Kapitel 16: Zurück nach Mittelerde
Man konnte die hohen Absätze von Nadja auf dem Holzboden klappern hören, wie die beiden sich ohne ein Wort die Jacken auszogen und Arthur in die Küche verschwand.
Aus Gewohnheit würde Aris Mutter erst einmal aufs Klo gehen, um ihre Schminke abzuwaschen und sich dann umziehen.
Ihrer Tochter würden sie beide keine Beachtung schenken, bis auf ein Rufen, dass das Essen fertig sei.
Ja, ihre Ehe war schon seit Jahren zerbrochen, doch beide machten weiter, als ob nichts wäre.
Nadja schlief seit ca. einem Jahr mit einem Kollegen und Arthur trank sich durch sämtliche alkoholische Getränke, anstatt mit seiner Frau zu reden.
Charlie linste zur Seite und sah den resignierten Blick seiner Schwester, tröstend strich er über ihren Ellbogen.
Ari deutete ihm, zurück in ihr Zimmer zu gehen, aber sie hörten das Klappern wieder.
Nadja bewegte sich in ihre Richtung!
Ohne den monotonen Ablauf ihres Tages konnten die Geschwister nicht einschätzen, was die Frau jetzt tun würde, da sie beide Nadja nicht wirklich kannten und eher als Erzieherin anstatt als Mutter ansahen.
Nun ging diese die Treppe hoch, kam ihnen immer näher.
Wenn sie auf dem Gang angekommen wäre, könnte sie sie sehen!
Ari reagierte schnell und schubste ihren Bruder hinter einen langen roten Vorhang.
Sie selbst sprintete so leise wie möglich in die Mitte des Ganges, um dann betont lässig so zu tun, als würde sie gerade sowieso runtergehen wollen.
Ihre Mutter schenkte dem Mädchen keine Beachtung, sondern steuerte das alte Zimmer von Charlie an, welches das heutige zweite Arbeitszimmer war.
„Scheiße!", fluchte Ari leise, sie wusste, dass Nadja eigentlich ein heimliches Weindepot hinter dem Schrank hatte und während sie den See betrachtete, über Geschäfte und Reisen nachdachte.
Sie hatte sie ein paar Mal heimlich dabei beobachtet.
Leise schlich sie zu dem roten Vorhang und zerrte ihren Bruder dahinter hervor, mit schlechter Zeichensprache deutete sie, in ihr Zimmer zurückzukehren.
„Was ist denn los?", wollte Charlie wissen. Eigentlich wollte er so schnell wie möglich wieder zurück nach Mittelerde, hier kam ihm alles so kalt und unecht vor.
„Mum ist in deinem Zimmer und hat genaue Sicht auf den See.", erklärte die Rothaarige ärgerlich, während sie auf ihren Fingernägeln herumkaute.
Das war eine Angewohnheit von ihr und sie ging ihr immer nach, wenn sie nervös war.
„Dann müssen wir sie nach unten locken.", entschied Charlie schulterzuckend, doch Ari schüttelte den Kopf.
„So einfach ist das nicht.", sagte sie „Mum sinniert da über ihr Leben nach, so schnell kommt sie nicht aus dem Zimmer."
„Zum Glück muss ich seit neustem oftmals improvisieren. Ich habe einen Plan!", grinste der Halbzwerg breit, seine Schwester hob Hoffnung schöpfend den Kopf.
„Ich schleiche mich runter ins Wohnzimmer und gehe von dort aus in den Garten. Da warte ich unter dem Fenster. Du tust währenddessen so als wärst du die Treppe heruntergefallen und stößt dabei diese furchtbare Vase um, die Nadja über alles liebt. Dann wird sie sicherlich angerannt kommen."
Ari nickte begeistert, doch Charlie war noch nicht fertig: „Das Klirren ist mein Signal. Ich warte danach zehn Sekunden und renne dann zum See."
„Warte ... ", seine Schwester zog die Augenbrauen zusammen „ ... dann werden wir uns nicht mehr sehen."
Bedauernd schüttelte der Ältere den Kopf „Der Abschied ist jetzt."
Wehmütig dachte er an Arwen und strich mit seinen Fingern über den Ring.
„Du wirst nicht aus Mittelerde zurückkommen, habe ich Recht?", wollte die Rothaarige tonlos und mit gesenktem Kopf wissen.
Ihr Bruder schüttelte den Kopf „Nein."
Seine kleine Schwester fiel ihm um den Hals und nach einer tränenreichen Umarmung setzten die zwei ihren Plan in die Tat um.
Charlie hatte erklärt, dass Ari sich zwei Minuten nachdem er gegangen war die Treppe "herunterstürzen" und die Vase umschmeißen sollte.
