Jemanden Anderes

Kapitel 22 - Jemanden Anderes

Fuyumi POV.

"Katsuki also...." murmelte ich und starrte auf den Fotoausdruck in meiner Hand.

Solche Liebe, wie sie diese vier Bilder ausstrahlten, hatte ich noch nie gesehen....

Es war mitten in der Nacht und Natsuo und ich hatten uns in Shotos Zimmer geschlichen. Auch wenn Vater uns verboten hatte, ihn zu sehen, taten wir es trotzdem.

Er war unser kleiner Bruder! Wir würden immer für ihn da sein, wenn er Schwierigkeiten hatte. Und das hier waren große Schwierigkeiten.

"Ja..... Ein wunderschöner Name für eine wunderschöne Person...." schmunzelte Shoto.

Er saß auf seinem Bett, Natsuo neben ihm. Ich hatte mich vor sein Bett im Schneidersitz auf den Teppich gesetzt.

Touya war heute Nachmittag mit Himiko und Akiko nach Hause gefahren. Seit gestern hatte er kein Wort mehr mit Vater gesprochen. Sobald sie sich in einem Raum befanden, schien alles viel angespannter und meistens verließ Touya diesen Raum dann.

Shoto hatte sich geweigert, aus seinem Zimmer zu kommen. Er meinte, er wolle nicht das Risiko eingehen, Vater zu treffen. Deshalb hatte Touya mir beim Verabschieden Shotos Portmonaie in die Hand gedrückt, mit den Worten, dass Katsuki es vorbei gebracht hätte.

Ich wusste, dass das eine gefährliche Aktion gewesen war. Wenn Vater ihn gesehen hätte..... Ich wollte mir nicht ausmalen, was dann hier los gewesen wäre.

"Es tut mir so so leid, was ihr durchmachen müsst. Ihr solltet lieben dürfen, wen ihr wollt...." seufzte ich den Tränen nahe.

"Es ist nicht gerecht, was Vater da abzieht. Schließlich habt ihr nichts verbrochen." stimmte auch Natsuo mir zu und legte seinem Bruder einen Arm um die Schultern. Dieser lächelte.

"Schön, dass wenigstens ihr auf meiner Seite seid......"

"Natürlich! Wir sind doch Geschwister, wir halten immer zusammen! Das würde Touya sicher auch sagen, wenn er hier wäre."

Shoto sah auf seine Hände.

"Das mit Touya..... Ich habe es immer noch nicht wirklich verstanden. Er hat versucht, mit diese Beziehung auszureden, noch bevor wir überhaupt zusammen waren.... Aber so wie ich das verstanden habe, war er selbst in einen Mann verliebt."

Ich schluckte.

"Touya...... Hat vor zehn Jahren dasselbe durchgemacht wie du jetzt. Touya ist schwul."

Shoto blinzelte.

"Wirklich? Ich wusste zwar, dass er Himiko nicht aus freien Stücken geheiratet hat, aber ich dachte, er würde sie inzwischen lieben. Immer hin haben sie eine Tochter..."

Natsuo verzog das Gesicht.

"Glaub mir, er liebt sie nicht. Er liebt Keigo und das seit über zehn Jahren. Keigo war ein netter Mann. Ich weiß nicht, ob du dich an ihn erinnerst. Ich glaube, du hast ihn einmal getroffen, als unsere Eltern nicht zu Hause waren und Touya ihn eingeladen hatte. Du warst acht Jahre. Deshalb hast du auch von dem ganzen damals kaum etwas mitbekommen."

Shoto rutschte nervös auf seinem Platz herum und sah uns abwartend an. Ich seufzte.

"Touya und Keigo waren drei ganze Jahre zusammen, aber natürlich nur heimlich, da er sich nicht sicher war, wie unsere Eltern darauf reagieren würden. Sie hatten nie deutliche Zeichen gegeben, dass sie Homosexualität verabscheuen würden, aber auch nicht, dass sie es lieben würden. Ich glaube, Touya ging davon aus, dass sie ihn liebten wie er war und es ihnen egal war, wen er liebte, solange er glücklich war...."

"Dem war nicht so..." beendete Shoto.

Wir nickten.

"Touya hatte vor, Keigo einen Antrag zu machen. Er war wirklich total verknallt in ihn. Aber er wollte es vorher unseren Eltern erzählen. Es war an einem Abend, als du bei Izuku übernachtest hast...... Wir saßen beim Abendessen und Touya hat stolz verkündet, dass er sich bald verloben würde...."

Ich wusste, dass Natsuo damals total verstört war und das Ganze kaum verarbeiten konnte. Ich hatte mich schon immer schlecht deswegen gefühlt, weil ich besser auf ihn hätte aufpassen sollen. Ich hätte merken müssen, dass wir hätte gehen sollen, als Vater gar nicht glücklich darüber war, dass sein Sohn sich mit einem Mann verloben wollte.

Dann hätte ein elfjähriges Kind nicht sehen müssen, wie sein eigener Vater seinen Bruder schlug.

"Mutter und Vater gingen natürlich sofort von einer Frau aus, aber als Touya dann die Bombe platzen ließ, waren sie natürlich alles andere als erfreut. Vater ist ausgerastet und hat Teller durch den Raum geschmissen. Irgendwann hat er Touya sogar geschlagen.... Dann habe ich Natsuo aus dem Raum gezogen. Wir haben uns in meinem Kinderzimmer versteckt, aber konnten trotzdem jedes Wort mit anhören. Wie Vater sagte, dass Touya nicht mehr sein Sohn sei und dass er gefälligst ein Mann sein sollte und eine Frau heiraten sollte."

