges Schwert oder eine Axt als Waffe genommen habe, sondern einen Bogen – die Waffe der Elben."

„Ach so."

„Kannst du kämpfen?"

„Ja. Mit dem Schwert und seit drei Jahren auch mit Wurfmessern."

„Mit den Waffen meines Bruders."

„Oh, das hätte ich jetzt fast vergessen. Thorin meinte ich soll mir ein paar deiner Messer borgen, um mich verteidigen zu können, Fili."

„Natürlich bekommst du welche. Ich will ja nicht, dass du uns abkratzt."

„Ha ha."

Fili grinste und dann waren sie auch schon beim Lager angekommen. Zum Glück hatten sie daran gedacht, das Holz noch einzusammeln, wo sie es hatten liegenlassen.

„Warum hat das so lange gedauert?", wollte Thorin wütend wissen. „Wir warteten im Dunkeln auf euer Kommen. Was habt ihr getrieben?"

Er stand vor den Dreien und bevor Fili und Kili auch nur den Mund aufmachen konnten, hatte Charlie das Wort ergriffen: „Entschuldige, Thorin. Wir haben uns verquatscht." Er lächelte ihn ehrlich und entschuldigend an.

„Na schön.", brummte Thorin. Die drei brachten das Holz rasch zu Bombur, dass dieser ein Feuer entzünden konnte, um das Essen aufzusetzen.

Sie ließen sich etwas von den anderen entfernt nieder und Kili ergriff das Wort: „Danke. Wir wagen es eigentlich nicht Thorin anzulügen."

„Ich habe nicht gelogen!"

„Was dann?"

Charlie suchte verzweifelt nach Worten, um sich aus der Sache herauszureden.

„Ich habe nur die Tatsachen beschönigt.", sagte er dann schließlich.

"Ist das nicht dasselbe?", wollte Kili grinsend wissen.

„Hätte ich sagen sollen, dass du wie ein kleines Kind ausgebüchst und in ein Erdloch gefallen bist, aus dem du allein nicht herausgekommen wärst?"

Daraufhin wurde Kili rot und schwieg. Charlie grinste nur triumphierend.

„Es ist nicht einfach sich von Anfang an gut mit Thorin zu stellen. Er kann manchmal sehr misstrauisch sein.", meinte Fili und sah zu Charlie herüber.

„Ach wirklich? Seit wir uns unterhalten haben, ist er nicht mehr so grimmig.", entgegnete dieser überrascht und blickte zu dem Anführer der Truppe.
Thorin unterhielt sich angeregt mit Balin und Dwalin. Wahrscheinlich über den weiteren Weg, dachte Charlie still.

Auf einmal drehte Thorin den Kopf zu ihm herüber und sie lächelten sich über den Platz hinweg warm an.
Thorins Augen blitzten und er stöhnte genervt, als Balin ihn wieder in ein Gespräch verwickelte.

„Charlie? Alles in Ordnung?", fragte eine Stimme von weit her.

„Was? Tut mir leid, ich habe gerade nicht aufgepasst." Fili lächelte nachsichtig und fragte ein weiteres Mal: „Willst du dir ein paar Messer aussuchen?"

Charlie nickte. „Hoffentlich finden wir bald ein Schwert, damit kann ich besser kämpfen."

„Du kannst sonst auch einen Kurzdolch haben. Er ähnelt einem Schwert.", bot Fili an.

„Du hast einen Dolch?", wollte Kili verwundert wissen.

„Habe ihn nie benutzt." Fili zuckte die Schultern und sah Charlie abwartend an.

„Danke, Fili. Das ist sehr nett von dir." Der Blonde Zwerg zog lächelnd einen Dolch aus einer versteckten Schwertscheide, welche er ebenfalls von seinem Gürtel löste.

Er streckte Charlie beides entgegen. Dieser bedankte sich und brachte es an seinem Gürtel an.

„Und gleich fühle ich mich sicherer.", grinste er.
„Oh! Riecht ihr das? Ich glaube das Essen ist fertig.", voller Vorfreude sprang Kili auf und lief zu den anderen, die schon um Bombur herumstanden und ihn lobten, denn es roch wirklich fantastisch.

„Komm!", Fili erhob sich und nun stand auch Charlie auf.

1976 Wörter, 24.05.2020

Heeey da draußen! *winkt*

Wie es scheint habe ich mich heute wohl doch noch dazu aufgerafft, das Kapi zu posten ^^

Eigentlich gibt es dazu auch nichts mehr zu sagen, aber ich finde so ein Nachwort der Autorin (oder des Autors) nach einem Kapitel immer ganz schön.

Ihr auch?

Ein paar Reviews könnt ihr mir ruhig schreiben, ich verspreche auch, nicht auf euch zu schießen *Bogen demonstrativ in Ecke stell*

Kritik könnt ihr mir natürlich auch gerne schreiben, dann werde ich mich in diesen Punkten (hoffentlich) verbessern.

Noch was zur Story an sich:
Ich weiß, dass ich, als ich entschied, dass mein hauptcharakter männlich sein würde, eine unkonventionelle Herangehensweise gewählt habe, vor allem, als ich entschied, dass Charlie schwul ist.

Aber gut, ich finde einfach, dass es schon sooo viele Geschichten über Mädels gibt, die mit unseren Zwergen glücklich werden und da wir alle auch schwule Zwerge shippen, kann das doch nicht so schlimm sein!

Das soll jetzt keine Rechtfertigung werden, ich wollte nur klarstellen, dass mir durchaus bewusst ist, dass sich nicht viele Menschen an so etwas hier heranwagen.

Das mag vielleicht hart klingen, ist aber leider so.

Deshalb danke ich jedem, der das hier liest und verfolgt, ihr seid eine riesige Unterstüzung :)

Bis zum nächsten Wochenende!

-gelbesbluemchen

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