Der junge Mann schlich leise durch das gehasste Kinderhaus und trat auf den Balkon.
Die metallenen Stühle waren hässlich wie nie zuvor und der Tisch machte es auch nicht besser.
Er drückte sich an der Hauswand entlang und stand dann unter dem Fenster seines alten Zimmers.
Tief durchatmend wartete er auf das Klirren, das auch schnell ertönte, er hörte gedämpfte Schritte über sich, dann rannte er auf den See zu.
Als er vor dem Gewässer stand sprang er hinein und tauchte unter, den Stein fest in der Hand. Dieser begann zu leuchten und aufzubröckeln, wie ein Ei, dann hüllte Charlie das altbekannte Licht ein und das Letzte was er dachte war: Ich werde sie retten Ari, ich verspreche es dir!
Nach Luft schnappend zog er sich aus dem Teich im Düsterwald, Thranduil blieb auf der Bank sitzen und beobachtete ihn.
Als der Halbzwerg schließlich vor ihm stand erhob sich der König und geleitete ihn nach draußen.
„Bald gibt es das Abendmahl. Hast du angemessene Kleidung?", wollte der Elb wissen.
Charlie lächelte „Ja.", er hatte doch gewusst, dass es gut gewesen war, die Klamotten von Elrond doch zu behalten!
Thranduil führte ihn in den großen Thronsaal, in welchem sie von Legolas erwartet wurden, der Elbenprinz trug seine ausdruckslose Maske perfekt und verzog keine Miene als er Charlie zu seinem Zimmer führte.
Als sie vor der Tür angekommen waren lächelte der junge Halbzwerg und bedankte sich höflich.
Legolas Mundwinkel zuckten ein wenig und er schenkte dem anderen einen warmen Blick, dann verschwand er wortlos.
Vielleicht wollte er sich die Haare flechten und das beste Shampoo finden.
Charlie zuckte mit den Schultern, keine Ahnung was Elben in ihrer Freizeit taten!
In seinem Zimmer wurde er von Thorin erwartet, der nervös herumtigerte, wie ein Tier im Käfig.
„Du läufst noch eine Delle in den Boden.", sagte Charlie vorwurfsvoll und schloss die Türe.
„Dann muss das Spitzohr eben neue Böden verlegen lassen.", grummelte der Zwerg „Ich fasse es nicht, dass ich als Gast im Waldelbenreich sitze!"
Charlie schmunzelte und griff nach der Hand seines Gefährten.
„Du solltest nicht so über Thranduil schimpfen, immerhin hilft er uns." Beruhigend hauchte er dem Schwarzhaarigen einen Kuss auf die Stirn.
„Was hast du von deiner Schwester erfahren können?", wollte Thorin wissen und bugsierte ihn zum Balkon.
Er öffnete die Tür und sie traten hinaus. Umgeben von Bäumen und Vogelgezwitscher standen sie ans Geländer gelehnt, Thorin hatte die Unterarme auf dem Geländer abgestützt und Charlie hatte sich mit dem Rücken dagegen gelehnt.
„Es wird einen Krieg geben, wie ich es befürchtet hatte.", begann der Braunhaarige zu erzählen. Der Zwerg ließ den Kopf sinken, er hatte gehofft, dass es dazu nicht kommen musste.
„Doch Menschen, Elben und Zwerge werden zusammen gegen Orks kämpfen." Nun hob der Schwarzhaarige den Kopf überrascht an.
„Woher werden die Orks kommen?", wollte er dann wissen.
„Gundabad.", entgegnete Charlie und sah seinem Gefährten dabei nicht in die Augen.
„Und sie hat dir von den Einzelheiten der Schlacht berichtet?", wollte der Schwarzhaarige wissen.
„Das hat sie.", entgegnete der Halbmensch „Doch es dir im Detail weiterzugeben, wäre nicht klug."
„Aber... wird jemand sterben?", der Zwerg sah sehr beunruhigt aus als er sah, dass sich der Braunhaarige auf die Unterlippe biss und ihm nicht in die Augen schaute.
„Ja."
Thorin schluckte „Wer?", mehr war er nicht imstande zu sagen, die Worte blieben ihm im Halse stecken.
Auch Charlie atmete erst einmal tief durch, bevor er weitersprach: „Fili... und Kili."
Der Herzschlag des Königs setzte aus, er konnte nichts erwidern, öffnete den Mund ein paar Mal, schloss ihn jedoch wieder, ohne, dass ein Laut hervorgedrungen war.
Seine Familie würde umkommen, seine Neffen, seine... seine Söhne.
Die Kinder, die er von Geburt an kannte, für die er wie ein Vater war, würden unter seinem Kommando sterben.
