~4. Kapitel~ [Eyla]

Am nächsten Morgen wurde Eyla schon früh geweckt. Bereits um halb sieben, wie die Uhr ihres Weckers ihr zeigte, war Tylavis hellwach und sprang ungeduldig durch das kleine Zimmer. Schließlich ergab sich Eyla. So früh aufstehen und das in den Ferien!
Draußen war es ungewöhnlich hell, diesmal verdeckte keine Wolke die gerade aufgehende Sonne. Sie färbte den Himmel rosa und tauchte die ganze Stadt in ein schönes, warmes Licht.
Noch eingehüllt von der Wärme ihres Bettes stieß Eyla ihre kuschelige Decke zur Seite. Sie fröstelte, als ihre nackten Füße den kalten Boden berührten. Rasch zog sie sich um und schlüpfte in die Hausschuhe. Geräuschlos öffnete sie die Zimmertür, woraufhin Tylavis an ihr vorbeistürmte. Das Mädchen wollte noch eine Warnung rufen, doch da war es schon zu spät. Auf dem glatten Boden des Flures fanden die Klauen des Drachen keinen Halt und er glitt in vollem Tempo auf die Holztreppe zu. Aufgeregt kreischend schoss Tylavis über die erste Stufe hinaus. Instinktiv breitete er seine Flügel aus und konnte sich dadurch gerade noch vor einem schlimmen Sturz bewahren, und obwohl sein Körper vor Anstrengung zitterte, konnte er sich in der Luft halten. Er segelte gefährlich schwankend so knapp über die Treppenstufen, dass sein Bauch die Kanten streifte. Unten angekommen brachte er eine sehr unelegante Landung zustande und krachte gegen die Wand.
»Wahnsinn«, hauchte Eyla, die diesen spektakulären Fall wie gebannt beobachtet hatte. Eine Etage tiefer rappelte Tylavis sich auf und sah begeistert zu ihr auf, seine Augen leuchteten.
Bei einer unerwarteten Bewegung auf dem Flur fuhr Eyla herum. Ihre Mutter kam verschlafen aus ihrem Zimmer, keine zwei Meter von ihr entfernt. Sie trug einen grauen Schlafanzug, ihre Haare waren noch ganz verwuschelt.
»Was ist denn hier los?«
Erschrocken sah Eyla sie an. »Ich bin...« Sie überlegte fieberhaft. »Schlafgewandelt.«
Christina schien noch nicht richtig wach zu sein, denn sie bemerkte nicht, dass ihre Tochter keine Schlafsachen mehr anhatte. Sie grummelte nur etwas Unverständliches und schlürfte in ihren Raum zurück. Unwillkürlich musste Eyla grinsen. So hatte sie Christina auch noch nie gesehen. Sie llief zu Tylavis hinunter, nahm jedoch, im Gegensatz zu ihm, alle Treppenstufen einzeln. Doch dieser war nicht mehr da. Sie hörte ein gedämpftes Geräusch aus der Küche. Im Türrahmen blieb sie stehen. Der Anblick, der sich ihr bot, brachte sie zum Lachen. Kopfüber steckte der Drache in einer Schachtel mit Speck, seine Beine strampelten in der Luft, als er versuchte, ein weiteres der kleinen Fleischstücke zu erreichen. Um ihn herum lagen Scheiben von Käse verstreut auf dem Boden, der Kühlschrank stand offen.
»Wie zur Hölle hast du es geschafft, den Kühlschrank zu öffnen?«, fragte Eyla den Drachen und versuchte dabei möglichst ernst zu klingen. Dieser schreckte beim Klang ihrer Stimme zusammen und zog seinen Kopf aus der Schachtel. Einen kleinen Rülpser ausstoßend fiepte er: »Hugger!« Eyla nickte, als wüste sie nun genau Bescheid.
»Und Käse magst du scheinbar nicht.«
Schnell räumte sie alle Sachen weg, überließ ihm aber seine Fleischbox. Hoffentlich hatte Christina nicht vor, daraus unser Mittagessen zu machen! Eyla fiel auf, dass Tylavs immer wieder sehnsüchtig zum Fenster schaute. Er will raus. Zweifel stiegen in ihr auf. Wird er dann weglaufen? Sie wollte nicht, dass er wegging. Der Gedanke, dass Terry und sie wieder alleine mit Christina im Haus waren, war fast unerträglich. Andererseits konnte sie den Drachen nicht für immer einsperren. Und innerlich wusste ganz genau, dass sie das jetzt tun musste.
Besorgt ging sie zur Hintertür im Esszimmer, die in den Garten führte, und öffnete sie. Tylavis legte den Kopf schief. Es sah aus, als würde er nachdenken. Dann ließ er von seiner Mahlzeit ab und tapste durch die Küche bis in den Garten. Zufrieden hob er seine Flügel an und ließ den Wind unter ihnen hindurch gleiten. Neugierig sah er sich auf der von Bäumen umgebenen Fläche um und schnupperte in der Luft.