Shoto war ganz blass geworden.

"Ich weiß noch, dass Vater eine Woche kein Wort mit Touya gewechselt hat und ich schon total verwirrt war, wieso..... Dann kam auch schon Himiko."

Wir nickten.

Shoto legte seine Hände auf sein Gesicht und seine Schultern bebten. Es zerbrach mir das Herz, wie verletzt er aussah.

Schnell stand ich auf und nahm ihn in den Arm.

"Mir war bewusst, dass sie diese Beziehung niemals akzeptieren würden. Aber ich habe gedacht, wir würden das schon schaffen, weil..... Liebe besiegt doch alles, oder nicht?"

Ich sagte dazu nichts. Natürlich wollte ich glauben, dass er das durchstehen würde. Mit Katsuki. Aber gleichzeitig dachte ich daran, dass nicht einmal Touya sich dagegen hatte wehren können.

War es dann also unmöglich, Vater zu entkommen?

"Wir können Vater alles zutrauen.... Shoto, so sehr ich dir diese Beziehung auch gönne, aber..... Es ist zu gefährlich. Willst du ihn da wirklich mit rein ziehen?" sagte Natsuo niedergeschlagen.

Shoto schüttelte den Kopf.

"Auch wenn ich das Gefühl habe, zu ersticken, wenn ich daran denke, die Beziehung mit ihm zu beenden, ist es besser für ihn. Er wird jemanden anderes finden. Jemand, der sicher ist."

Er löste sich von mir und wischte sich über die Wangen.

"Jemanden, mit dem er glücklicher sein kann...."

-

Katsuki POV.

Tief in meinen Gedanken versunken hörte ich dem Gespräch meiner Freunde gar nicht zu. Es waren ein paar Tage vergangen, seit ich bei den Todorokis zu Hause gewesen war und Touya getroffen hatte.

Meine Sorgen waren seit diesem Tag nicht weniger geworden. Egal, wie oft ich ihn angerufen hatte oder ihm geschrieben hatte, ich konntenihn einfach nicht erreichen. Und in die Schule kam er auch nicht.

Was, wenn es ihm ernsthaft schlecht ging? Was, wenn er mich brauchte?

Aber dann würde er mir doch Bescheid sagen?!

"Hey! Erde an Katsuki!"

Ich blinzelte und sah Mina an, die mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum wedelte.

"Was gibt's?"

"Wir haben gerade überlegt, ob wir mal wieder was trinken gehen wollen." erklärte Eijiro.

Ich zuckte mit den Schultern. "Meinetwegen...."

Ich hatte keine Lust, mit ihnen ein Gespräch zu beginnen. Ich wusste, dass sie das stutzig werden ließ. Immer hin gab ich sonst zu allem meinen Senf dazu. Aber nicht jetzt.

"Bakugou."

Ich sprang wie von der Tarantel gestochen auf, als ich diese Stimme hinter mir hörte. Dass ich mich dabei an dem Tisch stieß, war mir egal.

Meine Freunde drehten sich ebenfalls um.

"Shoto!" rief ich erleichtert aus.

Ich ging ein paar Schritte auf ihn zu. Egal, dass meine Freunde uns sahen. Ich war zu erleichtert, um jetzt so zu tun, als würde ich ihn hassen.

"Ich hab mir Sorgen gemacht! Warum sagst du mir nicht, was los ist?! Du hast auf keine Nachichten oder Anrufe reagiert..." meinte ich empört.

Shoto sah mich ausdruckslos an. Ich schluckte.

"Ich mache Schluss." sagte er, ohne mit der Wimper zu zucken.

"Was.....?"

Etwas in mir zerbrach in tausend Einzelteile.

Das konnte er nicht ernst meinen! Er machte bestimmt nur einen Witz, um mich zu ärgern!

"Shoto, das ist nicht witzig..." krächzte ich.

"Ich meine es auch todernst." meinte er mit einer Kälte in der Stimme, die meinem Herzen wie ein Eispfeil einen Stich versetzte. "Ich habe bekommen, was ich wollte. Bakugou, ich dachte, du würdest es nicht leiden, dass ich jeder Frau das Herz bereche und jetzt passiert es dir selber."

Es war, als würde sich eine Hand um meine Lunge legen und mir das Atmen erschweren. In meinem Hals brannte es. Wie immer, wenn ich meine Tränen unterdrückte.

"Dann war das alles nie ernst gemeint, was du gesagt hast...? Du liebst mich nicht..... Du willst nicht dein ganzes Leben mit mir verbringen..... Du....." stammelte ich wie in Trance.

"Ganz genau. Ich war nur auf Sex aus. Es war interessant, aber ein Mann ist einfach nichts für mich. Ich bin wohl einfach hetero. Danke, dass du mir das gezeigt hast."

Lichtpunkte tanzen vor meinen Augen, als er sich umdrehte und zum Gehen wand.

"Ach, und eins noch. Nenn mich bitte Todoroki, Bakugou."

Mit jedem Schritt, den er sich von mir entfernte, fühlte ich einen Stich in der Brust.

Er hatte mich nie geliebt. Shoto wollte nur an meinen Körper. Und ich war so dumm gewesen und war auf ihn hineinangefallen.

Ich, obwohl ich mir geschworen hatte, keine Beziehung zu haben. Ich, obwohl ich mir geschworen hatte, mich nicht in Shoto zu verlieben, nur weil er meinen Freund spielte.

Ich hätte mich daran halten sollen, denn jetzt war es schon zu spät. Jetzt hatte er mein Herz gebrochen, wie er es schon bei jeder x-beliebigen Frau getan hatte.

Ich war so erbärmlich!

1514 Wörter

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