Das durfte auf keinen Fall geschehen, sein Leben wäre zerstört, so wie das seiner Schwester.
„Noch jemand?", presste er hervor, eigentlich wollte er gar keine Antwort mehr bekommen, doch Charlie sprach: „Du."
Der König drehte sich zu ihm, sah ihn aus großen Augen an, aber der Halbzwerg starrte auf den Boden, mühte sich seine Tränen zurückzuhalten und wollte wieder reingehen.
Thorin hielt ihn am Oberarm fest und zwang den Jüngeren stehenzubleiben, er drückte sein Kinn hoch und sah ihm in die Augen.
Eigentlich wollte er sprechen, doch sein Gefährte kam ihm zuvor: „Ich habe einen Plan. Vertrau mir." Charlie sah sehr ernst aus und die grauen Augen funkelten.
„Ich werde nicht zulassen, dass jemand von euch stirbt."
Dann drückte er dem Schwarzhaarigen einen beruhigenden Kuss auf die Stirn und versuchte sich an einem Lächeln, welches kläglich scheiterte, aber Thorin zum Schmunzeln brachte.
„Wir werden auch diese Prüfung bestehen.", versprach er und küsste den Jüngeren zaghaft auf die Lippen.
Charlie drückte nochmals seinen Kopf gegen Thorins Schulter, weinte lautlos weiter.
Aber auch der Zwerg fühlte ein Unbehagen in der Magengrube, das konnte er dem Jüngeren nicht antun! Wenn dieser nur halb so viel empfand wie er für ihn, würde es ihn töten.
„Men lananubukhs menu.", flüsterte der Zwerg leise und drückte dem anderen einen Kuss auf den Kopf, wartete geduldig, bis dieser sich beruhigt hatte, dann brachte er ihn vorsichtig wieder nach drinnen und setzte ihn auf das Bett.
Charlies Tränen waren versiegt und er sah Thorin aus geröteten Augen entgegen.
„Wenn ich dich verlieren würde, wüsste ich nicht was ich tun soll. In Mittelerde kann ich endlich leben und habe nicht das Gefühl von allen beurteilt zu werden. Ich kann sein, wer ich bin und wer immer ich je sein wollte. Ich habe noch nie für jemanden so stark empfunden wie für dich und meine Gefühle lassen sich noch immer kaum bändigen. Ich werde alles tun, um dich zu schützen und wenn es mein Leben fordert."
Der Halbzwerg schlug verlegen die Augen nieder, die Maserung des Bodens war aber auch wirklich sehr interessant!
Thorin war sprachlos, setzte mehrmals zum Sprechen an, schloss aber den Mund immer wieder, denn „Es gibt keine Worte."
Charlie hob den Blick und ließ sich von seinem lächelnden Gefährten küssen, der ihn auch auf die Matratze drückte und an den Handgelenken festhielt.
Thorin küsste den Hals des Jüngeren, bis dieser verhalten aufstöhnte und sich aus dem Griff des Zwerges wand, um die Finger in dessen Haaren zu vergraben.
Dem Schwarzhaarigen war unterdessen das Leinenhemd im Weg also öffnete er die Schnürung und zog es seinem Gefährten über den Kopf. Andächtig strich er über die sehnige Haut, die die starken Bauchmuskeln verbarg und folgte gleich darauf mit den Lippen.
Charlie keuchte erstickt auf und drückte den Kopf ins Kissen.
Thorin machte sich gerade an der Hose des Jüngeren zu schaffen als die Tür geöffnet wurde.
„Ich soll euch zum Essen ho...", Kili verstummte und wurde knallrot.
Das Bild, welches sich ihm bot, war... er konnte es nicht sagen: Charlie, oberkörperfrei auf dem Bett und sein Onkel über ihm, gerade dabei, den Gürtel des anderen zu öffnen.
Die Röte vertiefte sich und der Jungzwerg stammelte: „Äh... tut mir leid... ich wusste nicht, dass ihr... ich... entschuldigung!... äh... ihr sollt zum Essen kommen!"
Dann zog er den Kopf schnell zurück und knallte die Türe hinter sich zu.
„Tja, tut mir ja leid, aber ich habe Hunger!", Charlie grinste entschuldigend und drückte dem grummelnden Thorin einen Kuss auf den Mund.
Dann kroch er unter ihm hervor und zog sich die silbern schimmernde Tunika über, da ihm seine schmutzigen Klamotten nicht unbedingt angemessen vorkamen (in Kapitel 6 ist eine ausführlichere Beschreibung des Gewandes).
„Ich bring ihn um!", knurrte Thorin, während er wartete, bis Charlie sich neu eingekleidet hatte.