Ein leises Rascheln erregte seine Aufmerksamkeit, er horchte auf und sah sich um. Zwischen zwei Brombeerbüsche wühlte ein kleines, hellbraunes Eichhörnchen in einem Haufen von braungefärbten Blättern.
Ohne zu überlegen sprang Tylavis vor und stürzte auf das Tier zu. Das Eichhörnchen schreckte auf und hetzte in Todesangst in Richtung Wald. Auf dem Boden brachte ihm seine Flinkheit nichts, weshalb es langsamer und ungelenkiger als auf den Ästen der Bäume war. Eyla war erstaunt über die Schnelligkeit von Tylavis und die Kraft seiner kurzen Beine.
Ob er es fangen wird?
Der Drache hatte schnell aufgeholt und war nur noch wenige Zentimeter von seiner Beute entfernt. Seine Aufmerksamkeit war vollständig auf das gejagte Tier gerichtet und aus diesem Grund bemerkte er zu spät die Ranke des Efeugewächses. Seine Beine verfingen sich und er stürzte in das weiche Gras. Schnell flüchtete das Eichhörnchen auf eine Birke und brachte sich in Sicherheit. Tylavis jaulte enttäuscht auf und versuchte hinter ihm den Stamm hochzuklettern. Doch die Rinde war feucht und glitschig und es war unmöglich für ihn, seine Beute noch zu erwischen. Entrüstet schüttelte er den Dreck von seinem Körper, wartete noch einen Moment reglos vor dem Baum und suchte nach dem Tier. Von ihrem Platz an der Hintertür aus verfolgte Eyla das braune Fellbündel mit ihren Augen, bis auch sie es nicht mehr zwischen all den Ästen erkennen konnte. Tylavis hüpfte zu ihr zurück und peitschte wütend mit dem dunklen Schwanz.
»Ist ja gut Tylavis«, amüsierte Eyla sich. »Es ist ja kein Weltuntergang!«
Beleidigt schüttelte er seinen hübschen Kopf. »Hugger.«
»Du hast doch gerade erst gefrühstückt. Wie kann so ein kleines Tier nur so viel essen?«
Er bereitete seine Flügel aus. »Tyylaawissss, hugger!« Es war äußerst ungewöhnlich, dass er versuchte die Sprache der Menschen zu sprechen, aber Eyla gefiel es. So konnten sich Tiere und Menschen viel besser verständigen und das brachte Frieden zwischen ihnen. Aber was wunderte sie sich noch über ungewöhnliche Dinge? Schließlich stand gerade in waschechter Drache vor ihr!
»Ok«, sagte sie. »Ich glaube wie haben im Gefrierschrank noch Fleisch. Das scheinst du ja zu mögen.« Damit schien der Drache sich zufrieden zu geben, denn er verschwand wieder im Haus. Erleichtert schloss Eyla die Tür hinter sich und machte sich daran, dass Fleisch zu holen. Sie selbst schmierte sich ein Brot. Gerade als sie fertig mit dem Essen war, kam Christina herunter zu ihr. Dank Tylavis' gutem Gehör konnte er sie vorwarnen. Gleichdarauf verschwand er in das Wohnzimmer, inzwischen war ihm bewusst geworden, dass es besser war, wenn die Frau ihn nicht sah. Eyla konnte sich denken, dass er nicht genau verstand, warum es so war, aber sie war froh über seine Zustimmung.
Sie räumte den Tisch auf und beachtete ihre Mutter nicht weiter. Den Teller stellte sie in die Spülmaschine. Sollte ihre Mutter sich wundern, warum sie schon so früh auf war, so sagte sie nichts dazu. Dennoch sprach Christina sie an.
»Du gehst heute in die Stadt und kaufst Fleisch. Ich dachte eigentlich, ich hätte noch was, aber ... egal. Jedenfalls brauch ich das für den Besuch von Lisbeth.«
Schön auch, dass du mich gefragt hast, ob ich das überhaupt erledigen möchte! Trotzdem stieß sie nur ein knappes »Mach ich« hervor und verließ die Küche. Sie hatte keine Lust, sich den Tag wegen eins Streits verderben zu lasse. Und ausgerechnet Oma Lisbeth! Wie kann man nur so komisch sein, wie sie es ist?
Schnell sagte sie Tylavis Bescheid, der begeistert von dem Ausflug auf den Markt war. Mit etwas Geld in der Tasche verließ sie zusammen mit dem Drachen das Haus.
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Fertiiiiggg!! Endlich bin ich mal wieder zum Schreiben gekommen!

Was sagt ihr dazu?😊❤

Danke fürs Lesen und weiter noch viel Spaß!!😇

~Sonnenfunke

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