~7. Kapitel~ [Eyla]
Zur Mittagszeit ging Eyla hinunter zum Mittagessen, wo Christina und Terry schon auf sie warteten. Schweigend nahmen sie das warme Essen zu sich. Anschließend spülten sie und Terry das dreckige Geschirr, als etwas gegen die Fensterscheibe stieß. Es war Tylavis. Eyla öffnete ihm das Fenster und er sprang ausgelastet auf den mit Fliesen belegten Boden. Am Nachmittag war noch nichts geplant und da Tylavis Spaß daran hatte, sich mit der Sprache der Menschen zu beschäftigen, fragte Eyla ihn, ob er nicht Lust hätte, dass sie ihm das ein wenig beibrachte. Der Drache stimmte begeistert zu und war noch glücklicher als vorher, wenn das überhaupt noch ging. Zwei Stunden lang beschäftigten sie sich damit, eingeschlossen in ihr Zimmer. Terry, der unbedingt dabei sein wollte, malte währenddessen ein Bild und sah hin und wieder zu ihnen herüber. Schon am Anfang stellte Eyla belustigt fest, dass ihr neuer Freund nicht sehr viel Geduld hatte. Das konnte daran liegen, dass er noch sehr jung war, trotzdem hielt er sich tapfer und er lernte schneller als jedes andere Lebewesen. Eyla fragte sich, ob alle Drache so intelligent waren, aber dann wurde ihr bewusst, dass sie nicht einmal wusste, ob noch andere Drachen existierten. Vielleicht war Tylavis sogar ein Einzelexemplar, der einzige lebende Drache auf der ganzen Welt, womöglich im gesamten Universum. Das kam Eyla aber unwahrscheinlich vor. Wie sollte er denn entstanden sein, wenn es keine anderen seiner Art gab? Nach dem Unterricht konnte Tylavis vollständige Wörter in Deutsch sagen, auch wenn es sich etwas ungewöhnlich anhörte. Etwa so, als würde ein Ausländer mit Akzent reden. Die beiden machten eine Pause, als Tylavis Geduld aufgebraucht war. Eyla holte sich ein Glas Wasser aus der Küche. Ein fast unbekanntes Tier zu unterrichten war gar nicht so leicht, wie sie zuvor gedacht hatte, aber zum Glück verstand Tylavis sie und das war dabei ein entscheidender Vorteil. Wieder im Zimmer fuhren sie mit ihrer neuen Spezialbeschäftigung, dem Üben, fort. Diesmal half ihnen auch Terry. Müde und erschöpft hörten sie nach einer weiteren Stunde auf. Eyla legte sich auf ihr Bett und starrte die Decke an, ihr Bruder verschwand in das Wohnzimmer und Tylavis machte sich auf zur Jagd, denn er bevorzugte frisches Fleisch zum Abendessen. Am nächsten Morgen drängte sich der Lärm des Weckers in Eylas Traumwelt. Sie hatte ihn am Vorabend gestellt, damit sie den Besuch ihrer Großmutter nicht verschlief, auch wenn sie genau das am liebsten tun würde. Der Drache, der die Nacht über wieder unter dem Schreibtisch geschlafen hatte, wurde wegen des unerwarteten Geräusches aus seinem Schlaf gerissen und sprang voller Angst umher, auf der Suche nach dem unbekannten Klingeln. »Tschuldigung Tylavis«, sagte Eyla grinsend. »Vielleicht hätte ich dich vorwarnen sollen!« Sie schaltete den Wecker aus. Der Drache knurrte zustimmend, nachdem er sich beruhigt hatte. Der Besuch von Oma Lisbeth sollte um neun Uhr dreißig beginnen und natürlich klingelte um punkt halb zehn die Klingel der Haustür. Wiederwillig folgte Eyla ihrer Mutter. Sie hoffte nur, dass Tylavis sich an die Abmachung hielt und vor Christina und Lisbeth verborgen blieb. Was er in der Zeit machte, blieb ihm überlassen. Christina öffnete die Haustür. Sofort fiel Eyla auf, dass Lisbeth anders aussah als sonst; Anstatt ihrer ansonsten glatten, kurzen, grauen, Haare waren sie nun auffällig gewellt. »Hallo meine liebste Tochter«, quiekte sie fröhlich zu Christina. Ihr Blick wanderte weiter zu Eyla und Terry. »Na so was. Euch zwei kleine Spätze gibt es ja auch noch!« Dabei hörte sie sich an, als würde mit Kindergartenkindern sprechen. Genervt murmelte Eyla: »Stell dir vor.« Das brachte ihr von ihrer Mutter einen wütenden Blick ein, die direkt neben ihr stand. Christina trat einen Schritt vor und nahm Lisbeth ihre Jacke ab. Zusammen setzten sich die vier Personen ins Wohnzimmer, dann begann Lisbeth zu erzählen, was das Zeug hielt. Terry warf Eyla einen hilfesuchenden Blick zu, doch diese zuckte nur mit den Schultern. Sie hatte versucht, Christina zu überzeugen, dass sie und Terry auf ihren Zimmern bleiben konnten, da sie sowieso nur im Weg wären, Christina aber hatte standhaft darauf bestanden, dass alle Familienmitglieder anwesend sein sollten, schließlich war es selten, dass Besuch kam und es wäre unhöflich, wenn die Enkel der Besucherin nicht da wären, wo Lisbeth sich so sehr auf sie gefreut hatte. Eyla teilte diese Ansicht nicht, aber da ließ sich nichts machen. Gelangweilt hörte sie den scheinbar endlosen Geschichten zu, wobei die Hälfte vermutlich erfunden war. Bevor Lisbeth ihre achte Geschichte anfangen konnte, unterbrach Christina sie. »Sollen wir nun zu Mittag essen, Mutter? Ich habe schon alles vorbereitet. es muss nur noch warm gemacht werden. Terry, komm und hilf mir.« Die Beiden verließen das Wohnzimmer und verschwanden in der Küche. Eyla lehnte sich auf dem Sofa zurück und genoss die kurzzeitige Ruhe, die jedoch nicht lange anhielt. Oma Lisbeth wechselte den Platz und setzte sich direkt neben sie. »Und Kindchen, spielst du immer noch so gerne mit den Puppen, die ich dir damals geschenkt habe?« Eyla stöhnte innerlich auf. Wann begriff ihre Oma endlich, dass sie nicht mehr das junge, unerfahrene Kleinkind von früher war. »Ich bin doch schon fast erwachsen! Da spiele ich natürlich nicht mehr mit Puppen!« Ihre Großmutter stieß ein undefinierbares Geräusch aus. »Schon gut Süße. Ach, wie knuddelig du und dein Bruder doch seid«, schwärmte sie und lachte über ihre eigenen Worte. Eyla verdrehte daraufhin nur ihre Augen. Ihre Oma streckte die Hand nach ihr aus und berührte mit den Fingern ihre Wange. »Putschiputschiputschi«, quietschte sie vergnügt. Grundgütiger! Diese Frau hatte vielleicht Nerven!
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Danke fürs Lesen und bis zum nächsten Teil😉
Liebe Grüße, Sonnenfunke
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