„Wen? Kili?"
„Er hat mir mein erstes Mal mit einem Mann versaut!"
„Es hätte mich auch schwer gewundert, hättest du mit Dwalin geübt.", Charlie grinste und Thorin wurde rot.
„Du... du wirst doch... mir... alles... ähm... erklären...?", stammelte der Zwergenkönig verlegen. Der Halbzwerg hob überrascht den Kopf, lächelte aber.
„Natürlich! Es ist mir eine Ehre!"
Er drückte dem anderen einen Kuss auf den Mund, dann gingen sie, nachdem Thorin Charlies Frisur noch gerichtet hatte, in den Speisesaal.
Dort wurden sie von allen Zwergen angestarrt, Thorin warf Kili einen tödlichen Blick zu, der auch brav rot wurde und den Blick auf seinen Teller senkte.
Die zwei Gefährten setzten sich, der Halbzwerg neben Thranduil und der Schwarzhaarige neben ihn.
„Hattet ihr...?", wollte Fili wissen, der gegenüber von Charlie saß und dessen Gesicht auch ein Rotton zierte.
„Nein, wir wurden unterbrochen!" Nun warf auch Charlie Kili einen schiefen Blick zu.
„Aber ihr wolltet?", fragte der blonde Durinerbe weiter, sein Essen ungeachtet auf dem Teller liegenlassend.
„Ja, warum fragst du?", entgegnete Charlie, während er den Salat probierte, der wirklich nicht übel schmeckte.
„Eigentlich wird man erst nach der Hochzeit intim. Balin hat auch immer mal wieder komisch geguckt, immerhin hat Thorin auch nicht um dich geworben."
Der Halbmensch hob den Blick „Geworben?"
Fili nickte „Mit Geschenken und Aufmerksamkeit, mit Liedern und Gedichten, mit Haare flechten und Aufgaben übernehmen. Das ist Tradition, die vor allem Thorin hätte befolgen müssen."
Charlie zuckte die Schultern „Haare flechten können wir abhaken, aber gegen ein Ständchen hätte ich wirklich nichts."
Er sah zu seinem Gefährten herüber, der die Nase erstaunlich tief im Salat vergrub und etwas unverständliches murmelte.
Der Halbzwerg grinste und erinnerte sich an Kili und Tauriel.
Er würde ihn nachher auf eine Liebschaft ansprechen, nahm er sich vor.
„Thranduil?", sprach der junge Mann den Elb an als er genug Mut gesammelt hatte.
Dieser drehte den Kopf und sah ihn aus seinen stechend blauen Augen an „Ja, bitte?"
Charlie atmete nochmals tief durch und fragte: „Wisst ihr, wo mein Vater sich aufhält?"
Der Elbenkönig legte das Besteck nieder und dachte nach.
„Arandil, der Waldläufer.", murmelte er „Seine Sippe und die unsrige hatte sich schon immer gut verstanden. Wir teilten Ansichten über Wälder, Jagd und Freiheit. Dein Vater führte die östlichen Truppen in Schlachten und ließ sie die Winter überleben. An einem schrecklich kalten Tag kam er das erste Mal zu mir und bat um eine Audienz. Wegen seines vorbildlichen förmlichen Verhaltens ließ ich die Waldläufer in meinem Reich ruhen, versorgte Wunden und Kranke. Seitdem kamen sie jeden Winter und immer wurden sie freundlich empfangen. Doch letztes Jahr war Arandil nicht mehr unter ihnen, ich erkundigte mich nach ihm und mir wurde gesagt, er ginge zur letzten Ruhestätte deiner Mutter, denn du warst volljährig geworden. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört und wenn ein Waldläufer nicht gefunden werden möchte, wird er nicht gefunden."
Charlie senkte betrübt den Kopf.
Er hatte gehofft, Thranduil könnte ihm weiterhelfen, doch auch er wusste nicht, ob sein Vater nicht schon längst gestorben war.
„Verliere die Hoffnung nicht, kleiner Halbmensch. Denn du weißt, dass dein Vater dich geliebt hat." Thranduil lächelte dieses minimalistische Lächeln, das winzigste Heben der Mundwinkel.
Auch der Jüngere lächelte und widmete sich wieder seinem Essen, er war beruhigt worden, was aber auch an dem sanften Streicheln von Thorins Hand auf seiner Eigenen hätte liegen können.
2417 Wörter, 03.09.2020
Also, ich poste das Kapi schon heute, weil ich morgen und am Samstag zusammen mit meiner Familie und meiner besten Freundin auf eine Ranch fahre und im Sattel lässt es sich schlecht schreiben! ;)
Euch eine schöne Restwoche und bis nächsten Samstag!
-Aranel
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